FF Wentworth Miller

Das Forum für aufstrebende Künstler und Autoren.
anyone

FF Wentworth Miller

Beitrag von anyone »

Hey Leute!
Ich bin ganz neu hier und dementsprechend unsicher, ob ich meine erste FF über Went hier veröffentlichen soll.
Ich hab früher schon einige FF's geschrieben (nicht über Went), allerdings ist das schon länger her und ich bin etwas aus der Übung gekommen...

Deshalb hab ich mir gedacht, ich frag einfach mal nach eurer Meinung. =))
Ich würde sie dann "stückweise" veröffentlichen, damit ihr zum jeweiligen Teil eure Kommentare und Kritik anfügen könnt.
Was denkt ihr?

Danke schon mal im Voraus für eure Antworten!
nina1987

Beitrag von nina1987 »

also ich würde mich freuen wenn du es veröffentlichen würdest :up:
Wentpris

Beitrag von Wentpris »

hab dir ne PN geschickt :)
nicht so schüchtern! ich würd gern deine ff lesen:D
Zuletzt geändert von Wentpris am 03.02.2008, 16:58, insgesamt 1-mal geändert.
tigertone

Beitrag von tigertone »

schließe mich an - her mit dem ersten kapitel :D
anyone

Beitrag von anyone »

okay, danke für die rückmeldungen! :)
ich stell mal den anfang rein... wie gesagt wäre ich extrem froh für weitere feedbacks, damit ich mich verbessern kann! ;)

ach ja und noch was: danke fürs lesen. :D
viel spass...



Schatten der Vergangenheit


~Marylou~

„Bis später, Dad!“, verabschiedete ich mich von meinem Vater.

Mein Vater war toll. Da ich sein einziges Kind und dazu noch eine Tochter war, liebte er mich abgöttisch. Er war schon immer unglaublich stolz auf mich gewesen und hatte immer alles Mögliche für mich getan.
Als meine Mutter jedoch an Krebs erkrankte, kostete ihn dies sehr viel Kraft.
Meine Eltern hatten sich immer sehr geliebt; Noch nach zwanzig Ehejahren hatten sie sich wie ein frisch verliebtes Pärchen verhalten.
Meine Mutter verlor jedoch den Kampf gegen den Krebs und starb, als ich fünfzehn Jahre alt war. Von da an hatte mein Vater fast keine Lebenskraft mehr. Er raffte sich nur noch meinetwegen so gut es ging auf, alterte jedoch extrem schnell. Seine Energie und seine Gesundheit liessen rapide nach, was mich automatisch den Platz von Mom einnehmen liess. Seither kümmerte ich mich um den Haushalt und um Dad.

Es war ein wunderschöner, warmer Samstag und ich hatte beschlossen, mit Liam an die frische Luft zu gehen. Ich ging oft mit ihm in den nahegelegenen Stadtpark spazieren.
Es war ein wunderschöner Park, mit kleinen Kieswegen, Bäumen, Blumen und Brunnen.
Zudem liebte Liam den Spielplatz dort. Und ich liebte es, ihm dabei zu zusehen wie er spielte und dabei vor Freude jauchzte.
Ich liebte es, ihn glücklich zu sehen.
Leider war Samstag der einzige Tag in der Woche, an dem ich mich von morgens bis abends um ihn kümmern und so die Zeit mit ihm verbringen konnte, da ich alleinerziehende Mutter war und sonst jeden Tag als Kellnerin arbeitete.
Es fiel mir sehr schwer, zu den Müttern zu gehören, die ihr Kind morgens in einer Kindestagesstätte abgaben, arbeiten gingen und abends wieder von dort abholten.
Aber mir blieb keine andere Wahl, da mein Vater zu schwach war, um sich einen ganzen Tag lang um Liam kümmern zu können.
Deshalb lag mir sehr viel am Samstag. Wenigstens einen Tag in der Woche wollte ich voll und ganz für Liam da sein.


~Wentworth~

Es gibt Tage im Leben, an denen man morgens am besten gar nicht erst aufstehen sollte. So ein Tag war heute.
Alles hatte damit begonnen, dass der Wecker eine Stunde zu spät geklingelt hatte. Innerhalb von zehn Minuten musste ich mich also fertig machen, um zum Dreh von PrisonBreak zu fahren. Als ich unter die Dusche sprang, war das Wasser erst siedend heiss und danach eisig kalt. Und natürlich war die Duschseife beinahe alle, also musste ich erst mal kräftig die Flasche schütteln. Zu kräftig, wie sich kurz darauf durch einen brennenden Spritzer ins rechte Auge herausstellte.
Als wäre das alles nicht genug, funktionierte der Aufzug heute nicht… Also blieb mir nichts anderes übrig, als vom vierten Stockwerk, in dem sich mein Apartment befand, die Treppe runter ins Parterre zu hasten.
Leider wurde der Tag während des Drehs nicht besser. Im Gegenteil: Zuerst wurde mir das Tattoo falsch aufgeklebt, dann konnte das Licht nicht richtig eingestellt werden, und als endlich alles geklappt hätte, fiel der Strom für eine halbe Stunde lang aus. Als wir endlich weitermachen konnten, war ich so aufgekratzt, dass mir die Szenen nicht so gelangen, wie ich sie gerne gespielt hätte. Auch der Regisseur merkte mir an, dass ich heute nicht die gewohnte Leistung erbringen konnte. Er schickte mich daher für heute nach Hause, mit der ausdrücklichen Aufforderung, beim nächsten Mal wieder brauchbar zu sein. Wütend und gereizt kam ich also Stunden später wieder zu Hause an.
Um mich irgendwie zu beruhigen und einen klaren Gedanken fassen zu können, beschloss ich, in den Park an die frische Luft zu gehen.

Anfangs hatte ich keine Augen für das, was um mich herum geschah. Doch dann hörte ich auf einmal dieses Lachen. Augenblicklich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Suchend liess ich meinen Blick über den Spielplatz schweifen, solange, bis ich die Frau entdeckt hatte, von der das Lachen stammte. Sie zog mich sofort in ihren Bann und machte es mir unmöglich, den Blick wieder von ihr abzuwenden.
Sie kauerte bei einem kleinen Jungen im Sand und half ihm dabei, ein kleines Sandkunstwerk zu bauen. Kein einziges Mal schien sie abgelenkt zu werden, der Junge bekam ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie beobachtete ihn lächelnd, wie er Sand in eine Form füllte und half ihm anschliessend, die Form umzukippen.
Und ich stand wie gebannt etwas abseits und beobachtete das Geschehen. Vergessen war all der Ärger, den ich heute empfunden hatte. Es gab nur noch diese Frau mit diesem kleinen Jungen.


~Marylou~

Mit etwas Mühe stiess ich die Tür zu unserer kleinen Wohnung auf.
„Hey Dad! Wir sind wieder da!“ In der rechten Hand hielt ich einige Briefe und auf dem linken Arm trug ich Liam. Kaum war ich eingetreten, liess ich Liam runter.
„Geh noch etwas spielen, damit Mami das Nachtessen vorbereiten kann, ja?“, sagte ich zu ihm, worauf er in sein Spielzimmer rannte. Lächelnd sah ich ihm hinterher.
Kaum zu fassen, dass Liam nun schon seit drei Jahren auf der Welt war.
Manchmal fragte ich mich, ob ich ohne ihn überhaupt wieder zum Leben zurückgefunden hätte. Er war der einzige Grund gewesen, wieso ich mich damals wieder aufgerafft hatte und mein Leben wieder in den Griff bekommen wollte. Wäre ich nicht schwanger gewesen… Trüge ich nicht die Verantwortung für meinen Sohn, ich weiss nicht, ob ich noch leben würde.
Ein müdes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, als ich an diese Zeit zurückdachte.
Ich schüttelte den Kopf, als wollte ich die Erinnerungen, die sich langsam wieder in mir breit machten, loswerden. In dem Moment kam mein Vater in den Flur.
„Hallo Liebes.“, begrüsste er mich und gab mir liebevoll einen Kuss auf die Wange.


~Wentworth~

Die Frau vom Park ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ihretwegen war ich noch ein paar Mal in den Park gegangen, allerdings hatte ich sie nicht mehr dort gesehen.
Danach verstrichen einige Wochen, in denen ich nie die Gelegenheit hatte, im Park spazieren zu gehen. Die Dreharbeiten für PrisonBreak gingen voran und nahmen viel Zeit in Anspruch. Zum Glück klappte wieder alles, wie es sollte. Dementsprechend hatte ich auch sehr viel Spass beim Dreh.
Doch nun stand mir eine Woche Drehpause bevor.
Ich hatte nichts Spezielles vor; keinen Urlaub, keine besonderen Besuche, noch sonst irgendetwas. Ich wollte mich einfach ein wenig erholen und spontan etwas unternehmen, worauf ich gerade Lust hatte.
Da heute die Sonne schien, beschloss ich, in den Park zu gehen. Vielleicht hatte ich heute ja Glück und die Frau mit dem Jungen war wieder dort…
Also schnappte ich mir ein Buch und machte mich auf den Weg.
Dort angekommen liess ich meinen Blick erst mal über das umliegende Gelände schweifen, bis ich eine freie Bank entdeckte. Allerdings lag diese ganz nah am Spielplatz. Ob ich dorthin gehen sollte? Eigentlich waren diese Plätze ja für all die Mütter gedacht, die nahe bei ihren Kindern bleiben wollten…
Es sah jedoch nicht danach aus, als ob da Platzmangel herrschen würde. Daher entschloss ich mich, auf dieser Bank Platz zu nehmen, nicht ganz ohne den Hintergedanken, auf diese Weise ganz nah am Geschehen zu sein, falls die Frau auftauchen würde.
Kaum hatte ich mich gesetzt und mein Buch aufgeschlagen, stupste mich jemand sanft am Bein an. Überrascht sah ich auf, direkt in die grossen Augen eines kleinen Jungen. „Wer bist du?“, fragte mich der Junge und musterte mich konzentriert.
Ich musste schmunzeln.
„Ich bin Went, und du?“, antwortete ich.
„Liam.“, kam wie aus der Pistole geschossen zurück.
Was für ein niedlicher, kleiner Knirps…
„Wo ist denn deine Mami?“, erkundigte ich mich.
Er drehte sich um und zeigte mit dem Finger auf eine junge Frau, die sich uns näherte. Mir blieb beinahe der Mund offen stehen, als ich sie sah. Erstaunt sah ich wieder zu Liam. Erst jetzt erkannte ich den Jungen: Es war IHR Junge.


~Marylou~

Nachdem es ein paar Samstage hintereinander geregnet hatte, schien heute nun endlich wieder einmal die Sonne. Damit stand das Programm für heute fest: Ab in den Park!
Wie immer nahm ich Liam an der Hand und ging zu Fuss zum Park.
Noch bevor wir den Spielplatz erreicht hatten, liess er auch schon meine Hand los und sauste auf den Spielplatz zu. Allerdings rannte er nicht wie üblich als erstes zum Klettergerüst und zur Rutschbahn, sondern blieb vor einem Mann stehen, der sich mit einem Buch auf eine Bank gesetzt hatte.
Erst starrte er ihn eine Weile stumm an, dann tippte er ihm ans Bein.
Gespannt wartete ich die Reaktion des Mannes ab. Ich hatte ihn hier noch nie gesehen. Ob er mit seinen Kindern hier war?
Ich sah, dass sie miteinander redeten, konnte aber noch nichts verstehen, weil ich zu weit weg war. Gerade als ich mich ihnen näherte, drehte sich Liam zu mir um und zeigte mit dem Finger auf mich.
„Da. Da ist meine Mama.“, erklärte Liam gerade.
Ich blieb lächelnd vor den Beiden stehen.
„Hi. Ich bin Marylou. Ich hoffe, er hat sie nicht gestört.“, stellte ich mich vor und deutete mit dem Kopf auf das aufgeschlagene Buch in seiner Hand. Er folgte meinem Blick und klappte das Buch sofort zu.
„Oh, nein nein. Gar nicht. Ich bin Wentworth.“
Er erhob sich und streckte mir die Hand entgegen.
„Aber nennen Sie mich doch einfach Went.“


~Wentworth~

Als wir uns die Hände schüttelten, konnte ich spüren, dass sie unglaublich sanfte Hände hatte. Sie lächelte und betrachtete mich fast ebenso konzentriert, wie Liam es vorhin getan hatte. Ob sie mich erkannte? Irgendwie hoffte ich, dass sie es nicht tat…
Aus irgendeinem Grund pochte mein Herz etwas schneller als gewöhnlich gegen meine Brust, als sie so nahe vor mir stand. Unauffällig musterte ich sie.
Bisher hatte ich sie nur von weitem gesehen, doch nun konnte ich jedes Detail in ihrem Gesicht erkennen. Sie hatte wunderschöne, glänzend braune Locken, die im Sonnenlicht rötlich schimmerten und die ihr Gesicht umspielten. Ihre Augen waren ganz dunkelbraun und sie hatte lange, geschwungene Wimpern. Auf ihrer Nase hatte es ein paar kleine Sommersprossen, die sie noch etwas jugendlicher aussehen liessen, als ich von weitem geschätzt hatte. Und ihr Lächeln war absolut atemberaubend…
„Sind sie mit ihren Kindern hier?“, erkundigte sie sich und riss mich damit völlig aus meinen Gedanken.
„Kinder? Oh, ich ähm… Nein. Ich habe keine Kinder.“, stotterte ich etwas unbeholfen und hätte mich dafür ohrfeigen können.
Sie schien meine Unsicherheit zu spüren und grinste. Hoffentlich folgte jetzt kein spöttischer Kommentar…
„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu ihnen setze?“, fragte sie stattdessen.
Für diese Frage war ich ihr gleich doppelt dankbar: Einerseits, weil sie mir eine Peinlichkeit ersparte und andererseits, weil ich in diesem Moment nichts mehr wollte, als in ihrer Nähe zu sein und sie kennenzulernen. Die Frau hatte irgendetwas an sich, das mich magisch anzog…
„Natürlich nicht, bitte nehmen sie Platz!“
Ich nahm mein Buch weg und machte etwas Platz. Sie stellte ihre Tasche auf die Bank, nahm einige Spielsachen heraus und reichte sie Liam. Dieser rannte daraufhin sofort los und begann, sich alleine zu beschäftigen.
Erst als sich Marylou gesetzt hatte, nahm auch ich neben ihr Platz. Ladys first. =)
tigertone

Beitrag von tigertone »

hallo anyone -

hab jetzt deinen "anfang" fertig (der im übrigen wunderbar lang ist, um ordentlich abschalten zu können).
mir gefällt deine geschichte sehr gut. vor allem, weil du einen sehr interessanten stil gewählt hast.
mir gefällt es, dass du aus beiden richtungen schreibst.
am anfang war ich wegen liam etwas irritiert, aber das hast du ja dann recht fix aufgeklärt.
hoffe, dass du noch etwas mehr über marylous hintergrund schreiben wirst, da es mich schon sehr interessiert, warum sie vor drei jahren derart von der rolle war.
ich freu mich schon auf mehr! :up:
liebe grüße
tt
Wentpris

Beitrag von Wentpris »

der anfang gefällt mir auf jeden fall schon mal.
ich finds schön dass du auch aus wents perspektive schreibst.
mehr kann ich bis jetzt noch nicht sagen, aber werd ich bestimmt machen, wenn ich mehr gelesen hab :)

freu mich schon ;)
anyone

Beitrag von anyone »

okay, danke für die feedbacks!
@ tigertone: das mit marylous "vorgeschichte" wird schon noch rauskommen... aber man will ja für spannung sorgen. :D
da ich morgen für ein paar tage "verschwinde", hab ich mir gedacht, stell ich schon mal die fortsetzung rein, damit ihr euch etwas mehr in die geschichte vertiefen könnt. ;-)

et voilà:



~Marylou~

Eine Weile schwiegen wir vor uns hin und beobachteten Liam. Ab und zu warf ich einen verstohlenen Blick auf Went. Ich wurde das Gefühl nicht los, ihn irgendwoher zu kennen, konnte mich aber beim besten Willen nicht erinnern, woher.
Ich konnte nicht leugnen, dass er mir gefiel. Er hatte ein sehr schönes, gleichmässiges Gesicht und absolut stechende Augen. Seine Hände waren sehr lang und sahen aus, als ob sie sehr zärtlich sein konnten.
Versteht das nicht falsch, meine Gedanken drifteten nicht ins Schmutzige ab…
Aber allein schon sein Händedruck war sanft, was ihm dadurch irgendwie eine sanftmütige Art verlieh.
„Er ist ein wirklich süsser Kerl… Wie alt ist er?“, brach Went schliesslich das Schweigen.
„Drei… Er ist drei Jahre alt.“, gab ich Auskunft und sah Went in die Augen. Diese Augen… Dieser stechende Blick…
Es durchzuckte mich wie ein Blitz, als sich unsere Blicke trafen.
Sofort sah ich zu Boden. Es schien mir unmöglich, seinem Blick stand zu halten.
„Darf ich sie fragen, wie alt sie sind?“, fragte er vorsichtig. Diese Frage entlockte mir ein kleines Lachen. Bevor ich antwortete, sah ich wieder auf.
„Ich bin 21. Jung nicht?“ Wieder lachte ich.
„Sie glauben gar nicht, für wie viel Erstaunen ich immer wieder sorge, wenn die Leute mein Alter kennen und erfahren, dass Liam mein Sohn ist. Und das alles ohne einen Mann an meiner Seite!“
Ich machte eine theatralisch entsetzte Miene, worauf auch Went lachen musste.
„Na ja, junge Mütter sind noch immer nicht so oft anzutreffen…“, meinte er.
Ich nickte und sah zu Liam.
„Es ist ja auch nicht immer einfach. Aber seit Liam auf der Welt ist, ist mein Leben wirklich lebenswert, verstehen sie? Jede Minute, die ich mit ihm verbringe, ist so unglaublich kostbar. Das lässt alle Mühe, die man durch ein Kind hat, wie ein kleines Bisschen Nichts erscheinen.“
Ich spürte, wie er mich stumm musterte. Seinen Blick auf mir zu spüren, machte mich irgendwie nervös und ich merkte, wie ich mich anspannte. Ich atmete tief ein und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.


~Wentworth~

Sie atmete tief ein. Dadurch hob sich ihre Brust und die Kette, die sie um ihren Hals trug, blitzte kurz in der Sonne auf. Ich musterte sie. Sie gefiel mir…
„Sie sind also alleinerziehende Mutter?“, fragte ich nach.
Ihre Reaktion liess kurz auf sich warten, dann drehte sie mir den Kopf zu und nickte.
„Was ist denn mit Liams Vater?“, fragte ich weiter.
Sofort verdüsterte sich ihr Gesicht und ich merkte, wie sich jeder ihrer Muskeln anspannte.
„Liam hat keinen Vater.“, entgegnete sie knapp.
Man brauchte kein besonders feinfühliger Mensch zu sein, um zu merken, dass ich einen empfindlichen Punkt getroffen hatte. Obwohl ich nicht ganz schlau aus ihrer Antwort wurde, war mir klar, dass ich das Thema auf sich beruhen lassen sollte.
„Tut mir Leid, ich wollte nicht… Ich bin viel zu neugierig. Es tut mir Leid.“, entschuldigte ich mich.
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Schon okay.“
Ich wusste genau so gut wie sie, dass das gelogen war, aber ich war froh, dass sie mir noch eine Chance gab. Ich versuchte also, die Situation irgendwie zu retten. Aber wie? Ich hätte gerne noch mehr über sie erfahren, aber plötzlich erschienen mir all die Fragen, auf die ich so gerne eine Antwort von ihr gehabt hätte, als zu heikel.
Umso erleichterter war ich, als mich Liam aus dieser Situation befreite, indem er zu Marylou kam und ihre Aufmerksamkeit wollte.
„Ich mag nicht mehr spielen.“, nörgelte er.
Marylou hob ihn hoch und setzte ihn sich auf den Schoss.
„Nein? Was möchtest du denn noch machen?“, wollte Marylou von ihm wissen.
Liam zuckte mit den Schultern und krallte nach ihrer Kette.
„Dann lass uns doch etwas durch den Park spazieren, okay?“, schlug sie vor, worauf Liam mehr oder weniger begeistert nickte.
Unbewusst lächelnd beobachtete ich die Szene. Marylou schien nun noch geheimnisvoller auf mich zu wirken, als sie es vor unserem Gespräch schon getan hatte.


~Marylou~

Ich stellte Liam vor mir auf den Boden und wandte mich Went zu.
„Möchten sie mitkommen?“, lud ich ihn ein.
Aus irgendeinem Grund wollte ich mich noch nicht von ihm verabschieden.
Aus irgendeinem Grund empfand ich seine Gegenwart als äusserst angenehm…
Er zögerte kurz, nickte dann aber und erhob sich. „Gerne.“
Er lächelte Liam zu, der ihn, von der Sonne geblendet, skeptisch anblinzelte.
„Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mitkomme, oder?“, fragte Went ihn behutsam. Liam schüttelte schüchtern den Kopf und nahm meine Hand.
Wir spazierten in gemütlichem Tempo los und fanden schon bald wieder ein Thema, worüber wir uns unterhalten konnten. Schon bald hatte sich Liam an Wents Anwesenheit gewöhnt. Er rannte vor uns her, wartete dann wieder bis wir ihn eingeholt hatten, zeigte uns dann irgendwas und rannte wieder weiter.

Der Tag verging wie im Flug und es dämmerte bereits, als wir uns verabschiedeten.
Wie unerfahrene Teenager standen wir uns gegenüber und wussten nicht recht, was wir sagen sollten. Ich war unheimlich froh, als Went als erster das Wort ergriff:
„Das war ein wirklich sehr schöner Tag… Vielen Dank.“
Er lächelte halb verlegen, halb verschmitzt.
„Sind sie morgen wieder hier anzutreffen?“
„Nein, morgen muss ich arbeiten… Ich bin Kellnerin.“, informierte ich ihn.
Es schien mir, als würde ich Enttäuschung in seinem Gesicht sehen.
„Wo arbeiten sie denn?“, wollte er wissen.
„Im ‚Garrys’.“
Er nickte geistesabwesend und dann plötzlich, als würde er merken, dass ich noch da bin, streckte er mir die Hand entgegen.
„Gut, also, vielleicht begegnen wir uns ja mal wieder. Ich muss jetzt gehen. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend!“
Perplex reichte ich ihm die Hand und noch bevor ich etwas erwidern konnte, machte er auch schon Kehrt und entfernte sich mit schnellen Schritten von uns.
Stirnrunzelnd schaute ich zu Liam.
„Na, dann gehen wir wohl auch mal! Opa wartet bestimmt schon.“


~Wentworth~

Zu Hause angekommen sprang ich als erstes unter die Dusche. Während das warme Wasser über meinen Körper lief, dachte ich zurück an den heutigen Tag.
Marylou verwirrte mich mehr, als ich es zugeben wollte. Sie faszinierte mich.
Es schien mir, als ob wir uns schon lange kennen würden und nur nicht mehr wussten, wer wir waren…
Obwohl sie viel jünger war als ich, wirkte sie bereits sehr erwachsen und reif. Möglicherweise lag das daran, dass sie bereits Mutter war. Mir fiel die unangenehme Situation wieder ein, als ich sie nach Liams Vater gefragt hatte, worauf sich auch gleich wieder dieses beklemmende Gefühl in mir breit machte. Keine Ahnung, was in diesem Moment in mich gefahren war, normalerweise war ich nicht so neugierig und forsch.
Was mir allerdings sehr entgegenkam, war, dass sie nicht zu wissen schien, wer ich war.
Das bedeutete, ich hatte die Chance, eine Frau auf ganz neutraler Ebene kennen lernen zu können, ohne dass ich befürchten musste, sie würde mich auf irgendeine Weise ausnutzen.
Einer der negativen Nebeneffekte, wenn man berühmt war…
Ich stieg aus der Dusche, trocknete mich ab, zog Boxershorts an und schlurfte in die Küche. Hunger hatte ich keinen… Also trank ich nur noch ein Glas Milch, bevor ich mich dazu entschloss, bereits schlafen zu gehen. Ich hatte heute eh nichts mehr vor…


~Marylou~

Als Liam im Bett war und schlief, setzte ich mich zu meinem Vater auf die Couch und kuschelte mich an ihn.
„Wie geht es dir?“, fragte er leise. Mein Vater hatte ein besonders feines Gespür dafür, wenn mich etwas beschäftigte. Ich räusperte mich und schwieg eine Weile.
„Ich hab heute jemanden kennengelernt.“, sagte ich schliesslich und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Einen Mann.“
Das liess meinen Vater aufhorchen. „Und?“, hackte er nach.
Ich zuckte mit den Schultern. „Er ist halt ein Mann.“
Mein Vater schob mich etwas von sich, damit ich ihm in die Augen sehen konnte.
„Marylou… Schatz. Tu das nicht.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
„Tu was nicht…?“, fragte ich nach, obwohl ich genau wusste, was er meinte.
„Verurteile ihn nicht, bevor du ihn kennengelernt hast. Das wäre nicht fair. Wenn er sich als Arschloch herausstellt, kannst du ihm das später immer noch zu spüren geben.“
Ich lachte. „Dad!“
Solch eine Ausdrucksweise war ich mir von ihm nicht gewohnt. Sowieso war mein Vater kein Mann der vielen Worte. Trotzdem sagte er immer dann etwas, wenn etwas gesagt werden musste. Das schätzte ich sehr an ihm.
„Ich geh jetzt schlafen, Liebes. Falls ihr euch wieder begegnet, sei ein nettes Mädchen, okay?“ Er küsste mich sanft auf die Stirn, dann schlurfte er langsam in sein Zimmer.
Ich sah ihm nachdenklich hinterher. Er war schwach… Sehr schwach.

Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg ins ‚Garrys’. Wie jeden Sonntag liess ich Liam bei Dad zu Hause. Ich arbeitete nur um die Mittagszeit, daher war ich nicht zu lange weg und Dad konnte sich um ihn kümmern.
Wie immer war extrem viel los und ich kam keine Minute lang zur Ruhe. Das ‚Garrys’ war ein gemütliches Bistro-Restaurant, das drinnen mit Billardtischen und einer Bar und draussen auf einer Terrasse mit zahlreichen Tischchen und Stühlen ausgestattet war, falls man das warme Wetter geniessen wollte. Heute war ich für die Tische draussen zuständig. Gerade als ich die Bestellung an einen der Tische brachte, rief mich Sam, ein Arbeitskollege, zu sich.
„Was gibt’s?“, fragte ich.
„Der Kunde an Tisch 4 möchte gern von dir bedient werden.“
Ich folgte seinem Kopfnicken und entdeckte einen Mann mit Baseballcap und Sonnenbrille an besagtem Tisch. Seufzend marschierte ich auf ihn zu. Ich mochte diese Art von Extrawünschen nicht, schon gar nicht, wenn sie von unbekannten Männern kamen. Doch dieses Mal handelte es sich nicht um einen Unbekannten.
„Went!“, rief ich überrascht aus, als ich nahe genug am Tisch war, um sein Gesicht erkennen zu können. Lächelnd erhob er sich.
„Hey Marylou!“, grüsste er mich und gab mir drei Küsschen auf die Wangen.
„Was für eine Überraschung… Was darf ich Ihnen bringen?“
Went runzelte die Stirn. „Ihnen? So alt sehe ich nun doch noch nicht aus, oder? Was halten sie vom duzen?“, schlug er vor.
Ich grinste. „Okay. Was darf ich dir bringen?“
Zufrieden lächelte er. „Ich glaub ich nehm’ den Tagesteller.“
„In Ordnung, ich bin gleich wieder da.“


~Wentworth~

Ich liess mir mit dem Essen reichlich Zeit. Selbst als ich schon lange aufgegessen hatte, blieb ich noch eine Weile sitzen. Das lange Warten zahlte sich aus, denn nach geschlagenen zwei Stunden kam Marylou wieder an meinen Tisch und setzte sich mir gegenüber hin. Sie trug noch ihre Arbeitskleidung. Ihre Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
„Ich hab jetzt Pause…“, seufzte sie und grinste mich an. „Also, was machst du hier?“
Auch ich grinste. „Ich hab mir gedacht, ich besuche dich hier und frage dich, was du heute Abend machst!“
Es war eigentlich nicht meine Art, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, aber ich wollte aus irgendeinem Grund einfach Zeit mit Marylou verbringen.
Sie schien nicht mit einer solchen Antwort gerechnet zu haben.
„Heute…?“, stammelte sie und strich sich etwas nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Na ja, ich…“
Sie wandte den Blick ab und schaute auf die Strasse hinaus. Sie schien zu überlegen, was sie nun antworten sollte. Ich hielt erwartungsvoll die Luft an und hoffte, dass ich ihr nicht zu aufdringlich erschien. Gerade, als ich meinen Annäherungsversuch rückgängig machen wollte, sah sie mir wieder in die Augen und lächelte.
„Ich mach nichts, und du?“
Erleichtert lächelte ich zurück. „Na ja, ich mach auch nichts…“


~Marylou~

Ich musste lachen. Went schien ein wirklich toller Mann zu sein. Und er sah verdammt noch mal wirklich gut aus!
Und trotzdem fiel es mir sehr schwer, mich auf das, was hier passierte, einzulassen. Bisher hatte ich mich immer so gut wie möglich von Männern und ihren Flirtversuchen ferngehalten. Ich hatte schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht und wollte möglichst keinen mehr zu nah an mich ran lassen. Noch nicht.
Aber Went hatte irgendetwas an sich, was mich zurückhielt, bei ihm dasselbe zu tun…
„Was hältst du davon, wenn wir zusammen nichts machen?“, fragte er vorsichtig, aber trotzdem herausfordernd.
Ich sah ihn eine Weile schweigend an und dachte angestrengt nach. Noch immer sträubte sich ein Teil von mir gegen ihn…
Doch dann fielen mir die Worte meines Vaters wieder ein und ich nickte.
„Das klingt doch sehr vielversprechend. Wie könnte ich da Nein sagen?“, scherzte ich, worauf er spitzbübisch grinsen musste.
Wir plauderten noch zusammen, bis meine Pause um war, dann verabschiedete er sich wieder mit drei Küsschen von mir.
„Ich hole dich dann um acht Uhr ab, okay?“, schlug er vor. Ich nickte.
Er wandte sich um und ging ein paar Schritte, dann drehte er sich nochmal zu mir um.
„Ach ja, und da wir ja nichts machen werden, brauchst du dich nicht extrem chic zu machen!“, bemerkte er mit einem frechen Grinsen, worauf auch ich lachen musste.
Ich sah ihm so lange gedankenverloren hinterher, bis er um eine Ecke verschwunden war. Seufzend löste ich mich aus meiner Starre und machte mich wieder an die Arbeit.
Wentpris

Beitrag von Wentpris »

also ich finds momentan total süß und schön :D
spannung ist bisher noch nicht richtig aufgekommen für meinen geschmack, aber ich denke das kommt bestimmt noch :)
ich werde auf jeden fall gespannt weiter lesen!
anyone

Beitrag von anyone »

Hey Leute, ich bin wieder zu Hause und kann die Fortsetzung nun online stellen.

Ich muss allerdings gestehen, dass es mich etwas verunsichert, kaum Feedbacks zu erhalten...

Falls ihr die FF nicht lesen wollt, meldet es, dann schreib ich einfach für mich weiter. =))





~Wentworth~

Als ich fertig geduscht und mich angezogen hatte, betrachtete ich das Endresultat im Spiegel. Ich trug etwas verwaschene Jeans und ein weisses, anliegendes Shirt, allerdings nicht so eng, dass der Look diesen schwulen Touch bekommen hätte.
Zufrieden schnappte ich mir meine Jacke und verliess voller Vorfreude das Haus. Während ich in meinem Auto zu Marylou fuhr, musste ich ständig wieder an sie denken.
Noch nie hatte eine Frau eine derart magische Anziehung auf mich ausgeübt, wie sie es tat. Obwohl ich in Sachen Frauen eher der schüchterne Typ war, konnte ich bei ihr nicht anders, als die Initiative zu ergreifen. Ob es an ihrer eigenen Befangenheit lag?
Ich war so in Gedanken versunken, dass die Fahrt ganz schnell vorbei ging und ehe ichs mich versah, hatte ich auch schon an ihrer Haustür geklingelt.
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ich schlurfende Schritte hörte. Kurz darauf ging die Tür auf und ich sah mich einem älteren Mann gegenüber stehen. Vor Überraschung brachte ich erst gar kein Wort heraus. Hatte ich mich vielleicht in der Tür geirrt?
„Sie müssen Wentworth sein, richtig?“, fragte der Mann in diesem Moment.
Ich nickte. „Äh, ja. Der bin ich.“, bestätigte ich.
„Ich bin Marylous Vater. Jeffrey.“, stellte er sich vor, schüttelte meine Hand und liess mich eintreten.
„Sie ist gleich soweit, sie bringt nur noch kurz Liam ins Bett. Setzen sie sich doch inzwischen hin.“ Er wies mir den Weg ins Wohnzimmer zur Couch.
Kaum hatte ich mich gesetzt, liess er mich allein zurück.
Etwas aufgeregt trommelte ich mit meinen Fingern auf meinem Knie herum. Dann erhob ich mich und wanderte im Wohnzimmer herum, um mir die verschiedenen Bilder anzusehen. Die Wände waren voll mit Fotos: Fotos von Jeffrey und einer Frau, ich nahm an, dass es Marylous Mutter war, Fotos von Liam als Baby, Fotos von Jeffrey mit der kleinen Marylou und eine Menge Fotos von ebendieser Frau.
Ich war so in die Bilder vertieft, dass ich gar nicht merkte, wie sich Marylou hinter mich stellte.
„Das ist meine Mom…“, sagte sie leise, worauf ich mich überrascht zu ihr umdrehte.
Für einen kurzen Moment hielt ich den Atem an. So dicht vor ihr zu stehen, warf mich völlig aus der Bahn… Sie sah atemberaubend aus. Auch sie trug Jeans, dazu ein ärmelloses, mintfarbenes Top, das ihre Figur betonte. Sie hatte eine tolle Figur…


~Marylou~

Liam schien eingeschlafen zu sein. Leise verliess ich sein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Dann entfernte ich mich mit leisen Schritten und ging ins Wohnzimmer.
Went betrachtete gerade ein wunderschönes Portrait meiner Mutter. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich ihn so sah. Leise stellte ich mich hinter ihn. Ich konnte seinen Duft einatmen und schloss kurz meine Augen. Er roch gut… Verdammt gut…
Als ob ich mich selbst bei diesem Gedanken ertappt hätte, schlug ich sofort meine Augen wieder auf.
„Das ist meine Mom…“, teilte ich ihm leise mit. Überrascht drehte er sich zu mir um.
Er hatte wohl nicht mitbekommen, dass ich mich hinter ihn gestellt hatte.
Einen Moment lang betrachtete er mich schweigend, dann lächelte er.
„Hi.“, begrüsste er mich leise.
Auch ich musste lächeln. „Hey…“
Er wandte sich wieder dem Bild zu. „Ist sie…“
„Ja. Mein Dad hat die Bilder aufgehängt, damit sie trotzdem immer bei uns ist.“
Er nickte kaum merklich und betrachtete gedankenverloren das Bild.
„Wollen wir?“, fragte ich, bevor sich eine bedrückende Stille ausbreiten konnte.
Went schien erleichtert und willigte ein. Als ich die Haustür hinter mir schliessen wollte, stand mein Vater im Gang, frech grinsend einen Daumen hochhebend. Ich lachte leise, schloss die Tür und folgte Went zum Auto. Dieser hatte von dem allem nichts mitbekommen.


~Wentworth~

Wir setzten uns ins Auto und fuhren los.
„Und wohin gehen wir jetzt?“, fragte Marylou neugierig und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Sie trug sie offen, allerdings waren sie heute nicht gelockt, sondern gestreckt.
Hatte ich schon erwähnt, dass sie absolut bezaubernd aussah…?
„Ich möchte dir was zeigen. Lass dich überraschen, okay?“
Sie betrachtete mich lächelnd und nickte. „Okay.“, willigte sie kaum hörbar ein.
Während der Fahrt sprachen wir kaum ein Wort. Die Stille war allerdings alles andere als unangenehm. Ich genoss es unheimlich, einfach nur mit ihr zusammen zu sein und ihre Anwesenheit zu spüren.
Ich fuhr mit ihr zu meinem Lieblingsplatz. Ich weiss nicht, wieso ich ihn ihr zeigen wollte, ich hatte noch nie jemanden dorthin gebracht. Aber aus irgendeinem Grund schien es mir bei ihr das Richtige zu sein.
Ziemlich unvermittelt hielt ich den Wagen an und stellte den Motor ab. Einen Moment lang blieben wir stumm sitzen, dann sah ich sie an.
„Von hier aus geht es zu Fuss weiter.“
Wir stiegen aus. Um uns herum war es mucksmäuschenstill, keine Menschenseele war in der Nähe. Es hatte bereits gedämmert und ich sah, wie Marylou fröstelnd die Arme um sich schlang.
„Möchtest du meine Jacke?“, fragte ich fürsorglich und zog meine Jacke aus.
Sie nickte dankbar und liess mich ihr die Jacke anziehen.
„Wo sind wir?“, fragte sie.
„Komm mit, ich zeigs dir gleich!“, forderte ich sie auf und ging schon mal vor. Vor uns befanden sich einige Sträucher, durch die wir uns durchkämpfen mussten. Sie schien zu zögern, doch dann folgte sie mir langsam. Ich machte ihr den Weg durchs Dickicht frei und hielt die Äste zurück, damit sie sich nicht verletzte. Als wir am anderen Ende herauskamen, nahm ich vorsichtig ihre Hand.
„Jetzt musst du leise sein!“, flüsterte ich und zog sie den Büschen entlang hinter mir her.


~Marylou~

Es durchfuhr mich wie ein Stromstoss, als er meine Hand nahm.
Ich konnte nicht leugnen, dass mir die Dunkelheit und die Abgeschiedenheit etwas Angst einjagte. Doch gleichzeitig fühlte ich mich jetzt, wo er mich an der Hand hielt, geborgen und sicher.
Inzwischen war es noch dunkler geworden, alleine der Mond erhellte uns den Weg.
Wir kletterten einen Hügel hinauf und kurz bevor wir oben angekommen waren, liess Went meine Hand los und drehte sich lächelnd zu mir um.
„Wir sind da.“
Ich blieb kurz stehen und sah ihn an, dann kletterte ich ganz hinauf.
Was ich dann sah, verschlug mir beinahe den Atem:
Vor uns lag ein kleiner See, indem sich der Mond schimmernd spiegelte. Etwa zehn Meter von uns entfernt schliefen sechs Schwäne, geschützt vom Schilf am Ufer. Ihre weissen Federn leuchteten in der Dunkelheit so hell, dass es schon fast unwirklich aussah.
„Oh mein Gott…“, murmelte ich.
Went stellte sich dicht hinter mich, sodass ich seine Wärme und Nähe fühlen konnte.
Ich merkte, wie ich mich verkrampfte und wie sich alles in mir gegen diese ungewohnte Nähe sträubte. Gleichzeitig merkte ich, wie sehr ich es vermisst hatte, eine solche Nähe, eine solche Wärme zu spüren.
Es war lange her, dass ich eine Nähe wie diese zugelassen hatte.
Ich schloss die Augen und schluckte leer. Es war sehr lange her…
Went trat noch etwas näher. Dadurch konnte ich seinen Atem in meinem Nacken fühlen, was mir einen leichten Schauer über den Rücken jagte.
„Das ist mein Lieblingsplatz. Ich komme oft nachts hierher, wenn ich nicht schlafen kann. Um nachzudenken.“, erzählte er mit gedämpfter Stimme.
Mir fiel erstmals auf, dass er eine sehr angenehme, beruhigende Stimme hatte. „Worüber?“, fragte ich ebenso leise.
Er schwieg eine Weile, dann antwortete er: „Das Leben.“
Einen Augenblick blieben wir dort so stehen, ohne ein weiteres Wort zu sagen, völlig überwältigt vom Moment.
Dann merkte ich, wie Went sich etwas von mir entfernte. Wie aus einem Traum gerissen drehte ich mich zu ihm um. Wortlos ging er an mir vorbei und setzte sich ans Seeufer. Ich folgte ihm und nahm neben ihm Platz.


~Wentworth~

Als ich so dicht hinter Marylou stand, spürte ich ein eigenartiges Gefühl in mir aufkommen. Ich konnte den Duft ihrer Haare einatmen und fühlte ihre Wärme…
Es erschien mir völlig unwirklich, dass wir uns erst gestern kennengelernt hatten. Es kam mir viel mehr so vor, als würden wir uns schon seit Ewigkeiten kennen.
Umso grösser wurde das Verlangen in mir, sie zu berühren, zu umarmen und sie nie wieder loslassen zu müssen, nur um bei ihr bleiben zu können. Mir war klar, dass sie darauf wohl nicht so positiv reagieren würde. Trotz allem waren wir einander ja immer noch irgendwie fremd…
Bevor ich sie also überrumpelte und sie mich für einen Schwerenöter hielt, trat ich einen Schritt zurück und setzte mich ans Seeufer. Sie folgte mir und setze sich neben mir hin.
Ich drehte meinen Kopf zu ihr und betrachtete sie lächelnd. Sie erwiderte das Lächeln.
„Danke, dass du mir diesen Platz gezeigt hast. Es ist wunderschön hier…“
Ich nickte.
„Kommst du oft her? Um nachzudenken, meine ich.“
Einen Moment lang schwieg ich. Dann zuckte ich leicht die Schulter.
„Kommt ganz darauf an, wie schwer die Krise ist, in der ich Stecke.“
Mit einem Lachen versuchte ich den Ernst dieser Aussage etwas abzuschwächen, was mir allerdings nicht sehr gut gelang, denn Marylou lachte nicht.
„Hast du… Hast du ein schweres Leben?“, fragte sie so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte. Ich spürte, dass wir wieder an einem Punkt waren, wo ich aufpassen musste, was ich sagte. Daher schüttelte ich entschieden den Kopf.
„Nein. Nein, im Gegenteil. Ich denke ich habe viel Glück mit meinem Leben.“, beruhigte ich sie. Und um meine Aussage zu bekräftigen, fuhr ich fort:
„Ich habe eine Mutter und einen Vater, die mich lieben und mich unterstützen… Ich habe zwei Schwestern, mit denen ich mich gut verstehe. So gesehen habe ich eine Familie, auf die ich mich verlassen kann und die jederzeit für mich da ist.“
Ich sah Marylou in die Augen und glaubte, eine gewisse Erleichterung darin erkennen zu können. Allerdings war da auch Schmerz… Mir fiel das Portrait ihrer Mutter wieder ein.
Ich verzog mein Gesicht und wollte mich gerade bei ihr entschuldigen, als sie mir zuvorkam.
„Eine Familie zu haben, ist ein unbeschreibliches Geschenk. Als meine Mutter noch lebte, habe ich unser Familienleben irgendwie noch gar nicht richtig zu schätzen gewusst. Ich nahm es als selbstverständlich hin… Das war der grösste Fehler meines Lebens.“ Nachdenklich wandte sie ihr Gesicht ab und sah auf den See.
„Nach ihrem Tod war mein Dad meine ganze Familie. Und ich war seine. Dadurch sind wir extrem zusammengewachsen. Trotzdem fehlt etwas… Man spürt, dass jemand weg ist, der eigentlich nicht weg sein sollte. Jetzt bin ich selber Mutter… Und ich hasse den Gedanken, dass Liam ohne Vater aufwächst. Ich hasse den Gedanken, dass ihm seit seiner Geburt etwas fehlt, was nicht fehlen sollte.“
Während sie sprach, beobachtete ich sie verstohlen. Und da war es wieder:
Dieses geheimnisvolle Etwas, das sie umgab. Das, was mich so an ihr faszinierte, von dem ich jedoch nicht wusste, was es war.
Es lag in ihrer Stimme, wenn sie von früher sprach. Es musste etwas in ihrem Leben vorgefallen sein, dass sie geprägt hatte.
Und auf einmal wurde mir klar, wieso sie vorhin so besorgt gewesen war:
Marylou wusste, wie es war, ein schweres Leben zu haben.
Sie wusste es, weil sie diejenige von uns war, die ein schweres Leben hatte.


~Marylou~

Went hörte mir still zu. Ich spürte seinen Blick auf mir, konnte ihm jedoch jetzt nicht in die Augen schauen. Ich hätte ihm nicht standhalten können…
Ich konnte mich nicht erinnern, jemals zuvor so über meine Mutter gesprochen zu haben. Went gab mir einfach ein Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit, so als ob ich ihn schon lange kennen würde. Er kam mir nicht wie ein Fremder vor, von dem ich kaum etwas wusste. Der Gedanke, dass ich ihn erst gestern kennengelernt hatte, erschien mir völlig absurd. Ich schüttelte verlegen lachend den Kopf.
„Tut mir leid… Ich wollte nicht so sentimental werden.“
Auch Went schüttelte den Kopf. „Dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen…“
Jetzt erst wandte ich mich ihm wieder zu und sah ihm lächelnd in die Augen.
Er erwiderte das Lächeln, dann erhob er sich.
„Es ist schon spät. Ich glaube es wird Zeit, dass wir aufbrechen.“
Es war tatsächlich schon spät, denn als Went vor unserer Wohnung hielt, wurde es bereits wieder heller.
Leise huschte ich in mein Zimmer und schlüpfte erschöpft unter meine Bettdecke.
Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen schlief ich schliesslich ein…
Kikili1703

Beitrag von Kikili1703 »

WOW! DIe Story ist wirklich super! Ich kann es kaum abwarten, bis du wieder was neues reinstellst! Dickes fettes Lob an dich! :up: :up: :up:
prisoner94941

Beitrag von prisoner94941 »

hey...ich bin vor einigen minuten auf deine story gestoßen. sie ist echt toll. ich mag es, dass du aus beiden perspektiven schreibst. bitte stell doch ganz schnell einen weiteren teil rein. ich würde mich freuen... :)
anyone

Beitrag von anyone »

Hey Leutz!
Vielen Dank für die lieben Rückmeldungen!
Hier kommt nun ein weiterer Teil der Geschichte...
Ich hoffe, er gefällt euch. Viel Spass beim Lesen!



~Wentworth~

Ein schrilles Klingeln riss mich am nächsten Morgen aus dem Schlaf. Mit geschlossenen Augen streckte ich die Hand aus und ertastete mir den Weg zum Telefon, das auf dem Nachttisch positioniert war. In diesem Moment fragte ich mich, wieso ich es überhaupt dorthin gestellt hatte… Vielleicht, weil man das immer so in den Filmen sieht? ;-)
„Miller?“, ging ich ran, als ich den Hörer endlich zu fassen bekam.
„Hey, Altes Haus!“, begrüsste mich eine gutgelaunte Stimme. „Na, alles klar?“
Ich fuhr mir mit der Hand über die gerunzelte Stirn und dachte angestrengt nach, woher ich die Stimme kannte. Ehe ich irgendetwas entgegnen konnte, plapperte diese auch schon weiter.
„Hör mal, ich lass heute Abend eine kleine Homeparty steigen. Komm doch auch, wäre schön, dich wieder einmal zu sehen. Ein paar heisse Chicks werden auch dabei sein!“
Ha! Der Groschen war gefallen. Es war Pete. Pete war das lebende Klischee vom typischen Junggesellen: Er war komplett schwanzgesteuert.
„Pete… Hey…“, murmelte ich in den Hörer und setzte mich im Bett auf.
Pete lachte. „Mann, Alter, der Zeitpunkt der Begrüssung ist längst vorbei!“
Ich schmunzelte, was er natürlich nicht sehen konnte.
„Also, was sagst du? Bist du dabei?“, wollte er wissen.
Mir ging ein spontanes ‚Nein’ durch den Kopf, allerdings fehlte mir noch die passende Ausrede dazu. „Mmh, ich weiss nicht…“, druckste ich herum. Ausrede, wo bist du?
„Ach komm schon, wie lange ist es her, seit du mal wieder einen drauf gemacht hast?“, drängte er. „Es ist doch bloss eine kleine Feier bei mir zu Hause! Bier, Musik, Mädels… Was will man mehr?“
Ich konnte ihn förmlich grinsen hören und liess ein Seufzen verlauten.
„Okay. Ich komm vorbei.“, sagte ich widerwillig zu und bereute es in der darauffolgenden Sekunde gleich wieder.
„Klasse, Alter! Ich freu mich! Also, ich muss dann gleich schon wieder auflegen, noch vorbereiten und so, du weißt schon. Bis später!“, verabschiedete er sich.
„Jop, bis später!“, entgegnete ich nicht halb so begeistert und keine Sekunde später hatte er auch schon wieder aufgelegt.
Mit einem lauten Gähnen erhob ich mich und schlurfte ins Bad.


~Marylou~

Nachdem ich Liam in der Kindertagesstätte abgegeben hatte, machte ich mich auf den Weg ins ‚Garrys’. Heute hatte ich eine Zehn-Stunden-Schicht vor mir; Die Zeit vertrieb ich mir hauptsächlich damit, an Went zu denken. Dabei huschte mir immer wieder unbewusst ein Lächeln übers Gesicht, was auch Amanda sofort auffiel.
Amanda war eine gute Freundin von mir. Wir hatten hier gemeinsam mit dem Kellnern angefangen und uns auf Anhieb gut verstanden und das, obwohl sich unser Lebensstil komplett voneinander unterschied:
Ich war eine alleinerziehende Mutter die tagsüber arbeitete, abends für ihre Familie sorgte und relativ früh zu Bett ging, um am nächsten Tag fit genug zu sein, um das ganze noch mal zu wiederholen. Männergeschichten hatte ich so gut wie keine.
Amanda dagegen war der geborene Männervamp: Sie hatte langes, blondes Haar und eine tolle Figur, die sie am Wochenende durch ihre Arbeit als Stripperin in einem Nachtlokal zu Geld machte. Dadurch hatte sie auch eine Affäre nach der anderen.
Amanda war eine dieser Personen, die richtig unangenehm werden konnten, falls sie einen nicht ausstehen konnte. Dafür liebte und beschützte sie ihre Freunde in jeder Hinsicht. Ich gehörte glücklicherweise zur zweiten Sorte und deshalb erlebte ich sie als eine der liebenswertesten Personen, die ich kannte.
„Na, da strahlt jemand aber mit der Sonne um die Wette!“, bemerkte sie mit einem vielsagenden Grinsen, als wir uns eine kurze Pause gönnten. Wir stellten uns immer neben den Hinterausgang, damit Amanda eine rauchen konnte.
„Sag bloss, du hast einen an der Angel!“
Ich schüttelte entsetzt den Kopf. „Ich? Hallo? Ich bin Marylou, schon vergessen?“, wehrte ich energisch ab. „Ich bin ja wohl die Letzte, die mit Männergeschichten auftrumpft!“
Amanda zog kritisch die linke Augenbraue hoch. „Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass hinter diesem Grinsen kein Mann steckt… Der muss ja echt ne Wucht sein.“
„Es ist nicht so, wie du denkst!“, wehrte ich ab, worauf sie lachte.
„Ach, Süsse! Du bist einfach viel zu brav! Lass doch mal so richtig die Sau raus! Glaub mir, in jeder Frau steckt eine Schlampe. Und deine unterdrückst du schon viel zu lange.“
Mit einem vielsagenden Blick gab sie mir zu verstehen, dass sie genau wusste, wovon sie sprach. Ich glaubte ihr sofort, allerdings hatte ich nicht das Bedürfnis, ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen.
„Ich bin nicht wie du, Amanda. Ich bin halt nicht der Typ für solche Dinge.“
„Woher willst du das wissen, wenn du’s nicht ausprobierst? Du bist doch noch jung! Versteh mich nicht falsch, du bist eine wundervolle Mutter und ich bewundere dich sehr, für all das, was du für Liam tust. Aber ich mach mir manchmal echt Sorgen um dich. Du darfst dich nicht immer so in den Hintergrund stellen!“
„Das tu ich doch gar nicht…“, widersprach ich.
„Doch, das tust du. Wann bist du zum letzten Mal etwas um die Häuser gezogen?“
Schweigen.
„Na also. Ich sag dir mal was: Heute Abend gehen wir zusammen aus. Okay? Ich bin bei einem Kumpel von Steve eingeladen… Du erinnerst dich doch noch an Steve, oder? Na ja, wie auch immer, dieser Kumpel gibt heute eine Homeparty. Das ist also die Gelegenheit, mal neue Leute kennenzulernen. Und wer weiss? Vielleicht kommt ja deine innere Schlampe zum Vorschein!“ Sie lachte laut, worauf auch ich schmunzeln musste.
Es war doch immer dasselbe mit ihr…
Aber ich mochte sie trotzdem unheimlich gern. Oder vielleicht gerade deshalb?


~Wentworth~

Mit einem Bier in der rechten Hand stand ich im Wohnzimmer von Pete und liess meinen Blick über die Leute hier schweifen. Es hatte einige unter ihnen, die mir bekannt waren; Ausser Pete kannte ich jedoch niemanden von denen richtig. Was die weibliche Vertretung betraf, reizte mich irgendwie keine von diesen aufgetakelten falsch Blondierten. Sie entsprachen genau Petes Typ, meinem jedoch überhaupt nicht.
Einmal mehr an diesem Abend fragte ich mich, wieso um alles in der Welt ich hierhergekommen war… Wo ich es mir doch am liebsten zu Hause gemütlich machte.
Ich drehte mich um und wollte gerade auf das Buffet zusteuern, als ich verblüfft stehen blieb. Ein paar Meter von mir entfernt stand doch tatsächlich Marylou, ganz alleine. Schlagartig verbesserte sich meine Laune. Zielstrebig bahnte ich mir einen Weg durch die Menschenmenge hindurch, doch dann blieb ich abrupt stehen. Marylou war nicht alleine. Ihr dicht gegenüber stand irgend so ein Kerl, der mit dem sie sich unterhielt. Er stützte sich mit dem Arm an der Wand ab und beugte sich nahe zu Marylou vor, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Ein eigenartiges, beißendes Gefühl breitete sich in mir aus, doch ich konnte nicht anders, als die Szene zu beobachten. Marylou wich etwas zurück und lächelte schwach, sah dem Typen jedoch nicht ins Gesicht. Im Gegenteil, sie liess ihren Blick unruhig umherschweifen, als ob sie jemanden im Raum suchen würde. Wieder kam ihr der Kerl näher, worauf sie erneut zurückwich. Wenn mich hier nicht alles täuschte, hatte sie wohl nicht gerade viel für diesen Typ übrig…


~Marylou~

„Was hältst du davon, wenn wir zwei mal kurz auf dem Klo verschwinden?“, raunte mir irgend so ein widerlicher Kerl ins Ohr. Ich wurde nervös. Amanda wollte nur schnell zum Buffet verschwinden, doch nun zogen sich die Minuten unendlich lange hin.
„Davon halte ich gar nichts!“, zischte ich und versuchte, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Ich wollte mich von ihm abwenden, doch er hinderte mich daran, indem er nach meinem Arm packte und mich brutal am Handgelenk festhielt. Ich spürte, wie ich mich augenblicklich verkrampfte und die Angst in mir hochstieg.
„Mach dich locker, Süsse. Ich will doch bloss etwas Spass… Du doch sicher auch, oder?“, grinste er und zog mich etwas näher an sich ran. Widerstrebig versuchte ich, mich von ihm loszureissen, worauf sein Griff fester wurde.
„Gibt’s hier ein Problem?“, ertönte in diesem Augenblick eine mir bekannte Stimme. Sowohl ich als auch der widerliche Typ schauten in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Als ich in Wents Gesicht sah, fühlte ich mich augenblicklich sicher. Gerade, als ich ‚Ja’ sagen wollte, liess der Typ meinen Arm los und kam mir zuvor.
„Aber nicht doch. Wir haben uns bloss etwas unterhalten.“, log er und grinste doof. Unbewusst stellte ich mich näher zu Went, worauf dieser schützend seinen Arm um meine Taille legte.
„Gut. Sie ist nämlich mit mir hier.“, stellte er trocken klar, worauf sich der Typ mit eingezogenem Schwanz aus dem Staub machte. Ich konnte einen erleichterten Seufzer nicht unterdrücken. Als der Typ in der Menge verschwunden war, wandte sich Went mir zu und sah mich besorgt an.
„Alles klar bei dir?“, fragte er fürsorglich. „Du zitterst…“
Er hatte Recht. Ich hatte es nicht bemerkt, aber jetzt, wo die Anspannung nachliess, merkte ich, wie sehr ich am ganzen Körper zitterte.
Ich konnte nicht antworten. Ich wusste auch gar nicht, was ich hätte sagen sollen, denn egal ob ich mit Ja oder mit Nein geantwortet hätte, es wäre nicht die ganze Wahrheit gewesen.
„Ich muss hier raus.“, presste ich stattdessen hervor und wollte gerade auf die Tür zuschreiten, als Amanda zurückkam und mir so unabsichtlich den Weg versperrte.
„Hey, was ist los? Wo willst du hin?“, fragte sie verwirrt, worauf ich nur ein knappes „Raus!“, entgegnete und mich an ihr vorbeizwängte.
Amanda folgte mir nach draussen. Neben mir blieb sie schweigend stehen.
„Da war dieser Typ…“, begann ich, doch weiter kam ich nicht. Meine Stimme versagte und ich merkte, wie alte Erinnerungen in mir hochkamen. Erinnerungen, die ich versucht hatte, zu verdrängen.


~Wentworth~

Wie vor den Kopf gestossen stand ich nun alleine da, wo vorher Marylou und dieser Kerl gestanden hatten. Nachdem sich der Typ aus dem Staub gemacht hatte, war Marylou nach draussen gestürmt, gefolgt von einer anderen Frau in ihrem Alter, wahrscheinlich eine Freundin von ihr. Ich wusste nicht wirklich, ob ich ihnen folgen sollte, doch stehenbleiben und dämlich vor mich hinstarren wollte ich auch nicht.
Deshalb ging ich kurz darauf trotzdem hinterher. Marylou stand unten an der Treppe, neben ihr die andere Frau. Ich blieb kurz oben an der Treppe stehen um mich zu vergewissern, dass ich nicht in ein Gespräch platzte, von dem ich nichts mitbekommen sollte. Dann stieg ich langsam die Treppe zu ihnen hinunter.
Die andere Frau bemerkte mich als erstes, sah zu mir hoch und musterte mich irritiert.
„Sind sie… Sie sind doch Wentworth Miller!“
Erst jetzt schaute auch Marylou auf.
„Ihr kennt euch?“, fragte sie überrascht.
„Äh ja, also nein. Ich meine… Wir kennen uns nur so, vom sehen.“, stotterte ich und gab der Frau mit einem bedeutungsvollen Blick zu verstehen, dass sie mitspielen sollte.
Leider war ich noch nie wirklich gut im spontanen Lügen gewesen.
„Genau, vom sehen…“, murmelte die Frau mehr zu sich selbst als zu uns und starrte mich weiter an, als wäre ich aus purem Gold.
Ich hoffte, Marylou würde unsere Unbeholfenheit nicht bemerken. Viel dämlicher hätten wir uns nun wirklich nicht mehr anstellen können…
„Ist alles wieder okay bei dir?“, fragte ich Marylou schnell, um das Thema zu wechseln. Sie zwang sich zu einem Lächeln und nickte.
„Ja, geht schon wieder. Danke dass du mir geholfen hast.“
Ich lächelte. „Das war doch klar…“
Für einen kurzen Augenblick trat eine peinliche Stille ein. Marylous Freundin war diejenige, die uns aus der unangenehmen Situation befreite.
„Also mir wird langsam kalt hier draussen, ich geh rein. Kommt ihr mit?“, fragte sie und marschierte schon an uns vorbei. Marylou lächelte mir schüchtern zu und folgte ihr, ich ging den beiden hinterher. Marylous Freundin war bereits wieder im Haus verschwunden, noch bevor wir oben an der Treppe angelangt waren. Vor der Tür blieb Marylou jedoch so abrupt stehen, dass ich beinahe mit ihr zusammengestossen wäre.
„Was ist los?“, fragte ich irritiert und betrachtete sie besorgt. Ich sah, wie sie ihre Muskeln anspannte und sie sich völlig verkrampfte.
„Hey…“, flüsterte ich beruhigend und legte sanft meinen Arm um sie.
„Ich bleibe bei dir, okay?“
Sie sah mich verunsichert an und zwang sich zu einem zaghaften Lächeln.
„Schliesslich sind wir doch gemeinsam hier…", fügte ich hinzu und zwinkerte ihr schelmisch zu.
Nun musste sie doch noch leise lachen und ich spürte, dass ihre Anspannung nachliess.
„Ja. Das sind wir.“, gab sie mir leise Recht.
Kikili1703

Beitrag von Kikili1703 »

Endlich geht die Geschichte weiter! Ich hoffe du wirst schon bald was neues reinstellen, denn ich finde deine Geschichte so gut, dass ich icht genug bekommen kann!
prisoner94941

Beitrag von prisoner94941 »

der teil hat mir echt gut gefallen :up:

freue mich schon auf den nächsten...
summer345

Beitrag von summer345 »

ich bin grade eben auf die story gestoßen.
wo also ich hab richtig gänsehaut, und kann mir das echt gut vorstellen,
nur hab voll scock bekommen, als diese amanda plätzlich sage: du bist doch wentworth miller

SCHOCK. aber ich wette irgendwann wird marylou das herrausbekommen wer er ist... ich mein guckt dein charakter kein fernsehen? ;)
denke das hast du dir ja auch überlegt daher der vollzeit job.. so denk ich mir das mal.
wenn man das so liest, wird man sogar ein bissl eifersüchtig ;)
anyone

Beitrag von anyone »

n'Abend. :D
hey, ich danke euch für die lieben feedbacks!
die motivieren mich total.

@ summer345: deine vermutung trifft voll ins schwarze...
aber lies am besten gleich selbst: ;)




~Marylou~

Ich wurde von den warmen Sonnenstrahlen geweckt, die durch mein Zimmerfenster direkt in mein Gesicht strahlten.
Ich blinzelte und warf einen Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch. 10.04… In einer Stunde musste ich im ‚Garrys’ sein. Ich schlug die Decke zurück und stand auf.
Im Wohnzimmer sass mein Dad mit Liam am Boden und spielte mit den Legosteinen, die überall verstreut waren. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. In diesem Moment sah mein Vater auf und lächelte mir zu.
„Guten Morgen, mein Schatz.“, begrüsste mich mein Vater.
Nun drehte sich auch Liam zu mir um und strahlte mich an.
„Guten Morgen, ihr zwei.“, grüsste ich zurück und beugte mich zu Liam runter, um ihn zu knuddeln.
Vergnügt quiekte er auf.
„Danke, dass du mich hast ausschlafen lassen.“, wandte ich mich an Dad.
Er nickte nur lächelnd und widmete sich wieder Liam zu. Ich nutzte die Zeit, um unter die Dusche zu springen und erst mal richtig wach zu werden.
In Gedanken liess ich den gestrigen Abend Revue passieren. Unweigerlich bildete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht, als ich an Went dachte. Den Rest des Abends war er nicht mehr von meiner Seite gewichen und hatte mir seine volle Aufmerksamkeit geschenkt. Wir hatten uns unterhalten, zusammen gelacht. Es war mir so vorgekommen, als gäbe es nur noch uns zwei, als wären keine weiteren Leute mehr um ums herum.
Und ich hatte seine Anwesenheit als sehr angenehm empfunden…
Nachdenklich stellte ich das Wasser ab, stieg aus der Dusche und trocknete mich ab.
Dass ich mich bei ihm so wohl fühlte, verwirrte mich.
Normalerweise sträubte sich alles in mir gegen die Nähe eines Mannes, normalerweise misstraute ich jedem menschlichen Wesen männlichen Geschlechts.
Die Erfahrungen hatten mich geprägt.
Doch Went schien all diese negativen Gefühle wie wegzublasen. Es war, als würde er die Mauern, die ich gebaut hatte um mich zu schützen, einfach so niederreissen, ohne dass ihm dies irgendwelche Mühe bereitete.
Und das machte mir unweigerlich etwas Angst…
Ich hatte Angst davor, die Mauern einfach so einstürzen zu lassen und auf einmal ungeschützt dazustehen.
Seufzend schüttelte ich den Kopf, als wolle ich die Gedanken aus meinem Kopf schütteln. Ich dachte zu viel nach. Viel zu viel.

Nachdem ich Liam in der Kindertagesstätte abgegeben hatte, machte ich mich auf den Weg ins ‚Garrys’. Amanda war schon dort, allerdings sah sie ziemlich müde aus. Grinsend ging ich auf sie zu. Als sie mich entdeckte, grinste auch sie.
„Hey Süsse. Du siehst um einiges erholter aus als ich…“, bemerkte sie und schnappte sich ein Tablett von der Theke.
„Ich hab die Nacht ja auch zum schlafen genutzt…“, stichelte ich, worauf sich ein vielsagendes Grinsen über ihr Gesicht legte.


~Wentworth~

In den folgenden Tagen hörte ich nichts mehr von Marylou. Ich verbrachte meine freie Woche damit, draussen spazieren zu gehen, Freunde zu treffen und ganz viel zu lesen. Erst gegen Ende der Woche begann ich wieder damit, mich aufs arbeiten einzustimmen, indem ich das Drehbuch mehrmals durchging und mich mit Michaels Charakter auseinandersetzte. Je öfter ich das Drehbuch durchlas, desto besser lernte ich ihn kennen und desto mehr konnte ich ihn mir verinnerlichen, was für meine schauspielerische Arbeit sehr wichtig war.
Am Samstagnachmittag konnte ich mich allerdings nicht mehr aufs Drehbuch konzentrieren. Meine Gedanken drifteten immer wieder zu Marylou ab. Ein Blick aus dem Fenster genügte, um zu wissen, dass sie den heutigen Tag wohl im Park verbringen würde. Es war strahlend schönes Wetter, die Sonne schien und am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen. Ich trommelte mit meinen Fingern auf das Drehbuch in meiner linken Hand und zögerte kurz, dann warf ich das Drehbuch auf das kleine Tischchen vor mir und machte mich auf den Weg in den Park.
Schon von weitem erkannte ich Liam, der übermütig die Rutschbahn runterrutschte, gleich wieder die Leiter hochkletterte, und das Ganze noch mal wiederholte. Marylou stand neben der Rutsche und passte auf, dass ihm nichts passierte.
Als ich mich dem Spielplatz näherte, entdeckte er mich und winkte mir zu. Ich hob die Hand und winkte zurück. In diesem Moment drehte sich Marylou um und lächelte mir zu.
„Hey!“, grüsste sie.
„Hey!“, grüsste ich zurück und stellte mich neben sie.
„Schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?“, erkundigte sie sich.
„Gut, danke. Und dir?“
Sie lächelte mich an. „Auch gut.“
Wir verbrachten den Rest des Nachmittages zusammen im Park. Ich genoss jede Minute, die ich in ihrer Nähe verbringen konnte. Mehrmals ertappte ich mich dabei, wie ich sie verstohlen musterte.
Ich fand sie jedes Mal schöner, wenn ich sie sah...
Als es Abend wurde, hiess es, sich zu verabschieden. Ihr Vater wartete zu Hause, sie wollten heute gemeinsam essen.
Unschlüssig standen wir uns gegenüber.
Ich wollte nicht, dass sich unsere Wege bereits wieder trennten… Wusste ich doch nicht, wann wir uns das nächste Mal wiedersehen würden. Schliesslich würde ich ab übermorgen wieder 14 Stunden am Tag arbeiten, da blieb kaum Zeit, um mich mit ihr zu verabreden.
Gerade, als ich sie um eine Verabredung für morgen beten wollte, kam sie mir zuvor.
„Möchtest du… Hast du vielleicht Lust, mit uns zu essen?“, lud sie mich ein und fügte unsicher hinzu: „Natürlich nur, wenn du willst…“
Ich musste schmunzeln. „Gerne.“


~Marylou~

„Ich hab Besuch mitgebracht.“, informierte ich meinen Vater, als ich mit Went das Wohnzimmer betrat. Er sah interessiert von seinem Buch auf und staunte nicht schlecht, als er meine männliche Begleitung entdeckte.
Ich gab ihm mit einem eindringlichen Blick zu verstehen, dass er sich so neutral wie möglich verhalten sollte. Räuspernd erhob er sich und trat auf Went zu.
„Wentworth… Erinnere ich mich da richtig?“, fragte er und lächelte freundlich.
Went nickte und reichte meinem Vater die Hand.
„Ja, das ist richtig. Guten Abend Jeffrey. Ich hoffe, es stört sie nicht, dass ich…“
„Nein, nein! Sie sind herzlich willkommen.“, unterbrach ihn mein Vater.
Er lächelte mir zu und nickte kaum merklich.
Während er sich um Liam kümmerte, verschwanden Went und ich in der Küche. Went hatte darauf bestanden, mir beim kochen zu helfen.
Wir beschlossen, dass es heute Spaghetti Bolognese geben sollte.
Mir fiel sofort auf, dass er sich in der Küche äusserst geschickt anstellte.
„Kochst du oft?“, wollte ich daher wissen. Ohne seinen Blick von den Rüben zu wenden, die er gerade im Eiltempo zerhackte, antwortete er:
„Ich lebe alleine. Irgendwie hat mich der Selbsterhaltungstrieb zum kochen gezwungen.“
Ich lachte und bereitete die Zwiebeln vor. Ich hasste Zwiebelhacken, da ich jedes Mal in Tränen ausbrach. So war es dummerweise auch dieses Mal. Went entging dies natürlich nicht und er konnte es sich nicht verkneifen, einen Spruch zu machen.
„Ach Marylou, wein doch nicht. Glaub mir, die Zwiebeln sind dir nicht böse. Es ist ihr Schicksal, verhackt zu werden.“, sagte er mit sanfter, beruhigender Stimme.
Ich streckte ihm die Zunge raus und hackte tapfer weiter. Went grinste belustigt und widmete sich dem Hackfleisch, dessen rosa Farbe sich inzwischen in ein braun verwandelt hatte.
Meine Augen brannten noch mehr als vorher, worauf sich ein dichter Tränenschleier vor ihnen bildete. Ich trat einen Schritt von der Küchentheke zurück und blinzelte ein paar Mal, was dazu führte, dass einige Tränen über meine Wangen kullerten.
Went wandte sich mir zu und kam lächelnd auf mich zu. Dann streckte er sanft seine rechte Hand nach mir aus und strich mir behutsam die Tränen aus dem Gesicht.
Auf diese Berührung war ich nicht gefasst gewesen…
Wie elektrisiert starrte ich ihn an und spürte, wie mein Herz kräftig zu pochen begann.
Went schien davon nichts mitzubekommen.
Behutsam nahm er das Messer aus meiner Hand.
„Lass mich das machen. Ich ertrage es nicht, dich weinen zu sehen.“, neckte er mich und machte sich daran, meine Arbeit zu Ende zu führen.
Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich aus meiner Starre lösen konnte und mich dazu entschloss, den Tisch zu decken, damit ich kurz aus der Küche verschwinden konnte.


~Wentworth~

Nach dem Essen brachte Marylou Liam ins Bett, während Jeffrey und ich den Abwasch erledigten. Jeffrey war sehr freundlich zu mir und behandelte mich, als ob ich jeden Abend hier auftauchen würde und es das normalste auf der Welt war, mich als Gast zu haben. Ob Marylou oft Männerbesuche empfing…?
Marylou und ich wollten uns noch gemeinsam einen Film anschauen.
Jeffrey zog sich höflich zurück und verabschiedete sich mit den Worten, dass er hoffe, mich bald wiederzusehen, von mir. Das hoffte ich allerdings auch…
Während ich es mir auf der Couch gemütlich machte, setzte sich Marylou im Schneidersitz von den Fernseher, schaltete ihn ein und öffnete die DVD-Hülle.
Als das Bild auf dem Bildschirm erschien und der Ton ertönte, blieb mein Herz beinahe stehen. Es lief gerade ein Vorspann von der nächsten Folge PrisonBreak auf FOX. Geschockt starrte ich abwechselnd auf den Bildschirm und auf Marylou.
Ausgerechnet in dem Augenblick, als mein Gesicht in voller Grösse zu sehen war, hob Marylou den Kopf und erstarrte.
Der Vorspann ging zu Ende und es folgten sicher zwei weitere Werbungen, ohne dass Marylou sich bewegte oder etwas sagte. Erst als ich mich verlegen räusperte, drehte sie sich langsam zu mir um. Sie sah mich jedoch nicht an, sondern fixierte mit gerunzelter Stirn irgendeinen Punkt vor ihr auf dem Boden und deutete mit dem Zeigefinger auf den Bildschirm hinter sich.
„Warst… Warst das gerade du? Im… Fernsehen?“, fragte sie ungläubig.
Ich begann, nervös mit meinen Fingern auf dem Knie rumzutrommeln und nickte zögernd.
„Ja…“, antwortete ich unsicher. Meine Stimme hörte sich rau an.
Sie löste ihren Blick vom Boden und sah mir nun direkt in die Augen.
„Du bist… Michael Scofield.“, stellte sie tonlos fest.
„Ja… Das heisst, nein, eigentlich nicht.“ Ich hörte auf zu trommeln.
„Was meinst du damit?“, fragte sie verwirrt.
„Ich bin nicht Michael Scofield. Ich spiele ihn nur. Ich bin Wentworth Miller.“, erklärte ich und fand langsam meine Sicherheit wieder.
Sie sah mich auf eine Art und Weise an, die ich nicht deuten konnte.
„Wieso… Wieso hast du nie was gesagt?“, fragte sie.
„Weil ich wollte, dass du mich ohne Vorurteile kennenlernen kannst. Ich wollte, dass du mich als normalen Mann betrachtest und nicht als berühmten Schauspieler. Ich wollte sichergehen, dass du mich meinetwegen kennenlernen willst.“, erklärte ich ausführlich.
„Vielleicht verstehst du das nicht… Aber es ist so lange her, dass ich einer Frau begegnet bin, die Zeit mit mir verbracht hat, ohne zu wissen, wer ich bin. Das erste Mal seit langem hatte ich das Gefühl, von jemandem einfach so gemocht zu werden, weil ich nun mal einfach ich bin.“
Sie schaute mich lange schweigend an, dann lächelte sie verständnisvoll.
„Doch… Ich versteh’s.“, sagte sie leise.


~Marylou~

Irgendwie war mir durch diese Erkenntnis die Lust auf einen Film vergangen, daher entschieden wir uns, stattdessen etwas spazieren zu gehen.
Es war bereits dunkel draussen, die Strassen wurden von Strassenlampen erhellt und an den Hausmauern prangten die farbigsten Leuchtschilder, welche die vorbeigehenden Passanten anlocken sollten.
Went und ich ignorierten sie und schlenderten einfach daran vorbei.
Ich konnte einfach nicht fassen, dass ich ihn nicht wiedererkannt hatte. Bekannt vorgekommen war er mir ja, aber ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dass er der Wentworth Miller war. Belustigt über meine eigene Dummheit musste ich auf einmal lachen. Fragend sah mich Went an.
„Was ist los?“, wollte er wissen.
„Stell dir vor: Auf dieser Erde gibt es tausende von Mädchen, die alles dafür geben würden, dich mal live zu sehen… Und ich erkenne dich nicht mal.“
Auch Went musste leise lachen.
„Ja, das ist wohl so…“, murmelte er.
Ich wurde ernst und sah ihn an.
„Es tut mir Leid… Ich… Das ist irgendwie peinlich.“
„Quatsch! Ich war froh, dass du mich nicht auf Anhieb erkannt hast.“
Ich lächelte. Peinlich war es mir trotzdem irgendwie...
Wir steuerten auf einen McDonalds zu und entschieden uns, als Dessert einen McFlurry zu verspeisen. Der Typ am Tresen musterte Went zwar etwas irritiert, sagte aber nichts. Amüsiert grinste ich. Ich musste ja völlig blind gewesen sein…
Als wir unsere Bestellung erhalten hatten, stiegen wir die Treppe hoch, zu den gemütlich eingerichteten Sitzgruppen im oberen Stock.
Während wir unser Eis löffelten, erzählte mir Went kurz von den Dreharbeiten zu PrisonBreak und der Arbeit als Schauspieler im Allgemeinen. Sehr lange blieben wir jedoch nicht bei diesem Thema, da Went nicht wollte, dass ich in ihm nun doch bloss noch den Schauspieler Wentworth Miller sah.
Wir wechselten also das Thema und unterhielten uns so gut, dass ich sofort wieder völlig vergass, wen ich hier eigentlich vor mir hatte. Als wir den McDonalds allerdings wieder verlassen wollten, wurde ich unangenehm in die Realität zurückgerissen.


~Wentworth~

Als wir den McDonalds verlassen wollten und die Treppe herunterstiegen, blieb ich wie angewurzelt stehen. Vor dem Ausgang wartete eine Gruppe Paparazzi, allesamt bewaffnet mit ihren riesigen Fotoapparaten. Ich biss genervt meine Zähne zusammen und drehte mich zu Marylou um. Diese hatte die Fotografen bereits erblickt und starrte nun geschockt auf die wartende Menge.
„Wir haben zwei Möglichkeiten.“, begann ich, worauf sie ihren Blick von den Fotografen ab- und mir zuwandte.
„Entweder du gehst zurück, wartest eine Weile und verlässt dann alleine den Mc, in der Hoffnung, dass die Paparazzi noch nicht wissen, dass wir gemeinsam da waren… Oder wir verlassen ihn gemeinsam und du wirst morgen mit grösster Wahrscheinlichkeit als meine Freundin in einer Klatschzeitung auftauchen.“, eröffnete ich ihr ungeschont.
Sie atmete tief ein und sah mich ratlos an.
„Keine Ahnung… Was denkst denn du?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich denke, dass sie längst wissen, dass ich nicht alleine hier war.“
Sie nickte. „Na dann, auf in den Kampf!“
Ich nahm ihre Hand und zog sie eilig hinter mir durch die Menge. Die Zurufe der Paparazzi ignorierte ich; Ich wollte jetzt einfach weg von denen, und das so schnell wie möglich. Ich war unheimlich froh, dass Marylou gerade noch rechtzeitig von meiner Berühmtheit erfahren hatte, ansonsten wäre die Situation hier böse ins Auge gegangen…
Um der Meute fotogeiler Typen zu entkommen, winkte ich ein Taxi her, das in der Nähe geparkt hatte. So schnell es ging stiegen wir ein und der Taxichauffeur fuhr los, noch ehe wir ihm mitgeteilt hatten, wo wir überhaupt hin wollten. Ich war ihm sehr dankbar dafür.
„Meine Güte, wie hältst du das nur aus?“, fragte Marylou und blinzelte ein paar Mal, noch völlig benommen vom Blitzlichtgewitter.
„Ich hab keine Wahl.“, antwortete ich und lächelte wenig überzeugend.
Wir nannten dem Taxifahrer Marylous Adresse, worauf dieser umgehend die Richtung wechselte. Bei ihr angekommen verabredeten wir uns für morgen Abend bei mir, um unseren Filmabend nachzuholen. Als wir uns verabschiedet hatten und sie ausstieg, sah ich ihr noch solange hinterher, bis sie im Haus verschwunden war.
Ich freute mich schon jetzt riesig auf morgen und konnte es kaum abwarten, sie wiederzusehen… Sie war mir in der kurzen Zeit, in der wir uns nun kannten, sehr nahe gekommen. Ich meine nicht körperlich nahe… Schlimmer.
Denn ich merkte, dass ich nahe dran war, mehr für sie zu empfinden, als blosse Freundschaft. Und ich war mir nicht sicher, ob ich das wirklich wollte. Jetzt, wo es mit meiner Karriere so gut lief, hatte ich eigentlich keine Zeit für eine Frau an meiner Seite… Ich wollte mich voll und ganz auf die Karriere konzentrieren.
Andererseits musste ich feststellen, dass sie mich völlig in ihren Bann gezogen hatte und dass es ein Ding der Unmöglichkeit war, ihr in irgendeiner Art und Weise zu widerstehen.
Ich wollte sie treffen. Ich wollte sie kennenlernen.
Ich wollte sie.
summer345

Beitrag von summer345 »

ooh wie süß :D
ich finde es an dieser ff so geil, das du auch aus wents perspektive schreibst :D

das mit der pb werbung im tv war sehr lgisch gemacht, aber muss bestimmt eine scheiß situation für went und marylou gewesen sein
:roll:

ich freue mich auf den nächsten teil
Wentpris

Beitrag von Wentpris »

so süße!
wie versprochen gebe ich heute meinen senf dazu :D
also ich muss sagen der anfang der ff war eher ein wenig langatmig, aber das hat sich sehr schnell geändert! schon ab dem date wurde es sehr interessat! vor allem das tiefsinnige gespräch zwischen den beiden!
und ab der homeparty find ich deine geschichte nur noch toll!
irgendwie ist der stil auch etwas lockerer geworden.. anfangs hatte es ein wenig etwas von einem bericht.. aber wie gesagt nur der anfang!

und jetzt steigt auch die spannung immer mehr und ich freu mich schon weiter zulesen und auch mehr über marylou zu erfahren und warum sie so reagiert hat auf der homeparty (also welche erinnerungen das wohl hervorgerufen hat)

und lustig wirds jetzt auch. das gefällt mir sehr gut :up:
„Du bist… Michael Scofield.“, stellte sie tonlos fest.
^_^ sehr gut ^_^
stell ich mir echt süß vor wie sie auf dem boden sitzt und ihn mit offenem mund ansieht ;)

also ich bin wirklich gespannt auf mehr und kann nur sagen, dass die geschichte einfach immer besser wird :)
anyone

Beitrag von anyone »

hey leutz!

vielen dank für eure kommentare!
ich freu mich immer riesig und bin total durch eure feedbacks beeinflussbar (besonders meine motivation!), also scheut euch nicht, euren senf zu meiner ff zu geben! :D

ich stelle heute einen nächsten teil rein und vielleicht schaffe ich es ja sogar, einen weiteren teil bis sonntag abned so weit fertig zu haben, dass ich es verantworten kann, ihn der öffentlichkeit preis zu geben. ;)

bis dahin wünsche ich euch viel spass beim neuen teil!
have a nice weekend!




~Marylou~

Ich atmete einmal tief ein, dann klopfte ich an die Tür. Ich wusste nicht genau wieso, aber irgendwie war ich aufgeregt. Nervös strich ich mir durch die Haare, als sich die Tür öffnete und ich einen lächelnden Went vor mir stehen sah.
„Hey Marylou!“, begrüsste er mich.
„Hi!“, grüsste ich zurück und umarmte ihn. Ich konnte seinen Duft einatmen…
Er roch unverschämt gut…
Er öffnete die Tür noch etwas mehr und machte eine einladende Bewegung mit der Hand. „Komm rein.“
Mit klopfendem Herzen folgte ich seiner Einladung und trat ein. Das Appartement war sehr geräumig und hell. Alles war sehr stilvoll eingerichtet, allerdings beschränkte sich die Ausstattung der Möbel auf das Nötigste. Pflanzen gab es auch keine, dafür jede Menge Bilder und Fotos an den Wänden.
Er führte mich ins Wohnzimmer und beobachtete mich dabei, wie ich mich neugierig umsah. Dann wandte ich mich ihm lächelnd zu.
„Schön.“, kommentierte ich knapp und musterte ihn unauffällig.
Schön würde auch auf ihn zutreffen, schoss es mir durch den Kopf.
Schnell wandte ich mich ab und widmete meine Aufmerksamkeit den Fotos, die an den Wänden hingen. Eines stach mir besonders ins Auge. Ich ging auf die Photographie zu und betrachtete sie. Es war eine Schwarzweissaufnahme eines alten, dunkelhäutigen Mannes, der seinen Arm um einen etwas jüngeren, ebenfalls dunkelhäutigen Mann gelegt hatte. Dieser wiederum hatte seinen Arm um einen Jungen gelegt, dessen Haut relativ hell war.
Went kam zu mir herüber und stellte sich dicht neben mich. Ich konnte seine Nähe förmlich fühlen, was mich auf eigenartige Weise erschaudern liess.
„Das sind mein Grossvater Wentworth, mein Vater Wentworth und ich als Klein-Wentworth… Der Name ist eine Art Tradition.“, berichtete er mir.
Ich schaute ihn lächelnd an.
„Das ist ja witzig… Ich wusste gar nicht, dass dein Vater dunkelhäutig ist.“
Er nickte. „Ja, ich hab wohl die Gene meiner Mutter geerbt…“
„Und dein Sohn? Wird der auch Wentworth heissen?“, fragte ich amüsiert grinsend.
Er zuckte mit den Schultern.
„Hängt von seiner Mutter ab, schätze ich…“, antwortete er, worauf ich lachen musste.


~Wentworth~

Ich musterte sie unauffällig, während sie sich in der Wohnung umsah und die verschiedenen Bilder betrachtete. Sie war so wunderschön und hatte immer noch dieses geheimnisvolle Etwas an sich, das sie umgab und mich von Anfang an fasziniert und angezogen hatte.
Als sie so lange vor dem Drei-Generationen-Bild stehen blieb, drifteten meine Gedanken zu Liam ab. Dass Marylou mit ihren 21 Jahren bereits einen dreijährigen Sohn hatte, war irgendwie außergewöhnlich. Allerdings wirkte sie wirklich nicht wie 21. Sie war um einiges reifer als alle anderen Frauen in ihrem Alter, die ich kannte. Vielleicht gerade deshalb? Ich fragte mich, was wohl mit Liams Vater war und ob Marylou noch viel Kontakt zu ihm hatte. Vielleicht hatte sie sogar noch Gefühle für ihn?
Doch dann fiel mir wieder ein, dass sie gesagt hatte, Liam habe keinen Vater. Wahrscheinlich hatten sich die Beiden nicht gerade im Guten getrennt…
„Wollen wir mit dem Film beginnen?“, fragte sie plötzlich und riss mich damit völlig aus den Gedanken.
„Klar, mach es dir gemütlich.“
Während sie sich auf die Couch setzte, legte ich die DVD in den Recorder ein.
Wir hatten uns für den Film „A Beautiful Mind“ entschieden, da eine Liebesromanze irgendwie unpassend gewesen wäre und zudem meine Auswahl nicht all zu gross war.
Ich schaute mir die Filme immer nur bei meinen Schwestern an oder lieh mir welche aus.
Nachdem ich mich neben Marylou gesetzt hatte, startete ich den Film.
Ich konnte es mir nicht verkneifen, hie und da einen verstohlenen Blick zu ihr rüber zu werfen und sie unauffällig zu beobachten. Es war richtig süss, wie konzentriert sie auf den Bildschirm starrte, bei heftigeren Szenen erschrocken zusammenzuckte oder mitfühlend die Augenbrauen hochzog, wenn etwas Trauriges geschah.
Als Schauspieler war ich natürlich umso begeisterter, dass sie sich so in den Film hineinversetzte und mit den Charakteren mit lebte.
Als Russel Crow im Film seine rührende Schlussrede hielt, legte Marylou unvermittelt ihre Hand ganz sanft auf meine, so sanft, dass sich unsere Hände kaum berührten.
Völlig überrumpelt von dieser plötzlichen Berührung durchzuckte es mich wie ein Blitz. Irritiert starrte ich auf unsere Hände und sah, wie sich die eine allmählich um die andere schloss.
Es dauerte eine Weile, bis ich registrierte, dass es die meine war, welche ihre nun festhielt. Marylou schien die Berührung gar nicht richtig wahrzunehmen; In mir jedoch löste sie eine Achterbahn der Gefühle aus. Mein Herz klopfte bis zum Hals und das so schnell und so laut, dass ich glaubte, Marylou würde es hören.
Der Film ging zu Ende und während der Abspann lief, starrte ich noch immer wie in Trance auf unsere Hände. Erst, als Marylou ihre zurückzog, sah ich auf.
Sie lächelte mich an.
„Das war ein toller Film…“, bemerkte sie und streckte sich.
Sie verhielt sich, als wäre eben gar nichts passiert. Hatte sie die Berührung tatsächlich nicht bemerkt?


~Marylou~

Der Film war absolut ergreifend. Selten hatte mich ein Film so sehr gepackt und berührt. Ich hatte das Gefühl, völlig im Geschehen drin zu sein, daran Teil zu nehmen.
Ich vergass alles um mich herum, vergass, wo ich war, und vor allem, neben wem ich sass. Erst als der Film zu Ende ging, fand ich wieder in die Realität zurück.
Dafür schien Went noch immer ziemlich abwesend zu sein…
Aber als Schauspieler war fernsehen wohl auch etwas ganz anderes.
Nach einigen Sekunden des Schweigens löste auch er sich aus seiner Starre und schaltete mit der Fernbedienung den Recorder aus. Daraufhin erschien das Bild der momentanen Fernsehübertragung…
Und wer hätte das Gedacht: Es lief gerade PrisonBreak.
Zeitgleich sahen Went und ich uns überrascht an, was uns auflachen liess.
„Wir haben ein gewisses Timing dafür, was?“, lachte ich.
Er zog die Schultern etwas hoch und nickte. „Ja, das ist wohl so… “
Etwas verlegen griff er erneut nach der Fernbedienung und wollte den Fernseher ausschalten, worauf ich meine Hand auf seine legte.
Augenblicklich hielt er inne und sah mich an.
„Darf ich… Darf ich mir ein paar Minuten ansehen?“, fragte ich vorsichtig.
Er lächelte und lehnte sich zurück.
„Nur ein paar Minuten…“, erlaubte er mir gnädig.
Ich hatte die Serie bis dahin kaum geschaut, da ich schlichtweg zu wenig Zeit dafür gehabt hatte.
Nach ein paar Minuten warf ich einen kurzen Blick zu Went hinüber, der mir verriet, dass er zunehmends unruhiger wurde. Wenige Sekunden später fand ich auch gleich heraus, wieso:
Michael Scofield zog sein Shirt aus und präsentierte seinen tätowierten Oberkörper in seiner ganzen Pracht. Zugegeben, ich musste einmal leer schlucken. Und blinzeln.
Und ja, ich spürte eine elektrisierende Nervosität aufkommen, beim Gedanken, dass dieser Mann im Fernsehen direkt neben mir sass.
Ich konnte selbst dann nicht den Blick vom Bildschirm lösen, als Went ihn ausschaltete und sich räusperte.
„So, das waren ein paar Minuten…“, brummelte er verlegen.
Dass ihm das so peinlich war, fand ich unglaublich liebenswert. Trotzdem konnte ich nicht anders, als mich einwenig darüber lustig zu machen.
Frech grinsend wandte ich mich ihm daher wieder zu und schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Nach ein paar Sekunden der Verlegenheit schien er jedoch seine Sicherheit wiederzufinden und erwiderte meinen Blick mindestens genauso frech.
„Das hat dir wohl gefallen, was?“, fragte er mit einem herausfordernden Unterton.
Mein Grinsen wurde noch breiter.
„Na ja, wenn ich ehrlich sein soll… An diesen sexy Wächter mit dem trainierten Bierbauch kommst du kaum ran.“, konterte ich.
Went lachte laut auf, senkte kurz den Blick und sah mich dann ganz ernst wieder an.
„Willst du damit sagen, ich bin dir nicht sexy genug?“, forderte er mich erneut heraus.
Mein breites Grinsen verschwand und ich sah Went lange schweigend in die Augen.
Es war, als würde ich mich in ihnen verlieren. Er erwiderte meinen Blick so intensiv, dass ich das Gefühl hatte, er würde durch mich hindurch sehen und meine innersten Gedanken und Gefühle erkennen können. Ich fühlte mich auf einmal unheimlich durchschaubar und ich merkte, dass das hier kein Spiel mehr war.
Ich schluckte leer und spürte, wie sich erneut Nervosität in mir breit machte.


~Wentworth~

Ihr Grinsen verschwand und sie schaute mir mit ihren wunderschönen, dunklen Augen direkt in die meinen. Der Blick elektrisierte mich und ich vergass alles um uns herum.
Es gab nur noch uns beide. Marylou und mich.
Sie schwieg lange, dann schluckte sie leer und stiess mit heiserer Stimme hervor:
„Doch, Went. Du bist unglaublich sexy.“
Kaum war der Satz ausgesprochen, stieg die gespannte Atmosphäre ins unermessliche.
Es dauerte einen Moment, bis ich mich gefasst hatte und darauf reagieren konnte.
Langsam streckte ich meine Hand nach ihr aus und strich ihr zärtlich eine Locke aus dem Gesicht. Ich sah, wie sie erneut leer schluckte.
„Du bist wunderschön, weißt du das?“, flüsterte ich.
Sanft strich ich ihr mit dem Daumen über die Wange und liess meine Augen über ihr Gesicht schweifen. Endlich konnte ich sie genau betrachten, ohne darauf achten zu müssen, nicht dabei ertappt zu werden.
Mit grossen Augen sah sie mich an. Sie öffnete den Mund etwas, ihre Lippen bebten leicht.
Langsam näherte ich mein Gesicht dem ihrem. Ich konnte ihren warmen Atem auf meiner Haut spüren, so nah waren wir uns.
„Went, ich…“, wisperte sie.
„Scht…“, unterbrach ich sie leise und näherte mich ihr noch etwas.
Meine Lippen streiften ihre Wange, dann küsste ich sie ganz sanft direkt unter dem Ohrläppchen.
Ich hörte, wie ihr Atem stockte.
Langsam löste ich mich von ihr und küsste sie nun zärtlich auf die Stirn.
Marylou schloss die Augen und presste kurz ihre Lippen fest aufeinander, öffnete sie jedoch gleich wieder ein wenig.
Behutsam hauchte ich einen Kuss auf ihr Auge, dann liess ich meine Lippen nach unten gleiten, um ihren Hals zu küssen. Als ich mich von ihr löste, öffnete sie ihre Augen und ich glaubte, einen Anflug von Verzweiflung darin zu sehen.
Ich zögerte kurz, um ihr etwas Zeit zu geben. Sie tat nichts, um mich in irgendeiner Art und Weise von meinem Vorhaben abzuhalten.
Deshalb liess ich schliesslich meine Hand in ihren Nacken gleiten und zog sie sanft zu mir. Liebevoll streifte ich mit meinen Lippen ihre, nur kurz, so als ob ich sie streicheln wollte, und wich gleich wieder etwas zurück, um noch einmal einen flüchtigen Moment inne zu halten.
Und dann küsste ich sie.


~Marylou~

Mein Herz klopfte so stark gegen meine Brust, dass ich glaubte, es müsste jeden Augenblick zerspringen. Jeder einzelne meiner Muskeln war angespannt und es fiel mir schwer, regelmässig zu atmen.
Unsere Gesichter waren nur wenige Millimeter voneinander entfernt und die Tatsache, seinen warmen Atem auf meinen Lippen zu spüren, bereitete mir Gänsehaut.
Die Zärtlichkeiten, die er mir entgegenbrachte, waren wunderschön…
Doch gleichzeitig spürte ich, wie sich mein Körper widerstrebend dagegen wehrte.
Sachte kam er ein letztes Mal näher, und dann küsste er mich voller Zärtlichkeit.
Ich fühlte, wie ein Beben durch meinen ganzen Körper ging und ich zu zittern begann.
Sanft aber bestimmt drückte ich Went von mir weg.
„Ich… Ich kann das nicht, Went!“, hauchte ich mit bebender Stimme.
Er sah mich irritiert an und strich mit seiner Hand durch meine Haare, streichelte liebevoll mein Gesicht.
„Was kannst du nicht?“, fragte er einfühlsam.
Ich nahm tief Luft und suchte seinen Blick.
„Das hier.“ Meine Stimme versagte, ich zitterte noch immer.
„Marylou, was ist los?“, fragte er besorgt. „Hab ich… Hab ich was falsch gemacht?“
Ich schüttelte den Kopf, schluckte, nahm seine Hand von meinem Gesicht und hielt sie verkrampft in meiner fest. Konzentriert starrte ich auf die Hände, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.
Ich öffnete den Mund und wollte es ihm sagen, doch ich konnte nicht.
Ich brachte keinen Ton heraus. Verzweifelt hob ich den Blick.
Went musste sich ziemlich hilflos vorkommen; er sass einfach da, fixierte mich unbeholfen und wartete darauf, dass ich ihn endlich darüber aufklärte, was hier eigentlich vor sich ging. Ich nahm erneut Anlauf:
„Went… Ich…“, stammelte ich.
Resigniert stellte ich fest, dass ich es nicht schaffen würde. Ich konnte es nicht.
„Tut mir Leid!“, presste ich hervor. „Ich kann nicht.“
Ich liess seine Hand los und sah beschämt zu Boden. Einige endlose Sekunden verstrichen, ohne dass einer von uns etwas sagte. Vielleicht waren es auch Minuten, ich weiss es nicht.
Als die Stille unerträglich wurde, brach ich sie.
„Ich sollte wohl besser mal nach Hause gehen.“
Er nickte, erhob sich und begleitete mich schweigend zur Tür.
„Gute Nacht…“, verabschiedete ich mich von ihm.
Wieder nickte er nur, ohne mich dabei anzusehen. Ich trat auf den Flur hinaus und hörte die Tür hinter mir ins Schloss fallen.
Keine Sekunde später rollten die ersten Tränen über meine Wangen.
Antworten

Zurück zu „Fan Arts und Fan Fiction“