Sterbehilfe

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sanna

Beitrag von sanna »

Milana hat geschrieben: Der Mensch hat ein starken Willen um zu leben und ich glaube nicht, wenn einer nicht mehr über einen geistigen willen verfügt gleich sterben WILL.
Ich nehme mal an diese Dokumentation die du gesehen hast, ist ziemlich subjektiv ;)
Viele dieser Menschen leiden unter unerträglichen Schmerzen und werden mit Morphium und ähnlichem versorgt. Diese Menschen können wegen des Morphiums nicht mehr richtig denken, da sie andauernd high sind und unter den anderen Nebenwirkungen solch starker Schmerzmittel leiden. Würdest du gerne so dahinvegitieren?
Ich bin für die Sterbehilfe, aber natürlich braucht man hier einen gut ausgearbeiteten gesetzlichen Rahmen.
darklight

Beitrag von darklight »

Wow, wieder einmal ein sehr ernstes aber interesanntes Thema zu dem ich auch gerne meine Meinung sagen möchte. :)

Ich bin für die aktive Sterbehilfe bei schwerkranken Menschen, weil es den betreffenden Menschen das Leiden verkürzt. Ich meine wenn ich eine mir nahestehende Person hätte, die schon seit Monaten im Krankenbett liegt, kaum mehr atmen kann, die Person selbst flüstert, dass man etwas machen soll, damit ihr Leiden verkürzt wird, dann finde ich das völlig legitim, dieser Person beim Sterben zu helfen. Wenn das ganze tatsächlich gelten soll, dann soll zur aktiven Sterbehilfe nur ein Arzt (nicht eine Krankenschwester oder Altenpfleger) dazu berechtigt werden. Der Arzt begleitet die Menschen hinein in das Leben, aber auch in den Tod.

Ich hoffe, dass es bald zu einer Gesetzesänderung kommen wird. Ich würde es mir sehr wünschen.
sanna

Beitrag von sanna »

darklight hat geschrieben: Wenn das ganze tatsächlich gelten soll, dann soll zur aktiven Sterbehilfe nur ein Arzt (nicht eine Krankenschwester oder Altenpfleger) dazu berechtigt werden. Der Arzt begleitet die Menschen hinein in das Leben, aber auch in den Tod.
Das wär ja echt krank wenn die Krankenschwestern zur Sterbehilfe berechtigt wären *zitter*. Was ich weiß dürfen die nicht einmal bultabnehmen, also müssen wir uns darüber keine Sorgen machen.
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Petra
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Beitrag von Petra »

sanna hat geschrieben:
darklight hat geschrieben: Wenn das ganze tatsächlich gelten soll, dann soll zur aktiven Sterbehilfe nur ein Arzt (nicht eine Krankenschwester oder Altenpfleger) dazu berechtigt werden. Der Arzt begleitet die Menschen hinein in das Leben, aber auch in den Tod.
Das wär ja echt krank wenn die Krankenschwestern zur Sterbehilfe berechtigt wären *zitter*. Was ich weiß dürfen die nicht einmal bultabnehmen, also müssen wir uns darüber keine Sorgen machen.
Seit wann dürfen Krankenschwestern kein Blut abnehmem? :wtf: Aber der Punkt an sich ist interessant. Welche Personen dürfen die Berechtigung erhalten einen Menschen in den Tod zu begleiten ( um es mal mit den Worten von darklight zu sagen) ? Etwas wo man sehr vorsichtig sein muss, denn ganz schnell gerät man dabei an schwarze Schafe. Selbst wenn es eine Gesetztesänderung geben würde, so wäre es unvermeidbar, dass bestimmte Kriterien erfüllt werden müssen. Wie zum Beispiel Berufserfahrung, Erfahrungen auf diesem Gebiet, Psychologische Tests (das sie dieser Belastung, die es ja nun einmal ist standhalten) usw.. Ich wäre auf jeden Fall dagegen, dass nun jeder Arzt vom Gesetzgeber die Möglichkeit erhält, ein Leben zu beenden.
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Klue

Beitrag von Klue »

ich bin für die sterbehilfe.
wenn ein mensch den wunsch hat zu sterben dann sollte man ihm diesen auch erfüllen.
das bezieht sich jetzt auf kranke menschen, wie z.b. hiv oder krebskranke wo sicher ist das es keine heilungschancen gibt.
ich weiß nicht ob es in solchen situationen wie im fernsehen abläuft, wo der arzt einem dann aufzeigt wieso es sich lohnt die paar monate noch zu leben bla bla.
wenn mir mein arzt sagen würde das ich krebs habe und in 4-7 monaten sterben muss, dann würde ich nach spätestens 3-4 monaten versuchen den sterbeprozess abzukürzen.
darklight

Beitrag von darklight »

Petra hat geschrieben:Welche Personen dürfen die Berechtigung erhalten einen Menschen in den Tod zu begleiten ( um es mal mit den Worten von darklight zu sagen) ? Etwas wo man sehr vorsichtig sein muss, denn ganz schnell gerät man dabei an schwarze Schafe. Selbst wenn es eine Gesetztesänderung geben würde, so wäre es unvermeidbar, dass bestimmte Kriterien erfüllt werden müssen. Wie zum Beispiel Berufserfahrung, Erfahrungen auf diesem Gebiet, Psychologische Tests (das sie dieser Belastung, die es ja nun einmal ist standhalten) usw.. Ich wäre auf jeden Fall dagegen, dass nun jeder Arzt vom Gesetzgeber die Möglichkeit erhält, ein Leben zu beenden.
Da stimme ich dir zu. Nicht jeder Arzt, soll die Befugnis dazu haben. Meiner Meinung nach ist es am sinnvollsten, wenn es der Arzt ausführt, der den Patienten lange kennt, ungefähr einschätzen kann und seine Krankheitsgeschichte recht gut kennt und das ist in meinen Augen der Hausarzt.
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Petra
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Beitrag von Petra »

darklight hat geschrieben:Da stimme ich dir zu. Nicht jeder Arzt, soll die Befugnis dazu haben. Meiner Meinung nach ist es am sinnvollsten, wenn es der Arzt ausführt, der den Patienten lange kennt, ungefähr einschätzen kann und seine Krankheitsgeschichte recht gut kennt und das ist in meinen Augen der Hausarzt.
Das Problem hierbei ist nur, dass ein Hausarzt mitunter nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügt, die für das Krankenbild evtl. erfordern. Daher sollte man auch bei dem Hausarzt vorsichtig sein. Denn das Wissen dieser Ärzte kann sehr eingegrenzt sein (ist aber kein muss). Daher könnte es falsch sein, wenn man ihnen diese Entscheidungsgewalt überträgt.
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darklight

Beitrag von darklight »

Petra hat geschrieben: Das Problem hierbei ist nur, dass ein Hausarzt mitunter nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügt, die für das Krankenbild evtl. erfordern. Daher sollte man auch bei dem Hausarzt vorsichtig sein. Denn das Wissen dieser Ärzte kann sehr eingegrenzt sein (ist aber kein muss). Daher könnte es falsch sein, wenn man ihnen diese Entscheidungsgewalt überträgt.
Deswegen wäre es erforderlich, wenn der Hausarzt im Laufe eines Patientenlebens, alle Unterlagen von anderen Ärzten automatisch bekommt. Bei meinen Hausarzt war es z. B. so, dass er Untersuchungen und Ergebnisse gleich automatisch von anderen Ärzten bekommen hat.

Die Praxisgebühr, war ja der Gedanke, dass die Leute erst zum Hausarzt gehen und mit ihm reden, bzw. ihm die Syntome oder das Leiden erklären.
Kayvee

Beitrag von Kayvee »

Ein sehr heikles Thema, da es mich aktuell aber ganz persönlich betrifft, kann ich mich dazu auch fundierter äußern.
Vor 8 Wochen kam mein Vater (61) "lediglich" wegen einer kleinen OP ins Krankenhaus. Sein Allgemeinzustand war schon durch jahrelange chronische Vorerkrankungen nicht so richtig gut, doch immerhin konnte er noch zu Hause wohnen. Im Zuge seines Krankenhausaufenthaltes stellte sich dann heraus, dass viele innere Organe inzwischen stark geschädigt waren. Vor 5 Wochen brach er dann auf der Station mit schweren Herzrhythmusstörungen und Herzstillständen zusammen, wurde wiederbelebt, in ein künstliches Koma versetzt und liegt seitdem auf der Intensivstation. Erschreckend, wieviele Schläuche und Infusionen in einen Menschen hinein und wieder hinausgehen können...
2 1/2 Wochen wurde er künstlich beatmet, ernährt, dialysiert etc. Dann ist es den Ärzten gelungen ihn allmählich wieder ins Bewußtsein zu holen. Zu dem Zeitpunkt war allerdings schon klar, dass er nie wieder nach Hause kommen würde, sondern wir hätten im Falle einer Besserung einen Pflegeheimplatz suchen müssen, denn die notwendige Pflegeleistung hätte meine berufstätige Mama nicht leisten können.
Nun hat es einen Rückfall gegeben und die Ärzte haben uns informiert, dass sie nichts mehr für meinen Papa tun können.
Vor 2 Jahren hat mein Vater notariell eine ausführliche Patientenverfügung (=Patiententestament) gemacht in der eindeutig verfügt wird, dass keine Maschinen das Leben für ihn übernehmen sollen.
Ein solches Patiententestament ist eine sehr kniffelige Angelegenheit. Die Vordrucke, die man manchmal in Arztpraxen ausliegen sieht, reichen NICHT aus, im Fall der Fälle wird dann immer noch ein gesetzlicher Vormund bestimmt, der ein Mitspracherecht hat.
Da in unserem Fall die Verfügung notariell beglaubigt ist, ist meine Mutter als Bevollmächtigte eingesetzt. Sie kann jetzt allerdings nicht allein entscheiden, ob die intensivmedizinische Behandlung abgebrochen wird. 2 Ärzte müssen unabhängig voneinander zu der einstimmigen Meinung kommen, dass ein Leben ohne Gerätemedizin nicht mehr möglich ist. Da mein Vater in ganz wenigen Momenten noch bei Bewußtsein ist, wird auch er noch einmal befragt, ob er tatsächlich keine weitere intensivmedizinische Versorgung möchte.
Sollte mein Vater diese wider Erwarten wollen, müssten die Ärzte ihn wieder an die künstliche Beatmung anschließen und warten, bis er endgültig ins Koma fällt. Dann läge der Schwarze Peter gewissermaßen bei meiner Mama, die dann vor die Entscheidung gestellt würde ob weitergemacht wird oder nicht.
Was jetzt allerdings unmissverständlich klar ist: Mein Vater liegt bereits im Sterben. Sollte er noch einmal an die Maschinen angeschlossen werden, wird es den Prozess allenfalls hinauszögern, ihn jedoch nicht aufhalten.
Wenn mein Vater aber zustimmt, wird er aus der Intensivstation auf eine normale Station in ein schönes Zimmer verlegt, wo auch wir ihn viel öfter und länger besuchen können, als dies z. Zt. auf der Intensivstation möglich ist.
Was mich in der letzten Zeit sehr beschäftigt hat ist die Frage, ob in der modernen Medizin Fluch und Segen nicht oftmals sehr nah beieinander liegen. Wenn ich mir anschaue, was mit meinem Papa geschehen ist, dann schüttelt es mich geradezu - vor Entsetzen und Mitleid. Er hat sich jetzt, leider vergeblich 5 lange Wochen behandeln lassen müssen und kann doch nicht gerettet werden. Zwischendrin kam natürlich immer mal wieder die Frage auf, wofür er denn eine Patientenverfügung gemacht hätte, wenn diese noch gar nicht zur Umsetzung käme. Bittere Wahrheit: Mein Vater ist mit 61 Jahren statistisch gesehen "zu jung" zum Sterben. Als meine Omi vor 4 Jahren mit knapp 93 in einer ähnlichen Situation war, haben die Ärzte damals sofort entschieden, dass es nicht mehr ginge (sie war auch wirklich sehr krank), doch mein Papa hätte theoretisch ja noch einige Jahre vor sich haben können - darum die Reanimation, Koma etc., denn es bestand eventuell eine minimale Möglichkeit, dass noch einmal eine Verbesserung seines Zustandes erreicht werdern könnte.
Bei einem wesentlich älteren Menschen in seiner körperlichen Verfassung, wäre die Patientenverfügung eventuell schon früher zum Einsatz gekommen.
Zum Thema Sterbehilfe kann ich inzwischen ganz klar die Meinung vertreten: Keine aktive Sterbehilfe in Form von Spritzen, Tabletten o.ä., denn man kann meines Erachtens keinem Arzt zumuten bewußt einen Patienten zu töten, weil dieser es so möchte. Eine solche Form der Sterbehilfe ist bei uns glücklicherweise nicht möglich. Allerdings bin ich eine heiße Verfechterin des menschenwürdigen Sterbens, wenn eine Patientenverfügung vorliegt. Nur dann kann meines Erachtens auch einem Arzt die Verantwortung übertragen werden über Abbruch oder Weiterführung der lebenserhaltenden Maßnahmen zu entscheiden.
Mein Vater hat vor 2 Jahren im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte eine Verfügung erstellt, dass er nicht maschinell am Leben erhalten werden möchte. Als er jetzt zum ersten Mal künstlich beatmet wurde geschah das in der Hoffnung und dem Bestreben ihn wieder in einen stabilen Zustand zu versetzen. Das gelang für kurze Zeit. Jetzt ist eben der Punkt da, wo die Ärzte nichts mehr tun können. Trotz der vorliegenden Verfügung wird er selbst noch einmal befragt, sollte er keine eindeutige Antwort mehr geben können, läge die Entscheidung bei meiner Mama. Zusätzlich sind auch 2 Ärzte involviert, die diese Entscheidung mittragen müssen.
Auch wenn dieser ganze Prozess der letzten Wochen für meine Familie und mich unglaublich schmerzhaft war und es jetzt noch schlimmer kommt, als befürchtet, bin ich froh, dass nicht irgendein Arzt oder Pfleger entscheiden dürfte, ob mein Vater sterben soll/muss/darf. Sein Körper signalisiert eindeutig durch mehrfaches Organversagen, dass es nicht mehr geht und er hat VORHER seinen Willen, wie in einer solchen Situation verfahren werden soll beglaubigen lassen. Jetzt ist es die Pflicht der Ärzte ihm das Sterben zu erleichtern und es ihm zu ermöglichen, indem eben nicht auf Teufel komm raus reanimiert und medikamentiert wird.
Furchtbar stelle ich mir vor, wenn jetzt keine Verfügung vorläge, dann wären die Ärzte verpflichtet den Patienten so lange intensivmedizinisch zu versorgen, bis dieser stirbt - und das kann im Fall der Fälle sehr, sehr lang dauern.
Im Fall Terri Schiavo hätte ich mich auch auf die Seite der Eltern gestellt. Es lag von der Tochter keine schriftliche Erklärung o.ä. vor die belegt hätte, dass sie auf diese Art nicht weiterleben möchte. Sie dann auch noch verhungern und verdursten zu lassen, hat mich wirklich fassungslos gemacht.
Mein Vater wird bis zum Schluss mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt, er wird weiterhin dialysiert und erhält schmerzstillende Medikamente. Er wird nicht leiden müssen sondern hat die Chance ggf. sogar im Kreise seiner Familie einschlafen zu können.
Für mich ist jedenfalls klar, dass ich baldmöglichst einen Termin beim Notar machen werde, um eine notariell beglaubigte Patientenverfügung zu erstellen. Diese sollte regelmäßig aktualisiert werden, denn nur dann haben die Ärzte im Fall der Fälle auch die Möglichkeit das menschenwürdige Sterben zu ermöglichen, sonst sind sie verpflichtet alle lebenserhaltenden Maßnahmen auszuschöpfen, die heutzutage möglich sind - und das sind wirklich geradezu beängstigend viele.
darklight

Beitrag von darklight »

Hallo Kayvee,

vielen Dank für den sehr mitfühlenden und intensiven Beitrag. Jeder Leser, der diesen Thread liest, wird mit dir sehr mitfühlen.

Dennoch muß ich sagen, dass deine Mum jetzt durch die ganze Regelung eine ungeheuere Verantwortung hat. Sie selbst entscheidet, mit den beiden Ärzten, (falls dein Dad jetzt nicht mehr richtig darauf reagiert!) ob er noch weiter beatmet werden soll, oder nicht. Und das ist wirklich eine verdammt, harte Entscheidung...

Ich wünsche dir und deiner Familie ganz viel Kraft, in den nächsten Wochen. Haltet gut zusammen, dass ihr diese schwierige Zeit gemeinsam übersteht. Ich hoffe du wirst uns weiterhin darüber berichten.
Kayvee

Beitrag von Kayvee »

darklight hat geschrieben:Dennoch muß ich sagen, dass deine Mum jetzt durch die ganze Regelung eine ungeheuere Verantwortung hat. Sie selbst entscheidet, mit den beiden Ärzten, (falls dein Dad jetzt nicht mehr richtig darauf reagiert!) ob er noch weiter beatmet werden soll, oder nicht. Und das ist wirklich eine verdammt, harte Entscheidung...
Ja, das ist es und das obwohl mein Vater vor 2 Jahren einen eindeutigen schriftlichen Willen für diesen Fall verfasst hat (meine Mutter hat übrigens das gleiche Schriftstück für sich abfassen lassen, mit den identischen Bedingungen, in ihrem Fall müssten dann irgendwann mein Bruder und ich gemeinsam entscheiden) wäre es für sie kein leichter Schritt. Allerdings weiß sie auch, dass sie diese Entscheidung für meinen Vater treffen muss und sie muss sich gegen eine Weiterbeatmung aussprechen - einerseits, weil es seinem Willen entsprach, andererseits, weil es wirklich keine Rettung mehr für ihn gibt. Eine weitere Beatmung würde das Unvermeidliche nur hinauszögern und es macht für keinen der Beteiligten die Sache leichter.
Aber schon brutal nach so langen Ehejahren eine solche Entscheidung treffen zu müssen. :(
Lenya

Beitrag von Lenya »

@kayvee: Auch ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft.
Manchmal habe ich so das Gefühl, dass in unserem Land die ganzen Gesetze und Regelungen über den Willen des einzelnen Menschen gestellt werden und das dürfte doch eigentlich nicht sein, oder?
Kayvee

Beitrag von Kayvee »

Lenya hat geschrieben:Manchmal habe ich so das Gefühl, dass in unserem Land die ganzen Gesetze und Regelungen über den Willen des einzelnen Menschen gestellt werden und das dürfte doch eigentlich nicht sein, oder?
Es ist schon eigentümlich. Einerseits ist es natürlich gut, dass nicht eine einzelne Person mal eben beschließen kann, dass irgendwer kein lebenswertes Leben mehr zu erwarten hat.
Andererseits sehen wir jetzt bei meinem Vater, dass die vielen Gesetze und Regelungen sich tatsächlich zu einem Fluch entwickeln können. Seine Verfügung ist trotz einer sehr genauen Formulierung noch an so viele Bedingungen geknüpft, dass ich mich ernsthaft frage, wie das alles wohl aussieht, wenn man so etwas NICHT hat. Da mag ich gar nicht drüber nachdenken.
Natürlich geht es nicht darum bei meinem Papa aktive Sterbehilfe in Form von Medikamenten o.ä. zu leisten, dass empfände ich trotz seines Zustandes als Mord, doch es wäre schön, wenn es ihm allmählich möglich wäre zu sterben, ohne dass noch tausendundeine Maßnahme ergriffen wird um diesen unausweichlichen Punkt vielleicht noch um 2 Tage hinauszuzögern.
Stünde den Ärzten momentan nicht die ganze Bandbreite der intensivmedizinischen Betreuung von heute zur Verfügung, wäre mein Papa schon seit 5 Wochen tot.
Natürlich ist es toll, wenn schwerstverletzte Unfallopfer durch diverse Operationen und sonstige Maßnahmen eine Möglichkeit geboten wird wieder ins Leben zurückzukehren, doch den natürlichen Sterbepunkt bei einem todkranken Menschen derart herauszuzögern empfinde ich momentan als enorme Belastung, nicht nur für uns sondern auch für meinen Papa, denn sein armer Körper muss weiterhin darum kämpfen die Unmengen von Medikamenten zu ertragen die tagtäglich in ihn hineingepumpt werden.
Auch wenn er keine physischen Schmerzen leidet, empfinde ich das als Betrachterin des Szenarios als zusätzliche Quälerei.
Vielleicht ist es aber auch meine "Aufgabe" als Angehörige diesen ganzen Prozess zu ertragen.
Mir fällt es halt besonders schwer, weil ich immer nur an den Wochenenden nach Hause fahren kann, denn meine Eltern leben ca. 450km südlich von hier. Da ist am Sonntag jeder Abschied von meinem Papa wie ein endgültiger Abschied, denn ich weiß nicht, ob ich ganz am Ende seines Weges schnell genug hinkomme...
Sandra

Beitrag von Sandra »

Karin, ich wünsche Dir und Deiner Familie auch alles erdenklich Gute und weiß gerade nach Deinem langen Beitrag gar nicht so recht, was ich sagen soll!

Meine Familie war drei Jahre lang in einer ähnlichen Situation, nur war es keine Krankheit wie bei Deinem Vater, sondern Altersschwäche. Drei Jahre hat meine Oma bei uns zuhause vor sich hin vegetiert, nichts mehr um sich herum wahrgenommen, und man konnte nur warten. Das kann man nicht mit Eurem Fall vergleichen, weil sie nicht künstlich am Leben gehalten wurde, aber ich kann nachvollziehen, wie man sich fühlt, wenn man praktisch jeden Tag auf das Ende wartet. Ich wünsche Euch wirklich ganz viel Kraft!

Und dass das mit der Patientenverfügung derart kompliziert ist, hätte ich auch nicht gedacht. Einerseits ist es sicher gut, dass es eben nicht mal eben durch "eine Unterschrift" getan ist, aber wenn man doch weiß, dass man nichts mehr machen kann, und die Person gegen den Willen nur mehr künstlich am Leben erhalten wird - und man dann sogar noch auf eine erneute mündliche Bestätigung wartet - erhält das ganze doch wirklich einen sehr fragwürdigen Beigeschmack.
Kayvee

Beitrag von Kayvee »

Sandra hat geschrieben:Und dass das mit der Patientenverfügung derart kompliziert ist, hätte ich auch nicht gedacht. Einerseits ist es sicher gut, dass es eben nicht mal eben durch "eine Unterschrift" getan ist, aber wenn man doch weiß, dass man nichts mehr machen kann, und die Person gegen den Willen nur mehr künstlich am Leben erhalten wird - und man dann sogar noch auf eine erneute mündliche Bestätigung wartet - erhält das ganze doch wirklich einen sehr fragwürdigen Beigeschmack.
Das ist eben das, was mich auch die ganze Zeit irritiert hat. Es hieß immer, dass es für diese Verfügung noch zu früh sei, das wäre "noch ganz weit weg". Das sagte man uns am Dienstag, am Mittwoch kam dann die Info, dass es keine Rettung mehr gäbe.
Hinzu kam in unserem Fall auch noch eine gewisse "Unwilligkeit" der Ärzte uns genau über den Zustand meines Papas zu informieren. Erst als wir eine uns bekannte Fachärztin, die jahrelang auf einer Intensivstation gearbeitet hat mit einer Generalvollmacht zur Patientenakteneinsicht ins Krankenhaus geschickt haben, kam der Informationsaustausch zustande.
Wir fühlten uns irgendwie die ganze Zeit "hingehalten" - es wurden vage Besserungsaussichten gemacht, die sich im Nachhinein als haltlos erwiesen.
Die damit verbundene Gefühlsachterbahn ist wirklich heftig. :ohwell:
Inzwischen läuft die Kommunikation besser, das Pflegepersonal ist ganz toll und wir fühlen uns jetzt besser "aufgehoben".
Dennoch macht einen dieses Hin und Her ganz kirre.

Ganz lieben Dank an Euch alle, dass Ihr mir und meiner Familie so viele gute Wünsche und Kraft schickt. Davon werden wir wohl auch noch etwas brauchen...
Laurent

Beitrag von Laurent »

Karin, ich habe deinen Beitrag gelesen und wünsche dir und deiner Familie viel Kraft und alles Gute!
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