Ich fand gerade die Ähnlichkeiten zu Forrest Gump (weniger die Handlung, mehr die Erzählungsweise) teilweise ein wenig problematisch, weil vieles, was bei Forrest Gump großartig funktioniert, hier nicht richtig zünden will. Das fängt schon bei der Erzählperspektive an. So wahnsinnig echt Cate Blanchett als alte Oma im Sterbebett auch aussah, erinnerte mich das Ganze manchmal unangenehm an Titanic. Punkt für Parkbank-Forrest, da wesentlich authentischer und nicht so gezwungen. Dann schienen mir die ganzen pseudo-tiefsinnigen Szenen wie dieses "manche tanzen, andere sind Mütter"-Blabla oder der Kolibri am Ende total aus der Luft gegriffen. Punkt für Forrests "Mama hat immer gesagt..."-Sprüche, da die einfach einen ganz bezaubernden Charme hatten, gerade weil Forrest selbst ja nicht unbedingt der Hellste war.
Mir schien der Film in der Hinsicht einfach ein wenig überambitioniert. Er will (eben wie Forrest Gump) gleichzeitig bewegend, lustig, tiefgründig und zig andere Dinge sein, vernachlässigt dabei aber so wichtige Dinge wie z.B. die Charakterzeichnung. Ich hatte am Ende eigentlich überhaupt keine Ahnung, was für ein Mensch Benjamin Button war, weil er in seinem Leben nichts anderes zu tun schien als jünger zu werden. Okay, wir wissen, er hat sein Leben lang eine Frau geliebt, er war Matrose und ein ziemliches Muttersöhnchen, aber sonst? Mir fehlte hier und da einfach die Motivation für sein Verhalten und auch seine Gedanken und Gefühle kamen nie so richtig deutlich heraus. Wieso will er Matrose werden? Wieso geht er in den Krieg? Wieso lässt er Daisy zunächst abblitzen? Und wieso lässt ihn die Erkenntnis um seine Herkunft/seinen leiblichen Vaters scheinbar so kalt? Man hätte da noch etwas mehr auf seine Persönlichkeit und auch sein geistiges Alter eingehen können, finde ich.
Und auch mit dem historischen Kontext wurde in meinen Augen viel zu halbherzig umgegangen. Wir befinden uns in den Südstaaten! Zu Rassentrennungszeiten! Wo bleiben die Vorurteile? Der Rassismus? Die Depression?
Die "Exposition", wenn man so will, fand ich sehr gelungen. Der kindische Greis war herrlich skurril, der Teenager-Opi ebenso. Allerdings schien mir Benjamin wesentlich schneller jünger zu werden als alle anderen um ihn herum zu altern. Auch so eine Sache, die mir äußerst suspekt war: die mangelnde Reaktion der Umwelt auf sein Rückwärts-Altern. So gut wie niemand hielt Benjamin für einen unheimlichen Freak oder den Teufel, keiner hatte Angst vor ihm oder war wenigstens mal gehörig irritiert. Kaum jemand (außer Daisy) merkt überhaupt, dass er anders ist. Und eigentlich jeder, der ihn längere Zeit kennt, akzeptiert ihn und hat kein Problem mit der Sache. Fand ich höchst sonderbar.
Irgendwann zog sich der Film dann ein bisschen, kam aber mit dem "Unfall" (toll inszeniert!) wieder etwas in die Gänge. Das Ende dann zwar wieder gut, mir persönlich aber etwas zu rund und abgeschlossen. Hätte es besser gefunden, wenn man über seine letzten Jahre nichts mehr erfahren hätte. Wenn sich jeder sein eigenes Bild vom blutjungen, aber ach so lebenserfahrenen und weisen Benjamin hätte machen können. Aber naja... Hollywood braucht halt Kitsch und Tränen am Ende.
Insgesamt ein beeindruckender und zum Nachdenken anregender Film mit tollen Momenten und genialen Bildern und Effekten. Aber eben auch so einigen Schwächen. Und Längen.
EDIT:
Hab noch eine Review gefunden, die viel besser ausdrückt, was mich an dem Film gestört hat:
Klick! Und ganz besonders spricht mir Folgendes aus der Seele:
Likewise, the film imagines the past as a racism- and sexism-free land of infinite jest. There’s no prejudice in the old folks’ home, or anywhere else. Benjamin’s contrasting perspective on all things is never used for anything. Benjamin is passive. He has no intellectual depth, no inner existence that we comprehend, and doesn’t seem especially psychologically troubled. He maintains a serene disconnection from life (which fits Pitt’s withheld, too-cool-for-you acting persona to a tee), and at no point bemoans his lot. He ought to be in fundamental conflict with his world, but instead, he drifts along almost serenely. His one moral act of actual consequence is to leave his family.