Die Spiele seien eröffnet...
Nehmen wir also mal Folge 100 etwas genauer unter die Lupe.
Vielleicht als erstes ein paar Gedanken zum Opener: In der Pre-Title-Sequenz wird schon in der allerersten Einstellung (malerischer Sonnenuntergang über dem Creek) die Atmosphöre des gesamten Serienkosmos vorgegeben. Malerische Romantik (untermalt von einem Klaviermotiv). Stilisiert und in besonders schönes Licht gesetzt. Ein Hinweis darauf, dass das, war wir fortan zu sehen bekommen, die Realität nicht 1:1 abbildet. Vielmehr erwartet uns eine idealisierte Darstellung der Welt von Dawson und seinen Freunden (nicht nur formal, sondern auch inhaltlich). Darauf folgt die Kamera-Einstellung mit dem Kran, die den Bootssteg, die Laterne und dahinter das Haus mit dem beleuchteten Fenster zu Dawsons Zimmer zeigt. Diese Einstellung bildet eine Klammer (u.a. zur allerletzten Szene in 113, man beachte die gegensätzlich ausgerichtete Kranfahrt) und wird im Lauf der Serie immer wieder eingesetzt.
Anschließend folgt die erste Szene zwischen Dawson und Joey, die bereits einige zentrale Themen der gesamten Serie einführt: Erwachsenwerden, Sexualität, Freundschaft und die ganze Palette an Problemen damit. Auch hier folgt wieder eine Kameraeinstellung (aus der Vogelperspektive auf das Bett, in dem Dawson und Joey liegen), die im Verlauf der Serie noch öfter wiederholt wird.
Dann werden uns die Hauptfiguren in ihrem häuslichen Umfeld und ihre Beziehungen untereinander vorgestellt. Hier stelle ich mir die Frage, ab wann rauskommt, dass Joey heimlich in Dawson verliebt ist?
Nach dem Dawson-Joey-Plot wird auf die Freundschaft zwischen Dawson und Pacey und das konfliktfreudige Verhältnis zwischen Joey und Pacey hingewiesen. Schließlich kommt Jen hinzu, die gleich den Part des Love Interests für Dawson übernimmt. Wunderbar gemacht, schon in den ersten Minuten werden sämtliche wichtigen Erzählstränge (dazu gehört auch die Beziehung zwischen Mitch und Gale, sowie zwischen Jen und Grams) etabliert.
In der Schule, die den Mittelteil der Episode bildet, werden die Beziehungen und Konflikte weitergesponnen. Ein Schwerpunkt bildet nun auch Dawsons Film-Leidenschaft (z.B. in der Szene mit Mr. Gold). Darauf gehe ich später noch etwas ausführlicher ein...
Im dritten Akt wird der gemeinsame Abend der vier Freunde erzählt. In dem es zu mehreren Handlungs-Höhepunkten kommt: das Kino-Date, Joeys eifersüchtige Reaktion auf Jen, Joeys Streit mit Dawson ("Stop living in the movies. Grow up!"), Paceys unbeholfener Versuch, Tamara anzubaggern und der unerwartete Kuss zwischen den beiden.
Wie Kevin Williamson in dem kleinen Special-Beitrag "from day one" so schön anmerkt, geht es "um junge Liebe und viele erste Male. In jeglicher Hinsicht, nicht nur bezüglich Sex." (z.B. Händchenhalten zwischen Dawson und Jen, Paceys erster Kuss mit Tamara, etc.) Wir haben eine ehrliche Auseinandersetzung mit Sorgen und Nöten, die Teenager in dieser Phase ihres Lebens durchmachen. Die also jeder mal mitgemacht hat. Auch ältere Zuschauer. Wegen der eindringlichen Darstellung und den sympathischen Figuren kann sich jeder damit identifizieren. Das ist wohl einer der Gründe für den anhaltenden, altersübergreifenden Erfolg der Serie.
Der Schluss spielt in Dawsons Zimmer und greift somit die erste Szene wieder auf. Da hier ein wenig Entfremdung zwischen Dawson und Joey betrieben wird (sie können eben doch nicht über alles sprechen), endet die erste Episode bittersüß bis dramatisch. Was die Emotionalität der gesamten Serie wiederspiegelt. Aber durch die letzten Augenblicke zwischen Dawson und Joey ("für dich hole ich die Sterne vom Himmel"- ausnahmsweise mal eine kongeniale Übersetzung ins Deutsche) auch wieder einen positiven Beigeschmack durch den Hoffnungsschimmer erfährt.
Alles in allem eine brillante Pilotfolge, die ihresgleichen sucht.
---
Ein Stilmittel, das häufig in DC eingesetzt wird, sind Zitate und Querverweise auf andere Filme. Man kann fast schon sagen, dass das die Kevin Williamson-Masche ist. Sein erster Erfolg "Scream" hat ja vor allem wegen der selbstreflektierenden Kommentare zum Horror- und Slasher-Genre so einen Spaß gemacht. Das hat er später z.B. auch noch bei "Faculty" eingesetzt, wo Ufo-Paranoia-Filme zitiert wurden.
Bei DC verweist er auf ein breites Spektrum von Filmen, die einen Bezug zur jeweiligen Situation der Hauptfiguren haben. Oder einfach nur als Hintergrund-Gag.
In Episode 100 werden folgende Filme und Serien angesprochen:
- "80s crap": Erwähnt Dawson im Dialog mit Joey. Also Filme aus den 80ern. Da bezieht er sich wohl vor allem auf College- und Highschool-Filme. Etwa die von John Hughes (z.B. Frühstücksclub, Pretty in Pink, Ist sie nicht wunderbar, etc). Kevin Williamson ist ja in den 80ern selbst Teenager gewesen, weswegen er darauf verschmitzt Bezug nimmt.
- "Creature from the black Lagoon/Der Schrecken vom Amazonas" von Jack Arnold. Dawson dreht hiervon eine Art Remake. Williamson sagt, dass er früher selbst kleine Horror-Videos hinter dem Haus gedreht hat. Und Dawson dreht eben seine eigene Variante des Klassikers.
-"Forrest Gump": Gehört in die Drama-Section in der Videothek. Nicht zu den Komödien, wie Dumpfbacke Nellie Olsen denkt
-Nellie Olsen kennt man aus "Unsere kleine Farm", der beliebten 80er-Jahre-Serie. Die Figur der nervigen Nellie wurde nahezu identisch übernommen. Eine stereotype Klischee-Blondine, die etwas aus dem Rahmen fällt. Mit solchen Ausfällen hat man es bei DC aber leider immer mal wieder zu tun (man denke nur an Eve, wuah).
-"Ghandi" von Richard Attenbourough. Laut Dawson hat er Spielberg den Oscar für ET geklaut.
- "The Graduate/Die Reifeprüfung": Tamara leiht sich den Dustin-Hofmann-Klassiker in der Videothek aus (Sreen Play Video - kleiner Verweis auf die Allmacht des Serienschöpfers

) . Die Parallele zwischen dem jungen Mann Dustin Hofmann/Pacey und der älteren Frau Anne Bancroft/Tamara liegt auf der Hand. Dieses Motiv des Altersunterschieds zwischen zwei Liebenden wird gerne kontrovers aufgefasst (man denke nur an Nabokovs Lolita) und erhöht natürlich den Reiz der Love Story.
- "The Swamp Thing/Das Ding aus dem Sumpf" von Wes Craven. Dawson leiht sich zwecks Recherche einige Horrorvideos aus. Cool, dass er einen Wes Craven-Streifen dabei hat. Die Verbindung zwischen Wes Craven und Kevin Williamson ist ja hinlänglich bekannt.
- "Summer of 42": kenn ich zwar nicht, hat aber offensichtlich Parallelen zu Pacey und Tamara
- "Waiting for Guffman": Der Film, der im Rialto-Kino gespielt wird. Ein aktueller Indiestreifen zu der Zeit.
- "Psycho": Der Hitchcock-Klassiker darf natürlich nicht fehlen. Immerhin beziehen sich alle modernen Slasher-Filme wie "Halloween" und "Sream" auf den Meister der Suspense. Super, dass die DC-Produzenten die paar Sekunden Material verwenden durften für die Szene, als Dawson bei Mr. Gold in der Filmklasse vorstellig wird.
-"I know what you did last Summer". Das Poster zum Film, für das Williamson das Drehbuch geschrieben hat, sehen wir gleich zwei Mal, in der Videothek und bei Mr. Gold. Ein netter kleiner Hinweis auf den Serienschöpfer von DC.
-und dann wären da natürlich die Spielberg-Filme, die als Poster in Dawsons Zimmer hängen (nur so nebenbei: mir ist aufgefallen, dass sein Zimmer ein anderes als in späteren Episoden ist. Unterscheidet sich ein wenig in der Einrichtung und in der Holzvertäfelung an der Wand).
Die Bezüge zu Spielberg sind in die Handlung integriert (Dawson eifert seinem großen Vorbild als Nachwuchs-Filmemacher nach), werden aber auch thematisch weitergedacht. Dazu später noch etwas mehr. Muss los, mein Baby ist aufgewacht...
Editiert von Philipp: Beiträge zusammengefasst