FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

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Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

Nur bis zur 2.Staffel? Dann verpasst du ja das Beste. Musst unbedingt weiterschauen, auch wenn RTL blöd is. Gibt auch die Folgen kostenlos im Internet, zum anschauen :)
Schon allein wegen Dom und Went lohnt es sich. Ich glaube, wenn ich Alex wäre, könnte ich mich auch nur schwer entscheiden. Ich würde wahrscheinlich jede Woche wechseln :D

Das Lied liebe ich über alles..hast dir mal angehört oder jetz nur Text gelesen?

Viel Spaß beim lesen^^


Kapitel 24:Anytime you need a friend


Als ich am nächsten Morgen erwachte, hatte ich den Beschluss gefasst, Went endgültig aus meinem Leben zu streichen. Wenn ich meine Gefühle schon nicht kontrollieren konnte, so würde ich es einfach gar nicht erst so weit kommen lassen, dass ich mir Gedanken darüber machen konnte. Stattdessen konzentrierte ich mich also auf das, was ich vorher gemacht hatte. Ich stürzte mich in die Arbeit. Kopfüber vom 10m-Turm. Es zählte nur noch das und Lynn, die ich viel zu sehr vernachlässigt hatte in letzter Zeit.
Voller Tatendrang stand ich auf, duschte mich, zog mir etwas an und startete die erste Waschmaschine. Dann machte ich Frühstück und putzte die Küche, wozu ich gestern nicht mehr gekommen war. Gegen halb 8 weckte ich Lynn und Sam, wir frühstückten gemeinsam und dann ging es auf in Lynns Kindergarten. Natürlich versuchte sie wieder zu diskutieren und fragte nach Went. Doch ich ließ mich gar nicht darauf ein und erklärte ihr seelenruhig, dass sie sich auch gerne um den Haushalt kümmern könne, wenn sie nicht in den Kindergarten wollte. Daraufhin war sie ganz still und Sam konnte uns nach Larchmont fahren. Der Kindergarten sah sehr nett aus. Das Gebäude war mit bunten Farben versehen und auf der Wiese lagen verschiedene Spielgeräte verteilt.
Auch die leitende Erzieherin der "Larchmont nursery school", Mrs. Hoffman, erwies sich als äußerst freundlich und half mir beim Ausfüllen der Dokumente. Zum Glück ging alles schnell und so erwischte ich noch den Bus nach Downtown.
Im Büro erledigte ich jede noch so unangenehme Aufgabe, nur damit ich meinen Gedanken gar nicht erst erlaubte, freien Lauf zu nehmen. Das klappte wirklich wunderbar und als mich Aaron, ein Kollege aus dem "Blue Ocean" anrief und fragte, ob ich heute und morgen seine Schicht übernehmen könnte, sagte ich zu. Ich rief schnell Shalley an, die auf Lynn aufpassen musste und zum Glück Zeit hatte.
Nach der Arbeit fuhr ich direkt wieder nach Larchmont, holte Lynn und danach auch Kelly ab und fuhr mit ihnen zum Ballettunterricht. Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal meiner Tochter dabei zugeschaut? Vor einem Monat? Es wurde Zeit, dass ich mich wieder wirklich wichtigen Aufgaben zuwandte und dazu gehörte, meiner Prinzessin beim Tanzen zuzuschauen. Sie machte das wirklich wunderschön und ich verlor mich total in den ganzen Pirouetten und Schrittfolgen, die die Kleinen ihrer Lehrerin nachmachten.
Als Lynn und ich Kelly nach Hause brachten, war es schon fast Zeit für das Abendessen und so gingen wir noch einkaufen, denn unser Kühlschrank war leer. Lynn wollte natürlich wieder alles haben, was ihr bunt aus den Regalen entgegen leuchtete, doch das war finanziell einfach nicht möglich. Ich konnte nur das Nötigste einkaufen, auf Süßigkeiten oder Eis mussten wir diesmal verzichten. Es tat mir im Herzen weh, dass ich Lynn enttäuschen musste, aber wenn ich erst eine Anstellung als Physiotherapeutin hatte, würden wir das alles nachholen können.
Sam wartete schon zu Hause auf uns und half mir dabei Sandwiches zuzubereiten. Gemeinsam aßen wir und Lynn erzählte von ihrem ersten Tag im Kindergarten. Sie mochte ihre neuen Spielkameraden, vermisste aber Kelly sehr. Doch so lange sie sich noch beim Ballett und auf dem Spielplatz sahen, machte ich mir keine Sorgen.
Nachdem Lynn eingeschlafen war, verabschiedeten Sam und ich uns von Shalley und fuhren beide auf Arbeit. Sam versprach mich abzuholen und fuhr hupend zu seiner Arbeitsstelle, dem McDonalds in Venice. Meine Kollegen waren natürlich überrascht mich zu sehen, da sie ja Aaron erwartet hatten. Normalerweise arbeitete ich ja auch nur an den Wochenenden und musste nun feststellen, dass auch während der Woche viel los war in der Bar.
Wie versprochen holte Sam mich gegen 2 Uhr morgens ab und ich fiel ohne einen weiteren Gedanken zu Ende führen zu können in mein Bett. Ich war so müde, dass ich augenblicklich einschlief und gar nicht erst an Went denken konnte.

Ich hielt es bis Mittwoch aus. Dann war es auch schon wieder vorbei mit der Verdrängung. Es fing damit an, dass ich auf dem Weg zu Lynns Kindergarten an Wents Haus vorbeifuhr und mein Blick sich natürlich daran festnagelte. Zwei Tage hatte ich ihn komplett vergessen können, weil ich mir so viel Arbeit aufgehetzt hatte, dass ich gar nicht dazu kam. Nun aber war es, als hätte es Montag und Dienstag nicht gegeben. Emotionen kochten hoch, die ich eigentlich nicht fühlen wollte. Da war Wut, Trauer, aber auch Freude. Ich wollte ihn nicht verlieren, gleichzeitig aber auch keinen weiteren Schritt machen. Ich brauchte distanzierte Nähe.
Wozu meine Gedanken gestern und vorgestern nicht gekommen waren, holten sie jetzt nach. Ich konnte mich nicht auf das Geschriebene am Computer konzentrieren. Immer wieder las ich die selbe Zeile, ohne dass sie einen Sinn ergab. Ich wusste, dass ich etwas tun musste und wenn es nur eine Entschuldigung war.
Also machte ich eher Schluss und fuhr wieder nach Larchmont. Ich besorgte zwei Frappucchino und landete dann, wie wusste ich nicht, vor Wents Haustür. Unschlüssig stand ich davor und wusste nicht, ob ich klingeln oder wegrennen sollte. Die ganze Aktion war doch einfach dumm! Ich wollte mich schon wieder umdrehen, als es plötzlich hinter der Tür knallte und jemand fluchte. Kurz darauf ging die Tür auf und Went erschien, beladen mit zwei Kisten.
Ich war wie erstarrt in meiner Haltung und von seiner Gegenwart, die ich ja eigentlich vermeiden hatte wollen, überrascht. Er brauchte einen Augenblick ehe er mich erkannt hatte, doch dann schaute er genauso wie ich. Sehr überrascht.
"Hi.", kam es von ihm nach einer halben Ewigkeit voller Schweigen. Wir bewegten uns keinen Zentimeter, sondern klammerten uns einfach an die Gegenstände, die wir gerade in den Händen hielten. Er seine Kisten und ich meine Frappucchino.
"Hi.", gab ich zurück und senkte den Blick. Was wollte ich gleich noch mal sagen? Verdammt. Wieso hatte ich nicht die Beine in die Hand genommen? "Ich...ehm...na ja...ich wollte mich entschuldigen, weil ich mich am Sonntag wie ein Idiot benommen habe. Ich war gestresst und ich hätte es nicht an dir auslassen sollen." Ich presste die Lippen aufeinander und hielt ihm seinen Frappucchino entgegen. Meine Hand zitterte und ich war kurz davor mich zu übergeben. Warum wusste ich allerdings auch nicht.
"Wird das jetzt zur Gewohnheit zur Begrüßung eine Entschuldigung anzubringen? Weil dann muss ich mir noch schnell was ausdenken." Ich lief knallrot an.
"Ach, halt die Klappe und nimm endlich den Becher. Das Ding ist verdammt kalt und mir friert fast die Hand ab. Also...was ich eigentlich sagen wollte...", versuchte ich den Faden wieder aufzunehmen.
"Ach, deswegen zittert deine Hand so!", stellte er amüsiert fest und ich sah langsam rot.
"Weswegen denn sonst?", ereiferte ich mich und versuchte nicht wieder auszurasten oder etwas zu sagen, was ich womöglich bereuen konnte.
"Mir!", grinste er. Lachte er mich etwa aus? Das durfte doch nicht wahr sein! Ich nahm hier meinen ganzen Mut zusammen und er nahm mich gar nicht ernst!
"Jetzt hör auf.", meinte ich und versuchte mich dabei nicht von seinem Lachen anstecken zu lassen. "Wentworth!", fing ich an und konnte ein Grinsen nicht mehr unterdrücken. Went lehnte mittlerweile an der Haustür und bog sich vor Lachen, so weit das mit den Kisten möglich war. "Du bist echt gemein.", jammerte ich und sah wie ihm Lachtränen über die Wangen liefen. Er stellte die Kisten zu seinen Füßen ab und wischte sich übers Gesicht. Davon musste ich nun herzhaft lachen und bekam mich nicht mehr ein.
"Warum lachen wir eigentlich?", fragte ich zwischen zwei Lachanfällen und versuchte Luft zu bekommen. Er sah mich mit wässrigen Augen an und fing wieder an zu feixen.
"Ich hab keine Ahnung, worüber du lachst, aber ich lache über dich!"
"Oh, na danke!", erwiderte ich und sah ihn beleidigt an.
"Nein, ich meinte nicht im Negativen. Entschuldigung!", meinte er. Wir schauten uns an und prusteten wieder los. Mein Bauch tat mittlerweile höllisch weh, aber ich brauchte Went nur anzusehen, um wieder los lachen zu müssen. Schließlich bekamen wir uns aber doch wieder ein, zumindest um wieder gerade stehen zu können. Ich reichte ihm seinen Frappucchino, der mittlerweile nur noch eine einzige Brühe war. Die Sahne war schon geschmolzen und hatte sich mit dem Eiskaffee vermischt. Ja, und die Kirsche dümpelte auch nur noch vor sich herum.
"Willst du mit reinkommen?", fragte er vorsichtig und diesmal schaute er mich ernsthaft an.
"Ja, ich will doch sehen, wie viele Kisten du schon gepackt hast." Er verdrehte die Augen.
"Man kann sie immer noch an einer Hand abzählen."
"Was machst du denn den ganzen Tag lang?", fragte ich ungläubig und folgte ihm in seine Wohnung. Sie sah wirklich fast noch genauso aus wie am Samstag.
"Na ja, ich fang immer voller Tatendrang an und dann find ich meistens doch etwas, was mich ablenkt. Ein Buch, ein Fotoalbum oder eine DVD, die ich lange nicht mehr gesehen hab.", gab er zu und deutete an, dass ich mich aufs Sofa setzen sollte.
"Vielleicht brauchst du einfach jemanden, der dir hilft?", schlug ich vor. Er schnippte mit den Fingern.
"Tata, mein neuer Umzugshelfer." Er deutete auf den leeren Platz neben mir. "Es ist mitten in der Woche, alle meine Freunde sind arbeiten."
"Ach, und was bin ich?"
"Eine arbeitende Freundin.", grinste er. "Und nein, du wirst mir nicht helfen. Nicht jetzt und auch nicht später.", kam er mir zuvor, als ich zum Sprechen angesetzt hatte.
"Jetzt hab dich nicht so. Jetzt, wo ich schon mal hier bin, kann ich auch mit anpacken."
"Nein." Er hatte, vor mir stehend, die Arme verschränkt und versuchte krampfhaft nicht zu lachen.
"Bitte. Was bin ich denn dann für eine Freundin, wenn ich dir bei der Arbeit zuschaue?" Er seufzte.
"Gut, aber ich trage die Kisten.", gab er nach und ich setzte mein Siegerlächeln auf.
"Wusste ich es doch!", rutschte es mir heraus.
"Wusstest du was?" Er sah mich fragend an. Ich blickte nach unten und sah einen Stapel Magazine.
"Das du gerne Artikel über dich liest." Puh, gerade noch mal so gerettet. Dabei wusste ich doch genau, dass er mir nichts abschlagen konnte.
"Ich hab sie nicht gelesen. Meine Mutter meinte nur, dass ich es mal tun sollte." Ach, Mutter wieder. Ich sah ihn zweifelnd an.
"Ja, klar. Immer alles auf die Eltern schieben.", erwiderte ich, setzte mich neben den Stapel und schaute sie mir nacheinander an.
"Wolltest du mir nicht helfen?", grinste er und stemmte dabei die Hände in die Hüften.
"Tu ich doch. Ich lese dir die Artikel über dich vor."
"Na, großartig." Er wandte sich um und begann ein paar Bücher aus dem Regal in die Kisten zu stapeln. Währenddessen blätterte ich gelangweilt durch die Magazine. Das war ja alles ein Schwachsinn, was die abdruckten. Wen interessiert es denn, dass Wentworth Miller bei Starbucks Kaffee kauft? Ich nahm das nächste Magazin und sah mich Wentworth und einem Mann gegenüber. Ich riss die Augen auf.
"Du bist schwul?" Ich drehte das Magazin zu ihm um. Went verdrehte nur die Augen.
"Ja, klar und da hinten in der Kiste sind die Lederriemen, die Handschellen und nicht zu vergessen, die Peitsche!"
"Echt?" Ich sprang auf und lief zu der Kiste in der Ecke.
"Alex!" Ich drehte mich zu ihm und sah ein wenig Panik in seinen Augen stehen. Der hatte doch da jetzt nicht wirklich solches Zeug drin? Oder doch?
"Ich will so was auch mal sehen!", erwiderte ich und öffnete die Kiste. Treffer! Zwar konnte ich keine Handschellen ausmachen, dafür aber jede Menge Fotos. Triumphierend griff ich nach einem Stapel Bilder.
"Alex, bitte leg die wieder zurück!", versuchte er mich abzuhalten, doch ich konnte nicht anders. "Ich warne dich!"
"Ach, und das soll mich jetzt von was genau abhalten?", grinste ich und schaute auf die Bilder. "Oh, wie süß Klein-Went beim Angeln, beim Roller fahren und auf dem Spielplatz. Awww, die Mütze ist ja schick.", lachte ich und blätterte weiter.
"Alex, bitte! Das ist nicht witzig." Er kam ein paar Schritte auf mich zu.
"Finde ich schon und als deine BESTE Freundin sollte ich doch mal wissen wie du als kleiner Racker ausgesehen hast.", meinte ich und drehte mich um, damit er mir die Bilder nicht entreißen konnte. "Oh, ist das deine Einschulung?", fragte ich und er versuchte unter meinen Armen durch nach dem Bild zu greifen. Dabei musste er seinen Körper an meinen drücken, was mein Herz schneller schlagen ließ. Es fühlte sich gut, aber falsch an. Außerdem wollte ich ja noch ein bisschen Bilder schauen. Also duckte ich mich unter seinem rechten Arm an ihm vorbei und blätterte weiter.
"Du bist aber schnell gewachsen.", bemerkte ich, als ich das nächste Bild sah. Er musste ungefähr 12 gewesen sein. "Yeah, Afro-Went. Ist das eine Perrücke?" Ich bekam mich kaum noch ein vor Lachen über seine Frisur.
"Alex!"
"Hör auf, immer meinen Namen zu sagen. Ich weiß auch so wie ich heiße."
"Du hattest deinen Spaß und ich würde die Bilder jetzt gerne wieder wegräumen." Er versuchte ruhig zu bleiben, aber seine rechte Hand war zur Faust geballt.
"Es kann nicht immer nur alles nach deiner Nase gehen und außerdem bin ich noch nicht fertig mit anschauen." Ich stemmte meine Hand gegen seine Brust und hielt die Bilder nach hinten. "Mal sehen, was auf dem nächsten Bild zu sehen ist. Groß-Went beim..." Ich drehte meinen Kopf zu den Bildern und riss die Augen auf. NACKTBADEN? Ich wandte schnell meinen Blick wieder ab und lief rot an. Das nutzte er aus, um mir die Bilder wegzunehmen. Das hätte er wohl früher tun sollen. Mir war das unendlich peinlich. Ich schaute ihm zu wie er die Bilder wieder in der Kiste verstaute und mich dann vorwurfsvoll ansah.
"Du weißt schon, was dir jetzt blüht, oder?", fragte er und stand wieder auf. "Ich werde deine Wohnung durchsuchen..."
"Wer lässt sich denn auch beim Nacktbaden fotografieren?"
"...jeden Schrank ausräumen..." Mittlerweile grinste er und kam immer einen Schritt näher.
"Und hebt das Bild dann auch noch auf?"
"...und nicht eher aufhören, bis ich ein Nacktfoto von dir gesehen hab." Er stand nun genau vor mir und blickte mich an. Ein leicht süffisantes Lächeln lag auf seinem Gesicht.
"Jetzt übertreib mal nicht. Das Bild war eine Rückenansicht, ich hab also gerade mal deinen blanken Hintern gesehen. Ich hab dir nichts abgeguckt. Außerdem wirst du keine Bilder von mir finden, die sind bei meinen Eltern.", grinste ich triumphierend.
"Ich weiß, wo deine Eltern wohnen!", erwiderte er schlagfertig und ich hielt einen Moment inne. Woher sollte er das denn wissen? "Die Postkarte.", half er mir auf die Sprünge und ich fluchte leise. Das hatte ich ja total vergessen, Mom hatte mich doch deswegen extra angerufen.
"Ja, schön. Dann weißt du eben, wo meine Eltern wohnen. Es ist und bleibt trotzdem eine Rückenansicht und ich hab ja kaum was gesehen."
"Das ist doch egal. Die Bilder sollte keine Frau sehen."
"Also bist du doch schwul.", warf ich ein.
"Was?" Er konnte meinem Gedankengang anscheinend nicht folgen.
"Du hast gesagt, dass es keine Frau sehen darf. Männer aber schon." Ich kniff die Augen zusammen und blickte ihn an. Wir standen uns noch immer gegenüber. Kein Meter trennte uns mehr von einander.
"Die erst recht nicht, weil ich HETEROsexuell bin.", verdeutlichte er mir und kam noch ein Stück näher. Das brachte die erste Alarmglocke in mir zum schrillen. Abstand halten! Ich ging einen Schritt zurück.
"Warum bist du denn plötzlich so prüde? Es ist nur eine Rückenansicht und außerdem wird dich ja wohl schon mal eine Frau nackt gesehen haben und wenn es nur deine Mutter war."
"Ja, aber du bist nicht meine Freundin..."
"Doch deine Beste!", widersprach ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Selbsternannt zählt nicht und außerdem habe ich schon eine beste Freundin.", grinste er.
"Dann bin ich eben Vize." Ich zog eine Schnute.
"Meine beste Freundin sieht übrigens genauso aus wie du, nur ist sie nicht so neugierig und zickig.", meinte er und kam noch einen Schritt näher. Alarmglocken, ganz laut!
"Mein bester Freund sieht übrigens genauso aus wie du, nur ist er nicht so frech und prüde."
"Ich bin nicht prüde."
"Nein, wie komme ich nur darauf?" Er machte einen Schritt vor und ich einen zurück. "Vielleicht verschweigst du deiner selbsternannten besten Freundin auch was."
"Was denn? Das ich schwul bin?"
"Vielleicht."
"Was würde denn passieren, wenn ich es wirklich wäre?" Ich wich noch einen Schritt zurück und prallte mit dem Rücken an die Terrassentür.
"Dann wärst du zwar nicht mein bester Freund, weil der ist ja nicht so prüde, aber mein bester schwuler Freund!" Er seufzte.
"Und wie kann ich dich davon überzeugen, dass ich es nicht bin?" Unsere Blicke trafen sich und er kam noch ein Stück näher, so dass zwischen uns kein Blatt mehr gepasst hätte. Ich wusste genau, wohin das führen würde. Ich räusperte mich und sah auf meine Füße.
"Keine Ahnung, stell mich doch einfach mal deiner Freundin vor.", meinte ich und der Moment war verpufft. Er trat einen Schritt zurück und ich starrte auf meine und seine Schuhe. Ich fühlte mich schlecht, weil ich es erst so weit hatte kommen lassen. Die Worte meiner Mutter kamen mir in den Sinn. "Dir wurde das Herz gebrochen, also brich es nicht jemanden anderem."
"Dann musst du dich wohl noch etwas Gedulden.", murmelte er und wandte sich um. Während ich immer noch wie festgefahren dastand, fing er an weiter Bücher in die Kisten zu stapeln. Das hatte ich ja mal wieder toll hinbekommen. Warum endeten unsere Gespräche zur Zeit immer damit, dass einer beleidigt oder verletzt war? Langsam ging ich auf ihn zu und stupste ihn mit dem Finger in die Seite.
"Bist du jetzt böse auf deine beste Freundin?", meinte ich leise und versuchte mit meinem Hundeblick ein Lächeln bei ihm zu entlocken.
"Nein, auf die Vizefreundin.", antwortete er und griff nach zwei weiteren Büchern.
"Und wenn es deiner Vizefreundin ganz doll Leid tut und sie sich jetzt schlecht fühlt?"
"Dann geschieht es ihr ganz Recht." Er drehte sich zu mir um und schaute mich böse an. Das hielt er genau zwei Sekunden durch, dann musste er lächeln. "Aber ich kann ihr sowieso nicht böse sein." Ich setzte mein schönstes Lächeln auf und umarmte ihn kurz. Ich verdrängte den Geruch seines Aftershaves weitestgehend und machte mich dann in die Arbeit. Diesmal wirklich. Ich half ihm mit den Büchern und den DVDs. Er hatte eine beträchtliche Sammlung und wir brauchten 5 Kisten, um alle Filme zu verstauen und ich rede hier von den großen Kartons.
"Willst du was trinken?", fragte er, nachdem wir fertig waren.
"Nein, danke. Ich muss dann los und Lynn abholen.", lehnte ich nach einem Blick auf die Uhr ab und suchte nach meiner Handtasche. In all dem Chaos konnte ich sie nicht gleich finden.
"Suchst du die?" Triumphierend hielt er meine Tasche hoch und grinste breit.
"Wags dir!", brachte ich hervor und versuchte sie ihm abzunehmen. Da er einen Kopf größer war als ich, hatte ich natürlich keine Chance ihm die Tasche abzunehmen. "Na gut, dann geh ich eben ohne. Meine Autoschlüssel hab ich ja hier." Ich deutete auf meine Hosentasche und wandte mich zum Gehen.
"Okay, du hast gewonnen!", gab er schnell nach und rutschte auf dem Parkett an mir vorbei, um mir den Weg abzuschneiden. Er reichte mir die Handtasche und brachte mich zur Tür. "Sehen wir uns morgen wieder?" Er schaute mich hoffnungsvoll an. "Du darfst auch Bilder von mir anschauen. Ausgewählte natürlich nur.", grinste er.
"Na, da kann ich ja gar nicht nein sagen." Er lächelte und wir umarmten uns.
"Dann bis morgen. Sag Lynn schöne Grüße." Ich drehte mich um und lief zu meinem Auto. Kaum hatte ich mich hinein gesetzt, musste ich erst einmal tief ein- und ausatmen. Es ist nichts passiert. Du hattest dich unter Kontrolle und du wirst es auch weiterhin schaffen, redete ich mir ein. Lieber nur Freundschaft, als eine Beziehung voller Probleme.
In diesem Moment klopfte es an der Beifahrerscheibe und ich zuckte zusammen. Went stand davor und öffnete nun die Tür.
"Hab ich was vergessen?", fragte ich ihn und er setzte sich auf den Beifahrersitz. Musste ich das jetzt verstehen?
"Ja, hast du. Ich hätte es auch beinahe, aber gerade als du weg warst ist es mir wieder eingefallen." Ich blickte ihn ratlos an. "Das Geld.", half er mir auf die Sprünge und zückte sein Portemonaie.
"Oh, stimmt. Daran hatte ich wirklich nicht mehr gedacht."
"Wie viel schulde ich dir?" In meinem Kopf ratterte es. Was hatte noch mal auf dem Kassenbon gestanden? Verdammt. Ich fing an in meiner Handtasche zu kramen und nach dem Bon zu suchen. Schließlich fand ich ihn und nannte ihm den Betrag. Er reichte mir die Scheine und ich suchte das Wechselgeld heraus.
"Stimmt so.", meinte er nur und packte seinen Geldbeutel wieder weg.
"Wentworth!", widersprach ich und sah ihn mit einem Ich-brauche-dein-verdammtes-Geld-nicht-Blick an.
"Wieso? Das ist Porto!", grinste er und ich musste mich geschlagen geben. Er würde es sowieso nicht nehmen.
"Also gut, dann ehm danke!", sagte ich nur und startete den Motor. Doch er machte nicht mal Anstalten das Auto zu verlassen.
"Ich hab mich gerade spontan dazu entschieden mitzukommen.", meinte er auf meinen verwirrten Blick hin und ich seufzte.
"Na gut, aber du musst dann zurück laufen.", warnte ich ihn vor.
"Kein Problem."
"Gut, dann anschnallen, junger Mann.", befahl ich ihm und reihte mich in den Verkehr ein. Es war zum Glück nicht weit und ich fand auch gleich eine Parklücke. Gemeinsam stiegen wir aus und liefen durch das Tor. Die Kinder waren gerade draußen und ich sah Lynn im Sandkasten spielen. Sie erblickte uns kurze Zeit später und rannte auf uns zu.
"Oooonnnkkkkeeeelllll Wwwwweeeennnnttttt!", erschalte es durch den ganzen Hof und ich bereute es, ihn mitgenommen zu haben. Nicht einmal zu meinen besten Zeiten war ich von meiner Tochter so begrüßt worden. Lynn warf sich ihrem "Onkel" in die Arme und ich war dann wohl das dritte Rad am Wagen. Also ließ ich die beiden erst mal allein, Lynn zog ihn sowieso schon zum Sandkasten, und ging zu Mrs. Hoffman. Wir unterhielten uns kurz und ich rief dann meine beiden "Kinder" zu mir. Went sah ein bisschen aus als hätte er ein Sandbad genommen und war auf dem Weg zum Wagen damit beschäftigt den ganzen Dreck von seiner Kleidung zu bekommen. Lynn half ihm, indem sie auf Knie und Oberschenkelhöhe auf ihn einschlug. Ich musste mir so das Lachen verbeißen und ärgerte mich darüber, dass ich keine Kamera eingepackt hatte.
"So dreckig kommst du mir aber nicht in mein Auto!", meinte ich zu Went, als wir am Wagen ankamen.
"Ich denke, ich soll laufen?", grinste er und ich bekam einen bösen Blick von meiner Tochter zu spüren. Doppeltes Touché.
"Ich kann dich doch nicht laufen lassen. Deine Fans bringen mich sonst noch um!", lachte ich und half Lynn beim anschnallen. Went setzte sich auf den Beifahrersitz, trotz seiner dreckigen Sachen. Ich schwang mich hinters Steuer und fuhr nach Downtown. Doch als wir vor unserem Haus ankamen, warteten schon ein paar Paparazzi auf uns.
"Merde!", rutschte es mir heraus. "Und jetzt?" Ich sah ihn fragend an.
"Ich steig aus und laufe zurück nach Larchmont. Ihr wartet noch einen Moment bis sie weg sind und könnt dann rein gehen.", schlug er vor. Das war ja mal die wohl bescheuertste Idee, die ich jemals gehört hatte.
"Toll, dann bist du einmal von Larchmont hierher gefahren und läufst jetzt zurück?"
"Was soll ich denn sonst machen?"
"Du könntest mit rein kommen.", schlug ich vor, da das ja mehr oder weniger unser Plan gewesen war, bevor die Fotografen dazwischen gekommen waren.
"Damit ihr morgen wieder in der Zeitung zu sehen seid?"
"Stehen wir sowieso. Die werden nicht ohne Grund hier stehen, denn heute früh war noch keine Spur von ihnen zu sehen gewesen."
"Bist du dir sicher?" Er schaute mich unsicher an.
"Nicht wirklich, aber ich hab keine Lust immer meine Pläne wegen ein paar Bildern und einem Lügenmärchen umzustellen.", meinte ich und stieg aus. Ich lief um das Auto herum und half Lynn aus ihrem Sitz heraus. Genau in diesem Moment stieg Went auch aus und die Kameras fingen an zu klicken. Die Reporter stürmten auf uns zu und bombardierten uns mit Fragen. Ich trug Lynn und versuchte ihr Gesicht zu verdecken. Doch sie tat es schon automatisch und drückte sich gegen meine Schultern. Es war unbeschreiblich eng und die Fotografen machten wirklich keinen Zentimeter Platz. Panik stieg in mir auf und ich war mir nicht mehr ganz so sicher, ob das eine so gute Idee gewesen war.
Went lief vor mir und versuchte sich einen Weg zum Haus zu bahnen. Ich griff nach seinem Arm, um ihn nicht zu verlieren und in der Masse unterzugehen. Er nahm meine Hand und zog mich vorsichtig weiter. Mir war klar, dass das ein falsches Bild aufwarf, aber es war in diesem Moment die einzige Möglichkeit. Schließlich standen wir vor der Tür und Went nahm mir Lynn ab, damit ich die Schlüssel raussuchen konnte. Sie drückte ihr Gesicht an seine Schulter und ich blickte die beiden für einen Moment stumm an, bevor ich mir wieder der Situation um uns herum bewusst wurde und aufschloss.
Kaum war die Tür hinter uns ins Schloss gefallen, fiel die Angst und Anspannung wieder ab. Ich atmete einmal tief ein und aus und drückte dann eine verängstigte Lynn an mich. Went stand etwas verwirrt neben uns und wusste nicht so richtig, was er tun sollte. Doch Lynn brauchte mich jetzt erstmal. Sie war total verängstigt und klammerte sich an mich. Wir setzten uns auf Sofa und kuschelten eine Runde, bis es ihr wieder besser ging.
Da Went ja nun bei uns festsaß, machten wir das Beste daraus. Lynn wollte unbedingt Bilder ausmalen und so verpassten wir Balu und Baghira ein bisschen Farbe. Am Ende sah Balu aus wie eine einzige, riesige und vor allem bunte Ringelsocke, während Baghira sein weiteres Leben als pink Panther würde führen müssen. Zwischendurch lugte ich immer mal wieder zwischen den Gardinen hindurch, doch die Fotografen waren immer noch da. Als Sam dann gegen 18 Uhr erschien, war er keineswegs überrascht uns zu sehen.
"Die lieben Paparazzi haben mich tatsächlich vorgewarnt, dass ich hier den "heimlichen" Lover meiner Freundin finden würde!", grinste er und Went und ich liefen rot an.
"Und jetzt?", fragte ich die beiden und sah sie verzweifelt an.
"Wir warten noch ein bisschen, spätestens heute Abend dürften sie weg sein.", schlug Went vor und uns blieb ja nichts anderes übrig. Also bereiteten Lynn und ich das Abendessen vor, während Sam und Went im Wohnzimmer über Filme diskutierten. Das gab mir kurz Zeit meine Gedanken zu ordnen. Woher hatten die Paparazzi gewusst, dass Went und ich zu mir fahren würden? Ich konnte es mir nicht erklären, doch es machte mir mal wieder Angst. So viele Fotografen waren vorher noch nie da gewesen! Und was machte ich jetzt eigentlich mit Went? Er musste ja bestimmt auch irgendwann nach Larchmont zurück. Ich musste mir eingestehen, dass ich keinen wirklichen Plan hatte.
Das Abendessen verlief zumeist schweigend, selbst Lynn sagte nicht viel. Sie war müde und ich brachte sie kurz darauf ins Bett. Ich brauchte nicht einmal eine Geschichte vorlesen, sie schlief auch so ein. Sam verabschiedete sich kurz darauf, da er wieder zur Arbeit musste und stellte sich dem Blitzlichtgewitter, das losging, als er die Haustüre öffnete. Nun waren Went und ich wieder alleine. Ein unangenehmes Kribbeln machte sich in meinem Bauch breit und in meinem Kopf herrschte weitestgehend Leere, vor allem im Sprachzentrum. Die richtigen Worte fielen mir nicht ein.
Wir saßen auf dem Sofa und hielten an unseren Getränken fest. Unschlüssig stand ich auf und ging ans Fenster, um nach den Paprazzi zu schauen. Natürlich wusste ich, dass sie immer noch da waren, aber ich musste irgendetwas tun.
"Ich glaube, die schlagen ihre Zelte vor unserer Tür auf.", meinte ich niedergeschlagen. Auch wenn ich Went gerne in meiner Nähe hatte, war es mir doch unangenehm, dass er hier bleiben musste und das Ganze eine aufgezwungene Atmosphäre hatte.
"Scheint wohl so.", murmelte er und blickte mich an. Seine Augen verrieten mir, dass ihm das nicht so unangenehm war wie mir.
"Wollen wir DVDs anschauen?", fragte ich spontan und er grinste.
"Kannst wohl Gedanken lesen?"
"Klar, also denk lieber nicht zu viel.", gab ich zurück und ging zum Regal mit den DVDs. Er stand ebenfalls auf und stellte sich neben mich.
"Was willst du denn schauen?"
"Keine Schnulzen und keine Gruselfilme.", antwortete ich und ging die Reihe entlang, um die Filmtitel zu lesen.
"Schade, aber okay. Was dann?" Ich blickte ihn kurz von der Seite an und sah, dass er mich beobachtete.
"Du bist der Gast, such dir was aus.", meinte ich und deutete mit einer einladenden Geste auf das volle Regal. Went legte den Kopf leicht schief und begann wie ich das Regal abzusuchen. Ab und zu konnte ich ein Lächeln auf seinen Lippen sehen. Schließlich zog er eine DVD heraus und reichte sie mir.
"Wie wäre es damit?" Ich blickte auf den Titel. "L.A. Crash". Ich kannte den Film nicht und las mir deshalb die Rückseite durch.
"Ja, klar." Ich machte den Fernseher und den DVD-Player an und hockte mich davor. Als die DVD anlief, ging ich in die Küche und suchte nach etwas Essbarem. Wenn ich Filme schaute, brauchte ich meistens etwas zu essen. Chips und Popcorn hatten wir leider keins, aber eine Packung verschiedenster Nusssorten. Mit meinem Fund ging ich zurück ins Wohnzimmer und setzte mich neben Went. Ich öffnete die Packung und stellte sie zwischen uns. Dann stellte ich die DVD richtig ein und der Film konnte losgehen. Zunächst verstand ich gar nicht, worum es ging, traute mich aber nicht Went zu fragen. Dann ab der Mitte des Filmes, als es endlich verständlicher wurde, überkam mich Müdigkeit. Meine Augen wurden immer schwerer und ich hatte Mühe dem Film zu folgen.
Ein paar Minuten konnte ich ja die Augen schließen, dann würde ich bestimmt wieder munterer sein und könnte Went nach Hause fahren. Langsam lehnte ich mich zur Seite und hörte noch einen Moment dem Film zu, bevor ich ins Land der Träume verschwand.
Teppich

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Teppich »

Hehe ich guck kein RTL ;)
Ich habe PB bisher aufm Schweizer SF geguckt und ansonsten eben
im WWW als Stream.
Nun hab ich da meine Quelle verloren, muss also jemanden anhauen,
mir die Staffel-Box auszuborgen ;)
Ja, das Lied hab ich mir angehört. Ist wirklich schön :up:

Na 2 Tage nicht an den Went denken...hui :o Ne Meisterleistung :D
Aber war klar, dass sie das nicht so einfach verdrängen kann.
Schlussendlich ist sie doch wieder bei ihm gelandet *lach*
Und dass sie sich gleich die Fotos von ihm schnappt ^_^
Das Foto vom Nacktbaden hätte ich wirklich gerne gesehen!
Gibt's denn das irgendwo im WWW??? *ggg*

Oh, wieder ne Belagerung!
Immerhin Grund für Alex, den Went mitzunehmen und mit ihm
nen schönen Abend zu verbringen, obwohl sie tatsächlich bei so nem
tollen Film wie Crash eingeschlafen ist *lach*
Ich bin gespannt auf den nächsten Morgen!!
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

Ach stimmt ja, du kommst ja nicht aus Deutschland *düsch, mein Fehler*!

Die Bilder gibt es (leider) nirgendwo öffentlich, aber vll bei Wents Mom im Schrank :D :D :D

Du kennst L.A. Crash? Ich liebe diesen Film, aber viel zu wenige Leute kennen den. :(
Naja, guter Geschmack ist halt nicht weit verbreitet ^_^

Viel Spaß beim weiterlesen...


Kapitel 24: Walking on sunshine


"Alex?" Ja, ich bin hier.
"Alex!" Das passte grad irgendwie nicht in meinem Traum. Was für ein Traum eigentlich? War ich etwa eingeschlafen?
"Alex!" Da war eine Stimme direkt an meinem Ohr. Und was war das für ein Geruch? Hatte sich Sam etwa mal wieder außerhalb des Badezimmers eingedieselt? Na, der würde was zu hören bekommen. "Aufstehen, Alex!" Och, nein! Ist doch gerade so bequem. Was ist das eigentlich, worauf ich liege? Mist, jetzt musste ich doch meine Augen aufmachen.
Ich öffnete die Augen und machte sie gleich wieder zu, weil mich das helle Licht blendete. Toll, warum mir nicht gleich noch mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchten? Ich versuchte es ein weiteres Mal und blinzelte.
"Na, endlich!", meinte die Stimme und ich öffnete beide Augen richtig. Wow, wo war ich denn hier? Alles so blau. Ach nein, das ist nur das Kissen. "Ich weiß nicht, wovon du geträumt hast, aber deine Nägel krallen sich langsam sehr schmerzhaft in meine Hüfte." Nägel? Krallen? Hüfte? Ich verstand nur Bahnhof. Und wer redete überhaupt mit mir? Langsam hob ich den Kopf und blickte direkt in ein Paar grün-blaue Augen. Grün-blau? Sam hatte doch braune Augen.
"Na, ausgeschlafen?" Mit einem Satz war ich auf den Beinen. Verdammt, das war jetzt nicht passiert! Ich blickte ihn entsetzt an, doch leider war sein Blick undefinierbar. Went schaute mich einfach nur an.
"Ehm...", fing ich an und versuchte Ordnung in meinen Kopf hinein zu bringen. Wir hatten DVD geschaut und ich hatte kurz die Augen geschlossen. Aber was war danach passiert?
"Du bist eingeschlafen und dein Kopf ist irgendwann auf meine Schulter gefallen.", erzählte er mir seelenruhig, als würde ihm das jede Woche passieren. Nur erklärte das nicht so ganz, warum wir wie zwei Kletten aneinander gehangen hatten. Die Position meines linken Armes und der dazugehörigen Hand, die sich um seinen Bauch an seine Hüften gekrallt hatte, mal ganz auszuschweigen.
"Wieso hast du mich nicht einfach schlafen gelassen und bist gegangen?", hakte ich nach, was ihm ein Grinsen entlockte.
"Hätte ich jederzeit gemacht, wenn du dich nicht plötzlich an mich geklammert und angefangen hättest, wirres Zeug zu reden!" Ich redete im Schlaf? Oh verdammt! Wieso hatte mir das noch keiner gesagt? Ich merkte wie ich rot anlief. "Keine Sorge, ich hab nichts verstanden." Na, ein Glück, sonst hätte ich dich jetzt umbringen müssen.
"Und wir haben jetzt die ganze...?", fing ich an und er nickte. Oh Gott. Ich hatte es doch echt wieder drauf. Was ich mir im wirklichen Leben verweigerte zu holen, nahmen sich meine Träume als Dessert. "Tut mir Leid, konntest du wenigstens ein bisschen schlafen?" Ich ließ mich langsam wieder aufs Sofa gleiten.
"Ach, war nicht so schlimm. Bis auf die Schmerzen in der Hüfte, war es sogar ganz angenehm.", grinste er und ich lief weiß an. Ganz angenehm? Was war da bitte schön noch vorgefallen?
"Ist es sehr schlimm? Wir können auch Salbe drauf machen." Er wollte schon abwinken, aber auf meinen Blick hin, hob er sein T-Shirt auf der rechten Seite. Wenn ich vorher weiß war, so hatte ich in diesem Moment eine noch hellere Farbe auf meinem Gesicht entwickelt. Seine rechte Hüfte war ein einziger roter Fleck, indem sich an mehreren Stellen noch die Einkerbungen meiner Nägel deutlich zeigten. Das war doch nicht wirklich ich gewesen, oder? Am liebsten wäre ich schreiend aufgestanden und weggerannt. So etwas war mir vorher noch nie passiert und ausgerechnet bei Wentworth Miller hatte ich meine große Premiere. Dem Kandidaten wurden weitere 100 Punkte auf sein peinliche-Momente-die-Highlights-Konto hinzugefügt.
"Ich würde ja jetzt gerne sagen, dass ich normalerweise nicht so häufig in peinliche Situationen gerate, aber dann müsste ich dich anlügen.", kommentierte ich seine rechte Hüfte und ging ins Badezimmer. Auf dem Weg dahin stellte ich fest, dass es erst 6 Uhr war. Ich holte die Salbe und ein großes Pflaster aus dem Schrank und ging zurück. Went legte gerade die Decke wieder zusammen.
"Wie hast du das eigentlich mit der Decke gemacht? Uns zuzudecken meine ich?"
"Ich war das nicht. Ich konnte ja gerade mal meine Arme hoch und runter bewegen." Ja, erinnere mich ruhig noch mal daran! Und wer hatte es dann getan? SAM!!! Verdammt, er hatte uns doch nicht etwa gesehen? Boden tu dich auf und lass mich dort unten versauern. Ich durfte nie wieder auf die Menschheit losgelassen werden!
"Also, ich mach dir jetzt mal die Salbe drauf." Ich hielt wie zum Beweis die Salbe und das Pflaster hoch. "Keine Widerrede!" Er hatte schon zum Reden angesetzt, doch ich schubste ihn einfach nur aufs Sofa. Die Hobby-Krankenschwester meldete sich in mir.
Ich schob sein Hemd langsam hoch und drückte etwas aus der Tube auf die rote Stelle. Mein Gott, was hatte ich denn bitte schön geträumt? Vorsicht verteilte ich die Salbe und hörte wie er die Luft laut einsog.
"Tut es so weh?"
"Nein, deine Finger sind so kalt.", lachte er und ich zog meine Hand automatisch zurück.
"Dann machst du wohl besser selber weiter." Ich musste wirklich die Farbe im Gesicht schneller gewechselt haben, als die Ampeln an der Hauptstraße. Erst durch seine Worte war mir aufgefallen, was ich eigentlich tat. Ich butterte mit meinen Händen an seiner Hüfte herum!! Als ob er das nicht selber könnte!
"Das war nicht böse gemeint.", meinte er schnell und schaute mich enttäuscht an. Schnell stand ich auf, auch wenn meine Knie weich wie Butter waren. Sein Blick machte mich wahnsinnig und ließ meinen Kopf nur so vor Verwirrung rotieren.
"Hab ich auch nicht so verstanden. Du weißt nur eben besser, wo es wehtut.", murmelte ich und lief in die Küche. Ich riss den Kühlschrank auf, um wenigstens etwas Kühles um mich herum zu haben. Langsam konnte ich wieder einen klaren Gedanken fassen. Ich schaltete die Kaffeemaschine an und ging dann zurück ins Wohnzimmer. Went versuchte sich das Pflaster ordentlich auf die Hüfte zu drücken, während ich nach den Paparazzi schaute.
"Ich glaube, sie sind weg!", meinte ich und drehte mich zu ihm herum. Er blickte auf und grinste.
"Regel Nummer 1: Paparazzi verschwinden nie, sie verlagern höchstens ihre Standpunktkoordinaten hinter den nächsten Baum."
"Und Regel Nummer zwei?"
"Es gibt keine guten Paparazzi. Alle nur arrogant und ohne jegliche Skrupel!"
"Wow, du solltest ein Buch drüber schreiben.", lachte ich.
"Meine schreiberischen Fähigkeiten für ein Buch sind doch eher begrenzt."
"Dann wirds eben eine Kurzgeschichte."
"Da würde ich schon eher zusagen." Er stand auf und reichte mir die Tube zurück. "Ich werde dann am Besten gleich gehen!"
"Jetzt schon? Du kannst doch noch mit frühstücken."
"Ich geh lieber jetzt, wenn nicht allzu viele Paparazzi vor der Tür stehen.", meinte er und ich nickte.
"Okay, dann sehen wir uns heute Nachmittag." Das brachte ein Lächeln auf sein Gesicht und wir gingen zusammen zur Tür.
"Also bis später." Wir umarmten uns und er gab mir ein Küsschen auf die linke Wange. Ich war im ersten Moment überrascht, aber dann machte mein Herz einen kleinen Freudenhüpfer.
Kaum war die Tür hinter ihm zu, fing ich an zu fluchen. Ich machte mich vor Went ein ums andere Mal zum Deppen. Das war schon nicht mehr normal.
Ich ging in die Küche, immer noch Kopf schüttelnd, um mir ja nicht noch mal diese peinliche Situation im Wohnzimmer in Erinnerung rufen zu müssen. Es war ja schon schlimm genug, dass er sich daran erinnern würde. Also beschäftigte ich mich eingehend mit dem Tisch decken und weckte danach Lynn. Sam stand von alleine auf und kam verschlafen in die Küche geschlürft. Als er mich erblickte, setzte er ein strahlendes Lächeln auf.
"Darf man gratulieren?", war das Erste was aus seinem Mund kam.
"Guten Morgen, erstmal! Und zu was denn?", erwiderte ich leicht verärgert und verwirrt.
"Ja, Morgen. Na, bei euch beiden?!" Ich verstand immer noch nicht. Wer war denn wir beide? "Also du und Went." Langsam fiel der Groschen.
"Du denkst doch nicht etwa, dass Went und ich ein...?" Ich ließ die Frage unbeendet im Raum stehen, denn er nickte.
"Warum denn nicht?"
"Gegenfrage: Warum sollten wir?" Er verdrehte die Augen.
"Sorry, aber du kannst mir nicht sagen, dass es nicht knistert zwischen euch beiden. Die Funken fliegen ja nur so zwischen euch hin und her."
"Ja, klar! Du hast uns wie viele Minuten gleich nochmal zusammen gesehen?"
"Gestern Nacht hat mir schon gereicht.", grinste er und ich warf einen Lappen nach ihm.
"Ich hatte wahrscheinlich einen komischen Traum."
"Wohl eher einen heißen, so wie ihr euch aneinander geklammert habt."
"Das war ja wohl eher ich, da er nicht anders konnte."
"Belüg dich nur weiter so, Schwesterherz! Nur wundere dich nicht, wenn er nicht ewig auf dich wartet!" Mit diesen Worten schnappte er sich einen Toast und verschwand ins Badezimmer, während ich wie vom Donner gerührt dastand.
Während der Arbeit bekam ich natürlich Sams Worte nicht aus dem Kopf. Würde Went wirklich einfach gehen, wenn ich seinen Annäherungsversuchen immer wieder auswich oder ihm sagte, dass wir kein Paar werden würden? Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber auch nicht ganz ausschließen, was mir Angst machte. Ein Leben ohne ihn konnte ich mir nicht mehr vorstellen.
Umso mehr freute ich mich, ihn heute noch einmal zu sehen. Ich fuhr direkt von der Arbeit zu ihm, wo er mich anscheinend schon zu erwarten schien. Ich hatte noch nicht einmal geklopft, als schon die Tür aufging.
"Hallo!", begrüßte er mich gutgelaunt und ließ mich rein.
"Hi.", gab ich zurück und folgte ihm ins Wohnzimmer. "Wow, du hast doch nicht etwa weiter gepackt?", grinste ich, als ich die Kartons in der Ecke bemerkte, die vorher noch nicht da gewesen waren.
"Ja, ich war heute fleißig!", meinte er und wir ließen uns aufs Sofa fallen.
"Da muss ich dich ja direkt loben.", lachte ich und streichelte ihm kurz über den Kopf. "Fein gemacht!" Er strahlte übers ganze Gesicht.
"Hast du schon die Zeitung gelesen?", fragte er mich und drehte sich nach hinten, um eine Zeitung hervorzukramen.
"Nein, was steht denn drin?"
"Ein toller Artikel über uns.", lachte er und reichte mir ein Heft. Ich öffnete es und fühlte mich für einen Moment in die Zeit zurück versetzt. Für eine Sekunde waren wir wieder von Paprazzi umringt und ich griff voller Angst nach Wents Arm. Unmerklich schüttelte ich den Kopf und begann zu lesen.

"Sie zeigen ihre Liebe ganz offen!

Wentworth Miller (35, "Prison Break") scheint das Rennen im Kampf mit seinen Kollegen Dominic Purcell (38) und Amaury Nolasco (37) um Alexis Edwards gemacht zu haben. Das Pärchen wurde Händchen haltend vor dem Haus der jungen Mutter gesichtet, nachdem sie die kleine Tochter aus dem Kindergarten abgeholt hatten.
Was verschweigt der erfolgreiche und gutaussehende Schauspieler seinen Fans? Ist er der Vater des kleinen Mädchens oder versucht sie ihn nur auszunutzen und ihm das Kind unterzuschieben?
Auch die Identität des jungen Mannes, der in Edwards Wohnung lebt und bislang als ihr Freund betrachtet wurde, ist geklärt. Samuel Edwards (29) selbst klärte die Reporter mit einem Zuruf auf: "Ich bin ihr Zwillingsbruder, ihr Deppen!"
Ist damit der Weg frei für Hollywoods begehrtesten Junggesellen? Oder verirrt er sich in dem Lügengebilde der 29-Jährigen Barkeeperin?..."

Ich las gar nicht erst bis zum Ende, sondern legte die Zeitung zur Seite. Dann blickte ich ihn an.
"Glaubst du denen?", fragte ich ihn und senkte meinen Blick.
"Warum sollte ich?"
"Weil es plausibel klingt."
"Aber trotzdem gelogen ist. Wir wissen beide, dass ich nicht der Vater von Lynn sein kann." Er grinste.
"Das ist mir auch klar, aber ich rede ja auch von all den anderen Dingen."
"Ach, das Lügengebilde? Ich hab gar nicht verstanden, von was die da eigentlich reden."
"Keine Ahnung, am besten wir fragen mal!", lachte ich und damit war das Thema durch.
"Wann musst du Lynn abholen?"
"In einer halben Stunde."
"Dann bleibt ja noch genug Zeit, um dich zu einem Frappucchino einzuladen.", grinste er und stand auf.
"Wolltest du eigentlich dieses Jahr noch umziehen?" Ich boxte ihm in die Seite.
"Naja, aufgeschoben ist nicht aufgehoben.", witzelte er und öffnete mir die Tür. Ich verdrehte nur grinsend die Augen.
"Typisch, Mann!", zog ich ihn auf und wir liefen los zu Starbucks, um uns unseren Frappuchino zu holen. Für Lynn nahmen wir noch eine heiße Milch mit und liefen dann zum Kindergarten.
Lynn war total aus dem Häuschen, als Went und ich sie abholten, was aber wohl eher an ihm als an mir lag. Sie fiel ihm in die Arme und zappelte so herum, dass sie fast wieder ihre Milch verschüttet hätte. Zum Glück hatte ich auf den Becher einen Deckel drauf gemacht und eine Strohhalm reingesteckt, so dass sie nicht alles und jeden vollsaute.
Gemeinsam liefen wir zum Spielplatz, der nicht weit entfernt lag. Lynn beanspruchte Went ordentlich, denn er musste mit Sandkuchen backen, sie beim Schaukeln anschieben und unten an der Rutsche auf sie warten. Zwar war mir das immer noch ein bisschen unangenehm, dass er so viele Strapazen über sich ergehen lassen musste, aber ich genoss auch die Minuten der Ruhe, die ich dadurch hatte.
Als Lynn sich das Knie aufschlug, war ich wieder gefragt. Tränen liefen ihr über die Wange, als sie mir ihr Knie zeigte, das ein wenig blutete. Ich säuberte die Wunde vorsichtig und machte dann ein Pflaster, das ich immer in meiner Tasche bei mir hatte, drauf. Danach wurde getröstet und die Tränen getrocknet. Als dann Went noch ein Bonbon aus seiner Hosentasche zauberte, war die Sache schon wieder vergessen und meine Prinzessin rannte wieder über den Spielplatz. Went setzte sich neben mich und grinste.
"Deine Tochter sollte Fitnesstrainerin werden!", bemerkte er und ich lachte kurz auf.
"Das ist sie schon. Mein personal Trainer, ich brauch keinen Sport machen.", grinste ich und er seufzte.
"Ich gebs nur ungern zu, aber ich bin fertig." Mein Lachen schallte über den Spielplatz, während er mich beleidigt anschaute.
"Aww, da muss ich dich ja morgen gleich zu einem extragroßen Frappucchino einladen.", schlug ich vor und nun hatte auch er ein Grinsen im Gesicht.

Wenn ein Mensch so etwas wie eine Glückssträhne haben konnte, so hatte ich diese in den nächsten Tagen. Egal was die Presse über uns schrieb oder wie viel Paprazzi auch vor meiner und seiner Haustür standen, wir machten uns einfach einen Spaß daraus.
Ich hielt natürlich mein Versprechen und holte ihn am nächsten Tag nach der Arbeit mit einem großen Frappu von zu Hause ab und wir liefen danach zu Lynns Kindergarten. Lynn freute sich wie die Tage zuvor riesig und so wiederholte sich der Vorgang die ganze Woche über. Auch ich genoss es, Went dabei zu haben und mit ihm gab es immer viel zu lachen und zu bereden.
Wenn Shalley meine beste Freundin war, so war er die männliche Version dazu und mein Vertrauen in ihn wuchs mit jedem Frappuchino, den er mir nach der Arbeit mit einem Lächeln in die Hand drückte. Ich hätte gar nicht sagen können, welcher Tag der Schönste gewesen war, denn alle waren auf ihre Art speziell und unvergesslich.
Am Donnerstag zeigte er mir seine neue Wohnung, die sehr viel größer war als sein Alte. Auch der Garten hatte eine größere Fläche und Went witzelte natürlich sofort, dass ich ja jetzt auf jeden Fall mal wieder kochen müsste, denn Frösche würde er nun jede Menge finden. Ich konterte, dass ich wohl eher auf den neuen Besitzer des Gartens eingehen sollte und schlug Schnecken vor. Bevor ich das aber tun konnte, musste noch viel getan werden in der Wohnung, so zum Beispiel das Malern. Ich half natürlich gerne und so strichen wir gemeinsam sein Wohnzimmer in einem gelben Ton mit leichtem Orange-Stich. Dabei nahm ich gleich mal Rache für seinen schlechten Witz und spritzte ihn mit Farbe voll. Am Ende war mehr Gelb auf unserer Kleidung als an der Wand, dafür aber hatten wir richtig viel Spaß und bekamen uns vor Lachen nicht mehr ein. Ich hatte noch Tage später Farbe an den Armen, die einfach nicht abgehen wollte. Went meinte, dass das die Strafe für meine Frechheit wäre, aber dann hätte er ja auch noch voller Farbe sein müssen.
Leider kam das Wochenende viel zu schnell und ich musste wieder abends in der Bar arbeiten. Da Shalley an einem Friseurwettbewerb in San Francisco teilnahm und dafür noch trainieren wollte, wusste ich nicht, wer auf Lynn aufpassen sollte. Sam konnte seine Schichten nicht tauschen und Went fragen wollte ich nicht. Doch er bekam es natürlich heraus, da meine vorlaute Tochter es ihm verriet. Überhaupt hätte ich gerne mal gewusst, was die beiden die ganze Zeit über tuschelten, aber weder Lynn noch Went wollten es mir verraten. Stattdessen bot er mir an, am Freitag, Samstag und Sonntag auf Lynn aufzupassen.
"Sag mal, hast du keine Freunde oder sonst irgendwas zu tun?", fragte ich ihn mit krauser Stirn, nachdem ich ihm den Vogel gezeigt hatte.
"Die gehen alle feiern am Wochenende."
"Dann geh doch mit, aber hör auf mich immer in Verlegenheit zu bringen." Er grinste nur.
"Du weißt, dass ich Partys hasse und außerdem: Wer soll denn sonst auf Lynn aufpassen?" Ich musste mich am Ende geschlagen geben, denn auch Lynn hing mir am Rockzipfel und als sich dann auch noch Sam gegen mich stellte, war ich, demokratisch gesehen, überstimmt.
Also war Went der neue Babysitter unserer Familie, Applaus bitte. Ich hasste es ja schon, Shalley so oft einspannen zu müssen, aber nun auch noch meinen anderen Freund bitten zu müssen, war mir sehr unangenehm. Doch es ging nun mal nicht anders, denn eine richtige Nanny konnten wir uns nicht leisten und Went hatte ja auch noch seinen Spaß, weil er unserer DVD-Sammlung durchstöbern und anschauen durfte. Als ich am Freitag zur Arbeit fuhr, stand er wie ein kleines Kind im Süßigkeitenladen vor dem Regal und konnte sich anscheinend nicht entscheiden. Ich verbiss mir ein Grinsen und einen Kommentar und fuhr mit Amy zur Arbeit.
Es war wirklich viel los und so kam ich erst kurz vor 3 nach Hause. Went war auf der Couch eingenickt, während auf dem Bildschirm noch der Abspann lief. Ich schaltete das Gerät aus und ging zu ihm. Als erstes machte ich ein Foto von ihm, denn mit leicht geöffneten Mund, sah er einfach nur zum schießen aus. Dann beugte ich mich über ihn und flüsterte ihm ins Ohr: "Wentilein, hier ist Mommy!" Mit einem Schlag saß er wieder aufrecht und blickte verwirrt umher.
"Mom?", fragte er noch halb verschlafen und ich bekam mich vor Lachen nicht mehr ein. Ich kugelte mich auf dem Sofa, Tränen liefen mir übers Gesicht und ich bekam kaum noch Luft, während er stocksauer war.
"Das ist also der Dank dafür, dass ich hier für dich arbeite und meine freie Zeit opfere?", meinte er und verschränkte die Arme. Noch immer mit Lachtränen in den Augen, versuchte ich ihn zu besänftigen.
"Ach Wentilein, Mommy hat es doch nicht so gemeint.", kratzte ich mich bei ihm ein und streichelte ihm über die Wange. Ich konnte hören wie er versuchte nicht zu lachen und sehen wie seine Mundwinkel zuckten. Dennoch gab er noch nicht ganz nach. Er deutete mit seinem Finger auf seine rechte Wange.
"Ein Küsschen von Mommy, bitte!" Mein Herz pochte wie wild und erneute Panik überfiel mich. Ich konnte einfach nicht. Unsicher stand ich auf und räusperte mich.
"Ich glaube, ich geh erst mal nach Lynn schauen." Unsere Blicke trafen sich und es stand Verwirrung und Unverständnis in seinen Augen. Als ich in Lynns Zimmer ging, hörte ich wie die Haustür zufiel. Er war gegangen und ich konnte es nur zu gut verstehen. Sams Prophezeiung war in Erfüllung gegangen und ich war selbst Schuld daran. Ich machte aus jeder Mücke einen Elefanten und überlies der Angst das Kommando.
Trotz allem erschien er am nächsten Abend pünktlich bei uns und kümmerte sich wie immer rührend um Lynn. Er verlor kein böses Wort, doch seine Augen blickten mich kühl und verletzt an. Ich hätte ihm gerne gesagt, was mich immer wieder zurückschrecken ließ, doch ich hatte zu große Angst, dass er es nicht verstehen würde.
Gleichzeitig wusste ich, dass es nicht wieder von alleine wieder so werden würde wie vorher, also musste ich etwas tun. Doch was? Sollte ich ihm einfach die Wahrheit sagen und am Ende dumm dastehen, weil er gar nichts von mir wollte, sondern nur wegen meiner plötzlichen Reaktion so sauer war? Ich wusste nicht, was ich tun sollte. In diesem Moment hätte ich mir gerne Shalley hergewünscht, aber sie arbeitete Tag und Nacht für den Wettbewerb und selbst am Telefon erreichte ich sie nur sehr selten. Also musste ich die Sache selber wieder hinbiegen und sprach ihn am Sonntag darauf an.
"Wieso bist du so sauer, Went?" Es war eine blöde Frage, aber mein Herz pochte so laut, dass es meine Gedanken übertönte.
"Ich bin nicht sauer."
"Doch, bist du", widersprach ich und setzte mich zu ihm aufs Sofa. Mein Blick fixierte sein linkes Knie. Ich konnte und wollte nicht in seine Augen schauen.
"Ich weiß einfach nicht mehr, was ich von all dem hier halten soll. Ich mag dich wirklich sehr, Alex, aber ich hab das Gefühl, dass nichts zurück kommt." Ich spürte seinen Blick wie er mich durchbohrte, doch ich rührte mich nicht.
"Es hat nichts mit dir zu tun, glaube mir das. Ich kann es dir nicht erklären." Meine Stimme war sehr leise, weil ich mich ihm gegenüber so schlecht fühlte. Er war immer für mich da und half mir so viel, während ich ihm nicht einmal die Wahrheit erzählen konnte. Die Wahrheit darüber, dass ich Angst hatte mich wieder auf etwas einzulassen. Es war nicht nur wegen Lucas so, auch schon vorher. Er war nicht der Erste und auch nicht der Letzte gewesen, der mein Herz gebrochen hatte und nun war ich eben immer besonders vorsichtig, bevor ich wieder jemanden lieben konnte. Die Angst war mein Schutzwall, der mich vor weiteren Enttäuschungen bewahren sollte.
Darauf hatte er keine Antwort gegeben, sein Schweigen sagte alles. Ihn dann alleine zu lassen, fiel mir sehr schwer. Ich hätte so gerne mit ihm geredet, seine Anwesenheit genossen und mich dann vielleicht sogar ihm öffnen können. Doch stattdessen würde ich die Nacht hinter der Theke verbringen und nach meiner Rückkehr Went beim Schlafen beobachten, bevor ich ihn weckte. Trotz allem war ich glücklich, weil er so geduldig war, weil Lynn ihn liebte und weil mein Bruder Went akzeptierte, was er vorher nie bei anderen Männern getan hatte.

Doch auf eine Glückssträhne folgt oftmals auch die Zeit des Pechs. Das hätte ich viel früher merken sollen, spätestens nach den ersten Anzeichen.
Es war nur noch eine Woche bis zu dem Tag, an dem ich meine Prüfungsergebnisse erhalten würde. Meine Nervosität stieg mit jeder Minute und ich arbeitete fleißig an meinen Bewerbungen. Sobald ich meinen Abschluss hatte, wenn ich ihn denn geschafft hatte, konnte ich gleich alle losschicken und dann hoffen, einen Job zu bekommen.
Bis dahin verbrachte ich weiterhin die Nachmittage mit Lynn und Went. Er schien nicht mehr sauer zu sein, sprach aber auch nicht mehr drüber, was mich ziemlich verwirrte. Ich war mir nicht sicher, ob er das Ganze einfach nur vergessen wollte oder ob es ihn immer noch beschäftigte, er mir aber Zeit geben wollte.
Ich kam also nach meiner Arbeit immer zu ihm, auch wenn wir jetzt nicht mehr zu Starbucks gingen. Went meinte, dass er vor Drehbeginn und vor der Promotion-Tour noch abnehmen müsste. Als er mir das sagte, bekam ich einen Lachanfall.
"Wo willst du denn bitte schön abnehmen? An der kleinen Zehe?", bemerkte ich sarkastisch.
"Na, hier am Bauch und an der Hüfte." Er fasste sich an besagte Stellen und ich nickte zustimmend.
"Jetzt, wo du es sagst, fällt es mir auch auf. Schau dich doch mal an! Deine Hose rutscht und dein T-Shirt hat auch schon mal mehr gespannt. Wirklich, Went, du hast dich ganz schön gehen lassen.", witzelte ich und kniff ihn ein bisschen in die Hüfte.
"Hey hey, das ist mein Wintervorrat. Den bekommst du nicht!", wehrte er sich und gab mir einen Klaps an den Oberarm.
"Au!" Ich verzog das Gesicht und schaute ihn böse an. Er blickte mich ein wenig erschrocken an, wovon ich einen erneuten Lachanfall bekam.
"Du solltest Schauspielerin werden!"
"Oh ja, natürlich. Wo kann ich mich da bewerben?", grinste ich und wir verließen seine Wohnung in Richtung Kindergarten. Zu unserer Überraschung war Sam auch dort. Hatte ich etwa vergessen, dass er Lynn heute abholen würde? Ich runzelte die Stirn und lief zu ihm.
"Habe ich was verpasst oder was machst du hier?", begrüßte ich ihn. Er grinste nur über beide Backen und meinte, dass er eine Überraschung für uns hätte. Went durfte auch mitkommen, als wir mit dem Auto durch die Stadt fuhren.
"Wohin fahren wir denn?", fragte ich ihn nach einer halben Stunde.
"Werdet ihr schon sehen. Es ist nicht mehr weit.", meinte er nur und fuhr weiter. Nach ungefähr 10 Minuten hielten wir und Sam führte uns ein Stück die Straße entlang.
"So, jetzt Augen zu!", rief er und wir sahen uns alle verwirrt an. Was sollte das denn werden? "Nun macht schon, es ist nicht weit." Schulterzuckend gehorchten wir und er lief mit uns an der Hand noch ein kleines Stück.
"Okay, Augen auf!", rief er und ich blinzelte. Wir standen vor einem riesigen Werbeplakat, auf dem ein junger Mann und eine junge Frau mit Rucksack zu sehen waren.
"Scheiße, das bist ja du!", brachte ich hervor, als ich das Plakat genauer betrachtete. Ich konnte es nicht fassen. Mein Zwillingsbruder macht Werbung für Eastpack!!!
"Ja, ist das nicht geil?", rief er und strahlte übers ganze Gesicht. Ich fiel ihm in die Arme und wir sprangen beide jubelnd auf und ab. Ich wusste nicht wie lange er davon schon geträumt hatte und bei wie vielen Castings er seitdem gewesen war, aber nun war sein Traum in Erfüllung gegangen. Lynn verstand den ganzen Trubel natürlich nicht, sondern schaute immer wieder von Sam zum Plakat und wieder zurück.
"Wieso bist du da drauf?", fragte sie mit gerunzelter Stirn und wir lachten.
"Weil ich fotografiert wurde.", erklärte Sam seiner Nichte und gab ihr einen Stupser auf die Nase. Dann gratulierte auch Went ihm und wir schauten uns das Plakat noch eine Weile an. Sam hatte nun tatsächlich einen Vertrag für ein Jahr mit Eastpack, welcher auch einen Fernsehwerbespot beinhaltete. Da mussten wir uns tatsächlich Kabelfernsehen anschaffen, damit wir uns das anschauen konnten. Das hieß aber auch gleichzeitig, dass Sam mehr Geld verdiente als vorher.
Das feierten wir am Abend natürlich mit einer Flasche Sekt. Sam hatte noch ein paar Freunde von sich mit eingeladen, mit denen er die halbe Nacht um die Häuser zog. Er hatte es sich aber verdient und ich freute mich so sehr für ihn. Als ich am Abend Shalley anrief, wusste sie es schon, was mir wieder einen Beweis für die heimliche Beziehung zwischen meinem Bruder und meiner besten Freundin gab. So richtig konnte ich mich damit noch nicht anfreunden, aber es hätte auch schlimmer kommen können. Zum Beispiel mein Bruder und mein bester Freund. Als ich abends im Bett daran dachte, musste ich lachen und wieder an den Tag zurück denken, als wir uns in seiner Wohnung um die Bilder gestritten hatten und er plötzlich so nah bei mir gewesen war. Warum musste auch alles so kompliziert sein? Konnte nicht alles aus rosaroten Wolken bestehen und einfach nur toll sein? Keine Nachteile oder Kleingedrucktes, das man beim Lesen übersehen hatte?
Doch es war nicht nur ich, die die Beziehung zwischen Went und mir verkomplizierte. Wir waren gerade aus seiner Wohnung zurückgekommen, in der wir sein Arbeitszimmer gestrichen hatten. Er wollte sich nur schnell umziehen, bevor es zum Kindergarten ging und ich wartete so lange im Wohnzimmer. Gerade als ich durch eines der Magazine blätterte, klingelte es an der Wohnungstür.
"Könntest du mal schauen, wer das ist?", rief mir Went aus seinem Schlafzimmer zu und ich öffnete die Tür. Davor stand eine junge Frau mit blonden Haaren. Keiner wäre darauf gekommen, dass Sam und ich Geschwister sind und wir waren Zwillinge. Ich hatte wirklich noch nie Geschwister verschiedenen Geschlechts gesehen, die sich so ähnlich sahen wie Went und seine jüngere Schwester. Haargenau das gleiche Gesicht und auch sie war groß und schlank. Ich tippte auf Gillian.
"Hi!", brachte ich schließlich hervor, nachdem wir uns ausgiebig gemustert hatten.
"Hi...ehm...ist Wentworth da?" Anscheinend hatte sie mein Erscheinen ziemlich verwirrt.
"Augenblick.", meinte ich und ließ sie herein. "Went, Besuch für dich!", rief ich in Richtung Schlafzimmer.
"Moment!", kam es zurück und schon hörte man das Tapsen seiner Füße. Er zog sich gerade ein T-Shirt über den Kopf und hielt einen Moment inne, als er den Gast erblickte.
"Gillian?", fragte er überrascht und schaute drein wie als würde er ein Ufo erblicken. Ich hatte also richtig gelegen, sie war seine Schwester. "Was machst du hier?"
"Nach meinem Bruder schauen!" Dabei warf sie mir einen Seitenblick zu und fixierte dann wieder Went. Offenbar war das ein Zeichen für ihn, sich kurz bei mir zu entschuldigen und dann mit seiner Schwester kurz zu verschwinden. Ich blickte auf die Uhr. Noch war etwas Zeit, aber ich konnte Lynn ja auch ohne ihn abholen. Seine Schwester sah ihn schließlich nicht jeden Tag. Ich blätterte weiter in dem Magazin, wurde aber von den lauten Stimmen aus dem Schlafzimmer unterbrochen. Anscheinend stritten sich die beiden und ich musste nicht ihre Worte verstehen, um zu wissen, dass es um mich ging. Ich versuchte die beiden auszublenden, aber es drang immer wieder in meinen Kopf. Ich konnte mir richtig ihre Argumentation vorstellen, wie sie versuchte ihrem Bruder die Augen zu öffnen. Schließlich hatte ich ein Kind, war nur eine einfache Sekretärin und Barkeeperin und außerdem nicht gerade hoch angesehen in den Zeitungen. Wenn ich all diese Punkte zusammenrechnete, konnte ich ihre Besorgnis verstehen und ich war nicht einmal sauer.
Trotzdem wollte ich gehen, denn ich hatte das Gefühl, dass es sich hier um private Dinge handelte, die mich nichts angingen. Also schrieb ich eine kurze Notiz und verließ dann die Wohnung. Ich konnte niemanden einen Vorwurf machen, nicht einmal mir selber, denn was sollte ich dagegen machen? Ich konnte weder mein Kind noch meine Vergangenheit rückgängig machen. Ich war nun einmal, wer ich war.
Doch es gab mir zu denken. Zum ersten Mal seit langem wünschte ich mir, Wentworth niemals begegnet zu sein. Denn er hatte nicht nur mein Leben auf den Kopf gestellt, sondern ich auch seins.
Went versuchte mich natürlich den ganzen Nachmittag anzurufen, doch ich ging nicht ran. Ich brauchte noch ein bisschen, um das alles zu verdauen. Er hatte immer davon gesprochen wie viel ihm seine Schwestern bedeuteten. Wenn sich nun eine von ihnen gegen mich stellte, würde er es dann auch tun? Sie war seine Schwester, ich war nur die gute Freundin. Blut war dicker als Wasser. Zum Glück gab es ja auch noch den Zwillingsbruder, der einen wieder aufmunterte.
"Wenn er sich gegen dich entschieden hätte, dann hätten sie erstens nicht gestritten und zweitens würde er nicht versuchen dich anzurufen.", meinte er.
"Sie könnte ihn überzeugt haben und er will nun am Telefon unsere Freundschaft beenden.", widerlegte ich seine Argumente.
"Das wäre nicht Wentworths Art.", gab er zurück und ich musste ihm zustimmen. Das war nicht Went, aber was war schon typisch für ihn? "Gib ihm eine Chance, sich wenigstens dazu zu äußern. Vielleicht ging es ja auch nicht um dich?"
"Sie wird ja wohl nicht gekommen sein, um sich mit ihm zu streiten. Außerdem hat sie mich so argwöhnisch angeschaut."
"Sie kennt dich nicht. Hör auf dich so fertig zu machen! Morgen sieht alles schon wieder anders aus, spätestens wenn Mr. umwerfendes Lächeln vor deiner Tür steht.", lachte er und ich gab ihm einen Knuff in die Seite.
"Weißt du, wann Shalley morgen ihren Wettbewerb hat?", wechselte ich das Thema und blickte ihn an. Fangfrage.
"Sie ist um 10 dran.", antwortete er und ich grinste. Voll reingetappt. Als er es selber merkte, lief er rot an und verabschiedete sich schnell. Lächelnd ging ich zu Bett, wenn auch etwas erzwungen.
Am nächsten Morgen rief ich Shalley an, um ihr Glück zu wünschen. Ich drückte ihr die Daumen, konnte es aber selber kaum abwarten, bis sie wieder zurück war und ich wieder mit ihr persönlich reden konnte. Das hatte ich doch vermisst, in den letzten Tagen. Went kam eben doch nicht ganz an die durchgeknallte Art meiner besten Freundin heran. Wenn man vom Teufel sprach, war er meist nicht weit und prompt klingelte es auch an der Tür. Davor stand natürlich niemand anders als Went und ich musste mir ein Lachen verbeissen, weil Sams Worte vom Vorabend in meinem Kopf herumspukten. Ich ließ ihn herein und wir gingen in die Küche, wo Sam, Lynn und ich noch frühstückten. Als Sam Went sah, nahm er Lynn und ging mit ihr ins Wohnzimmer.
"Willst du einen Kaffee?" Er nickte nur und setzte sich an den Tisch.
"Es tut mir Leid wegen gestern. Ich hatte nicht mit meiner Schwester gerechnet."
"Ist doch nicht so schlimm. Ihr seht euch ja nicht jeden Tag und ich schaffe es auch alleine, Lynn abzuholen." Ich versuchte so zu klingen, als hätte ich nichts von dem Streitgespräch mitbekommen.
"Wann bist du denn gegangen?", hakte er nach. Ich wusste, dass er wissen wollte, ob ich etwas mitbekommen hatte.
"Ich bin nicht lange geblieben. Maximal 5 Minuten.", log ich und nahm einen Schluck von meinem Kaffee.
"Oh!", kam es von ihm und er schien erleichtert zu sein. Ich blickte zur Uhr und stand auf.
"Sorry, aber ich muss los und Lynn zum Kindergarten bringen.", meinte ich. Er nickte und trank seinen Kaffee aus. Wir verabschiedeten und verabredeten uns für den Nachmittag. Er war schon zur Tür raus, als er sich noch einmal grinsend umdrehte. Ich wusste sofort, was kommen würde. Das tat er jetzt schon seit fast geschlagenen zwei Wochen, nahezu jeden Tag.
"Ach, und Alex?"
"Ja, Went?", spielte ich sein Spiel mit und verdrehte die Augen.
"Willst du nicht doch mit nach Deutschland kommen?"
"Nein, ich kann nicht. Tut mir Leid." Ich blickte ihn traurig an und zwinkerte ihm dann zu. Er grinste und lief die Treppen hinunter. Wie gerne würde ich mitkommen, aber es ging nun einmal nicht und er hätte ja sowieso keine Zeit, bei all den Terminen und Auftritten.
Also konzentrierte ich mich wieder auf die Arbeit und freute mich schon auf den Nachmittag. Zwar wollte Went immer noch nicht wieder zu Starbucks, aber es machte auch so viel Spaß. Nur heute lief es nicht so, denn Shalley rief mich an, als ich ihn gerade abholte.
"Hey, wie wars?", fragte ich und bekam ein Schluchzen als Antwort. "Was ist los, Shay?"
"Ich hab verloren.", brachte sie hervor und fing wieder an zu weinen.
"Hey, das ist doch kein Weltuntergang. Wie weit bist du denn gekommen?"
"Ich bin 3. geworden."
"Das ist doch super. Also warum weinst du dann?"
"Weil das eben schlecht ist. So werde ich nie meinen eigenen Friseurladen aufmachen können."
"Natürlich wirst du das. Ein 3. Platz ist richtig gut, also hör auf traurig zu sein und freu dich."
"Ich weiß, aber ich kann nicht!" Sie schien echt am Ende zu sein und ich drückte sie in Gedanken ganz fest.
"Das wirst du schon noch können spätestens wenn ich morgen bei dir im Laden vorbei komme und wir wieder mal richtig in Ruhe quatschen, okay?"
"Das würdest du tun?"
"Natürlich, für dich tu ich doch alles.", grinste ich und verabschiedete mich.
"Was war denn los mit ihr?"
"Naja, nur kleine Runde Depri geschoben, weil sie nicht gewonnen hat."
"Oh, geht es ihr wieder besser?"
"Noch nicht, aber ich werde sie morgen mal auf andere Gedanken bringen."
"Wenn nicht, kann ich ja mal vorbei kommen!", grinste er.
Teppich

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Teppich »

Hehe, wir haben hier auch RTL, aber ich mag RTL nid, darum
guck ich dort auch kein PB ;)

Oh man! *an die Stirn klatsch* Schon wieder ins Fettnäpfchen
getreten *lol* Was macht die denn mit seine Hüfte?!?!? Da hatte
sie ja wahrlich nen hammer Traum *lach*

Hach, da haben die beiden aber schöne Tage miteinander verbracht,
obwohl das Streichen der Wände anstrengend ist... Mit Went kann sogar
das sicherlich Spass machen ;)

Herrje, was steht denn da für ein Schwachsinn in dem Magazin? tztztz
Ich hoff mal, die können das mal iiirgendwann dementieren (und vielleicht
sogar die Beziehung der beiden bestätigen? :D ) hehehe

Hoffentlich kann Alex endlich mal darüber reden und sich für Went öffnen.
Ich freu mich schon auf das Mädelsgespräch :)
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

Ich mag RTL auch nicht mehr, wenn ich nur an die Nächte denke, die ich mir wegen diesen Idioten um die Ohren schlagen musste, nur damit ich Prison break schauen konnte. 23.15 an einem Donnerstag ist doch keine Uhrzeit. Zum Glück ist das bald vorbei und ich kann es jeden Montag um 20.15 schauen...das wird toll ^_^ :D

Ja, die liebe Presse kann echt nervig sein, aber das ist L.A. und es ist kaum anders, als ich es hier schreibe. Ich hab da schon so manche Reportage darüber gesehen und es ist wirklich erschreckend, wie diese Leute vorgehen!
Da hilft auch keine Bestätigung oder Dementi, das macht es meistens nur noch schlimmer :(

So, jetzt aber viel Spaß beim lesen :)


Kapitel 26: Purple patch and losing streak...so close together


Ich rutschte langsam an der Tür herunter. Tränen liefen mir übers Gesicht und der Rotz lief aus meiner Nase. Doch alles war nur Merkmal meiner jetzigen Verfassung. Es ging abwärts mit mir. Nicht nur mit mir, mit meinem ganzen Leben. War ich nicht eben gerade noch glücklich gewesen? Ich konnte mich kaum noch daran erinnern. Es schien alles so ewig her, dabei waren doch nur 24 Stunden vergangen, wenn überhaupt.
Ich wischte mir mit dem Handrücken übers Gesicht und zog die Luft durch die Nase ein. Dann griff ich zu meiner rechten Seite nach meiner Handtasche und zog mein Handy heraus. Mit zittrigen Fingern suchte ich nach der richtigen Nummer und musste dabei immer wieder die Tränen aus dem Gesicht wischen.
Es gab nur eine Person, die mir jetzt noch helfen konnte. Eine Person, die noch nicht im Schlamassel steckte...


12 Stunden vorher....


"Aufstehen!" Mit einem Satz war ich knallwach und blickte in die blauen Augen meiner Tochter. Sie lächelte mich an und setzte sich auf meinen Bauch.
"Guten Morgen, mein Spatz!", begrüßte ich sie und strich ihr durch das zerzauste Haar.
"Aufstehen. Frühstück!", rief sie und sprang auf meinem Bett auf und ab. Dann rannte sie wieder hinaus und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mein kleiner Wirbelwind. Ich schlug die Bettdecke zur Seite und ging gähnend ins Bad, um zu duschen. Eiskalt lief das Wasser über meinen Rücken und ich erwachte langsam, aber sicher.
Frisch angekleidet erschien ich in der Küche, wo Sam, Lynn und ein gedeckter Frühstückstisch schon auf mich warteten. Ich gab beiden ein Küsschen als Dankeschön und setzte mich auf meinen Platz. Es duftete wunderbar nach Toast und Kaffee.
"Und, was steht heute so alles auf den Plan?", fragte mich Sam.
"Als Erstes Shalley trösten und dann ein Nachmittag mit Lynn."
"Ja, ist echt schade, dass Shalley nicht gewonnen hat.", murmelte er und biss in seinen Toast. Auch wenn ich ja nun wusste, dass zwischen den beiden irgendetwas laufen musste, war es immer noch ein seltsames Gefühl. Die wohl sprunghaftesten Menschen in Sachen Liebesbeziehungen hatten zusammen gefunden.
"Ein dritter Platz ist aber auch sehr gut.", meinte ich und er nickte.
"Hab ich ihr auch gesagt." Ich warf ihm einen Blick zu und schmierte dann Lynn Honig auf ihren Toast.
"Was machst du heute so?"
"Ich dachte, dass ich Lynn am Vormittag nehme, während du zu Shalley gehst. Ich könnte neue Kleidung für Lynn und mich einkaufen gehen."
"Würdest du das machen? Du bist ein Schatz!" Ich warf ihm einen Handkuss zu und nahm einen Schluck Kaffee.
"Ich will auch.", kam es prompt von Lynn und Sam und ich drückten ihr zur gleichen Zeit je links und rechts einen Kuss auf die Wange. Sie kicherte leise und schickte uns einen Handkuss zurück, wobei sie ihre kleine Hand auf die Lippen drückte und dann ein lautes Kussgeräusch machte. Sam und ich lachten los und ich verschluckte mich an meinem Toast. Tränen liefen mir über die Wange, als ich versuchte zu Luft zu kommen.
"Warum weinst du, Mommy?" Lynn blickte mich traurig an.
"Weil du so süß bist.", gab ich zurück und lächelte sie an.

Eine Stunde später machte ich mich auf den Weg zu Shalleys Arbeitsplatz. Sie arbeitete seit 6 Jahren in dem Friseurladen und ich ließ mir auch immer die Haare von ihr schneiden. Als ich den Laden betrat, stand sie mit dem Rücken zu mir und bediente gerade einen Kunden. Liz, ihre Kollegin, führte mich zu einem der Friseurstühle und brachte mir einen Orangensaft.
"Hey, Eddie! Es ist so schön dich wieder zu sehen!", begrüßte Shalley mich und strahlte mir im Spiegel entgegen. "Wie geht es Lynn? Hat sie endlich einen Freund?", plapperte sie munter drauf los. Anscheinend war ihre Laune wieder etwas besser.
"Ich glaube, sie ist zum ersten Mal verliebt.", antwortete ich ihr grinsend und sie blickte überrascht auf.
"Wirklich? In wen?"
"Wentworth Miller.", meinte ich etwas leiser, damit es nicht alle hören konnten.
"Gute Wahl! Ganz die Patentante.", lachte sie und fing an mir mit dem Kamm durchs Haar zu fahren.
"Ja, es gibt nur noch das eine Thema. Selbst Ballett ist nicht so wichtig wie Onkel Went." Ich verdrehte die Augen.
"Oh, da ist wohl jemand neidisch.", kommentierte sie meine Geste und grinste.
"Was ich? Nein, wieso?"
"Ach komm, Alex! Ich kenn dich gut genug, um zu sehen, dass du bis über beide Ohren verknallt bist." Ich lief rot an. Toll, stand mir das wirklich auf der Stirn geschrieben?
"Ja, wenn es denn so einfach wäre.", redete ich mich raus.
"Ist es auch, du machst es nur unnötig kompliziert."
"Jetzt bin ich es also wieder?"
"Ja, um ehrlich zu sein. Ich hab eure Bilder im Internet gesehen und eindeutiger geht es ja nun wirklich nicht mehr." Meine eigene Freundin stellte sich gegen mich. Hatten Sam und sie sich etwa abgesprochen und wollten jetzt Amor spielen? Hatte ich schon erwähnt, dass Amor ein unrealistisch denkender kleiner Gnom war, der nur Paare zusammen brachte, die im wahren Leben nicht zusammen passten? Nun, hiermit ist es nun offiziell. Amor taugt nichts.
"Schön, wenn ihr das alle so seht, aber bei mir schaut die Welt irgendwie ein wenig realistischer aus."
"Eher pessimistisch.", zischte sie zurück und brachte mich zum Waschbecken. Shay war wohl ein wenig angezickt, denn sie drehte das Wasser ziemlich heiß auf. Doch sie dachte eben nicht an die Umstände, die eine Beziehung zu Went unmöglich machten.
"Warum stellst du dich eigentlich so quer?", fragte sie mich, als sie gerade anfing meine Haare zu schneiden. "Ich mein, er sieht gut aus, ist höflich und charmant, er mag Lynn und Lynn mag ihn und er hat Geld.", zählte sie auf und ich biss mir vor Wut auf die Zunge. Als wüsste ich das nicht alles selber.
"Es liegt nicht an ihm. Ich weiß, dass er nahezu perfekt ist."
"Nicht nahezu, er ist es.", unterbrach sie mich und warf mir einen Blick durch den Spiegel zu.
"Kein Mensch ist perfekt, Shay! Auch ein Wentworth Miller nicht."
"Aber er kommt der Pefektion viel näher, als so manch anderer Kerl." Sie verzog das Gesicht und ich beobachtete sie durch den Spiegel. Dabei wanderte mein Blick zu ihrem Bauch.
"Sag mal, Shay: hast du zugenommen?", fragte ich ein wenig überrascht. Ich war kein Unterstützer dieses Hungerwahns, ganz im Gegenteil. Doch Shalley achtete immer akribisch genau auf das, was sie aß und hatte eine umwerfende Figur.
"So etwas in der Art. Und was willst du nun wegen Went machen?", kam sie zum Thema zurück, doch ich ließ mich nicht abwimmeln. So wie sie wusste, dass ich Went liebte, so sah ich nun, dass sie etwas verheimlichte.
"Was heißt hier, so etwas in der Art? Entweder man nimmt zu oder nicht, dazwischen gibt es nichts.", hakte ich nach und sie warf mir einen genervten Blick zu.
"Ja, ich hab zugenommen. Was dagegen?"
"Nein, natürlich nicht. Ich wundere mich nur, weil du ja sonst immer so streng zu dir selber bist und Diät hältst."
"Das hilft mir jetzt auch nichts mehr." Ich verstand gar nichts mehr.
"Wieso nicht?"
"Weil ich schwanger bin!", gab sie von sich und blickte mich durch den Spiegel an. In meinem Kopf rotierte es und ohne das ich wusste wie, stand ich plötzlich auf meinen Beinen.
"Du BIST SCHWANGER?", schrie ich und wurde blass.
"Noch ein bisschen lauter, ich glaube, die in Berverly Hills haben es nicht ganz verstanden." Ich sah, dass sich der ganze Laden nach uns umgedreht hatte.
"Das ist nicht witzig, Shalley!", erboste ich mich und fragte mich, wer hier Mutter wurde-sie oder ich?
"Ich weiß das selber, danke."
"Wer ist der Vater?" Ich hatte natürlich einen schrecklichen Verdacht. Außerdem gab es genügend Beweise dafür, dass ich Recht hatte.
"Alex, bitte. Ich kann es dir nicht sagen, okay? Noch nicht."
"Sam.", flüsterte ich schon. Es war keine Frage, es war eine Feststellung. Mein Zwillingsbruder und meine beste Freundin erwarteten ein Kind zusammen. Konnte es noch schlimmer werden?
"Ja, woher weißt du das?"
"Shay, ich bin vielleicht manchmal schwer von Begriff, aber nicht blöd. Ihr habt euch mehr als nur verraten." Langsam ließ ich mich auf meinen Stuhl gleiten. Die Worte hatte ich verstanden, aber den Sinn nicht. Mein Bruder wurde Vater und meine beste Freundin Mutter. Das konnte nicht sein. Ich meine, hatten die beiden während ihrer ganzen Partnerwechsel nichts über Verhütung gelernt? "Und nun? Wie geht es weiter?"
"Wir werden das Kind bekommen."
"Das ist doch schon mal was. Habt ihr auch an die Versorgung des Kindes gedacht? Oder soll es nur von Luft und Liebe allein leben?" Ich konnte mich kaum noch vor Wut halten. Die beiden waren so naiv in ihrer Einstellung!
"Du tust ja so als wären Sam und ich arbeitslos!", erboste auch sie sich nun und wurde lauter.
"Und ihr tut so als wäre es ein Klacks einfach mal so ein Kind groß zu ziehen!" Ich war ebenfalls lauter geworden.
"Na, du musst es ja wissen!", keifte sie zurück und ich starrte sie wütend an. Keiner von uns beiden sagte etwas und deshalb stand ich auf, band mir den Kittel ab und verlies mit nassen Haaren und sehr schlechter Laune den Laden.
Ich wusste nicht wohin ich laufen sollte. Ich war wütend, geschockt, verzweifelt und verwirrt. Es kam alles so plötzlich. Ich hatte mich gerade mit der Tatsache angefreundet, dass die beiden ein Paar waren, da fielen sie auch schon mit der Tür und einem Kind auf dem Arm ins Haus. Sam hatte Shalley noch nicht einmal der Familie vorgestellt. Nicht, dass sie sie nicht kennen würden, aber ich glaubte nicht, dass Mom und Dad davon wussten, dass ihr jüngster Sohn eine Freundin hatte. Ach ja, und in ein paar Monaten ein Kind.
Wie wollten die beiden das nur schaffen? Shalley wohnte in einer WG mit zwei Studenten, arbeitete als Friseurin und konnte sich gerade so damit über Wasser halten. Bei Sam sah es nicht anders aus. Zwar hatte er jetzt den Vertrag mit Eastpack, aber das war nur für ein Jahr. Wie sah es danach aus? Wenn Sam ausziehen würde, wäre das Lynns und auch mein Untergang. Alleine könnte ich nicht die Miete aufbringen und schon gar nicht für Lynn sorgen. Ich müsste sie beim Ballett abmelden, Sozialhilfe anmelden, damit ich noch ihren Kindergartenplatz bezahlen konnte und natürlich Extrastunden arbeiten. Wenn nicht sogar noch einen dritten Job annehmen. Es würde einfach nicht funktionieren, weder bei Shalley und Sam noch bei Lynn und mir.
Irgendwie war ich in meinen ganzen Gedanken nach Hause gelaufen. Unschlüssig stand ich vor der Tür. War Sam schon zurück? Ich schloss die Tür auf und fand niemanden vor. Ich wusste nichts mit mir anzufangen. Es war einfach alles so beängstigend. Insgeheim freute ich mich natürlich Tante zu werden, aber bei diesen Umständen war es einfach unmöglich nur positiv zu denken.
Fast automatisch kramte ich das Putzzeug hervor und begann die Wohnung sauber zu machen. Dazu stellte ich die Musik richtig laut, um meine Gedanken nicht allzu laut zu hören. Gut, dass der Nachbar tagsüber arbeitete. Ansonsten hätte es spätestens jetzt die erste Beschwerde gegeben.
Ich wienerte jede Ecke dreimal, nur damit ich nicht so schnell fertig war. Zum Schluss noch zweimal alles durchgesaugt und ich war wieder mit meinen Gedanken alleine. Da konnte mich Mariah Carey noch so zuträllern, ich konnte dem Unvermeidlichen nicht ausweichen.
Wieder kam Wut in mir auf. Mein Gott, hätte die nicht besser aufpassen können. Wie hatten die beiden sich das denn vorgestellt? Das war mal wieder so typisch für Sam und Shalley! Erst tun, dann denken.
Gerade als ich das Mittagessen zubereitete, hörte ich das Klicken des Türschlosses. Ich lief in den Flur und Lynn fiel mir förmlich in die Arme. in der Hand hielt sie eine Tüte von H&M.
"Mommy, schau mal, was mir Daddy gekauft hat!" Sie öffnete den Beutel und zeigte mir freudestrahlend ihr neues Armband, das aus lauter roten Kugeln bestand.
"Das sieht toll aus, Schatz!", meinte ich und gab ihr einen Kuss. Dann blickte ich auf zu Sam, der mit den restlichen Einkäufen in der Tür stand. Er sah mich unsicher an. Shalley hatte ihm also Bescheid gesagt. Ich hoffte, dass er bessere Antworten parat hatte.
"Ich..ehm...hab neue Sachen für Lynn gekauft. Hosen und Shirts." Er hielt die Tüten hoch ohne den Blick von mir zu nehmen.
"Schön, danke!", gab ich zurück. Keiner von uns beiden rührte sich, weil sonst wahrscheinlich etwas explodiert wäre. Er oder ich, nämlich. Ich wartete auf eine Reaktion, dass er irgendetwas sagte. Doch nichts kam.
"Willst du mir irgendetwas sagen?", half ich ihm auf die Sprünge und hörte wie Lynn in ihr Zimmer rannte.
"Ich...Alex...es tut mir Leid.", brachte er hervor und sah mich verzweifelt an.
"Was tut dir Leid? Das Shalley schwanger ist? Das du der Vater bist? Das wir jetzt in der Scheiße sitzen?" Ich merkte wie ich schon wieder lauter wurde, doch es störte mich nicht. Sollte er ruhig spüren, dass ich sauer war.
"Nein, ich...", begann er, doch ich schnitt ihm ins Wort.
"Es ist dir also egal? Hast du, besser noch, habt ihr eigentlich einmal darüber nachgedacht, was es bedeutet ein Kind zu haben? Das ist nicht dein verdammter Computer, den du abschalten kannst, wenn du willst. Das ist ein Mensch, der dich für eine sehr lange Zeit brauchen wird." Ich war beim Schreien angekommen und ballte die Hände zu Fäusten.
"Das weiß ich selbst.", knurrte er und blickte mich ebenso böse an. "Denkst du, wir haben nicht selbst daran gedacht?"
"Ich hab den Eindruck, dass es nicht der Fall war. Zumindest nicht davor."
"Oh, dankeschön für deine Erinnerung, Miss Superschlau, wenn wir dich nicht hätten.", keifte er zurück und ich war für einen Moment sprachlos.
"Was soll das denn jetzt wieder heißen?"
"Das ich enttäuscht bin von deinem Verhalten. Shalley und ich reißen uns seit knapp 4 Jahren den Arsch für dich auf. Wir unterstützen dich, wo immer wir können. Keiner von uns beiden hat ein böses Wort darüber verlauten lassen, als Lucas dich verlassen hat. Keiner von uns beiden hat dich zu einer Abtreibung gezwungen. Stattdessen haben wir alles getan, um dich zu unterstützen. Ich hab meine Freunde vernachlässigt, für Lynn und dich. Statt auf Partys zu gehen, saß ich die halbe Nacht auf dem Sofa, um auf meine Nichte aufzupassen. Weißt du was? Ich hab es gerne getan, weil ich euch beide liebe und weil ihr die wichtigsten Menschen in meinem Leben seid. Ich hab mich nicht einmal beschwert, selbst als es immer schwerer für mich wurde, weil ich euch nicht im Stich lassen wollte. Ich werde es jetzt auch nicht tun, obwohl ich jetzt Verantwortung für meine eigene Familie tragen muss. Denkst du, ich hab keine Angst? denkst du, dass geht spurlos an Shalley und mir vorbei? Dann kennst du uns aber schlecht. Wir versuchen gerade nur das Beste aus der Situation zu machen. Es war vielleicht nicht so geplant, aber wir wollen es gemeinsam schaffen." Seine Stimme war heiser vom Schreien und seine Augen waren mit Tränen gefüllt. Ich war wie vor den Kopf gestoßen.
"Denkst du, ich hab euch gerne darum gebeten? Ich tue das hier alles, um uns ein normales Leben zu ermöglichen. Du weißt genau, dass das Geld, was ich durch meine Arbeit verdiene, genauso dir zu Gute kommt wie auch Lynn und mir. Außerdem hab ich niemanden gezwungen, mir zu helfen. Du hättest jederzeit Nein sagen können." Für einen Moment herrschte Schweigen, dann fing er an zu lachen.
"Du verstehst es einfach nicht. Es geht nicht darum, ob ich es nun gerne gemacht habe oder nicht. Ich war und bin immer da für dich und werde es auch immer sein. Als Lucas dich verließ und du am Boden zerstört warst, waren wir für dich da. Jetzt brauchen wir einmal deine Hilfe und alles was wir bekommen sind Vorwürfe. Aber weißt du was? Es ist mir scheißegal. Ich hab keinen Bock darauf, immer dein dummer Junge zu sein. Was immer ich gemacht habe, es war nie gut genug für dich. Doch du vergisst, dass ich es auch alleine schaffen kann. Dass du abhängig von mir bist und nicht anders herum. Ich lebe ganze 10 Minuten länger auf dieser Welt als du und ich glaube, ich habe sie besser genutzt, als du es je tun wirst."
"Wow, was für eine tolle Rede. Applaus für den jungen Mann an der Tür. Mal sehen wie er sich in einem halben Jahr schlägt, wenn die Realität an seine Tür klopft.", erwiderte ich sarkastisch. Ich war so stinksauer, ich hätte ihn am liebsten angefallen und ihm in irgendeiner Weise wehgetan, nur damit er aus seiner Traumwelt erwachte. Sam schnaubte nur und ging an mir vorbei, in sein Zimmer. "Ja, toll, Sam! Renn nur davon, vor der Verantwortung.", rief ich ihm hinterher.
"Ich renne nicht davon, ich ziehe nur um." Das war doch jetzt nicht sein Ernst? Für einen Moment überkam mich Panik und ich realisierte erst jetzt, dass wir uns stritten und er kurz davor war auszuziehen. Das war kein Spiel mehr und auch nicht eine Sache, die man mit einer Entschuldigung aus dem Weg schaffen konnte. Hier waren Worte gefallen, die uns beide getroffen hatten.
Ich hörte ihn wie er seinen Schrank durchsuchte und etwas aufs Bett schmiss. Er meinte es also tatsächlich ernst. Ich ließ mich aufs Sofa fallen und starrte die Wand an. Zuerst hatte ich mich mit meiner besten Freundin gestritten, nachdem wir uns fast zwei Wochen lang nicht gesehen hatten und nun hatte ich mich so sehr mit meinem Bruder gezofft, das er ausziehen wollte. Was kommt bitte schön als Nächstes? Hat vielleicht noch jemand Lust auf einen kleinen Streit? Mom? Dad? Mit dem hatte ich mich noch nicht einmal wieder versöhnt, seit Moms Geburtstagsfeier!
Sam kam mit einer großen Tasche aus seinem Zimmer. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, lief er zur Tür und schlug sie laut hinter sich zu. Nun war er endgültig weg und ich hatte nicht einmal versucht ihn aufzuhalten. Ich war so bescheuert. Er hatte Recht, nur war ich Dickschädel wieder viel zu egoistisch und stur, um meinen Fehler ein zugestehen. Verdammt.
Ich zog meine Beine ganz dich an meinen Körper und lehnte meine Stirn gegen meine Knie. Es durfte einfach nicht wahr sein. Vielleicht sollte ich endlich aufwachen aus diesem Albtraum. Doch kein Zwicken und auch kein Stirn gegen das Knie schlagen half, um den Fakt zu ändern, das ich mich bereits mitten in der Realität befand. Langsam stand ich auf und ging in die Küche. Das Essen konnte ich nur noch wegschmeißen. Es war angebrannt und ich musste erst einmal das Fenster öffnen, um wenigstens noch atmen zu können. Dann schaute ich nach Lynn, doch sie war nicht in ihrem Zimmer. Ich schaute ins Badezimmer, doch auch dort war sie nicht. Panik überkam mich und ich ging in allen Räumen nachschauen, doch sie war nirgends zu sehen. Schließlich stand ich wieder vor ihrem Kinderzimmer, mittlerweile den Tränen nahe. Bitte lieber Gott, lass sie nicht weggerannt sein. Garantiert hatte sie Sam und mich streiten hören und war nun verängstigt. Ich betrat den rosaroten Raum und lauschte. Tatsächlich hörte ich jemanden jammern und schluchzen. Ganz leise. Sie war also noch hier, zum Glück. Ich folgte der Stimme und sah sie schließlich unter ihrem Schreibtisch hocken. Wie ich hatte sie ihre Beine an den Körper gezogen und weinte. Ich bückte mich und krabbelte zu ihr unter den Tisch. Vorsichtig nahm ich sie in den Arm und sie lehnte ihren Kopf gegen mein Knie.
"Es tut mir Leid.", flüsterte ich und küsste ihr den Scheitel.
"Ist Daddy weg?", fragte sie nur und hob den Kopf. Langsam drehte sie sich zu mir um. Ihr verweintes Gesicht schnürte mir die Kehle zu. Ich hatte es echt verbockt. Alles. In keinem Moment hatte ich an Lynn gedacht, als wir uns gestritten haben, obwohl ich sie doch in jedem zweiten Satz erwähnt hatte.
"Ja, Schatz. Er ist gegangen, zu Tante Shalley!"
"Kommt er wieder?"
"Ich weiß es nicht.", murmelte ich und hoffte inständig, dass er es tun würde.
Wir blieben noch eine Ewigkeit so sitzen, aneinander gekuschelt und in Gedanken versunken. Doch ich merkte, dass Lynn sich langsam beruhigte und nicht mehr verängstigt war.
"Hast du Lust in den Park zu gehen? Wir können auch was Essen gehen?", schlug ich vor und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
"Ja, auf den Spielplatz!", rief sie und kletterte unter dem Tisch hervor. Ich folgte ihr deutlich langsamer und machte mich im Bad noch einmal frisch. Ich sah mehr als mitgenommen aus.
Zusammen machten wir uns auf zum Spielplatz, gefolgt von mindestens einem Paparazzi. Anscheinend dachten die, wir würden zu Went gehen. Falsch gedacht, denn er würde heute nicht kommen.
Wir verbrachten fast den ganzen Nachmittag auf dem Spielplatz. Wir aßen Pommes mit ganz viel Ketchup und Majo, bauten Sandburgen, Lynn rutschte an die hundert Mal die Rutsche hinunter und ließ sich von mir beim Schaukeln anschieben. Ich war ein wenig aus der Puste, aber gleichzeitig auch froh eine Ablenkung zu haben. Ich wollte im Moment nicht an die Probleme mit Sam und Shalley denken, denn das würde ich in nächster Zeit noch genug haben.
Gegen 5 machten wir uns auf den Rückweg. Ich wollte noch etwas einkaufen gehen und vielleicht war ja Sam auch wieder da. Ich machte mir zwar wenig Hoffnung, aber wir hatten beide überreagiert. Wir trugen beide die Schuld für den Streit, wobei ich vielleicht noch ein wenig mehr als er.
Der Einkauf war schnell erledigt und es ging zurück nach Hause. Gerade als wir in unserer Straße einbogen, sah ich jemanden auf den Stufen hocken. Zuerst dachte ich, dass es Sam war, doch der Mann hatte längere Haare als er und auch nicht ganz so dunkel. Wir kamen langsam näher und als er uns den Kopf zuwandte, erkannte ich ihn sofort. Es waren seither 4 Jahre vergangen, aber ich würde ihn immer wieder sofort erkennen. Er hatte sich auch nicht groß verändert.
Auf unseren Stufen saß Lucas Gabriel!!!! Ich stockte und blieb wie angewurzelt stehen. Das durfte einfach nicht wahr sein. Litt ich jetzt schon unter Wahnvorstellung? Was wollte er hier? Er hatte sich 4 Jahre lang nicht gemeldet und heute, ausgerechnet heute, kehrte er so plötzlich wieder wie er damals verschwunden war. Wenn es Tage gab, an denen alles schief ging, dann war heute dieser Tag für mich!
Ich wusste überhaupt nicht wie ich reagieren sollte. Sollte ich etwas sagen oder ihn einfach ignorieren? Oder ihn doch vielleicht eine scheuern? Doch ich stand einfach nur zwei Meter von ihm entfernt, mit leicht geöffnetem Mund und starrte ihn an.
Er erhob sich langsam und kam auf mich zu. In der rechten Hand hielt er einen Blumenstrauß. Ich spürte wie Lynn sich hinter mir versteckte und sich an mein Bein klammerte. Anscheinend war ihr die Situation nicht geheuer, mir genauso wenig.
"Hi, Alexis!", kam es von ihm und seine Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich hatte seine Stimme immer geliebt und auch jetzt konnte ich das angenehme Gefühl nicht unterdrücken, das mich überkam. Er war immer noch attraktiv mit seinen braunen Haaren, den grünen Augen und dem Zahnpastalächeln. Gott, was dachte ich mir eigentlich? Er war mein Ex, der Mann, der für mein ganzes Gefühlschaos und für meine Probleme zuständig war. Der mich einfach verlassen hat, den ich nie aufgehört hatte zu lieben.
"Was willst du, Lucas?" Ich hatte eigentlich beabsichtigt kühl und überlegen zu klingen, doch meine Stimme war leise und dünn. "Lass dich nicht von ihm um den Finger wickeln. Das hat er schon viel zu lange getan.", meinte die Stimme in meinem Kopf und ich versuchte mit allen Mitteln dieser Stimme zu gehorchen. Es war der einzige Weg, der richtige.
"Mich entschuldigen." Er hielt mir die Blumen hin.
"Das kommt reichlich spät, zu spät um ehrlich zu sein." Ich gewann langsam an Selbstsicherheit zurück. Jetzt war meine Zeit gekommen, ihm endlich für all das Büßen zu lassen, was er mir angetan hatte. Es ging nicht um Lynn, es ging um all die Tränen, die ich vergossen hatte, all die Qualen, die ich hatte ertragen müssen.
"Ich weiß, dass ich das nie wieder gut machen kann, aber gib uns einfach noch eine Chance.", meinte er leise und blickte mich traurig an. Für einen Moment wurde ich schwach. Wir waren so lange zusammen gewesen und es war eine schöne Zeit gewesen. Sollte ich das alles einfach ignorieren? Ich war mir nicht so sicher.
"Nach all der Zeit? Ich hätte es verstanden, wenn du ein paar Tage verschwunden wärst, aber nach 4 Jahren? Nein, Lucas.", versuchte ich mich zu behaupten, doch es klang alles andere als überzeugend. Aber er reagierte gar nicht auf meine Antwort, denn er blickte, zwischen meine Beine hindurch, Lynn an.
"Ist das unsere Tochter?", fragte er leise und richtete den Blick kurz auf mich.
"Nein, das ist meine Tochter. Sie hat ja keinen Vater.", zischte ich und spürte wie Lynns Hände sich noch mehr an meine Beine krallten. Ich musste sie unbedingt weg von hier bringen.
"Alexis, bitte! Gib mir eine Chance. Ich will mich bessern und ein guter Vater werden." Die Worte klangen wie Hohn, aber gleichzeitig nach dem, was ich mir so lange gewünscht hatte. Lynn sollte einen Vater bekommen und nun bot sich die Chance dazu. Auch wenn er Mist gebaut hatte, war er doch Lynns leiblicher Vater. Kein anderer Mann würde diese Stellung einnehmen können.
"Ich...ich kann nicht, Lucas. Tut mir Leid.", stotterte ich und versuchte mich an ihm vorbeizudrängen.
"Du willst mir verbieten meine Tochter zu sehen? Wen willst du damit bestrafen-sie oder mich?" Ja, das fragte ich mich auch. Ich wusste, dass Lynn es mir später einmal übel nehmen würde, dass ich ihr den Kontakt zu ihrem Vater nicht ermöglicht hatte. Aber ich könnte es nicht ertragen, Lucas wieder in mein Leben aufzunehmen.
"Was erwartest du von mir? Das ich dir in die Arme falle und "Schön, dass du wieder da bist" sage? Du hast 4 Jahre nichts von dir hören lassen und nun soll ich dir so einfach verzeihen? Tut mir Leid, Lucas." Ich drängte mich an ihm vorbei und nahm dabei Lynns Hand.
"Das wirst du noch bitter bereuen!", zischte er bloß noch, warf mir die Blumen vor die Füße und verschwand. Ich stand auf der untersten Treppenstufe und zitterte. Vor Angst, Schock und Verzweiflung. Konnte es noch schlimmer kommen?
Langsam, wie in Zeitlupe, setzte ich mich in Bewegung. Was hatte er damit gemeint, dass ich es noch bitter bereuen würde? Wollte er mir solange drohen bis ich nachgab? Oder uns sogar etwas antun?
Ich schloss die Türe auf und ließ Lynn rein. Sie rannte in ihr Zimmer und ich hörte wie sie sich aufs Bett fallen ließ. Ich ging ihr langsam nach und setzte mich neben sie. Sie hatte ihr Gesicht in ihr Kissen gedrückt und rührte sich nicht. Sanft strich ich ihr über den Rücken.
"Hast du Angst?", fragte ich sie und ich sah wie sie nickte. "Warum?" Langsam hob sie ihren Kopf und zuckte mit den Schultern.
"Hat er dir Angst gemacht?" Langsam nickte sie. Sollte ich es ihr sagen? Doch wie sagt man einer 3-Jährigen, dass sie soeben ihren Vater gesehen hat? Einen Mann, der sie ängstigte. Ich atmete tief ein. "Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben. Er wird dir nichts tun." Zumindest hoffte ich es.
"Wer war der Onkel?"
"Ein Freund von Mommy. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen."
"Bist du böse auf ihn?" Ihre blauen Augen schauten mich ängstlich an. Ich legte mich neben sie und drückte meinen Kopf an ihren.
"Ja, ein bisschen."
"Warum?"
"Weil er Mommy einfach so verlassen hat und sie deswegen lange traurig war." Ich spürte ihre kleine Hand über mein Haar streichen.
"Ich verlass dich nicht, Mommy!", murmelte sie. Ich war verzweifelt. Die Probleme schienen sich anzuhäufen. Erst der Streit mit Dad, dann dieses hin und her mit Went. Ich konnte mich nicht für ihn, aber auch nicht gegen ihn entscheiden. Und nun dieses Chaos heute. Shalley schwanger, der riesige Streit, Sam war ausgezogen und mein Ex-Freund tauchte nach 4 Jahren einfach wieder auf. Ich konnte nicht mehr. Es war einfach zu viel. Langsam stand ich auf udn verließ Lynns Zimmer. Sie war eingeschlafen und ich wollte meine Verzweiflung nicht auf sie übertragen. Alles drehte sich in meinem Kopf und ich ging langsam ins Wohnzimmer. Ich rutschte langsam an der Wohnungstür herunter. Tränen liefen mir übers Gesicht und der Rotz lief aus meiner Nase. Doch alles war nur Merkmal meiner jetzigen Verfassung. Es ging abwärts mit mir. Nicht nur mit mir, mit meinem ganzen Leben. War ich nicht eben gerade noch glücklich gewesen? Ich konnte mich kaum noch daran erinnern. Es schien alles so ewig her, dabei waren doch nur 24 Stunden vergangen, wenn überhaupt.
Ich wischte mir mit dem Handrücken übers Gesicht und zog die Luft durch die Nase ein. Dann griff ich zu meiner rechten Seite nach meiner Handtasche und zog mein Handy heraus. Mit zittrigen Fingern suchte ich nach der richtigen Nummer und musste dabei immer wieder die Tränen aus dem Gesicht wischen.
Es gab nur eine Person, die mir jetzt noch helfen konnte. Eine Person, die noch nicht im Schlamassel steckte...

Es tutete ein paar Mal und ich war schon dabei aufzulegen, als es im Hörer knackte.
"Miller hier!", meldete sich eine männliche Stimme und ich atmete einmal tief ein. Es tat so gut ihn zu hören.
"Went?", flüsterte ich nahezu und versuchte dabei zu verheimlichen, dass ich weinte.
"Alex?", fragte er zurück. "Ist was passiert?"
"Kannst du kommen?" Ich wollte nicht vor ihm weinen, aber ich konnte die Tränen nicht verhindern und schon gar nicht, dass ich verheult klang.
"Ich...was...Bleib ganz ruhig, ich komme so schnell ich kann. Bist du zu Hause?" Ich nickte. "Alex?"
"Ehm...ja...", murmelte ich.
"Ich bin gleich da, okay?"
"Danke!" Ich zog das Handy langsam von meinem Ohr weg und starrte eine ganze Weile aufs Display. Warum hatte ich ihn angerufen? Damit ich ihn auch noch mit meinen Problemen belasten konnte? Toll gemacht, Alexis. Geh ihm nur ruhig auf die Ketten, damit er am Ende auch noch verschwindet.
"Ich ruf ihn an.", meinte ich zu mir selbst und drückte auf die Wahlwiederholungstaste. Genau in diesem Moment klopfte es an der Tür und ich konnte einen Handyklingelton vernehmen. Vor Schreck drückte ich schnell auf den roten Knopf und ließ das Handy fallen.
Es klopfte noch einmal. War das etwa schon Went? Vorsichtig erhob ich mich und räumte die Tüten zur Seite, die Sam hatte stehen lassen. Sollte ich aufmachen oder einfach warten bis er wieder ging? Wenn er schon einmal da war...
Langsam öffnete ich die Tür und tatsächlich war es Went. Als er mich sah, konnte ich deutlich den Schock auf seinem Gesicht sehen. Ich sah bestimmt schrecklich aus. Schnell wischte ich mir mit dem Handrücken die Tränen weg und ließ ihn ein. Dann ging ich in die Küche, nur damit er nicht mein verheultes Gesicht sah. Einmal reichte zu.
"Es tut mir Leid, dass ich dich so einfach angerufen habe. Eigentlich ist es gar nicht so schlimm.", meinte ich und fing an Tee zu kochen.
"Das klang aber eben noch ganz anders."
"Es ist...es ist kein Notfall oder so. Ich war bloß...keine Ahnung." Ich wagte noch immer nicht ihn anzuschauen, sondern starrte auf den Wasserkocher vor mir.
"Nun ja...jetzt bin ich einmal hier." Er setzte sich an den Küchentisch.
"Hör zu, es war dumm von mir, dich einfach anzurufen und zu verlangen, dass du kommst. Du musst nicht bleiben, hast bestimmt besseres vor." Meine Finger krallten sich in die Arbeitsplatte. Ich wollte, dass er ging, es war mir einfach zu peinlich, dass er mich so sah. Gleichzeitig wollte ich, dass er blieb, weil ich nicht allein sein wollte.
"DVDs kann ich auch ein anderes Mal anschauen."
"Du hast Urlaub, da willst du bestimmt deine Ruhe haben, bevor es wieder an die Arbeit geht.", murmelte ich und goss Wasser in zwei Teetassen.
"Ich will dich nicht drängen, aber wenn du reden möchtest...ich hör zu!" Ich fasste die beiden Tassen an, jedoch nicht am Henkel. Die Hitze verbrannte mir die Finger und ich zuckte erschrocken zurück. Wie gebannt starrte ich auf meine Hand, die vor Schmerz nur so brannte. Ich konnte gar nicht reagieren, weil ich es nicht verstand. Ich war so eine dämliche Kuh. Ich hatte es verdient von allen im Stich gelassen zu werden. Es war die gerechte Strafe für mich.
"Hier.", meinte eine Stimme und ein Kühlaggregat kam in mein Sichtfeld. Ich hob meinen Kopf und sah, dass es Went war. Er war ja immer noch da. Woher hatte er jetzt den Kühlbeutel? Langsam griff ich danach und spürte wie die Kälte meine Hände abfror und den Schmerz betäubte. Er nahm es mir wieder aus der Hand und wickelte ein Handtuch drum.
"Ich bin so blöd.", bemerkte ich und fing wieder an zu weinen.
"Nein, bist du nicht.", widersprach er und nahm mich in den Arm. Ich drückte mich an ihn und vergrub mein Gesicht in sein Shirt. Toll, jetzt versaute ich ihm noch sein Hemd! Ich hatte es echt drauf, aber es tat so gut, dass mich jemand in den Arm nahm. Ich spürte wie er mir vorsichtig über den Rücken streichelte, während ich immer noch über meine eigene Dummheit heulte. Went küsste mich kurz auf den Scheitel, doch ich war viel zu schwach und mit anderen Dingen beschäftigt, als das ich mich dagegen hätte wehren können.
Langsam löste er sich wieder von mir und schaute mir in die Augen. Behutsam wischte er mir eine Träne aus dem Gesicht und lächelte. Dadurch musste ich auch grinste und vergrub mein Gesicht wieder in seiner Schulter. Vielleicht war es ja doch nicht so schlecht gewesen ihn anzurufen.
Ich ging schnell ins Badezimmer, um mir das Gesicht zu waschen und meine verbrannten Hände zu kühlen. Es tat immer noch so höllisch weh, wenn ich nicht den Schmerz mit Eis betäubte. Langsam und unsicher ging ich zurück in die Küche. Went saß am Küchentisch und trank seinen Tee. Als er mich bemerkte, blickte er mich ernst an und versuchte es dann mit einem leichten Lächeln. Doch dieses Mal konnte ich es nicht erwidern. Ich versuchte seinem Blick auszuweichen und schaute stattdessen zur Uhr. Verdammt schon wieder so spät und ich hatte noch kein Abendessen gemacht. Ich drehte mich um, ging zum Kühlschrank und kramte die Zutaten für einen Salat hervor. Went folgte mir mit den Augen, sagte aber nichts. Ohne ein weiteres Wort begann ich den Kopfsalat zu waschen und zu schneiden.
"Ich..ehm...hatte einen schrecklichen Tag.", begann ich schließlich und hielt mit dem Schneiden inne. Langsam begann ich zu erzählen wie ich bei Shalley ankam und dann von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Went sagte kein Wort, sondern hörte mir nur zu. Als ich zum Streit mit Sam kam, liefen mir wieder die Tränen übers Gesicht. Toll, wozu war ich eigentlich im Bad gewesen? Was musste er denn von mir denken? Ich heulte ihm wegen irgendwelchen Familiengeschichten die Ohren voll, obwohl er doch viel Besseres zu tun hatte.
"Ja, und als ich dann mit Lynn vom Einkaufen zurüc kam, da...da stand dann Lucas.", erzählte ich leise weiter und blickte ihn dabei zum ersten Mal an. Seine Augen funkelten kurz auf, aber ansonsten vernahm ich keine Reaktion von ihm. "Also Lynns Vater.", murmelte ich und begann langsam von dem Gespräch zu berichten. "Und dann hab ich dich angerufen und jetzt bist du hier." Ich lachte kurz auf und schnippelte die Gurke zu Ende. Dass dabei meine Tränen drauf tropften, nahm ich nicht wirklich wahr. Umso weniger musste ich dann salzen.
Plötzlich überkam mich wieder eine Welle der Verzweiflung. Sam war weg, meine beste Freundin auch, aber dafür war Lucas wieder zurück. Ich konnte es nicht glauben. Das Messer fiel mir aus der Hand und ich stützte mich mit einer Hand auf der Arbeitsfläche ab. Im nächsten Moment spürte ich wieder eine Hand, die sanft über meinen Rücken streichelte. Went nahm mich wieder in seine Arme und reichte mir ein Taschentuch.
"Es wird alles wieder gut, du wirst sehen.", murmelte er und strich mir übers Haar. Ich hätte ihm nur zu gerne geglaubt.
"Was soll ich denn jetzt machen?", schluchzte ich wieder und klammerte mich an ihn. Ich hatte Angst, dass wenn er mich los ließ, ich den Boden unter den Füßen verlieren würde.
"Shhhhh...ganz ruhig. Jeder streitet sich einmal und dann verträgt man sich wieder." Er sagte das so leicht, aber hier gings nicht nur um Recht und Unrecht, sondern um die Worte, die gefallen waren. Ich hatte Sam tief getroffen mit dem, was ich gesagt hatte.
Plötzlich spürte ich wie etwas mein linkes Bein umklammerte und schaute nach unten. Lynn war anscheinend aufgewacht, hatte uns gesehen und wollte nun auch umarmt werden. Da sie aber ein wenig kleiner war, hatte sie sich einfach auf ihrer Höhe an uns gedrückt.
"Hey, Prinzessin!", rief ich und hob sie auf meine Arme.
"Mommy, warum weinst du schon wieder?", fragte sie mich und schaute mich traurig an.
"Weil du schon wieder so süß bist.", antwortete ich und lächelte.

"Wie geht es dir?", fragte er behutsam, nachdem ich aus Lynns Zimmer kam. Sie hatte etwas gegessen und war danach wieder eingeschlafen. Nun stand ich vor ihm, immer noch rot im Gesicht, vom vielen Weinen und wusste nicht, was ich sagen sollte.
"Schon besser, danke!", murmelte ich und blickte auf meine Fußspitzen. "Ich...ehm...keine Ahnung. Ich fühle mich so... leer." Schon wieder war ich den Tränen nahe, konnte sie aber hinunter schlucken. Noch einmal würde ich nicht weinen.
"Ich würde mich auch so fühlen in deiner Situation, also mach dich nicht noch selber fertig." Ich nickte und für einen Moment herrschte Schweigen. "Wie geht es deinen Händen?" Automatisch blickte ich auf die Innenflächen. Sie waren noch immer rot, taten aber nicht mehr ganz so weh.
"Ich glaube, zum Arbeiten reicht es noch."
"Arbeiten? Du willst doch jetzt nicht wirklich zur Arbeit gehen?" Er schaute mich ungläubig an.
"Ich muss. Noch einmal kann ich mir nicht frei nehmen und ich brauche das Geld.", murmelte ich, doch er schnitt mir die Worte ab.
"Alex, ich glaube, dass sie einen Abend auf dich verzichten können, vor allem bei deinem derzeitigen Zustand."
"Mir geht es gut.", erwiderte ich trotzig.
"Lass uns nicht streiten. Ich rufe in der Bar an und sag Bescheid, dass du nicht kommst. Du legst dich jetzt ins Bett und schläfst, okay?" Sein Blick verriet, dass Widerspruch zwecklos war. Also trottete ich in mein Schlafzimmer und zog mein Schlafzeug an. Eigentlich war ich nicht müde, aber ich fühlte mich so erschöpft und leer, dass es vielleicht doch keine so schlechte Idee war. Ich konnte Went reden hören, verstand aber nicht, was er sagte. Barfuss ging ich zurück ins Wohnzimmer, bemerkte aber noch rechtzeitig, dass ich ja nur Unterwäsche anhatte. Schnell ging ich wieder ins Schlafzimmer und warf mir meinen Bademantel über.
"Ich hab dich für heute und morgen abgemeldet." Went kam aus der Küche zurück.
"Morgen auch?" Heute hätte vollkommen zugereicht.
"Du brauchst Ruhe und vor allem Zeit, um dich deinen Problemen zu stellen."
"Wenn du meinst.", erwiderte ich leicht sauer und verschränkte die Arme vor der Brust. Er blickte mich traurig an und ich bereute meine Worte. "Ist okay.", versuchte ich deshalb noch auszubügeln und ging einen Schritt auf ihn zu. Dann umarmte ich ihn unsicher, doch er öffnete seine Arme und drückte mich sacht an sich.
"Ist heute der internationale Tag der Umarmung oder warum habe ich die Ehre?", flüsterte er in mein Ohr, wovon ich eine Gänsehaut bekam.
"Nein, ich möchte einfach nur meinem besten Freund danken.", gab ich zurück und spürte schon wieder eine Träne über meine Wange rollen.
"Dein bester Freund sagt dir jetzt aber, dass du ins Bett gehörst.", meinte er und wir lösten uns voneinander. Ich nickte und hatte plötzlich Angst, allein zu sein.
"Könntest du...", fing ich an, unterbrach mich aber selbst. Du willst ihn doch jetzt nicht ernsthaft fragen, ob er die Nacht da bleibt, oder? "Ach, vergiss es!"
"Nein, sag ruhig." Ich schüttelte den Kopf. "Ich kann ja immer noch Nein sagen." Ich blickte ihm in seine grünblauen Augen und wollte, dass er bleibt. Allein würde ich durchdrehen.
"Könntest du noch bleiben?" Ich sah ihn unsicher an. "Nur solange bis ich eingeschlafen bin.", ergänzte ich schnell, da er nicht gleich antwortete. Er lächelte.
"Kein Problem." Ich war unendlich erleichtert, nicht alleine einschlafen zu müssen und ging langsam in mein Schlafzimmer. Er folgte mir etwas unsicher.
Ich entledigte mich meines Bademantels und er versuchte mich nicht anzustarren. Tatsächlich wanderten seine Augen nicht einmal nach unten, sondern blickten immer mein Gesicht an.
Ich legte mich in mein Bett und deckte mich zu. Er setzte sich an die Bettkante und blickte im Halbdunklen auf mich.
"Gute Nacht. Versuch nicht so viel nachzudenken.", meinte er noch.
"Gute Nacht.", murmelte ich und konnte trotzdem nicht einschlafen. Seine Anwesenheit beruhigte mich, aber machte mich gleichzeitig so nervös. Ich betrachtete ihn eine Weile wie er regungslos neben mir saß und griff dann nach seiner Hand. Sie war wunderbar warm. Went schien überrascht, denn er zog sie erst zurück, bevor er dann meine Hand in seine nahm.
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen fiel ich in einen unruhigen Schlaf.
Teppich

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Teppich »

Na das nenn ich mal nen beschissenen Tag!!!
Was ihr alles widerfahren ist, das ist ja echt zum Heulen :(

Die Andeutungen, die ich die letzten Kapitel gelesen habe,
haben sich also tatsächlich bestätigt und Shalley und Sam haben was
zusammen. Aber gleich schwanger?!?! Huiuiui...
Aber dass Alex zugegeben hat, dass sie sich in Went verliebt hat,
das ist doch schon mal ein grosser Fortschritt hehe
Oh man, Lucas :o Was zum Kuckuck will der denn?
Sich was vom Kuchen abschneiden? Ich hoff mal, der hat nichts Böses
im Sinn und veröffentlich was an die Presse...ich kann mir vorstellen,
dass er fähig wäre, so was Gemeines zu tun....bah!

Och, der Went *knuff* Wie lieb er doch ist... Und gut, dass er bei
ihr bleibt, Gesellschaft und ne Schulter zum Ausheulen kann sie
wahrlich gut gebrauchen...

Heulen würd ich auch, denn Lynn ist wirklich sowas von süss :D


23.15 ist wirklich keine gute Sendezeit, aber gut dass sich das nun
ändert hehe
Jo hast Recht. LA ist wirklich so krass. Der Geltungsdrang der Leute dort
ist massiv... Warste denn auch schon mal dort?
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

Nein, ich war noch nicht in L.A., aber werde dieses Weihnachten dort verbringen :D

Ja, Alexis hat es nicht immer einfach, eigentlich nie, aber gut das sie Went hat ;)
Lass dich überraschen, was Lucas vorhat und was noch kommt ;)


Kapitel 27: Fled forward

Meine Nase krabbelte und ich kratzte mich kurz. Doch es wollte nicht aufhören. Widerwillig öffnete ich die Augen und merkte, dass mich meine eigenen Haare an der Nase kitzelten. Na, toll. Jetzt, wo ich wach war, konnte ich auch aufstehen. Dann kamen plötzlich die Erinnerungen an gestern hoch und ich hätte mich am liebsten wieder unter meiner Decke verkrochen. Aber dann hätte ich den wohl süßesten Anblick überhaupt verpasst. Wo gestern noch Went saß, war nun nur noch sein Kopf zu sehen. Er hatte sich mit den Rücken an mein Bett gelehnt gesetzt und den Kopf auf die Matratze gelegt. Ich beobachtete ihn einen Moment wie er in dieser unmöglichen Position schlief und mit leicht geöffnetem Mund durchs Land der Träume schwebte. Langsam und möglichst leise erhob ich mich und schlüpfte aus dem Bett. Gerade als ich mit dem zweiten Bein festen Boden berührte, regte er sich plötzlich. Anscheinend war er durch die Bewegungen der Matratze wach geworden und griff sich nun verschlafen an den Kopf. Ich stand immer noch wie festgewachsen da und traute mich nicht mich zu bewegen. Er sollte wieder einschlafen? Überhaupt- was machte er noch hier? Hatte er nicht gehen wollen, nachdem ich eingeschlafen war?
Went gab einen leisen Stöhner von sich, drückte seine Stirn gegen die Matratze und drehte sich langsam zu mir um. Als er mich sah, machte er plötzlich große Augen und hob den Kopf. Was war denn jetzt los? Ich blickte langsam an mir herunter und mir fiel mit einem Schlag ein, dass ich nur in Panties und Top vor ihm stand. Wenn er gestern Abend nicht geschaut hatte, so konnte er jetzt alles nachholen. Ich lief knallrot an und suchte panisch nach meinem Bademantel ohne dabei aber zu auffällig zu wirken. Went hatte wohl begriffen, dass er mich anstarrte und blickte schnell wo anders hin. Endlich hatte ich mir den Bademantel übergeworfen und traute mich etwas zu sagen.
"Hi!" Immerhin hatte ich den Mund aufbekommen.
"Morgen!", knurrte er und wischte sich mit der Handfläche über den Kopf.
"Warum bist du denn noch da?" Okay, ganz blöde Frage. Das klingt ja, als wollte ich ihn hinauswerfen.
"Ehm...du hast dich im Schlaf gewälzt und teilweise auch ehm geweint. Deswegen hielt ich es für besser zu bleiben und ich muss wohl dabei eingeschlafen sein." Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und schaute mich an. Ich konnte nur nicken. Es war mir nicht einmal mehr peinlich, dass ich im Schlaf geweint hatte. Went hatte wahrscheinlich schon peinlichere Aktionen von mir erlebt und ich musste mich wohl damit abfinden, dass ich einfach nur dämlich war.
"Willst du mit frühstücken?", fragte ich und versuchte nicht allzu verwirrt zu schauen. Er nickte, machte aber keine Anstalten aufzustehen. Also ging ich einfach schon vor und stieg unter die Dusche. So schnell wie das Wasser an meinem Körper runterrauschte, so schnell wirbelten auch die Gedanken in meinem Kopf. Wie sollte ich ihm gegenüber reagieren? Er hatte alles für mich stehen und liegen gelassen, um mir zuzuhören und ich konnte nicht übergehen, dass wir uns körperlich näher gekommen waren, als ich es jemals geplant hatte.
Das wird dir nicht mal deine Großmutter abnehmen, ertönte es aus meinem Kopf.
Toll eine neue Stimme. Die kannte ich ja noch gar nicht.
Wir wissen beide genau, dass da mehr als nur Freundschaft läuft.
Ich weiß von gar nichts.
Nein, bist ja die Unschuld von Los Angeles. Geht klar.
Was soll das denn jetzt heißen? Langsam wurde ich richtig wütend. Was bildete sich die Stimme eigentlich ein?
Das du dich selbst belügst.
Tu ich nicht! Und wobei belüg ich mich eigentlich selber?
Du liebst ihn, er liebt dich. Also wo liegt das Problem?
Gott, die klang genauso wie Shalley. Shalley. Ich schüttelte den Kopf. Wie stellst du dir das denn vor? Er muss viel arbeiten, ich auch und noch mal zur Erinnerung: Ich habe eine Tochter!
Wow, ich bin ja von deinen Argumenten richtig eingeschüchtert. Als ob er das nicht selbst wüsste.
Er?
Ja, er! Denkst du, er würde sich den Arsch für eure "Freundschaft" aufreißen, wenn er nicht doch einen Hintergedanken hätte? Ich bitte dich. So toll er auch ist, er ist und bleibt ein Mann, mit Bedürfnissen.
Toll, jetzt bringt mich eine Stimme in meinem Kopf dazu rot anzulaufen. Tiefer konnte ich nicht mehr sinken.
Oh doch, wenn du ihn ziehen lässt. ER ist der RICHTIGE, auch wenn du es mit deiner biederen Moral nicht wahr haben willst.
Bieder? Ich und bieder?
Genau. Erst die große Klappe haben und schmutzige Andeutungen machen, aber wenn es zum praktischen Teil kommt, machst du die Biege und lässt ihn wie einen Idioten dastehen.
Das hat seine Gründe, versuchte ich mich rauszureden bzw. rauszudenken.
Was für Gründe denn? Dass du Schiss hast? Dass er genau der Richtige sein könnte, um dich glücklich zu machen?
Ach, halt doch die Klappe. Dir bin ich keine Antwort schuldig. Wütend stellte ich das Wasser aus und wickelte mir ein Handtuch um.
Wir sprechen uns noch mal, aber dann wird es vielleicht schon zu spät sein.
Ja, klar! Weil ich dich bis dahin schon zum Schweigen gebracht haben werde. Ich riss die Türe auf und hätte fast Lynn umgerannt.
"Morgen, Schatz!", meinte ich und beugte mich zu ihr runter, um ihr einen Kuss zu geben. Sie lächelte verschlafen und schlenderte an mir vorbei, ins Badezimmer. Barfuss lief ich in die Küche, stellte die Kaffeemaschine an und holte den Toaster heraus. Dann deckte ich schnell den Tisch und ging vorsichtig zurück in mein Schlafzimmer. Went war wieder eingeschlafen und so tapste ich an ihm vorbei zu meinem Schrank. Wo sollte ich mich denn jetzt umziehen? Am Besten hinter ihm, da hatte ich noch Reaktionszeit, wenn er erwachen sollte. Als ich mich angezogen hatte, weckte ich ihn sanft.
"Went, willst du mit frühstücken oder lieber weiterschlafen?", fragte ich ihn leise, doch er knurrte nur. Toll, zu welchem Vorschlag hatte er nun zugestimmt? Da er immer noch auf dem Boden hockte und ich ihn schlecht auf mein Bett heben konnte, deckte ich ihn mit meinem Bettzeug zu und ging wieder hinaus.
Der Kaffee war fertig, aber Lynn noch nicht. Sie hockte vor ihrem Kleiderschrank und starrte verträumt hinein.
"Du bist ja noch gar nicht angezogen?"
"Ich finde nichts.", murmelte sie und schaute mich verzweifelt an. Ihr Kleiderschrank war voll und sie fand nichts. Typisch Frau.
"Wieso ziehst du nicht die Sachen an, die du gestern mit Onkel Sam gekauft hast?", schlug ich vor und plötzlich erschien ein Strahlen auf ihrem Gesicht. Schon stürmte sie ins Wohnzimmer und kramte in den Tüten herum. Schließlich holte sie ein blaues Kleid hervor und zog es sich über. Sie sah wunderschön darin aus, aber erst ohne Preisschild war es perfekt. Ich holte die Schere und versuchte Lynn zum Stillhalten zu zwingen.
Gerade in diesem Moment ging die Schlafzimmertür auf und Went erschien. Er sah total zerknautscht aus und die Matratze hatte ein paar schöne Abdrücke auf seinem Gesicht hinterlassen. Ich grinste und drehte mich schnell weg, um keinen Lachanfall zu bekommen.
"Onkel Went!" Lynn stürmte in seine Arme und fing an zu kichern. "Du siehst lustig aus.", kommentierte sie und ich biss mir auf die Lippen.
"Wieso denn?", fragte er und runzelte die Stirn. Sein Blick traf mich. Ich drehte mich bloss schnell weg und ging in die Küche. Kaum hatte ich die Tür angelehnt, fing ich lauthals an zu lachen.
"Du hast Dellen im Gesicht.", hörte ich Lynn sagen und mir liefen Tränen übers Gesicht, diesmal aber vor Lachen.
"Dellen?", rief Went leicht panisch und ich konnte hören, dass jemand ins Bad stürmte. Dann hörte ich ihn lachen und zu Lynn erklären, dass das nur Abdrücke waren. Gemeinsam erschienen sie in der Küche. Zum Glück hatte ich mich schon wieder beruhigt und schenkte uns Kaffee ein. Lynn und Went setzten sich auf ihre Plätze und wir frühstückten zusammen. Ich aß allerdings nur einen halben Toast, weil ich überhaupt keinen Appetit verspürte. Zudem vermied ich es, ihn anzuschauen oder irgendetwas zu sagen. Wenn ich gestern Abend nicht ansprach, tat er es vielleicht auch nicht.
Doch sobald Lynn im Wohnzimmer spielen war, kam er auf das Thema zu sprechen.
"Was willst du jetzt eigentlich machen? Also, wegen Sam und Shalley?"
"Ich weiß es nicht. Sie werden mir sowieso nicht verzeihen, also warte ich einfach ab."
"Auf was wartest du?"
"Keine Ahnung." Ich wollte nicht mehr darüber reden und überhaupt ging ihn das Ganze eigentlich gar nichts an. Ich war ihm dankbar dafür, dass er gestern für mich da gewesen war, aber das hieß nicht, dass er sich in alles einmischen durfte.
"Müssen die beiden heute arbeiten?", fragte er mich unvermittelt und ich blickte von meinem Teller auf.
"Shalley hat sonntags frei, Sam nicht. Er ist wahrscheinlich schon unterwegs.", antwortete ich leise.
"Dann würde ich sagen, dass du deiner Freundin mal einen Besuch abstattest.", schlug er vor und lehnte sich nach vorne.
"Weil sie mich ja sicherlich auch mit offenen Armen empfängt." Er lächelte. Warum bitte schön lächelte er jetzt. Mir war überhaupt nicht mehr zum Lachen zumute.
"Das habe ich ja auch nie gesagt.", erwiderte er altklug und ich verfluchte meine Idee, ihn angerufen zu haben. Ich hätte allein bleiben und mich ordentlich betrinken sollen.
"Und was schlägt Mr. Besserwisser dann vor?", gab ich genervt zurück. Er tat ja geradezu, als wäre das alles ein Kinderspiel. Vielleicht für Mr. umwerfendes Lächeln, aber für mich Normalsterblichen hieß das immer noch harte Arbeit und vor allem Überwindung.
"Mr. Besserwisser rät der Patientin sich erst mal zu beruhigen und dann die Flucht nach vorne zu starten.", erwiderte er mit einen Grinsen.
"Hör auf, immer alles ins Lächerliche zu ziehen.", knurrte ich ihn an. Ich hätte explodieren können.
"Hör auf, immer alles und jeden in einen Streit verwickeln zu wollen.", konterte er und sah mich überlegen an. Sein Lächeln war kein Zentimeter von seinem Gesicht gewichen. Idiot.
"Tu ich doch gar nicht!"
"Oh doch!"
"Du kennst mich gar nicht!"
"Besser als du denkst.", grinste er und brachte mich zur Weißglut. Warum machte er sich lustig über mich? "Alex, ich will dir nur helfen. Streit kommt in den besten Familien vor, das ist aber noch lange kein Grund für Weltuntergangsstimmung. Geh zu Shalley, entschuldige dich und kläre die Sache mit ihr. Erzähl ihr das, was du mir gestern gesagt hast." Was hatte ich denn gestern bitte schön gesagt? Daran erinnerte ich mich doch nicht mehr.
"Du stellst dir das so einfach vor."
"Weil es das auch ist. Du musst nur über deinen Schatten springen. Oder denkst du etwa, ich hab mich noch nie mit meinen Geschwistern oder Freunden gestritten?" Ich blickte ihn verzweifelt an. Das konnte er nicht von mir verlangen. "Außerdem hast du doch schon Erfahrung damit.", lächelte er.
"Erfahrung in was?"
"Im Entschuldigungen aufsagen.", lachte er und ich knuffte ihm in den Arm, musste aber selber grinsen. "War das etwas gerade ein Lächeln?", fragte er mich und schaute mich gespielt erschrocken an.
"Du musst geträumt haben.", erwiderte ich und setzte ein ernstes Gesicht auf.
"Also machst du es nun?" Konnte ich meinem besten Freund was abschlagen? "Ich pass auch auf Lynn auf."
"Sie haben wirklich keine Freunde, Mr. Miller, oder?" Ich verdrehte die Augen, stand auf und räumte den Tisch ab. Widerwillig machte ich mich danach daran, mich umzuziehen, um dann zu Shalley zu laufen. In Gedanken ging ich schon mal meine Entschuldigung durch, aber irgendwie konnte ich mich nicht einmal selber damit überzeugen.
"Okay, ich geh jetzt!", meinte ich, als ich ins Wohnzimmer kam. Went und Lynn waren schon fleißig am Bilder ausmalen und manchmal fragte ich mich, wer hier das knapp 4-Jährige Kind war. Beide hoben die Köpfe und sahen mich an.
"Wohin gehst du, Mommy?", fragte Lynn mich.
"Zu Shalley."
"Darf ich mitkommen?"
"Nein, Went passt auf dich auf, okay?" Sie schaute erst mich an, dann ihn und dann wieder mich, bevor sie strahlend nickte. Ich gab ihr einen Kuss, winkte Went kurz zum Abschied und lief dann los. Vor dem Haus standen drei Paparazzi und fragten mich, ob Went bei mir wäre. Erwarteten sie etwa, dass ich diese Frage beantwortete? Sollte ich sie vielleicht beim nächsten Mal durch meine Wohnung führen und Kekse im Wohnzimmer servieren, während wir gemeinsam auf Went warteten?
Ich hatte gerade ein paar andere Probleme und lief ohne eine Antwort an ihnen vorbei. Meine Gedanken schweiften wieder zu Shalley und Sam. Ich konnte nur hoffen, dass sie mir noch einmal verziehen und alles wieder gut wurde. In meiner Wut hatte ich nicht einmal gefragt, wann das Baby kommen würde und wie viel Zeit dadurch noch für Vorbereitungen blieb. Ich war gleich ausgerastet, ohne nach dem Wie und Warum zu fragen.
Viel zu schnell kam ich vor dem Haus an und lief die zwei Treppen zu ihrer Wohnung hinauf. Ich atmete noch einmal tief durch und klingelte dann. Unruhig wartete ich darauf ihre Schritte zu vernehmen und keine Minute später öffnete sich die Tür. Shalley schaute erst überrascht, dann verdüsterte sich ihre Miene wieder.
"Was willst du?", fragte sie mich und ich erschrak bei ihren Worten. Ich hatte sie noch nie so reden hören, schon gar nicht zu mir.
"Ich wollte mich entschuldigen für gestern. Kann ich reinkommen?" Ich blickte nach rechts, wo ihr Nachbar wohnte und sie ließ mich ein. Wir gingen in die Küche und setzten uns an den Küchentisch. Sie schaute mich erwartungsvoll, aber immer noch wütend an.
"Shalley, es tut mir wirklich Leid was gestern passiert ist. Ich hab überreagiert und dabei nur an mich gedacht. Ich hatte Angst, dass sich plötzlich alles ändern würde für Lynn und mich, dass ich allein dastehen würde. Ich war auch sauer auf euch, weil ihr das einfach so locker hingenommen habt. Es war wohl einfach ein bisschen zu viel für mich gestern. Erst du, dann Sam und dann auch noch Lucas.", erklärte ich und bei meinen letzten Worten riss sie die Augen auf.
"Lucas? Er ist doch nicht etwa aufgetaucht?"
"Doch, aber das ist jetzt nicht so wichtig. Wichtiger für mich ist, dass wir uns wieder vertragen und eine Lösung finden.", entgegnete ich und schaute sie erwartungsvoll an.
"Ich bin gar nicht sauer auf dich, Alex. Das Letzte, was ich will ist mich mit dir zu streiten. Genauso wenig Sam. Du hättest ihn gestern mal erleben sollen. Er saß da wie ein geknickter Strohhalm." Mir fiel ein Stein vom Herzen, besser gesagt ein Felsen. "Er hatte mit einer Reaktion von dir gerechnet, aber nicht mit dieser."
"Ich weiß auch nicht, was gestern los war mit mir. Ich habe mich selber nicht mehr wieder erkannt.", murmelte ich und blickte auf die Tischplatte. "Ich möchte euch unterstützen, so wie ihr mich damals unterstützt habt. Auch wenn es schwierig wird, möchte ich wenigstens für euch da sein." Ich spürte einen Kloß im Hals und schlug mir die Hände vor das Gesicht. Shalley zog mich in ihre Arme und wir umarmten uns, wobei wir beide weinen mussten.
Nachdem die Tränen getrocknet waren, redeten wir über alles. Shalley war bereits im 3. Monat schwanger und die Geburt war für Anfang November angesetzt. Sie zeigte mir auch gleich ein Ultraschallbild von meinem Neffen bzw. meiner Nichte. Noch konnte man nicht so wirklich etwas erkennen, aber Shalley war schon total aus dem Häuschen.
"Hast du deinen Eltern schon davon erzählt?" Ihre Miene versteinerte sich etwas.
"Ja, Dad weiß es schon und er freut sich, aber mit Mom habe ich schon seit Wochen nicht mehr gesprochen." Ihre Augen hatten einen harten Ausdruck angenommen und ich wusste, wie sehr sie sich gegen jegliche Emotionen gegenüber ihrer Mutter erwehrte. Die beiden stritten sich schon seit unser Teenagerzeit regelmäßig und bis heute war ihr Verhältnis mehr als dürftig. Tatiana Parker war gebürtige Griechin und mit dem Lebensstil ihrer Tochter alles andere als einverstanden. Sie wollte, dass ihre einzige Tochter den griechischen Traditionen folgte und sich nicht zu sehr von dem westlichen Einfluss leiten ließ. Was bei mir der Vater war, war bei Shalley also die Mutter. Ich konnte sie nur zu gut verstehen, wenn sie schlecht darauf zu sprechen war.
"Und Sam? Was läuft nun eigentlich genau zwischen euch?" Shalley zuckte mit den Schultern.
"Wir wissen es nicht. Ich würde es nicht als feste Beziehung bezeichnen. Wir brauchen beide unsere Freiheit und es funktioniert eigentlich ganz gut so. Deshalb wollen wir auch vorerst nichts daran ändern."
"Also zieht ihr nicht zusammen?" Sie sah mich an, als wäre ich verrückt geworden.
"Gott nein oder willst du, dass zwischen uns öfters mal die Fetzen fliegen?" Ich grinste und drückte ihre Hand. Wir unterhielten uns noch ein bisschen, bis ich dann auf die Uhr schaute und erschrak.
"Tut mir Leid, Shay, aber ich muss gehen. Went und Lynn warten bestimmt schon.", meinte ich, trank mein Wasser aus und stand auf.
"Went und Lynn? Ihr seid doch nicht etwa...?", begann sie, doch ich schüttelte energisch den Kopf.
"Nein, er passt nur auf sie auf, damit ich das hier klären konnte."
"Schade. Ihr zwei würdet so schön zueinander passen.", grinste sie und begleitete mich nach draußen. Ich ignorierte ihren Einwand und verabschiedete mich.
"Ach, und wegen Lucas unterhalten wir uns noch mal...Ich will alles über diesen Idioten hören und ihn dann mit meinen Schwangerschaftsübungen zur Strecke bringen.", lachte sie und winkte noch, als ich die Treppen hinunter lief.
Erleichtert schlenderte ich zurück nach Hause. Heute Abend würde ich noch Sam anrufen und die Sache mit ihm klären. Natürlich nicht am Telefon, sondern in Ruhe und unter 4 Augen bzw. 6 wenn Shalley noch mit dabei war. Kaum war ich um die Kurve in die Olivestreet, blieb ich erst mal geschockt stehen. War da ein Paprazzi-Nest oder warum standen gleich 10-Mal so viele Fotografen dort wie noch heute früh? Unsicher ging ich weiter und die Paparazzi stürzten sich auf mich wie die Geier. Ich zog den Kopf ein und bahnte mir meinen Weg durch die Menge. In all dem Chaos verstand ich gar nicht, was sie mir zuriefen und vielleicht war es auch besser so.
Schnell schlüpfte ich in die Wohnung und machte die Tür hinter mir zu. Das war so nervig mit diesen Leuten. Als wären wir die Charitas. Ich drehte mich um, doch das Wohnzimmer war leer. Dafür zog ein umwerfender Duft nach Spaghetti und Tomatensauce durch die Wohnung und ich ging schnurstracks in die Küche. Lynn stand auf einem Stuhl am Herd und rührte abwechselnd die Spaghetti und die Tomatensauce um, allerdings mit demselben Kochlöffel. Went stand neben ihr und gab Anweisungen, währenddessen er sich mit der Käsereibe abmühte. War der Tag gestern eher bescheiden gewesen, war er heute nur toll. Ich grinste und betrachtete die beiden noch einen Moment.
"Hey, das riecht aber gut!", machte ich mich bemerkbar und beide blickten mich überrascht an.
"Wir dachten, dass du vielleicht Hunger hast, wenn du wieder kommst.", antwortete Went etwas verlegen. Er sah aus wie ein 5-Jähriger, der versuchte das Chaos im Wohnzimmer seiner Eltern zu erklären.
"Richtig gedacht.", grinste ich, gab Lynn einen Kuss und stellte mich neben Went, um zu schnuppern und vielleicht auch zu kosten. Aber ich wurde nur aus der Küche geschoben und ins Wohnzimmer verfrachtet. "Meine Köche" hatten das Kommando übernommen und wollten nicht gestört werden. Ich setzte mich also ins Wohnzimmer und las in einem Magazin. Ab und zu hörte ich die beiden kichern, aber das wars dann auch schon. Ich genoss diesen Moment der Ruhe und streckte alle 4 von mir, wobei ich gleich das Magazin wieder zur Seite legte.
"Mommy, es gibt Essen!" Okay, so viel zur Ruhe. Ich öffnete ein Auge und sah die beiden erwartungsvoll in der Küchentür stehen. War ich jetzt etwa Testkaninchen? Bitte nicht. Mühsam stand ich auf und ging in die Küche. Der Tisch war wunderschön gedeckt worden und das Essen sah wirklich gut aus. Ich hatte Hoffnung, unbeschadet davon zu kommen.
"Aww, ihr seid so süß!", brachte ich hervor und setzte mich an meinen Platz. Went und Lynn grinsten stolz wie Oscar. Mir wurde der Teller abgenommen und mit Essen befüllt, wobei Lynn für die Sauce zuständig war. Sie machte das so toll, konnte glatt Köchin werden. Während die beiden sich noch mit ihren Tellern beschäftigten, tat ich mir ordentlich Parmesan drauf.
"Was habt ihr eigentlich die ganze Zeit gemacht? Außer Spaghetti gekocht."
"Wir haben erst gespielt, dann waren wir spazieren, dann einkaufen und dann haben wir Mittag gekocht.", grinste er.
"Und auf dem Spielplatz.", ergänzte Lynn und stopfte sich den Mund mit Spaghetti voll. Die Sauce schaffte es nicht ganz und blieb an den Mundwinkeln hängen.
"Stimmt, Spielplatz!", meinte Went und zwinkerte Lynn zu.
"Ach so, jetzt weiß ich auch, warum wieder so viele Fotografen vor unserer Wohnung stehen.", bemerkte ich und Wents Gesichtsausdruck fror ein. Stattdessen presste er die Zähne zusammen.
"Sehr viele? Ich hab eigentlich nur 5 ausmachen können."
"Es sind mindestens 10.", erklärte ich und wickelte neue Spaghetti um meine Gabel. "Bisschen viel für einmal spazieren gehen und einkaufen." Ich grinste und seine Miene entspannte sich wieder.
"Wie ist es überhaupt gelaufen? Habt ihr euch wieder vertragen?" Ich nickte und erzählte ihm kurz von meinem Besuch bei Shalley.
"Das freut mich." Er lächelte und wischte sich den Mund mit der Serviette ab.
"Mich auch und im November werde ich nun wieder einmal Tante.", lachte ich und wischte mir ebenfalls den Mund mit meiner Serviette ab.
"Schon?" Er zog die Augenbrauen hoch.
"Wieso schon? Das sind noch 6 Monate."
"Stimmt auch wieder. Dann sag ihr mal schöne Grüße und Glückwünsche von mir."
"Werd ich." Mit diesen Worten stand ich auf und ging mit Lynn Hände waschen. Sie hatte die Sauce wunderbar gleichmäßig auf ihr Gesicht und ihr neues Kleid verteilt. Sie reinigte sich, zumindest im Gesicht und danach ging es zum Mittagsschlaf. Schlafen würde sie sowieso nicht so lange, aber Ruhe brauchte sie unbedingt.
Als sie im Bett lag, kehrte ich zu Went zurück, der gerade am Abspülen war.
"Du brauchst nicht den Abwasch machen.", erklärte ich und nahm ihm die Teller aus der Hand. Stur griff er nach dem Besteck und tauchte es ins Wasser. "Lass mich dir wenigstens helfen.", gab ich nach und griff nach dem Handtuch. Gemeinsam arbeiteten wir den Geschirrberg ab und setzten uns danach mit einem Glas Wein auf die Couch.
"Ein Hühnchen hab ich aber auch noch mit dir zu rupfen.", fing ich an und er wurde ein wenig blass.
"Ich wars nicht!", kam es gleich von ihm und er blickte mich wie die Unschuld selbst an.
"Erzählst mir du kannst nicht kochen und dann zauberst du mir hier leckere Spaghetti auf den Tisch."
"Spaghetti ist ja nun nicht gerade das schwierigste Gericht und außerdem war das Fertigsauce. Die muss man nur noch warm machen.", gestand er.
"Und das hätte nicht für deine Freunde gelangt?", hakte ich ungläubig nach.
"Naja, nicht wenn man das seit 10 Jahren jedes Mal kocht und außerdem..." Ein Klingeln unterbrach ihn. Die Tür. Wer war das denn jetzt? Ich entschuldigte mich kurz und schaute am Fenster nach. Nicht, dass das noch irgendein dreister Paparazzo war. Doch es war Shalley. Shalley? Was wollte sie denn jetzt hier? Ich machte schnell die Tür auf, damit sie nicht noch von den Fotografen erdrückt wurde und sie lief zielstrebig in meine Wohnung. Ich knallte hinter ihr die Tür zu und wollte gerade fragen, was sie hier machte, als sie mich schon unterbrach.
"Katastrophe, Alex!", rief sie und fuchtelte mit einer Zeitung vor meiner Nase herum. Mir schwante Böses. Was hatten sie wohl diesmal für Lügen aufgetischt? "Ich kann es nicht glauben, was dieser Mistkerl dieses Mal wieder angerichtet hat." Es folgte ein Schwall von Flüchen und ich verstand nur Bahnhof. Shalley ließ sich davon nicht aufhalten und ging weiter in die Küche. Sie war absolut wieder in ihrem Element. Gut, dass sie nicht schwanger ist, dachte ich sarkastisch und unterdrückte ein Grinsen. Sie schien Went auch gar nicht bemerkt zu haben, denn sie redete einfach weiter. Ich warf ihm einen ratlosen Blick zu und zuckte mit den Schultern. Er grinste nur. Anscheinend schien es ihm zu gefallen, mal total ignoriert zu werden. Ich folgte Shalley in die Küche, wo sie die Kaffeemaschine anwarf, ohne dabei aufzuhören über jemanden herzuziehen. So weit ich folgen konnte, war es Lucas. Wenn Shalley einmal in Rage war, vergaß sie alles um sich herum, auch, dass sie sich in anderer Leute Wohnungen befand und sich an deren Haushaltsgeräten zu schaffen machte. Dafür zog sie umso bewusster über Leute her, an deren Stelle kein Gras mehr wachsen würde.
"Wow, du hast aber gestern ganz schön gekesselt!", grinste sie und hob die Weinflasche hoch. "Doch nicht etwa wegen mir?" Sie schaute mich erschrocken an. "Fang ja nicht an zu trinken, das ist nicht gut. Ich brauch dich noch und Lynn auch. Wenn sie schon so einen Idioten als Vater hat, dann sollte wenigstens ihre Mutter für sie da sein..." Ich wollte gerade etwas einwerfen, aber es war schon zu spät. Ihr Feldzug gegen Lucas ging in die nächste Runde. Ich hatte keine Chance. Sie drückte mir eine Tasse Kaffee in die Hand und lief ins Wohnzimmer, immer noch fluchend. Ich hoffte, dass Lynn schlief und Went keinen schlechten Eindruck von Shalley bekam.
"Der Grund, warum ich eigentlich da bin, ist wegen diesem Volldeppen. Er hat..." In diesem Moment nahm sie Went zum ersten Mal bewusst wahr und es schepperte ordentlich. Eine Tasse weniger im Regal. Der Kaffee spritzte über den Boden und Went, der gerade aufgestanden war, um endlich Hallo zu sagen, schaute Shalley geschockt an.
"Hallo?", versuchte ich sie aus ihrer Starre zu holen und den Moment noch für sie zu retten.
"Ich dachte, Er...Sie...du wärst ein Pappaufsteller!", sagte sie benommen und stierte Went immer noch an. Went und ich prusteten wie auf Kommando los und drehten uns von Shalley weg. Pappaufsteller? Wie kam sie bitte schön darauf? "Das ist nicht witzig, Eddy!" Shalley war wieder in der Gegenwart angekommen und sah mich böse an. "Du hättest mich ruhig mal vorwarnen können.", zischte sie mir zu und wurde dann knallrot, als sie sich wieder Went zuwandte.
"Wie denn? Du hast mir ja keine Chance gegeben.", presste ich immer noch lachend hervor.
"Das Thema war auch sehr ernst.", gab sie zurück. "Hi.", begrüßte sie ihn schließlich und gab ihm die Hand.
"Shalley, richtig?", lächelte er und sie schüttelten sich die Hände. Shalley machte ein Oh-mein-Gott-er-weiß-meinen-Namen-ohne-das-ich-es-ihm-gesagt-habe-Gesicht.
"Ja. Wentworth, richtig?", hauchte sie zurück und kicherte wie verrückt. Ich warf Went einen warnenden Blick zu, dass er doch bitte aufhören sollte ihr schöne Augen zu machen, da sie ansonsten noch hyperventilieren würde. Machte sich bestimmt gut auf der Titelseite eines Klatschmagazins. Doch er ignorierte es.
"Went reicht zu. Übrigens herzlichen Glückwunsch zur ehm Schwangerschaft.", grinste er und Shalleys Gesichtsausdruck ging von dem Was-für-ein-Mann-Blick zu Danke-das-nächste-Kind-ist-von-dir über. Sie war schon längst in eine andere Welt untergetaucht, in der ich nicht existierte und ich wollte gar nicht so genau wissen, was für ein Film in ihrem Kopf ablief. Der Untertitel dazu würde bestimmt zwei Personen, ein Bett und ganz viel unartige Dinge enthalten.
"Danke.", brachte sie hervor und endlich ließ sie seine Hand los. Dann räusperte sie sich plötzlich und wandte sich mir zu. "Weswegen ich eigentlich hier bin, ist das hier." Sie klappte die Zeitung auf und hielt sie mir unter die Nase. Ich las die Überschrift.
"Ach, du heiliger Scheibenkleister.", rutschte es mir heraus und die gute Laune war wieder dahin. Mir wurde kotzschlecht und ich traute mich gar nicht Went anzuschauen. Er durfte das unter keinen Umständen lesen!
"Ich ehm...geh dann wohl besser. Ihr wollt bestimmt in Ruhe miteinander reden.", meinte Went und schaute mich besorgt an. Mein Kopf dröhnte und ich wäre vor Scham fast im Boden versunken. Wenn er das erfuhr und es auch noch glaubte. Verdammt. "Alles okay?", fragte er und auch Shalley schaute mich leicht ängstlich an. Ich blickte zu Boden und sah, dass ich direkt in den Scherben der Tasse stand.
"Ich glaube, ich geh mal einen Lappen holen. Sieht ja schrecklich hier aus.", murmelte ich und ging ins Badezimmer. Shalley folgte mir.
"Eddy, was ist los?"
"Der Artikel. Wenn er das liest...", fing ich an und unterdrückte die Tränen. So viel Angst hatte ich noch nie gehabt. Schon allein die Vorstellung, dass Went dem Artikel glauben schenken könnte und dann unsere Freundschaft kündigte, ließ mich panisch werden.
"Das ist doch alles erstunken und erlogen."
"Ja, aber das weiß er doch nicht.", jammerte ich und ging mit Schaufel und Besen bewaffnet hinaus. Went stand immer noch da und wusste anscheinend nicht, was er zu der ganzen Aktion sagen sollte.
"Ich geh dann jetzt mal wieder.", meinte er und unsere Blicke trafen sich. Ich wollte, dass er blieb, aber gleichzeitig auch durch diese Tür ging. Er sollte nichts von dem Artikel erfahren.
"Nein!", warf Shalley plötzlich ein und wir wandten uns überrascht zu ihr um. "Ich geh schon."
"Wolltest du nicht gerade noch...", fing ich an, doch sie schüttelte nur den Kopf.
"Das kann warten. Ich muss sowieso wieder los."
"Wohin denn?" Sie konnte mich doch jetzt nicht alleine lassen.
"Arbeiten." Ich wusste, dass sie log.
"Heute ist Sonntag.", warf ich ein und blickte sie fragend an. Was sollte das Ganze jetzt?
"Hausarbeit.", murmelte sie und schnappte sich ihre Handtasche. "Außerdem kann er sowieso nicht gehen."
"Er kann jederzeit gehen, vor allem, wenn er das möchte.", widersprach ich und bückte mich nach den Scherben.
"Ja, und dann wird er von den Paparazzi zerfleischt." Mir rutschte die Schaufel aus der Hand und ich griff schnell nach hier. Hatte ich gesagt, dass der Tag toll war? Korrektur. Vielleicht bis zum Mittag, danach verlief es in eine einzige Katastrophe.
Ich blickte Shalley sauer an. Als Antwort zog sie mich zur Seite.
"Besser du sagst es ihm, als wenn er es anderweitig erfährt." Sie drückte mir die Zeitung in die Hand und verabschiedete sich schnell. Ich hörte die Paparazzi vor der Tür und ihre klickenden Kameras, dann trat wieder Stille ein.
"Tut mir Leid.", murmelte ich und kehrte die restlichen Scherben auf. Die Zeitung lag zusammengerollt neben mir.
"Was ist denn los?" Ich schnappte mir den alten Lappen und wischte die Kaffeespritzer auf. Ich wollte seinen Fragen ausweichen.
"Du musst nicht hier bleiben. Shalley hat manchmal so verrückte Ideen." Ich stand mit Schaufel und Besen vor ihm, hilflos.
"Ich geh nicht, bevor du mir nicht gesagt hast, was plötzlich mit dir los ist. Man wird nicht auf Grund eines Zeitungsartikels so blass wie du es jetzt bist." Er sah mich ernst an und warf dann einen Blick auf die Zeitung.
"Es ist Lucas. Er hat sich an die Presse gewandt und ein Interview gegeben.", gab ich zu und schaffte schnell die Sachen zurück ins Bad, damit er meine Tränen nicht sah. Verdammt, verdammt, verdammt. Ich konnte mich auch lebendig einbuddeln, es kam am Ende dasselbe raus. Ich hielt mein Gesicht unter den Wasserstrahl. Schließlich ging ich wieder zurück ins Wohnzimmer und sah Went den Artikel lesen. Am Liebsten hätte ich ihm die Zeitung aus der Hand gerissen und sie in tausend Stücke zerfetzt.
"Interessant. Du hast einen Speer zu Hause?", schmunzelte er.
"Was?" Ich verstand kein Wort.
"Und ich dachte meine Handschellensammlung wäre schon etwas Besonderes." Mittlerweile konnte er ein Lachen nicht mehr unterdrücken.
"Wovon redest du bitte schön?" Ich setzte mich neben ihn und linste in die Zeitung. Mein Herz blieb fast stehen, als ich Bilder von mir darin sah.
"Na, von den Erzählungen deines Ex-Freundes." Ich wurde weiß.
"Ich muss dir was erklären...", begann ich und presste die Lippen fest aufeinander. Verdammter Lucas. Der sollte mir noch mal unter die Finger kommen.
"Brauchst du nicht. Ich weiß auch so, dass es nicht stimmt." Ich machte große Augen.
"Du glaubst ihm nicht?"
"Warum sollte ich? Er erzählt genau das Gegenteil von dem, was du mir erzählt hast. Außerdem hat Shalleys Verhalten ja eindeutig erklärt, wer hier die Wahrheit sagt." Zum zweiten Mal an diesem Tag hörte ich es richtig heftig plumpsen. Wieder ein Stein wenig auf dem Herzen. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte.
"Kann ich mal sehen?", fragte ich deshalb, aber er gab sie mir nicht. Stattdessen fing er an vorzulesen.
"Ich bin Lynn Edwards Vater.", las er die Überschrift vor. Ich verdrehte die Augen. Erzeuger traf es wohl eher. "Das Geheimnis um Wentworth Millers Freundin Alexis Edwards ist gelöst worden, von ihrem Ex-Freund und gleichzeitig auch Vater ihrer kleinen Tochter selbst. Sein Name: Lucas Gabriel, 30. Exklusiv sprach er mit uns und verriet, wen sich Michael Scofield im wirklichen Leben geangelt hat. So viel sei verraten: Eine zweite Sara ist sie nicht, ganz im Gegenteil. "Sie hat mich kurz vor der Geburt unserer Tochter einfach verlassen, abserviert. Für so einen reichen Kerl, dem sie sich in die Arme geworfen hat.", berichtete Gabriel während unseres Interviews. Er sei am Boden zerstört gewesen und habe versucht, sie zur Rückkehr zu überreden. Doch stattdessen wies sie ihn ab und verweigerte ihm, seine Tochter zu sehen." Ich lehnte mich an Wents Schulter, um mitlesen zu können. Um den Schwachsinn schwarz auf weiß zu sehen. Bis jetzt stimmte nichts, außer Lucas Name. Nicht mal sein Alter war korrekt. Er war schon 33.
Went las weiter den Artikel vor, in dem Lucas sein wahres Können zeigte. Er konnte lügen ohne mit der Wimper zu zucken. Nicht nur, dass ich ihn angeblich verlassen hatte, ich sollte ihn auch noch ausgenutzt haben. Als er angeblich nicht mehr genügend Geld mehr für meinen Lebensstil aufbringen konnte, hätte ich mir reichere Männer ausgesucht, um meine Wünsche zu erfüllen. Dabei hatte er anscheinend "Beweisfotos" mitgebracht. Es waren Bilder aus Australien zu sehen, auf denen ich Arm in Arm mit einem jungen Mann dastand. Das Foto zeigte Kronprinz Frederik von Dänemark und mich bei den Olympischen Spielen in Sydney im Jahre 2000. Ich hatte bei der Veranstaltung arbeiten dürfen und hatte die Chance bekommen ein Foto mit dem Prinzen machen zu dürfen. Wir hatten insgesamt vielleicht drei Sätze miteinander gewechselt, mehr nicht. Durch den Artikel klang es, als hätten wir uns regelmäßig getroffen und eine Beziehung geführt. Wie kam Lucas auf solche dummen Ideen, von denen er genau wusste, dass sie gelogen waren und ans Tageslicht kommen würden? Dabei hatte er noch nicht einmal den Höhepunkt seiner falschen Erzählungen erreicht. Er berichtete auch von meiner Schulzeit in Palo Alto.
"Sie war eine gute Schülerin, so meinte man zumindest. Doch sie mogelte sich durch alle Prüfungen oder bestach die Lehrer. Sie war eine gute Speerwerferin und bedrohte andere Mitschüler damit." Als Went das vorlas, musste ich lachen. Lucas und ich waren nicht auf dieselbe High School gegangen, woher sollte er das also alles wissen? Zudem war er 4 Jahre älter als ich. Ich nahm Went die Zeitung aus der Hand und warf sie auf den Tisch. Dann trank ich mit einem Zug den restlichen Wein in meinem Glas aus.
"Also eins muss man ihm lassen: Fantasie hat er!", kommentierte Went den Artikel. Wir mussten beide kurz lachen und der Frust wich der Belustigung über Lucas. Dennoch lag die Belastung wie Blei auf mir. Für Außenstehende wirkte der Bericht sehr überzeugend, vor allem durch die Bilder. Viele würden also Lucas glauben und nicht mir. Angst kroch in mir hoch. Wenn meine Arbeitskollegen davon erfuhren oder sogar meine Chefs, würden sie mich dann entlassen? Schlechte Publicity konnte schließlich keiner gebrauchen!
"Du bist ganz blass!"
"Ja, war lange nicht mehr in der Sonne.", witzelte ich herum, um seinem besorgten Blick zu entgehen.
"Du brauchst Urlaub!", erwiderte er und ich lachte kurz auf.
"Was ist das?" Ich warf ihm einen sarkastischen Blick zu.
"Du weißt, dass du mit nach Deutschland kommen könntest. Meine Einladung steht." Das war ja so klar, dass das kommen würde.
"Went, zum letzten Mal. Ich kann nicht, auch wenn ich noch zu gerne würde. Ich bekomm so kurzfristig keinen Urlaub mehr."
"Du brauchst dich um nichts mehr zu kümmern." Ich setzte mich kerzengerade hin und blickte ihn mit funkelnden Augen an.
"Wentworth Miller, was hast du dieses Mal angestellt?" Ich bohrte meinen Blick an ihm fest und würde nicht eher wegblicken bis er mir die Wahrheit gesagt hatte.
"Ich habe bei deinen Vorgesetzten angerufen und Urlaub für dich beantragt!" Ich saß total verdattert da. Hätten Went und Lucas vor mir gestanden, hätte ich nicht gewusst, wem ich zuerst eine scheuern hätte sollen. Die Tatsache, dass er es auch noch so seelenruhig aussprach, brachte mich auf die Palme, aber eine ganz Hohe.
"Du hast was?"
"Ich habe bei deinen Vorgesetzten angerufen und Urlaub für dich beantragt!", wiederholte er noch einmal. Wenn andere Leute in dieser Situation sprichwörtlich auf 180 waren, so zog ich soeben auf der Überholspur mit 300 Sachen und gezücktem Stinkefinger an ihnen vorbei. Das durfte doch einfach nicht wahr sein. Hallo? Das war mein Leben, durfte ich vielleicht auch mal was dazu sagen?
"Wenn das jetzt ein Witz ist, dann finde ich ihn ganz und gar nicht lustig." Ich biss die Zähne zusammen, um nicht auszurasten, aufzuspringen oder gar ein paar Gläser durch die Gegend zu werfen.
"Kein Witz. Sam und ich sind der Meinung, dass du dringend Urlaub brauchst."
"Sam? Du?" Das wurde ja immer besser. Jetzt hatte er auch noch meinen Bruder auf seine Seite gezogen.
"Irgendjemanden musste ich ja nach deinen Daten fragen." Daten? Waren wir hier in der Truman Show, nur das sie jetzt Alexis Show hieß?
"Noch mal ganz langsam und von vorn." Ich dehnte jedes Wort, um es ja auch richtig zu verstehen. "Du bist mit meinem Bruder auf die grandiose Idee gekommen Urlaub für mich zu beantragen und hast dann mit ihm meine Daten weitergegeben, um über meinen Kopf hinweg ein Ticket für mich nach Deutschland zu buchen?"
"So grob, ja." Es freute ihn anscheinend, dass er mich damit zur Weißglut trieb.
"Findest du das witzig? Hast du in deiner egoistische Weise auch einmal an Lynn gedacht?"
"Nur. Sie kommt natürlich mit." Ich krallte meine Hände ins Sofa, um sie ihm nicht gleich um den Hals zu legen. Das würde ich mir aufheben, falls er noch bessere Ideen hatte. "Warum sträubst du dich so dagegen? Du magst Deutschland, du brauchst Urlaub und deine Vorgesetzten haben es dir genehmigt." Klar, sie werden ja bestimmt auch gegen Wentworth Miller das Wort erheben und vermutlich hatte er sowieso die Sekretärinnen betört. Ich sah ihn direkt vor mir wie er im Anzug frisch-fröhlich ins Büro meines Chefs wanderte, der Sekretärin zuzwinkerte, die daraufhin in Ohnmacht fiel, und locker meinem Chef klar machte, dass die kleine dumme Sekretärin aus der 12.Etage, deren Name er vorher noch nie gehört hatte, Urlaub brauchte. Dann noch schnell ein paar Autogramme für die Tochter des Chefs geschrieben und schon konnte Wentworth Miller, der heldenhafte Ritter aus dem 21. Jahrhundert zufrieden auf seinem weißen Ross nach Hause reiten. Und wenn er nicht gestorben ist, rettet er noch heute. Tolle Geschichte, musste ich mir unbedingt bis heute Abend für Lynn merken. Sie würde begeistert sein und Sekretärin werden wollen.
"Also, was ist nun? Kommst du mit oder muss ich alleine reisen?", fragte er und sah mich flehentlich an.
Teppich

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Teppich »

Oooch! Ich stell mir das grad sowas von süss vor, wie
Went da so halb sitzend vor sich hin pennt und den Mund offen
hat *kicher* Wirklich knuffig :D
Oh, was für ein Dreckskerl!!!! :motz: :motz:
Was erzählt er da für'n Schwachsinn?! bah, so fies :(
Aber gut, dass sie darüber lachen konnte. Denn das alles gelogen ist,
weiss sie ja am Besten.

Was?! Er hat kurzerhand beschlossen, ihr ein Ticket zu holen um mit
ihr nach Deutschland zu gehen? Na das nenn ich doch mal
ne TOLLE Idee :D :D
Hoffentlich sagt sie zu!!!!

Es freut mich sehr, dass die 2 Mädels sich vertragen haben!
:D

OOOOH, ich beneide dich!! Ich war Mai 2007 dort, will gleich nochmal
hin :tounge:
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

Oh cool ,wie is L.A. denn so?

Went leicht sabbernd stell ich mir auch süß vor, allein schon die Vorstellung, dass er neben einem liegt wenn man aufwacht :<>
Da gehen die Gedanken mit mir durch :D

Ja, er ist hartnäckig, wenns um Deutschlanf geht ;) Is aber vll auch gut so...
und das shalley und Alex sich wieder vetragen, musste sein, denn sonst wären sie ka nicht beste Freunde :D

Viel Spaß beim lesen :D


Kapitel 28: Bring on tomorrow


"Du fliegst ohne Gefolge nach Deutschland?", versuchte ich Zeit rauszuschlagen.
"Alex!" Seine Stimme klang warnend. "Entscheiden Sie sich....jetzt!"
Ich seufzte. Er hatte mir ja nahezu keine andere Wahl gelassen. Außerdem war es ja schon süß, dass er Lynn und mich unbedingt dabei haben wollte. Deutschland wieder zu besuchen war natürlich auch verlockend.
"Okay okay, ich komme mit!", willigte ich schließlich ein und ein Strahlen machte sich auf seinem Gesicht breit. "Brauchst gar nicht so zu grinsen, Freundchen!"
"Dann heule ich eben vor Freude!" Er tat so, als würde er sich die Augen ausheulen, was ihm einen Knuff von mir einbrachte.
"Blödmann!", lachte ich. "Auf was habe ich mich nur wieder eingelassen?"
"3 1/2 Tage Urlaub.", antwortete er verschmitzt.
"Gerade eben waren es noch 4.", bemerkte ich.
"Naja, du musst am Montag wieder arbeiten und deswegen fliegt ihr Sonntag wieder zurück."
"Toll, den einen Tag hättest du auch noch rausschlagen können." Ich zog eine Schnute.
"Ich musste schon auf Knien rutschen, um überhaupt Urlaub für dich zu bekommen. Deine Vorgesetzten waren gar nicht so leicht zu überzeugen." Ich grinste breit bei der Vorstellung wie Went meinem Chef auf Knien am Bein hing und ihn um Urlaub anbettelte.
"Und wann geht´s nun genau los?"
"Donnerstag früh, aber ich ruf dich deswegen noch mal an."
"Du kannst auch herkommen.", schlug ich vor, doch er schüttelte den Kopf.
"Meine Schwester Leigh kommt morgen her und wir wollen ein paar Verwandte besuchen. Ich werd wahrscheinlich erst Mittwoch wieder da sein. Deswegen muss ich jetzt auch leider los." Er sah mich betrübt an.
"Wieso leider? Warte erst mal die 3 1/2 Tage Deutschland ab. Danach willst du uns sowieso nicht wieder sehen." Er verdrehte die Augen.
"Schlimmer als Urlaub mit kleinen pubertierenden Schwestern kann es schon nicht werden.", lachte er und wir standen auf. Wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung und er drückte mir wieder einen Kuss auf die Wange. Dabei sah er mich irgendwie erwartungsvoll an und ich blickte schnell zu Boden, damit er nicht sah, dass ich rot angelaufen war.
Er hatte schon die Hand an der Klinge, als ihm noch etwas einfiel.
"Ach ja, das hätte ich fast vergessen." Er zog einen Briefumschlag aus seiner Jacke und reichte ihn mir. Dann lächelte er ein letztes Mal und öffnete die Tür. Augenblicklich hörte ich wieder die Paparazzi rufen und ihre Kameras betätigen. Da ich genau hinter der Tür stand, konnte ich nicht sehen, wie Went reagierte. Ich hoffte, dass er da lebend raus kam und schloss die Tür. Dann lenkte ich mein Interesse auf den Umschlag, den er mir überreicht hatte. Ich drehte ihn um, doch es stand nichts drauf. Also öffnete ich ihn vorsichtig und zog eine Karte heraus. Auf dem Cover war eine Figur zu sehen, die versuchte eine schwere Kiste über den Boden zu ziehen. Darüber stand in einer Sprechblase geschrieben: "Wenn die Einzugsparty genauso anstrengend wird wie der Umzug, dann zieh ich wieder aus." Ich lachte und öffnete die Karte. In derselben Handschrift wie auf dem Cover hatte Went eine Einladung zum Einzug in seine neue Wohnung geschrieben. Er hatte den Comic also selber gezeichnet und ich freute mich schon auf den 16. Mai, wenn die Party stattfand. Wen er wohl noch so alles eingeladen hatte? Bestimmt dieselben Personen wie auch bei dem Treffen, als ich Köchin gespielt hatte. Und was schenkte man da überhaupt? Natürlich fiel mir nichts ein, aber es blieb ja noch ein wenig Zeit.
Ich ging in Lynns Zimmer und weckte sie. Sie hatte tatsächlich über 2 Stunden geschlafen und sah mich verwirrt an. Ich ließ ihr noch ein bisschen Zeit und ging in der Zwischenzeit in die Küche, um ihr einen Kakao zu kochen. Dazu gab es Kekse und der Geruch von Schokolade zog sie schon nach wenigen Minuten in die Küche.
"Ist Onkel Went schon weg?", fragte sie mich und knabberte an ihrem Keks. Ich nickte.
"Er fährt morgen fort."
"Wohin?"
"Zu seiner Familie." Sie machte große Augen.
"Wann kommt er wieder?"
"Am Mittwoch."
"Darf ich dann wieder mit ihm spielen?" Ich grinste.
"Bestimmt. Wir können ihn ja anrufen." Das schien sie zu beruhigen, denn sie stellte keine Fragen mehr. Den restlichen Nachmittag spielten wir im Wohnzimmer mit Puppen. Kurz vor dem Abendessen rief ich dann Sam an. Er ging auch gleich ran an sein Handy und wir verabredeten uns für Morgen in der Mittagspause, um in Ruhe miteinander zu reden. Ich war überglücklich, dass er mir noch eine Chance gab, auch wenn ich glaubte, dass Shalley ihren Teil dazu beigetragen hatte.
Am Abend, als ich im Bett lag, dachte ich noch einmal über den heutigen Tag nach. Lucas hatte Lügen über mich verbreitet, aber wenn er dachte, dass ich deswegen ausrastete oder mich beschwerte, dann lag er falsch. Ich würde seine Aussage einfach so im Raum stehen lassen, umso mehr würde er sich aufregen und uns in Ruhe lassen. Hoffte ich zumindest. Viel wichtiger war sowieso die Versöhnung mit Shalley. Ich wusste, dass sie immer 100 Prozent hinter mir stand und jetzt war es an der Zeit, sie auch mal zu unterstützen. Genauso mit Sam. Ich wollte mich mit ihm aussprechen und mich nicht nur entschuldigen. Sonst würden wir uns schneller wieder in den Haaren haben, als uns lieb war. Dann schweiften meine Gedanken zu Went und mein Herz schlug gleich dreimal schneller. Ich hatte mir meine Gefühle eingestanden, schön und gut, aber das war immer alles wie weggeblasen, wenn er da war. Dann herrschte nur Angst in mir und ich konnte nichts dagegen tun. Statt mich zu freuen, dass er mich nach Deutschland eingeladen hatte, war ich fast ausgerastet und hatte mich aufgeführt, als würde er sonst etwas Schreckliches von mir verlangen. Dabei hatte er es nur gut gemeint und wie so oft ja auch Recht gehabt. Eigentlich müsste ich mich tagtäglich für mein Benehmen ohrfeigen und das bis an mein Lebensende. Überhaupt verstand ich mich selber nicht mehr. Ich hatte Stimmungsschwankungen, die zwischen total glücklich und tief traurig schwankten. Einen Moment lang grinste ich so sehr, dass man hätte meinen können, dass sich beide Mundwinkel hinten am Nacken trafen und in der nächsten Sekunde liefen mir schon wieder die Tränen in Strömen übers Gesicht. Menschen, über die ich mich schrecklich aufregen sollte, ließen mich kalt. Dafür ging ich sofort an die Ecke, wenn man mir etwas Gutes tun wollte. Vielleicht drehte ich ja durch und brauchte keinen Deutschlandurlaub, sondern eine Einweisung in die Nervenklinik. Los Angeles hatte da ja ein paar Gute.

Der nächste Morgen verlief wie gewohnt turbulent, aber alles innerhalb des Zeitrahmens. Ich war so aufgekratzt, dass ich mir dreimal die Zähne putzte ohne es wirklich wahr zu nehmen. Nur eine verwunderte Lynn riss mich aus meinen Gedanken. Doch heute gab es so viel zu tun, dass ich nicht ruhig bleiben konnte. Zum Ersten bekam ich heute meine Prüfungsergebnisse beziehungsweise konnte ich sie im Internet einsehen. Dazu brauchte ich aber meine persönliche Nummer und die fand ich einfach nicht. Fluchend lief ich durch die Wohnung bis ich sie am Kühlschrank fand. Ordnung ist das halbe Leben. Die andere Hälfte verbrachte man mit Suchen.
Zum Zweiten traf ich mich in meiner Mittagspause mit Sam, was mich auch nicht gerade beruhigte. Ich wollte ihm so viel erzählen, doch würde es am Ende vielleicht so sein wie mit Went, dass ich genau das Gegenteil tat? Ich verwarf den Gedanken schnell wieder. Sam war mein Zwillingsbruder, das war etwas ganz anderes.
Zu guter Letzt musste ich ja auch noch Koffer packen. Ich wusste gar nicht, was ich alles mitnehmen sollte, schließlich waren es ja nur knapp 4 Tage. Aber Lynn kam mit und ich wusste nie genau wie viel ihrer Sachen sie verschmutzen würde. Also lieber mehr als weniger einpacken. Ich hatte mir schon gedanklich eine Liste gemacht, als ich im Bürogebäude ankam. Schon am Eingang warfen mir die anderen Leute komische Seitenblicke zu. Da hatten wohl viele Leute gestern die Zeitung gelesen. Na, das würde ja ein toller Arbeitstag werden. Ich fühlte mich wie unter Beobachtung, als würden mir hunderte Kameras auf Schritt und Tritt folgen. Schnell verkroch ich mich hinter meinem Schreibtisch und vertiefte mich in die Unterlagen, die ich bearbeiten musste. Nur wenn es unumgänglich war, ging ich den Gang entlang zum Kopierer und stellte mich dem Getuschel der anderen Mitarbeiter. Zwei andere Sekretärinnen schafften es sogar mit dem Finger auf mich zu zeigen, als ich sie direkt ansah. Wie leicht die Leute doch von einer Klatschzeitung zu beeinflussen waren. Dabei kannte ich die meisten schon seitdem ich hier angefangen hatte und das waren jetzt immerhin schon drei Jahre.
Nur durch Megan und ihren Kaffee überstand ich es bis zur Mittagspause. Fast zumindest. Ich war schon halb auf dem Weg zu dem Treffen mit Sam, als mich die Sekretärin des Chefs anrief. Ich sollte doch bitte sofort zu meinem Vorgesetzten kommen. Das konnte nichts Gutes heißen und ich schrieb Sam vorausschauend eine SMS. Mit klopfendem Herzen fuhr ich in die höher gelegene Etage. Hatte er auch die Zeitung gelesen? Würde es deswegen Ärger geben? Andrew Pebworth war ein strenger, aber fairer Chef. Ich mochte ihn, aber zweifelte daran, dass ich deshalb ungeschoren davon kommen würde. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst.
Ich lief an der Sekretärin vorbei und klopfte an der Tür. Pebworth saß auf seinem Stuhl und blickte mich erwartungsvoll an. Er bat mich Platz zu nehmen und ich setzte mich schweigend hin. Mein Herz war kurz davor zu zerspringen. Ich durfte diesen Job nicht verlieren, nicht jetzt und überhaupt eigentlich niemals.
"Ms. Edwards.", begann er und ich lächelte scheu. "Vor ein paar Tagen rief mich ein gewisser Mister Miller persönlich an, um mich um Urlaub für Sie zu bitten. Ich habe natürlich zugestimmt, denn er ist einer unserer wichtigsten Mitarbeiter hier." Wie jetzt? Ich dachte, Went war Schauspieler? Ach, verdammt. Er arbeitet ja für FOX. "Doch dann musste ich gestern diesen Artikel über Sie lesen, nachdem ich schon den ganzen Rummel davor verfolgt habe." Ich blickte zu Boden. Mein eigener Chef wusste, was ich in meiner Freizeit tat und vor allem mit wem.
"Es geht mich nichts an, was Sie in ihrer Freizeit tun, Ms. Edwards. Aber meine Sorge ist, dass es dabei nicht bleiben wird. Meine Frage an sie ist nun: Beeinflusst Ihr Privatleben Ihre Arbeit?" Ich schaute überrascht auf.
"Nein, Mr. Pebworth. Keineswegs.", antwortete ich ehrlich. Ich machte meine Arbeit nach wie vor gewissenhaft. Keiner konnte mir Nachlässigkeit vorwerfen.
"Trotzdem würde ich Sie bitten, Ihr Privatleben privat zu halten. Wie immer auch Ihr Verhältnis zu Mr. Miller ist, so beeinflusst es doch das Arbeitsklima sehr."
"Ja, natürlich." Ich versuchte krampfhaft nicht rot zu werden.
"Dann können Sie jetzt gehen. Ich werde Sie aber im Auge behalten. Sollte es einen weiteren Vorfall deshalb geben, bin ich gezwungen, Sie nicht nur zu verwarnen." Er blickte mich ernst an und ich stand mit wackligen Knien auf. Langsam ging ich zur Tür und wünschte noch einen angenehmen Tag. Vor der Tür atmete ich einmal tief aus und ein, dann machte ich mich auf zu Sam. Ich war froh darüber, einen so tollen Chef zu haben, auch wenn er nur seine Arbeit machte. Ich verstand es ja, dass er sich um den Betrieb Sorgen machte und mein Privatleben nicht gerade zum guten Klima verhalf.
Gerade noch pünktlich erreichte ich das Café, wo Sam schon auf mich wartete. Ich begrüßte ihn unsicher und die Anspannung zwischen uns war greifbar. Ich bestellte mir einen Kaffee und nahm dann all meinen Mut zusammen. Ich erzählte ihm alles genauso, wie ich es Shalley gestern gesagt hatte und entschuldigte mich für mein Verhalten.
Wir redeten die ganze Mittagspause miteinander, was schief gelaufen war und wie es weitergehen sollte. Am Ende umarmten wir uns lange und er wollte heute Abend wieder zurückkommen. Ich war so erleichtert, dass ich fast schon wieder losgeheult hätte. Doch ich riss mich zusammen und setzte stattdessen ein Lächeln auf. Ich verabschiedete mich von ihm und lief zum Büro zurück. Es war Zeit meine Prüfungsergebnisse einzusehen. Ich setzte mich also an den Computer, Megan neben mir, die meine Hand hielt.
Tausend Gedanken schossen durch meinen Kopf. Was, wenn ich bestanden hatte? Was, wenn ich durchgefallen war? Ich wusste auf beides keine Antwort. Ich hatte zwar Bewerbungen vorbereitet, war aber in den letzten Wochen mit anderen Problemen beschäftigt gewesen. Prompt machte sich Went wieder in meinem Kopf breit. Widerwillig verdrängte ich ihn und gab langsam meine Nummer in den Computer ein. Mein Name erschien und dann die Prüfungsergebnisse. Ich hatte bestanden!! Zuerst starrte ich nur den Bildschirm an, benommen von dem Anblick, doch dann sickerte es ganz langsam durch. Megan umarmte mich und gratulierte mir zu meinem Abschluss. Die schriftlichen Prüfungen hatte ich bis auf die Erste mit "Gut" bestanden, die Praktische sogar mit "Sehr gut". Nur einmal "Befriedigend", was wollte ich mehr? Ich lächelte und war ein bisschen stolz auf mich. Nun konnte ich mit Freude meine Bewerbungen abschicken.
Ich schrieb Sam, Shalley und meinen Eltern eine SMS, dass ich bestanden hatte und ging dann wieder an die Arbeit. Während ich die Akten stapelte, überlegte ich, ob ich auch Went schreiben sollte. Immerhin hatte er mir extra Blumen geschickt und immer wieder danach gefragt. Kurzerhand schickte ich ihm doch noch eine SMS und wünschte ihm gleich noch zwei schöne Tage mit seiner Familie.

Als ich am späten Nachmittag mit Lynn vom Ballettunterricht wiederkam, warteten Sam und Shalley schon in unserer Wohnung. Sie grinsten beide übers Gesicht und gratulierten mir noch einmal persönlich. Sam hatte eine Flasche Sekt besorgt und goss uns ein. Shalley und Lynn tranken nur Orangensaft, stießen aber trotzdem mit an. Dann musste ich alles genau erzählen, obwohl es da ja nicht so viel zu berichten gab. Ich hatte insgesamt mit einem Durchschnitt von 1,9 bestanden und würde in knapp zwei Wochen meine Zeugnisse erhalten. Sam versprach bei der Abschlussfeier dabei zu sein, Shalley wusste es noch nicht. Mir war es egal, denn ich freute mich schon darüber sie hier zu haben. Ich umarmte beide noch einmal, bevor sie wieder gingen.
Nach dem Abendessen, als Lynn schon schlief, begann ich die ersten Sachen in den Koffer einzupacken und eine Liste für weitere Besorgungen aufzuschreiben. Es gab noch so viel zu tun.
Als ich ins Bett ging, sah ich noch einmal auf mein Handy. Mom hatte mir geschrieben und gratulierte mir im Namen der restlichen Familie. Sie wollte mich morgen Abend anrufen. Dann konnte ich ihr auch gleich von meinem Kurzurlaub erzählen. Dabei fiel mir etwas ein und ich schaute auf die Uhr. Kurz nach 23 Uhr, plus 10 Stunden Zeitverschiebung ergab 8 Uhr morgens. Vielleicht war sie ja schon wach. Ich suchte in meinem Handy nach ihrer Nummer und rief an. Über den Preis wollte ich jetzt nicht nachdenken, wir hatten so lange schon nicht mehr telefoniert.
"Neubauer, hallo?", meldete sie eine Frau am anderen Ende der Leitung. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.
"Hi Simone, here is Alexis!" Für einen Moment herrschte Stille am anderen Ende der Leitung.
"Alexis!", kam es schließlich erfreut zurück. "Oh mein Gott, was für eine Überraschung!" Selbst so früh am Morgen konnte sie ihr perfektes Englisch hervorholen.
"Hey, wie geht´s dir?"
"Gut, und dir? Wir haben schon so lange nicht mehr telefoniert."
"Mir geht´s auch prima. Bei Linda und Harry alles klar?"
"Ja, du würdest dich wundern wie groß sie geworden sind."
"Davon kann ich mich ja hoffentlich bald überzeugen.", grinste ich.
"Heißt das, du kommst nach Deutschland?" Ich hörte sie jubeln und ließ mich gern davon anstecken.
"Ja, am Donnerstag fliege ich los.", erzählte ich ihr.
"Oh!", war die Antwort und ich stutzte.
"Was? Bist du nicht da?"
"Linda will am Samstag nach Nürnberg und ich hab ihr versprochen mitzukommen."
"Was ist denn am Samstag?"
"Da findet so eine Show statt mit vielen Stars und sie will unbedingt hin, für ein paar Autogramme. Du weißt ja, Teenager." Ich konnte förmlich vor mir sehen, wie sie die Augen verdrehte.
"Dann lass uns doch einfach am Freitag einen Kaffee zusammen trinken. Es muss ja nicht für lange sein. Lynn kommt auch mit und da kannst du sie endlich mal sehen."
"Ja, ich würde mich wirklich freuen. Mal sehen, ob Linda und Harry Lust haben mitzukommen. Meld dich einfach, wenn du da bist und ich komme." Ich versprach ihr, mich zu melden und nach einem kurzen Gespräch legten wir wieder auf. Ich freute mich jetzt noch mehr auf den Besuch in Deutschland.

"Guten Morgen!" Sam saß am gedeckten Frühstückstisch und grinste. Ich lächelte zurück und freute mich, dass er wieder da war. Lynn kletterte auf seinen Schoss und gemeinsam frühstückten wir. "Gehst du heute noch einkaufen oder soll ich das machen, wenn ich Feierabend habe?"
"Nein, nein. Ich muss sowieso noch einige Besorgungen machen."
"Für was?"
"Na, unseren Deutschlandurlaub."
"Du hast also tatsächlich zugesagt? Verdammt." Ich zog die Stirn kraus.
"Wieso verdammt? Freust du dich nicht."
"Doch natürlich, sorry. Aber ich hatte mit Went gewettet, dass du absagen würdest. Nun schulde ich ihm zwei Bier." Ich verdrehte die Augen.
"Komm doch ins "Blue Ocean", dann kann ich sie dir kostenlos geben.", schlug ich vor und er grinste.
"Gute Idee, aber ich glaube, dass lässt er nicht gelten." Ich zuckte mit den Schultern und schmierte Sandwiches für Lynn.
"Sehen wir uns heute Abend zum Essen?", fragte ich ihn, als wir kurz vorm Gehen waren. Er nickte und wünschte uns einen schönen Tag. Ich grinste, auch wenn ich nicht glaubte, dass es so werden würde. Noch immer lauerten uns ein paar einzelne Paparazzi auf und im Büro herrschte dank Lucas` Interview eine seltsame Stimmung. Alle schauten mich an, als wäre ich vom Mond und unter Pebworths Beobachtung zu stehen, machte es auch nicht einfacher.
Zur Mittagspause trauten sich zwei Kolleginnen tatsächlich zu mir an den Tisch, um nach einem Autogramm von Went zu fragen. Ich ignorierte ihre Anfrage und wimmelte sie ab. Sollten sie ihn schon selber fragen, ich war hier doch nicht das Mädchen für alles. Angesäuert aß ich weiter und wünschte mich schon weit, weit weg von hier. In dem Moment kam mir eine Idee, wie ich mich bei Went für die Einladung bedanken konnte. Schnell kramte ich einen Zettel hervor und schrieb alles auf, damit ich es nicht vergaß. Dann nahm ich mein Handy und tippte eine SMS für ihn ein. Hoffentlich würde alles so klappen wie ich es mir vorgestellt hatte.
Nach der Arbeit ging ich einkaufen und arbeitete meine Besorgungsliste ab. Was ich nicht fand, würde ich morgen noch besorgen. Lynn machte bei der Anzahl von Einkaufstüten große Augen und steckte ihre Nase hinein. Lächelnd reichte ihr eine kleine Tüte mit Schokokugeln, die sie sich nacheinander in den Mund schob und dann mit Hamsterbacken versuchte alles zu kauen und hinunter zu schlucken. Ich schüttelte den Kopf und versuchte sie davon abzuhalten, dabei auch noch wie ein Flummi auf und ab zu hüpfen. Dabei kam mir eine Idee für ein Einzugsgeschenk für Went. Meine Güte, heute war wohl mein kreativer Tag. Sollte ich wohl nutzen.
Wie versprochen rief meine Mutter am Abend an und wir redeten über eine Stunde miteinander. Es gab viel zu erzählen und da sie mich ja sowieso durchschaut hätte, erzählte ich ihr auch von Went. Sie freute sich natürlich für Lynn und mich, konnte sich aber einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen.
"Also seid ihr jetzt zusammen? Wentworth und du?" Ich verdrehte die Augen.
"Nein, Mom. Wir sind nicht zusammen.", klärte ich sie auf.
"Naja, was nicht ist, kann ja noch werden."
"Mom!"
"Warum denn nicht? So wie du es mir beschrieben hast, schleicht ihr wie die Geier um das sterbende Tier um einander herum." Wow, toller Vergleich, Mom. Ich fühlte mich gleich geehrt.
"Das heißt gar nichts.", wehrte ich mich, aber genauso gut hätte ich mit der Wand reden können. Mom hörte gar nicht zu und lud Went gleich mit zu der alljährlichen Grillparty bei meinen Eltern ein. Natürlich würde ich die Einladung nicht weiterreichen. Da hätte ich Went ja auch gleich den Paparazzi zum Fraß vorwerfen können. Es kam dasselbe dabei heraus.
Am Ende unseres Gesprächs fiel mir dann meine Idee vom Nachmittag wieder ein, also bat ich meine Mom um einen Gefallen. Da es ja für Went war, willigte sie sofort ein und ich versprach, ihr alles so schnell wie möglich zuzusenden. Zufrieden legte ich auf und ging nach Lynn schauen. Sie schlief schon und ich deckte sie vorsichtig zu. Ich wollte früh zu Bett gehen und machte mich deshalb bettfertig. Übermorgen würden wir auf den Weg nach Deutschland sein. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Nach 7 Jahren würde ich wieder dorthin zurückkehren. Das hatte ich mir schon so lange gewünscht und auch vorgenommen.
In diesem Moment vibrierte mein Handy und ich machte vor Schreck einen Sprung zur Seite. Dieses Ding würde mich noch einmal umbringen, fluchte ich in Gedanken und stellte die Vibration aus. Ich hatte eine SMS empfangen, besser gesagt mein Handy. Ich öffnete sie und grinste.
"Herzlichen Glückwunsch zur bestandenen Prüfung, da hat mein Daumen drücken ja geholfen. Ich freu mich über die Einladung, bis morgen. Went" Dann gab es ja morgen viel zu tun. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief ich ein.

"Nein, Shay!" Ich verdrehte leicht genervt die Augen.
"Ach, komm nur einmal. Ganz kurz. Für mich. Bitte." Sie sah mich flehentlich an. Ich riss ihr das Kleid aus der Hand und verschwand in der Umkleide. Warum ich es überhaupt anprobierte, wusste wahrscheinlich nicht einmal Shalley selber. Schließlich würde ich mit Went nirgendwohin ausgehen, zumindest hatte er nichts davon gesagt. Okay, er hatte eigentlich noch gar nichts zur Reise gesagt, da wir uns ja erst heute Abend sehen würden.
"Und passt es?" Wie lange war ich in dieser Kabine? 10 Sekunden? Wie bitte schön sollte ich mich in dieser kurzen Zeit entkleidet und in dieses Kleid reingequetscht haben?
"Ich hab es noch nicht an, Shay! Also nerv mich nicht.", knurrte ich zurück. Ich hätte ihr Verhalten ja auf die Schwangerschaft schieben können, aber sie war vorher auch nicht anders gewesen. Ich zog meine Hose und mein T-Shirt aus und schlüpfte in das Kleid. Es passte zum Glück und ich sah auch nicht aus wie eine Presswurst. Unsicher öffnete ich den Vorhang, so dass Shay mich in dem roten Kleid sehen konnte.
"Awww, du siehst bezaubernd aus!", quiekte sie und der halbe Laden drehte sich zu uns um. Toll, noch mehr starrende Blicke konnte ich jetzt gebrauchen.
"Gut, dann können wir ja jetzt gehen und endlich die wichtigen Dinge einkaufen gehen." Ich hätte auf die schrillenden Alarmglocken in meinem Kopf hören sollen, als Shay sich angeboten hatte, mit mir einkaufen zu gehen. Sie verwechselte das gerne mal mit shoppen, während ich von Lebensmitteln redete.
"Nur wenn du es kaufst.", widersprach sie und verschränkte die Arme. Ich zeigte ihr den Vogel.
"Habe ich im Lotto gewonnen oder was?"
"Nein, aber dein Bruder hat ordentlich Geld von Eastpack erhalten."
"Toll, und deshalb darf ich mich jetzt an seinem Verdienst vergreifen, oder was?" Ich schloss den Vorhang und öffnete das Kleid, um mich wieder umzuziehen.
"Du kaufst es.", trällerte Shalley mir vor der Kabine zu.
"Nein.", erwiderte ich im selben Singsang und blickte genervt in den Spiegel.
"Doch, oder du verlässt den Laden nicht lebend."
"Und du in Handschellen.", gab ich zurück und war schon wieder in meine Hosen geschlüpft. Mein Blick fiel wieder auf das Kleid und ich glitt mit den Fingerspitzen darüber. Es war wunderschön und ich hätte es auch zu gerne gekauft, aber nicht für diesen Preis. Manchmal verfluchte ich unsere finanzielle Situation. Warum konnte ich mir so etwas nicht leisten? Egal, es gab wichtigere Dinge, als solch ein Kleid, das ich vielleicht einmal anziehen würde und dann nie wieder.
Ich ging aus der Kabine, hängte das Kleid zurück und ging, ohne auf Shays Kommentare zu hören, aus dem Laden. Lebend. Unterwegs zum Supermarkt kramte ich meine Einkaufsliste hervor und zog eine missmutige Shay hinter mir her. Wir hatten nicht ewig Zeit und so rannte ich schon fast durch die Gänge, um alles noch rechtzeitig zu bekommen. Dann ging es noch in einen Laden ein paar Straßen weiter, wo ich das Meiste für heute Abend besorgte.
"Glaubst du, dass ihm das gefällt?", fragte Shalley mich skeptisch, als ich eine Packung Reis in den Einkaufswagen tat.
"Wenn nicht, dann hat er Pech.", sagte ich ohne mit der Wimper zu zucken.
"Na, jetzt wundert mich ja gar nichts mehr.", kam es prompt zurück und ich schaute sie verwundert an.
"Was wundert dich jetzt nicht mehr?"
"Das ihr noch nicht zusammen seid." Es knallte dumpf und ich blickte nach unten. Die Packung, die ich eben noch in der Hand gehalten hatte, war hinunter gefallen. Zum Glück war sie nicht kaputt gegangen.
"Mach nur weiter so, Shalley und du bezahlst den Schaden."
"Ist doch so. Könntest du denn nicht mal ein bisschen besser von ihm reden. Er ist immerhin Wentworth Miller."
"Ein Mensch genau wie du und ich. Außerdem ist er nicht aus Zucker.", zischte ich zurück und lief zur Kasse.
"Trotzdem. Er gibt sich so viel Mühe und du, du ruinierst alles." Hallo, Kassiererin? Kann ich meine Freundin hier eintauschen und dafür die Ware mitnehmen? Danke, sehr freundlich.
"Wieso ruiniere ich denn alles? Ist es nicht gut so wie es ist? Wir verstehen uns gut, Lynn mag ihn sehr und wir haben viel Spaß zusammen. Also was beschwerst du dich?" Damit drehte ich mich um und lächelte der Verkäuferin zu.

"Mommy, ich hab Hunger!" Lynn schaute mich böse an und hielt sich den Bauch.
"Noch ein bisschen Geduld, Schatz!", meinte ich und deckte den Tisch ein. Wir würden nur zu dritt sein, da Sam ganz plötzlich abgesagt hatte, weil Shalley ihn eingeladen hatte. Das war wieder so typisch für sie.
"Ich will aber jetzt was essen!"
"Willst du ohne Went essen?", fragte ich unschuldig und augenblicklich war Ruhe. Ein Name und sie war das liebste Kind auf Erden. Wenn doch nur alles so einfach wäre.
"Wann kommt er?"
"Bald. Du kannst ja am Fenster schauen, wann er kommt." Gesagt, getan. Keine Minute später hörte ich wie sie einen Stuhl ans Wohnzimmerfenster schob. Ich schaute währenddessen noch einmal nach dem Essen, doch alles war halbwegs so wie ich es wollte. Das hatte heute Nachmittag noch anders ausgesehen. Beinahe wäre mir die Hälfte verbrannt, weil ich noch mit einem Arbeitskollegen telefoniert hatte. Ich hatte gerade noch so alles retten können.
"Mommy, er ist da!", ertönte es aufgeregt aus dem Wohnzimmer und ich lief hinaus auf den Flur. Es klingelte und ich öffnete die Tür. Went stand davor, mit einem Blumenstrauß in der Hand und lächelte.
"Hi, bin ich zu spät?", fragte er besorgt und trat ein.
"Nein, genau richtig.", lächelte ich und er reichte mir den Blumenstrauß.
"Nochmal herzlichen Glückwunsch." Er drückte mich kurz und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich bedankte mich artig und schloss die Tür hinter uns. Lynn stand nun in ihrem roten Kleid vor ihm und er hockte sich hin, um sie zu begrüßen. Meine Tochter, schlau wie war, hatte uns natürlich beobachtet und drückte nun ihrerseits Went ein Küsschen auf die Wange. Er lief natürlich knallrot an und Lynn folgte ihm farblich auf den Fuß. Ich hätte ja am liebsten irgendein Geräusch gemacht, dass diese süße Geste noch unterstrich, verkniff es mir jedoch. Stattdessen kümmerte ich mich um die Blumen und besorgte eine Vase.
"Wie war es bei deiner Familie?", fragte ich ihn und füllte Wasser in die Vase.
"Ein wenig anstrengend. Am Montag waren wir in San Diego bei meinem Cousin und seiner Familie, was noch relativ entspannt verlief. Gestern allerdings waren wir bei Tante und Onkel in Hope, Arizona und wurden ordentlich ausgefragt.", lachte er.
"Oh, das kenn ich. Genau so etwas hatte ich am Montag mit meiner Mutter, nur eben am Telefon."
"Ansonsten alles okay?"
"Ja, geht schon.", meinte ich und fragte ihn, ob er etwas trinken wolle.
"O-Saft reicht zu." Ich schüttete ihm etwas in sein Glas und er setzte sich an den Tisch, Lynn neben ihm. Ich begann währenddessen damit die Teller zu befüllen.
"Also..ehm..der Grund, warum ich dich eigentlich eingeladen habe, ist folgender:...!", begann ich und drehte mich mit einem Teller in der Hand zu ihm um. Mein Herz nahm ein unrhythmisches Klopfen an.
"Oh oh!", kam es von Went und hob die Augenbrauen an. Lynn warf ihn ein "Psssst" zu und drückte dabei ihren Zeigefinger an die Lippen. Toll, ganz die Mutti. Went blickte einen Moment ertappt drein, dann drehte er sich zu mir um und machte dieselbe Gestik zu mir und machte einmal laut "Pssssst" dazu. Ich verbiss mir das Lachen und schaute ihn ernst an. Das war überhaupt nicht lustig. Ich räusperte mich einmal und Went setzte ein süffisantes Grinsen auf. Toll, und ich sollte mich nun noch konzentrieren können.
"Lynn und ich wollten uns bei dir für die Einladung bedanken und haben uns was einfallen lassen. Wir haben dir etwas, sagen wir mal typisch deutsches gekocht." Went machte große Augen und setzte einen für-mich-Fragezeichen-Blick auf. "Damit das Ganze noch sein typisches Flair bekommt, wollte ich mich auch noch für Sonntag entschuldigen." Er lachte leise und ich drehte mich schnell wieder um, damit er nicht sah, dass ich rot wurde. Puh, die erste Hürde war genommen. Nun musste es ihm nur noch schmecken. Vorsichtig füllte ich etwas Kartoffelsuppe in jeden der drei Teller und reichte es rüber an den Tisch. Lynn und Went hielten neugierig die Nasen über die Teller und rochen dran.
"Riecht ja schon mal gut.", bemerkte er und grinste frech.
"Was ist das?", fragte Lynn skeptisch und blickte mich an.
"Kartoffelsuppe.", erklärte ich den beiden und setzte mich.
"Ich seh gar keine Kartoffeln.", beschwerte sie sich und klopfte mir ihrem Löffel auf den Tisch. Aufstand wegen fehlender Kartoffeln in der Kartoffelsuppe war genau das, was ich gebraucht hatte.
"Ich auch nicht, nur Würstchenstücke.", stimmte Went ihr zu und schaute auf Lynns Teller.
"Die Kartoffeln sind püriert." Ganz ruhig. Sie kannten es nicht und würden schon sehen, was sie verpassten, wenn sie es nicht essen wollten. "Guten Appetit.", sagte ich deshalb nur und fing an zu essen. Went tat es mir nach und nahm den ersten Löffel. Gespannt sah ich dabei zu und betete, dass es ihm schmecken würde.
"Hey, das ist gut.", brachte er hervor und blickte mich an.
"Hab ich doch gesagt.", grinste ich und versuchte zu verheimlichen, dass mein Herz vor Freude einmal auf dem Tisch tanzte. Lynn sah uns dagegen zweifelnd an und fischte erst mal nur die Wurststücke aus ihrer Suppe, darauf achtend so wenig pürierte Kartoffeln mitzunehmen wie nur möglich. Schließlich aber nahm sie doch ein paar Löffel von der Suppe, ohne sich darüber zu beschweren.
Nach der Vorspeise folgte die Hauptspeise in Form von Kartoffeln und Spargel in Schinken eingewickelt. Der Spargel hatte mich ein Vermögen gekostet und ich hatte vorher noch nie welchen selber gemacht, also schickte ich ein erneutes Stoßgebet gen Himmel. Lynn machte ich erst gar keinen Spargel auf den Teller, da ich wusste, dass sie es sowieso nicht essen würde. Wenn sie schon bei Kartoffeln einen Aufstand machte, war ich nicht auch noch auf eine Spargelrevolution scharf.
"È voila!", sagte ich und reichte den beiden ihre Teller. Ich erklärte Went und Lynn, was sie hier vorgesetzt bekamen und setzte mich gespannt auf meinen Platz. Während Lynn begeistert ihre Kartoffeln in die Sauce Hollandaise tunkte, sah Went eher skeptisch auf seinen Teller. Mein Opa hätte das wohl so kommentiert: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht!
Am Ende war sein Teller leer und sein Magen voll. Zumindest sagte mir das sein Gesichtsausdruck. Dabei kam doch noch das Dessert. Ich räumte die Teller ab und wärmte den Milchreis neu auf. Dann gab ich ein Stück Butter in eine Pfanne uns setzte mich wieder zu den Beiden.
"Was?", fragte ich, als Went mich entsetzt ansah.
"Du willst doch jetzt nicht noch etwas kochen?"
"Doch!", entgegnete ich und grinste.
"Alex, ich bin wirklich satt. Es war sehr lecker, aber so kann ich mich nicht in Deutschland blicken lassen." Er deutete auf seinen Bauch, der wohl gerade Urlaub machte.
"Es gibt Dessert, etwas süßes.", sagte ich nur und wusste, dass ich ihn damit so gut wie überredet hatte.
"Ehm...die Pfanne...!", lenkte er vom Thema ab und äugte nervös zum Herd. Die Butter war geschmolzen.
"...Macht genau das, was sie soll.", beruhigte ich ihn und stand auf. "Du kannst dir ja eine Schüssel Milchreis mit Lynn teilen.", schlug ich vor, nahm zwei Schüsseln heraus und füllte sie mit Milchreis. Dazu gab ich je einen großen Klecks Marmelade, sowie Zimt und Zucker. Zum Schluss noch die goldbraune Butter und das Dessert war fertig. Ich reichte Went und Lynn ihre Schüssel und zwei Löffel.
"Lecker!", jubelte Lynn und riss die Arme nach oben. Sie hatte schon öfters Milchreis gegessen und liebte die Süßspeise über alles. Mit ihrem Löffel begann sie alles in der Schüssel zu verrühren, so dass am Ende eine rote Pampe entstand. Guten Appetit, wünsche ich, Went, grinste ich in Gedanken. Seine Begeisterung hielt sich in Grenzen, doch als er meinen Blick bemerkte, nahm er sich schnell einen Löffel. Anscheinend wollte er sich keine Blöße geben und seinem Gesichtausdruck zufolge schmeckte es ihm. Went und Lynn stritten sich sogar um den letzten Klecks Milchreis. Er- ganz Gentleman- gab natürlich nach und mopste sich dann etwas von meinem Teller.
"Hey!", beschwerte ich mich und gab ihm einen Klaps auf die Finger. Er grinste aber nur und schob sich den Löffel Milchreis in den Mund. "Ich denke, du warst nach der Hauptspeise so satt?"
"Für leckere Sachen habe ich immer noch einen Extraecke." Na, was für ein Glück. Lynn kicherte und beobachtete Went, wie er sich den Mund säuberte. Dann tat sie es ihm nach, aber nahm dazu den Ärmel ihrer Jacke. Toll, weil ich ja so gerne Wäsche wusch.
"So, Prinzessin, jetzt ist Schlafenszeit." Als Antwort bekam ich ein Kopfschütteln.
"Ich will aber nicht."
"Ich aber.", gab ich zurück, doch sie verschränkte nur die Arme.
"Du hast mir versprochen, ich darf mit Onkel Went spielen." Ein Blick vom lieben Onkel Went traf mich und ich fluchte einmal in Gedanken. Das war ja wohl Touché, direkt ins Herz.
"Wir spielen ein anderes Mal, okay? Heute ist es schon zu spät."
"Gehst du auch ins Bett?" sie schaute ihn an und freute sich anscheinend schon, dass sie nicht die Einzige war, die jetzt schon schlafen gehen musste.
"Nicht jetzt, aber bald.", meinte er nur und gab ihr einen Stups auf die Nase. Sie kniff die Augen zusammen und kicherte.
"Lynn, wir gehen jetzt Zähne putzen." Ich nahm sie bei der Hand und verschwand mit ihr im Bad. Danach Schlafzeug anziehen, Went noch Gute Nacht sagen, Geschichte vorlesen und dann war sie endlich eingeschlafen. Leise ging ich zu Went in die Küche zurück.
"Schläft sie?" Ich nickte und setzte mich ihm gegenüber.
"Danke für das tolle Abendessen. Es war ungewöhnlich, aber sehr gut."
"Ich habs gemerkt.", grinste ich und blickte auf die leeren Teller neben dem Waschbecken.
"So weiß ich wenigstens, was kulinarisch gesehen in Deutschland auf mich zukommt."
"Du weißt noch gar nicht, was du dort machst?"
"Doch. Ich wurde ja von einem Jugendmagazin eingeladen." Ich wurde hellhörig.
"Von welchem?" Er runzelte kurz die Stirn.
"Ich glaube, "Bravo" oder so ähnlich." Ich drehte mich zur Seite, um mein Lachen zu unterdrücken. "Was?"
"Nichts, aber nimm dich vor Dr. Sommer in Schutz.", brachte ich hervor und nahm schnell einen Schluck von meinem Apfelsaft.
"Wer ist das?" Seine Unwissenheit ließ mich wieder auflachen.
"Derjenige, der die Jugendlichen aufklärt." Er grinste.
"Oh, na Hauptsache, die wollen keine Tipps von mir hören." Wir lachten beide los und bekamen uns nicht mehr ein. Ich verschluckte mich heftig an dem Apfelsaft und Went musste mir auf den Rücken klopfen. "Geht´s wieder?" Er grinste und ich fing erneut an zu feixen.
"Nein, ich glaube, dass wird mich die ganzen Tage über in Deutschland begleiten."
"Hoffentlich nicht. Ich kann dir schlecht die ganze Zeit auf den Rücken klopfen."
"Dann musst du mich eben ablenken."
"Naja, ich kann dir ja jetzt erst mal sagen, wann und wo es losgeht."
"Gute Idee."
"Also es wird ein wenig kompliziert, aber ich will nicht, dass jemand euch bemerkt, denn ansonsten ist die Hölle los." Ich nickte und wurde ernst. "Morgen früh gegen 7 Uhr werdet ihr von einem meiner Mitarbeiter abgeholt. Ihr lasst die Koffer hier. Sam bringt sie noch vor der Arbeit zu meiner Assistentin, die sich darum kümmern wird. Sie hat auch mein Gepäck, wenn dich das beruhigt. Lynn und du, ihr werdet direkt zum Flugzeug gebracht, ohne Kontrolle. Deswegen brauchte ich eure ganzen Daten. Euer Gepäck wird natürlich durchgeleuchtet. Ich werde so schnell wie möglich nachkommen, so dass wir gegen 9 Uhr starten können."
"Wow, und wann sind wir da? In München, meine ich."
"Da wir schneller sind, als mit einem richtigen Passagierflugzeug, dauert der Flug "nur" 10 Stunden. Also dürften wir mit der Zeitverschiebung am Freitagmorgen in München sein."
"Oh Gott, das kann ja was werden. Am besten ich packe noch eine Ladung Spielsachen für Lynn ein."
"Sie kann auch DVD im Flugzeug schauen. Die haben viele Kinderfilme."
"Bring sie ja nicht noch auf solche Ideen. Am Ende sitzt sie die ganze Zeit nur da und schaut Fernsehen."
"Aber dann ist sie ruhig.", argumentierte er und ich gab nach. Ich wollte mich nicht schon wieder streiten.
"Okay, meinetwegen.", sagte ich deshalb. "Hast du eigentlich viele Termine in Deutschland?"
"Nur das Wochenende über. Freitag hab ich den ganzen Tag frei." Ich lächelte.
"Also sind Lynn und ich am Samstag auf uns allein gestellt?"
"Nein, ich dachte, ihr wollt vielleicht mitkommen."
"Zu den Interviews?"
"Nein, diese Jugendzeitschrift veranstaltet eine Preisverleihung. Da werden viele Leute da sein und ich dachte, ihr wollt euch das vielleicht anschauen."
"Ist das in München?"
"Nein, in Nürnberg." Es klingelte bei mir. Wollte Simone etwa mit Linda genau zu dieser Show? Dann konnten wir uns ja doch noch sehen.
"Klar, ich würde mir das gerne mal ansehen.", meinte ich deshalb und er lächelte.
Wir redeten noch eine Weile, bis er sich dann verabschiedete. Er war noch nicht fertig mit Koffer packen und auch ich musste noch einige Sachen heraussuchen, damit ich sie morgen nicht vergaß. Mein Herz schlug schneller und ich war total aufgeregt. Deutschland, mit Went. Besser konnte es ja schon nicht mehr sein.
Teppich

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Teppich »

Ooooh!!!
Sie hat ja gesagt!!! *freu* :D :D
Ich freu mich schon total auf den Trip!
Ich hoff mal, die kommen sich dabei näher? hehe
Yay, na da gratulier ich mal! Toll, dass sie die Prüfungen
so gut bestanden hat :up: :up:

LA ist eine wirklich hektische Stadt. Überall was los.
Wenn man da ankommt und mit einem gemieteten Auto
zum Hotel fahren möchte, sollte man schon einen guten
Stadtplan bei sich haben. Als ich da mit dem Kollegen versucht
habe, von LAX (Inglewood) zur Vine Street (West Hollywood) zu
fahren, sind wir 1. unbewusst in die falsche Richtung gefahren, 2.
haben uns dabei wieder verfahren und 3. sind wir erst nach 5 Stunden
angekommen *lol* Ist also schon ein Abenteuer dort rum zu fahren.
Aber ich hab mich auf den 1. Blick in diese Stadt verliebt und
kann mir gut vorstellen, mal dort zu wohnen.
Ein kleiner Tipp: Geh mal ins Denny's frühstücken! Sehr sehr lecker ;)
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

Ui, 5 Stunden...das ist ja heftig. Ich glaube, ich wäre durchgedreht. Zum Glück wohnt die Familie meiner Gastmom dort und da habe ich ja dann meine Personal Tourguides :D
Ich lass mich einfach mal überraschen, vom Flair dieser Stadt ;)

Sei gespannt, was die Drei in Nürnberg erwartet :)


Kapitel 29: How sick, it´s garlic


"Piep, piep, piep...piep, piep, piep!" Scheiß Wecker, morgen bring ich dich um. Ich stöhnte kurz auf und ließ meinen Kopf wieder ins Kissen zurück fallen. Heute war Donnerstag. Donnerstag! Mein Herz schlug wieder wie wild und mein Magen machte auch gleich eine Runde mit. Doppelter Looping um halb 6 am Morgen. Deutschland, ich komme. Trotz meiner Aufregung hatte ich relativ gut geschlafen. Zersaust krabbelte ich aus meinem Bett und lief ins Bad, um Zähne zu putzen. Dann deckte ich den Frühstückstisch und ging duschen. Zwischendurch klopfte Sam an, um zu sagen, dass er wach war. Frisch geduscht folgte ich ihm in die Küche und wir aßen gemeinsam. Während er die Checkliste an Dingen, die ich mitnehmen musste, aufzählte, schmierte ich Lynn ein paar Toasts und nickte bei jedem, was Sam mir sagte. Danach föhnte ich mir die Haare, zog mich an und packte die restlichen Sachen noch in den Koffer. Mit Müh und Not bekam ich ihn zu. Um kurz nach halb 7 weckte ich Lynn und trug sie ins Bad. Sie drückte ihr Gesicht an meinen Brustkorb und murmelte unverständliche Dinge. Ich erzählte ihr ein bisschen von der Reise, die wir machen würden und was es da alles zu sehen gab. Langsam wurde sie munter und freute sich auf den Urlaub. Ich gab ihr ein paar Sachen, die sie sich langsam anzog, und reichte ihr dann ihren Rucksack für den Flug.
Punkt um 7 hupte es einmal vor der Tür und wir verabschiedeten uns von Sam. Er versprach die Koffer rechtzeitig zu der Assistentin zu fahren und wünschte uns viel Spaß. Vor der Tür stand ein grauer Kombi, vor dem schon ein junger Mann wartete. Er begrüßte uns und stellte sich als Warren Jacobs vor, einem Assistenten von Went. Ich fand ihn sehr nett und stieg mit Lynn ins Auto. Wir winkten Sam ein letztes Mal zu, bevor wir zum Flughafen losfuhren. Hoffentlich würde alles klappen. Ohne den Koffer wären wir aufgeschmissen.
Durch den Verkehr brauchten wir fast eine Stunde bis zum Flughafen. Unterwegs rief noch Shalley an, die uns viel Spaß wünschte und mir durch die Blume zu verstehen gab, dass das meine große Chance war, Went für mich klar zu machen. Ich ignorierte ihre Vorschläge gekonnt und sagte, dass ich mich vielleicht kurz aus Deutschland melden würde. Als ich aufgelegt hatte, suchte ich die Toastscheiben für Lynn raus, da sie Hunger bekommen hatte. Ich ließ meinen Blick aus dem Fenster schweifen und sah ein Flugzeug am Horizont. Bald würden wir auch in einem sitzen. Mein letzter Flug lag schon Ewigkeiten zurück. Es war zu Weihnachten 2003 in New York gewesen. Lucas und ich hatten ein paar schöne Tage in der Weltmetropole verbracht. Dass ich zu der Zeit schon schwanger war, wussten wir beide da noch nicht.
Ich schüttelte den Gedanken wieder ab und wandte mich Lynn zu. Sie hatte ordentlich mit dem Toast gekrümelt, doch zum Glück hatte ich ihr eine Serviette auf den Schoss gelegt. So konnte sich Warren eine Extrarunde Staubsaugen in seinem Auto sparen. Schließlich kam der Flughafen in Sicht und Warren fuhr uns durch ein paar Sicherheitsschranken an argwöhnisch dreinblickenden Wärtern vorbei, direkt auf den Flugplatz. Mir wurde ein wenig mulmig zumute. Wusste er auch genau, wo es lang ging? Nicht, dass wir noch auf dem Rollfeld landeten und uns eine schön große Boeing ein paar Meter mitschleifte. Doch alles verlief glatt und keine 10 Minuten später hielten wir vor einem kleineren Jet oder wie immer die Bezeichnung für dieses Flugzeug war.
Davor stand eine junge, blonde Frau, die uns schon entgegen strahlte.
"Hi, ich bin Cameron.", begrüßte sie uns und schüttelte uns beiden die Hand. "Ich bin eine Mitarbeiterin von FOX und werde mich solange um Sie kümmern, bis der Chef persönlich kommt." Sie grinste kurz und ich verstand, wer mit Chef gemeint war. Genau wie Warren war mir Cameron sofort sympathisch und da wir ja indirekt sogar Kolleginnen waren, verstanden wir uns gleich gut. Leider flog sie nicht mit, sondern blieb hier in Los Angeles. Eine andere Mitarbeiterin würde mitreisen. Cameron führte uns in das Innere des Flugzeuges, wo wir von einer Stewardess in einem schicken blauen Kostüm empfangen wurden. Beim Anblick des Mobiliars klappte mir erstmal die Kinnlade herunter. Heilige Schei...das ist ja wunderbar! Da war nichts mit Dreier-Reihen links und rechts, denn es gab nur 10 Sitzplätze und die waren alle so verteilt, dass man seine Beine wunderbar ausstrecken konnte. Ich liebte es jetzt schon. Die Sitze waren anscheinend mit Leder überzogen und an den vorderen Wänden waren mehrere Leinwände sichtbar.
"Möchten Sie etwas trinken?", fragte die Stewardess und ich schüttelte den Kopf. Lynn bestellte sich einen Apfelsaft und suchte sich schon einmal einen Sitzplatz aus. Sie war vorher noch nie geflogen und ich hoffte, dass alles klappen würde.
"Sie können sich ruhig schon setzen, es wird sicherlich nicht mehr lange dauern.", meinte Cameron und ging noch einmal kurz hinaus. Nervös setzte ich mich neben Lynn und starrte aus dem Fenster auf die Rollbahn. Oh Gott, bald würden wir selber in die Lüfte abheben und dann gab es kein zurück mehr. Hatte ich mir das auch gut überlegt? Noch konnte ich aussteigen und die Flucht ergreifen. Nein, ich wollte nach Deutschland fliegen, in diesem Flugzeug. 10 Stunden hier drin würde ich schon überleben. 10 Stunden? Oh verdammt, das war richtig lang. Ein ganzer Arbeitstag. Was sollte ich denn die ganze Zeit machen? Mit meinem Buch allein würde ich das bestimmt nicht schaffen. Wo blieb eigentlich Went? Je eher er kam, umso weniger konnte ich mir meinen Fluchtplan ausdenken.
Schließlich vernahm ich vom Eingang her ein weibliches Lachen und danach Wents Stimme. Erleichterung und Vorfreude überkamen mich und ich stand auf, um Went zu begrüßen. Meine Fluchtpläne verfestigten sich dennoch. Vielleicht konnte ich mich ja durch so ein kleines Bullauge quetschen? Went erschien bekleidet mit Mütze, riesiger Sonnebrille, weißem T-Shirt und einem Rucksack über der linken Schulter. Ihm auf dem Fuß folgte eine junge Frau, bei der, wenn man den rosa Schal und die schwarze Jacke betrachtete, wohl noch Spätherbst herrschte. Hatte sie keinen Wetterbericht gelesen? In München erwarteten uns fast 30° C!
Went lächelte, als er mich sah und nahm Brille und Mütze ab. Dann umarmte er mich und fragte, ob alles in Ordnung war und ich bejahte. Lynn war anscheinend noch so verschlafen, dass sie Went nicht richtig wahrnahm. Er streichelte ihr kurz über den Kopf und wandte sich dann wieder uns zu.
"Alex, darf ich dir meine Auslandsassistentin Stacy Kirsch vorstellen. Sie kümmert sich um meine Termine und darum, dass ich auch alles verstehe." Er lächelte und ich blickte auf Stacy. Ihr Lachen war ihr wohl vergangen, denn sie schaute mich ein wenig skeptisch an. Naja, sympathisch war was anderes. Wir reichten uns die Hände und ich stellte mich noch mal korrekt vor. An ihrer rechten Hand leuchtete mir ein riesiger gelber Ring entgegen. Wen wollte sie denn damit erschlagen? Wenn sie da was einritzte, konnte sie es zur Brandmarkung von Kühen benutzen. Lästerte ich da etwa gerade? Ich regte mich über die Klatschpresse auf und war selber kein Stück besser. Ich lächelte deshalb schnell und wischte die Gedanken aus meinem Kopf. Ich kannte sie nicht und konnte mir daher noch kein Urteil über sie erlauben. Ich konnte ihr ja wenigstens erstmal eine Chance geben.
Wir setzten uns auf unsere Plätze. Went am Fenster, ich daneben und Lynn zu meiner linken. Stacy setzte sich eine Reihe hinter uns, würde aber dann nach dem Start wieder zu uns vor kommen. Die Stewardess kam zu uns und reichte uns Bonbons für den Start. Ich nahm eins für Lynn und reichte ihr dazu noch ein Buch, was sie sich anschauen konnte. Mittlerweile hatte der Pilot schon die Motoren gestartet und die Anzahl meiner Fluchtpläne schmolz mit jeder Minute. Ich sollte mich einfach entspannen und die Zeit genießen, statt schon wieder in Panik auszubrechen. Diese verdammte Angst in mir, die ich mir selber nicht erklären konnte, übernahm in letzter Zeit viel zu sehr die Oberhand.
Ich wandte mich Lynn zu und erklärte ihr, dass wir gleich starten würden. Falls sie Angst haben sollte oder ihr schlecht wurde, hielt ich zur Not eine kleine Tüte bereit. Um Went brauchte ich mir dagegen keine Sorgen zu machen. Er war ganz entspannt und schaute aus dem Fenster auf den Flugplatz.
10 Minuten später setzte sich die Maschine in Bewegung und ich konnte mich endgültig von meinen Fluchtplänen verabschieden. Stattdessen reichte ich Lynn ihr Bonbon, das sie sich in den Mund schob. Dann wandte sie sich ihrem Buch zu und ich las ihr die Geschichten unter den Bildern vor. Zumindest versuchte ich es, da wir ordentlich in die Sitze gedrückt wurden. Lynn hielt sich tapfer, krallte sich aber wunderschön schmerzhaft in meinen linken Arm.
Schließlich hatten wir es geschafft und der Druck in den Ohren ließ nach. Wir konnten uns abschnallen und ich entspannte mich wieder ein wenig. Wenn wir erst einmal über den Wolken waren, liebte ich fliegen über alles. Davor und danach aber war einfach nur schrecklich.
"Ich soll Ihnen das übrigens von Ihrem Bruder geben." Stacy reichte mir etwas zwischen den Sitzen durch.
"Danke.", antwortete ich etwas überrascht und nahm den kleinen Beutel an mich. Darin war mein Walkman, meine Zahnbürste und ein kleiner Zettel, auf dem stand: "Gut, dass dein Kopf angewachsen ist. Liebe Grüße und viel Spaß. Sam." Ich grinste. Wenn ich meinen Bruder nicht hätte. Ich verstaute den Beutel in meiner Tasche und nahm mir mein Buch heraus. Lynn hatte es sich auf ihrem Sitz bequem gemacht und spielte mit ihrer Puppe, während Went noch immer in Gedanken versunken aus dem Fenster starrte. Ich widmete mich meinem Buch "Orpheus Lost" von Janette Turner Hospital. Ich hatte schon "Oyster" von ihr gelesen und ich liebte es mich in ihren Geschichten zu verlieren und vom Alltag abzulenken. Kaum hatte ich begonnen, kam die Stewardess und fragte nach den Getränken. Wir bestellten uns alle Saft, Stacy kam nach vorne und setzte sich uns gegenüber. Sie und Went redeten ein bisschen und ich setzte mich ein wenig abseits, damit ich in Ruhe lesen konnte. Außerdem gingen mich ihre Gespräche ja nichts an.
Ich setzte mich in eine ruhige Ecke und begann zu lesen, ab und zu blickte ich zu Lynn, doch sie war ganz und gar mit Spielen beschäftigt. Ich war froh, dass sie das Fliegen so gut vertrug und keine Angst hatte, so wie ihre Mutter.
Gegen halb zwölf, wir befanden uns schon fast an der Ostküste, gab es Mittagessen. Ich hatte großen Hunger und setzte mich wieder zurück an meinen Platz. Das Buch steckte ich in meine Tasche zurück und kümmerte mich um Lynn. Ich steckte ihr eine Serviette vor das T-Shirt und achtete darauf, dass die Nudeln auch in ihrem Mund landeten. Zwischendurch aß ich selber meine eigenen Spaghetti und blickte aus dem Fenster. Ich merkte, dass Went mich beobachtete und schaute ihn fragend an.
"Ich hab Tomatensauce im Gesicht, oder?" Er lachte leise und blickte schnell auf seinen Teller.
"Nein, ich hab mich bloß gefragt, an was du gerade denkst." Er richtete seine Augen wieder auf mich und ich fühlte mich wie bei einem Röntgengerät durchschaut.
"Keine Ahnung, ich war nur fasziniert von dem Wolkenmeer.", murmelte ich und nahm eine weitere Gabel voll Nudeln zu mir.
"Wollen wir die Plätze tauschen?", schlug er vor.
"Vielleicht später, während des Essens könnte das schlimm enden.", grinste ich und erinnerte mich mit großem Unbehagen an den Moment, als Lynn ihre Milch auf ihm verteilt hatte.
"Okay, sag Bescheid." Wir wandten uns beide wieder unserem Essen zu. Gedankenverloren aß ich weiter. Wie sollte das eigentlich mal alles enden? Mom, Shalley und Sam hatten Recht, wenn sie sagten, dass Went und ich umeinander herumschleichen würden. Doch keiner machte den ersten Schritt und ich würde es bestimmt nicht sein. Außerdem würde es sowieso nicht ewig halten. Prominentenscheidungen gab es nicht ohne Grund wie Sand am Meer. Es funktionierte eben nicht auf Dauer, wenn der eine Partner ständig unterwegs bzw. eigentlich mit seinem Beruf verheiratet war.
"Mommy, ich kann nicht mehr.", riss mich Lynn aus ihren Gedanken. Sie zog eine Schnute und streckte sich. Der Flug strengte sie sehr an und ich konnte meiner Tochter ansehen, wie müde sie war.
"Ist okay. Willst du dich ein wenig hinlegen?" Sie nickte und wir gingen zu einer Gruppe leerer Sitzplätze. Ich gab ihr eines ihrer Kuschelkissen und deckte sie vorsichtig zu. "Versuch ein bisschen zu schlafen, ja?", flüsterte ich ihr zu und sie nickte. Ein bisschen Schlaf würde ihr gut tun.
Ich ging zurück zu Went und wir tauschten die Sitzplätze. Ich ließ meinen Blick nach draußen schweifen und hing wieder meinen Gedanken nach. In meinem Kopf befand ich mich Meilen von hier entfernt, doch eigentlich nur einen Sitzplatz weiter. Ich wollte Went für immer bei mir haben, wollte, dass er so Teil meines Lebens wird wie ich Teil seines und doch holte mich die Realität immer wieder zurück. Dieser ständiger Kampf in mir, wieder und wieder zwischen Verlangen und Verstand gefangen zu sein, zerriss mich innerlich wie äußerlich. Lange würde ich nicht mehr standhalten können und würde mich entscheiden müssen. Beides konnte ich nicht haben. Entweder ganz oder gar nicht.
Ich blickte zu ihm und sah, dass er eingenickt war. Sein Kopf rutschte Minute für Minute immer näher zu mir. Schließlich war er kurz davor auf meiner Schulter aufzuschlagen und ich griff deshalb nach meinem Kissen und legte es auf meine Schulter. Nach meiner Berechnung müsste er in genau zwei Minuten den Abstand überwunden haben und auf dem Kissen liegen. Pünktlich wie das Schweizer Uhrwerk spürte ich seinen Kopf auf meiner Schulter. Went murmelte etwas in das Kissen und atmete einmal tief ein, bevor er weiterschlief. Ich ließ meinen Blick in die Runde schweifen und sah, dass nahezu alle schliefen, bis auf die Stewardess natürlich. Doch die war in ihrem Bereich beschäftigt. Lynns Beine baumelten leicht im Rhythmus des Flugzeuges und Stacy war ebenfalls eingenickt. Nur die zweite Assistentin, oder was immer sie auch war, schien noch wach, aber ich konnte sie von meinem Sitzplatz aus nicht sehen. Ich war also ungestört mit Went und hätte alles mit ihm machen können, was ich wollte. Natürlich tat ich das nicht, weil es ihm gegenüber unfair gewesen wäre. Dennoch rutschte ich ein Stückchen, so dass ich mich trotz seines Gewichtes auf meiner Schulter, besser bewegen konnte. Ich schaffte es sogar meinen linken Arm zu befreien und legte ihm vorsichtig um seine Schulter. Es kribbelte in meinen Fingern und ich wusste, dass ich irgendwas machen musste. Ganz vorsichtig, um ihn nicht gleich zu wecken, begann ich ihn am Kopf zu kraulen. Mit den Fingerspitzen fuhr ich durch sein dunkles, kurzes Haar und hörte seinem gleichmäßigen Atem zu. Seine Gesichtszüge entspannten sich mit jeder meiner Bewegungen. Eine ganze Weile schien die Zeit still zu stehen, während ich ihm sanft durchs Haar massierte und den Moment so nah bei ihm genoss. Irgendwann fielen mir die Augen zu und ich fiel in einen unruhigen Schlaf, bis ich mit einem Schlag wieder wach war. Dadurch weckte ich auch gleich Went mit, der immer noch an meiner Schulter geschlafen hatte. Verwirrt hob er den Kopf und blickte erst auf mich, dann auf seine Umgebung. So langsam schien er sich zu erinnern, wo er war.
"Na, gut geschlafen?", fragte ich grinsend und sah ihn amüsiert zu, wie er seinen steifen Nacken hin und her bewegte. Dann steckte er sich und gähnte herzhaft. Ich blickte auf die Uhr. Es war kurz nach 15 Uhr. Ich rechnete schnell in deutsche Zeit um und bemerkte, dass es nicht mehr so lange dauern konnte, bis wir landeten.
"Ja, ich hoffe, es war nicht allzu unbequem für dich?"
"Naja, Revanche für mein vorzeitiges Einschlafen beim DVD schauen, würde ich sagen.", bemerkte ich und er grinste. Die Stewardess hatte unser Erwachen scheinbar bemerkt und fragte, ob wir etwas essen oder trinken wollten. Ich bestellte mir einen Orangensaft, denn essen konnte ich jetzt garantiert nicht. Außerdem musste ich dringend auf Toilette. Vorsichtig erhob ich mich und torkelte benommen zur Toilette. Lynn schlief immer noch, was mich doch verwunderte. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, streckte ich mich erst mal richtig und betrachtete mich dann im Spiegel. Ich sah zerzaust aus und fuhr mir mit den Händen durchs Haar. Was hatte ich mir eigentlich vorhin gedacht, als ich ihm diese ungefragte Kopfmassage verpasst hatte? Es hätte mir eigentlich klar sein müssen, dass er das mitbekommen und mich bestimmt darauf ansprechen würde. Verdammt, verdammt und noch mal verdammt. Am besten du bleibst bis zum Landeanflug hier drin und rührst dich nicht vom Fleck. Ja, und Lynn darf sich selbst kümmern, oder wie? Also musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen.
Langsam öffnete ich die Tür und ging zu Lynn. Vorsichtig weckte ich sie und ließ sie ein paar Minuten zu sich kommen. Dabei blickte ich kurz zu Stacy, die mir aber nur einen bösen Blick zuwarf und sich dann wieder den Papieren vor sich widmete. Wow, zwischen uns hatte es ja gefunkt. Liebe auf den ersten Blick. Ich konnte ihrer unwiderstehlich freundlichen Art nicht standhalten und frage Sie deshalb hier und jetzt, Miss Kirsch: Wollen Sie mich mal am Arsch lecken? Was war denn das bitte schön gerade für eine unfeine Geste von ihr gewesen? Hatte ich ihr irgendetwas getan? Ich hatte meine Vorurteile zurückgeschraubt, doch anscheinend musste ich doch den Akkubohrer aus meiner Handtasche holen und mal ganz andere Seiten aufziehen. Die Stewardess brachte mir meinen O-Saft, von dem ich zunächst Lynn einen Schluck gab. Sie hatte fast drei Stunden geschlafen und musste jetzt erst einmal richtig wach werden. Ich bestellte ihr deshalb noch etwas zu essen und sie beschrieb mir währenddessen, wovon sie geträumt hatte. Draußen war es stockfinster und von dem Wolkenmeer gar nichts mehr zu sehen. Auf dem Monitor vor uns lief ein Trickfilm an und die zweite Stewardess brachte uns ein paar Kopfhörer. Ich verzichtete darauf, mitzuschauen, blieb aber sitzen. Went wollte ich nicht in die Arme laufen, obwohl er nur eine Sitzreihe von uns entfernt saß.
Ich tauchte also den restlichen Flug unter und kehrte erst zurück an meinen Platz, als das Flugzeug zum Landeanflug auf München ansetzte. Jetzt, da wir endlich in Deutschland waren, kam die Aufregung zurück. Mein Herz schlug schneller, als wir etwas unsanft aufsetzten. Das Flugzeug kam schnell zum Stehen und rollte langsam über den Flugplatz. Stacy war von ihrem Platz zu uns gekommen und gab uns nun Einweisung über den Ablauf, sobald wir das Flugzeug verlassen hatten. Eigentlich sagte sie es mehr zu Went, aber ich hatte irgendwie nichts anderes von ihr erwartet. Ich wusste nicht, was ich ihr getan hatte, aber vielleicht war sie ja noch so freundlich und würde mich einweihen.
Ich packte Lynns Sachen zusammen, die überall verstreut im Flieger lagen und trug sie auf dem Arm aus dem Flugzeug ins Auto. Lynn winkte der Stewardess noch einmal zu, ehe wir in der Dunkelheit untertauchten. Es musste ca. 3 Uhr früh sein. Durch den Mittagsschlaf waren aber alle wach und die Aufregung tat ihr Übriges. Mit dem Auto wurden wir durch die fast menschenleere Stadt mit ihrer wundervollen Beleuchtung zum Hotel "Bayerischer Hof" gefahren und mir blieb erstmal der Mund offen stehen. Ich konnte ungefähr erahnen, dass ich für eine Nacht in diesem Hotel mindestens ein halbes Jahr arbeiten müsste. Stacy sah meinen erstaunten Blick und hob die Augenbrauen, so dass ich mich schnell wieder fasste und versuchte nicht so aus dem Fenster zu starren.
Wir fuhren mit dem Fahrstuhl aus der Tiefgarage hoch bis zur Rezeption, wo die gute Stacy unsere Schlüssel holte. Lynn erkundete in der Zwischenzeit das neue Terrain und flitzte zwischen den Säulen hin und her. Alles schien aus Gold zu sein und ich traute mich nicht mich zu bewegen, aus Angst irgendetwas umzuwerfen oder Kratzer auf den Boden zu verursachen. Zusammen ging es dann hoch in den 7. Stock, wo, laut Stacys Worten, der Panorama Floor war. Ich sagte kaum noch ein Wort, weil mir diese neue, ungewohnte Umgebung ein wenig auf das Sprachzentrum drückte. Wenn es nicht so viele negative Seiten am Ruhm geben würde, dann würde ich auch gerne berühmt sein wollen. Mit Lynn an der Hand lief ich hinter Stacy und Went hinterher, hinter uns nur noch der Page mit unseren Koffern.
"Hier ist euer Zimmer.", meinte Stacy und reichte mir die Karte auf der die Zimmernummer 736 eingraviert war. Hatte sie uns gerade direkt angesprochen? Puh, ich hätte diesen historischen Moment fast verpasst. Ich lächelte ihr freundlich zu und hoffte, mich nicht mit dem komplizierten Türe-Öffnen zu blamieren.
"Schlaft euch erst mal aus. Wir treffen uns dann heute Vormittag, okay?", schlug Went vor, der mittlerweile kaum noch die Augen aufhalten konnte. Ich nickte und wünschte eine Gute Nacht, bevor Lynn und ich mit dem Pagen eintraten. Selbst Lynn war für einen Moment sprachlos. Das "Zimmer" war fast größer als unsere Wohnung in L.A., mal abgesehen von dem Fakt, dass es mindestens 3 Mal so teuer war wie unser Zuhause. Der Page stellte unsere Koffer im Wohnzimmer ab und verabschiedete sich dann schnell wieder. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Wenn das die Junior Suite war, wie groß waren dann erst die Senior Suiten?
Lynn und ich blieben noch einen Moment ehrwürdig stehen, bevor wir zögernd das Zimmer erkundeten. Alles war in einem wunderschönen Braunton gehalten, selbst die Vorhänge und der Bettbezug. Schließlich aber siegte die Müdigkeit und wir gingen in das riesige Doppelbett schlafen. Es war so schön weich, das man sich wie auf Wolken fühlte. Ich musste mich kurz noch zwicken, um sicher zu gehen, dass das nicht nur ein Traum war. Zum Glück tat es furchtbar weh.

Ein Klopfen weckte mich. Benommen hob ich den Kopf und blickte direkt auf ein riesiges Fenster mit braunen Gardinen. Wo zur Hölle...doch dann kam die Erinnerung zurück. Deutschland. Es klopfte wieder und gähnend erhob ich mich. Wie spät war es eigentlich? Natürlich hatten die alles in diesem Zimmer bis auf eine Uhr. Vielleicht wusste der Gast es.
Ich öffnete die Tür und fand einen älteren Herrn im Anzug vor mir. Toll, so hoher Besuch und was trug ich? Boxershorts und ein T-Shirt. Er musterte mich kurz von oben bis unten, bevor er ein Lächeln aufsetzte.
"Guten Morgen!" Wenigstens sprach er Englisch.
"Guten Morgen. Kann ich Ihnen helfen?", fragte ich und versuchte mich nicht am Kopf zu kratzen, da es meine Frisur nur noch mehr zerstört hätte. Falls man überhaupt noch von Frisur reden konnte, Filzmatte traf es wohl eher.
"Ja, ich bin Claus Jacob.", begann er und ich hörte einen deutschen Akzent heraus. "Ich soll sie von Mr. Miller fragen, ob sie mit ihm frühstücken wollen." Ich blickte ihn verwirrt an und es ratterte in meinem Kopf. So früh am Morgen war ich noch nicht ganz aufnahmefähig. Nicht am Kopf kratzen, gar nicht gut.
"Ja, gerne.", antwortete ich schließlich. "Es wird aber noch einen Moment dauern." Er nickte und verabschiedete sich wieder. Ich schloss die Tür und ging Lynn wecken. Sie wollte aber noch nicht aufstehen und so ging ich erst mal ins Bad, um mich meinen Haaren und dem Rest meines Körpers zu widmen. Ich sah schrecklich aus und gönnte mir erstmal eine heiße Dusche. Dann schaute ich noch einmal nach Lynn und ärgerte sie solange, bis sie endlich aufstand. Wents Namen wie beiläufig zu erwähnen, tat sein Übriges und so konnten wir uns eine halbe Stunde später zu Went aufmachen. Nur welches war sein Zimmer? Etwas verloren standen wir im Gang. Ich wusste nur, dass sie heute Morgen den Gang wieder zurück gelaufen sind. Also konnten sie nicht im selben Flügel wie wir wohnen. Ich behielt den Gedanken und folgte dieser Spur. Lynn hielt vor jeder Tür und schaute sich die Zahlen am Schild an, als würde es ihr verraten hinter welcher Türe Went war.
Schließlich öffnete sich die Tür am Ende des anderen Ganges, der waagerecht zu unserem verlief und Mr. Jacob erschien. Während er uns zulächelte, blickte ich ihn mit einer Mischung aus Überraschung, Erleichterung und peinlicher Berührung an.
"Es tut mir Leid, ich habe ganz vergessen, Ihnen die Zimmernummer zu geben."
"Ja, aber das macht nichts. Meine Tochter lernt sowieso gerade die Zahlen.", versuchte ich die Situation zu lockern und er lachte kurz auf. "Mr. Miller erwartet sie schon. Gehen sie einfach hinein und dann gerade durch." Ich nickte und bedankte mich. Lynn war ein wenig verängstigt und griff nach meiner Hand. Gemeinsam betraten wir die Suite, die noch größer war als unsere. Wenn das überhaupt möglich war. Dann erblickte ich Went und plötzlich erschien der Raum winzig klein. Für einen Moment gab es nur uns beide und ich verfluchte meine Schüchternheit, als ich wegblickte. In doppelter Hinsicht, denn in meinem Blickfeld stand Stacy.
"Guten Morgen, gut geschlafen?", fragte Went und ich wandte ihm wieder meinen Blick zu. Er saß bereits an der Stirnseite des gedeckten Tisches und sah deutlich munterer aus, als noch heute Nacht.
"Ja, danke für die Einladung.", murmelte ich und Lynn ließ meine Hand los, um zu Went zu rennen. Sie drückte sich an sein linkes Bein, während er ihr kurz lächelnd durchs Haar wuschelte.
"Ehrlich gesagt, wollte ich nur nicht alleine frühstücken.", grinste er und deutete mit einer Handbewegung an, dass ich mich setzen sollte.
"Ach, und ich zähl wohl nicht?", erschallte es hinter mir und ich verharrte einen Moment in meiner Bewegung. Ich hatte das Gefühl, dass Stacy es schaffen würde, uns diesen Aufenthalt zu versauen.
"Du stehst ja mehr, als das du sitzt.", gab Went zurück und verdrehte lachend die Augen. Ich setzte mich neben ihn an die Längsseite, Lynn zu meiner Linken. "Ihr könnt euch von allem nehmen, ich schaffe das sowieso nicht alles.", meinte er wieder an uns gewandt und reichte uns den Korb mit den Brötchen. Ich nahm zwei heraus und schnitt sie mit dem Messer auf.
"Was willst du auf dein Brötchen, Lynn?", fragte ich meine Tochter und sie deutete auf die Schüssel mit der Nutella. Ich beschmierte ihr Brötchen mit der Schokolade und reichte es ihr.
"Ich will dann ein wenig die Stadt erkunden, habt ihr Lust mitzukommen?" Went sah mich fragend an und schob ein Stück Käsebrötchen hinterher.
"Klar.", freute ich mich und tat mir ebenfalls Käse auf mein Brötchen. Das restliche Frühstück verlief zumeist schweigend, weil wir amüsiert Stacys Telefongesprächen lauschten. Sie lief dabei auf und ab und sprach auf Deutsch in den Hörer. Ich verstand nur einzelne Brocken wie "Ja", "Nein" und "gut". Zu mehr reichte mein Deutsch dann doch nicht.
"Ist um 10 am Seiteneingang okay für euch?" Wir hatten gerade fertig gegessen und ich fühlte mich, als würde ich jeden Moment platzen.
"Ehm...wie spät ist es denn?" Der Blick auf meine Uhr half mir nicht, da sie noch auf Los Angeles Zeit eingestellt war.
"Es ist jetzt kurz nach 9.", half er mir durch einen Blick auf seine Armbanduhr.
"Das reicht vollkommen zu. Dann bis später.", verabschiedete ich mich und schob Lynn vor mir her aus dem Zimmer. Kaum war die Tür hinter mir geschlossen, nahm ich einen tiefen Atemzug.
"Bist du krank, Mommy?", fragte mich Lynn besorgt und sah mich mit kraus gezogener Stirn an. Ich lächelte nur. Was hätte ich ihr denn auch sagen sollen? Nichts, Schatz, "Onkel Went" hat mir nur eben gerade den Atem geraubt?
Wir gingen zurück in unsere "kleine" Suite und ich suchte im Koffer nach passenden Sachen für uns. Schließlich würden wir nicht nur einmal um den Block laufen, sondern uns richtig die Stadt anschauen. Ich hoffte, dass Stacy zu viel zu tun hatte, um mitzukommen. Bei aller Mühe, die ich mir gegeben hatte, sie nicht gleich zu verurteilen, war ich doch kläglich gescheitert.
Während Lynn sich noch anzog, telefonierte ich kurz mit Simone. Wir wollten uns zum Mittag in München treffen und ein bisschen quatschen. Vielleicht konnte sie Went ja auch etwas außerhalb der Touristenroute zeigen. Kurz darauf ging es mit dem Fahrstuhl zum Seiteneingang, wo Went schon wartete. Ohne Stacy, wie ich mit Genugtuung feststellte. Er hatte sich ebenfalls umgezogen und noch einen Rucksack mit.
"Bereit die Stadt zu erkunden?", fragte er uns grinsend. Lynn ließ ein lautes Ja erklingen und schon konnte es losgehen. Went erbot sich als Stadtführer, da er als Einziger einen Stadtplan hatte. Nur konnte er damit genauso wenig etwas anfangen wie ich und so verbrachten wir erstmal ein paar Minuten, um uns zurechtzufinden. Auch zwei blinde Hühner fanden mal ein Korn und so konnte es nach kurzer Verzögerung endlich weiter gehen. Went hatte sich mittlerweile ein Käppi aufgesetzt und es tief in die Stirn gezogen.
"Willst du es nicht noch ein Stück weiter runterziehen? Dann siehst du das Rathaus besser.", zog ich ihn auf. Er streckte mir die Zunge heraus. "Mach das noch mal, dein Käppi hat mir die Sicht verdeckt.", spottete ich weiter.
"Ich kann es auch gerne abnehmen, dann wirst du schon sehen, was du davon hast.", lachte er und zog die Mütze ein Stück höher.
"Wenn mich deine Schönheit zu sehr blendet, kann ich mir ja deine Mützchen mal leihen." Mit diesen Worten folgte ich Lynn, die schon wieder auf eigene Erkundungstour gehen wollte und den Tauben hinterher rannte. Die verschreckten Vögel flogen einer nach dem anderen auf, aber so wusste ich wenigstens, wo mein kleiner Flüchtling steckte. Schließlich hatte ich sie eingefangen und wir konnten unsere Tour fortsetzen, nachdem wir noch dem Glockenspiel zugehört hatten.
Um kurz vor halb zwölf blickte ich dann noch einmal auf Wents Stadtplan, um die Straße zu finden, in der ich mich mit Simone treffen wollte.
"Was suchst du?", kam es prompt von ihm.
"Einen Straßennamen.", murmelte ich und ließ meinen Blick weiter über die Karte gleiten. "Eine Freundin von mir will sich mit uns treffen bzw. mit Lynn und mir."
"Und ich darf alleine zum Hotel zurück?", fragte er zerknirscht und drehte sich leicht von mir weg.
"Das hab ich nicht gesagt. Ich wusste nur nicht, ob du Lust hast mitzukommen."
"Natürlich, ich freu mich doch immer, wenn ich neue Leute kennen lerne.", meinte er und wandte sich wieder mir zu.
"Ach ja, hatte ja ganz vergessen, dass du so weltoffen bist.", bemerkte ich ein wenig zu sarkastisch.
"Was soll das denn jetzt heißen?"
"Frösche und Schnecken, Schatz!", grinste ich und fand in dem Moment die gesuchte Straße.
"Das war ein Witz gewesen.", widersprach er. Ich faltete die Karte zusammen und gab sie ihm zurück.
"Na, wie gut das wir auf derselben Humorwelle liegen, was?" Ich blickte ihn an und legte meinen rechten Arm um seine Hüfte, wobei ich ihm mit der linken, zur Faust geballten, Hand einen Knuff in die Schulter gab. Er lachte leise und legte seinen Arm um meine Schulter.
"Was für ein Glück.", murmelte er und wir machten uns, nachdem wir Lynn wieder eingefangen hatten, auf dem Weg zu dem Treffen mit Simone.
"Erzähl mir was über deine Freundin.", forderte er mich auf.
"Was soll ich denn erzählen?"
"Wie sie heißt, wie alt, Aussehen, verheiratet, Kinder, Beruf...all so was eben." Da war aber jemand neugierig.
"Simone Neubauer, 35 Jahre alt, groß, schlank, dunkelhaarig, geschieden, 2 Kinder, Linda ist 15 und Harry ist 11, von Beruf ist sie Immobilienmaklerin. In ihrer Freizeit spielt sie gerne Tennis, geht auf Konzerte oder verbringt Zeit mit Kindern, sowie Familie und Freunden.", plapperte ich mit einer seriösen Stimme vor mich hin, als versuchte ich die Bauern auf dem Markt davon zu überzeugen ein Prachtexemplar von einer Kuh zu kaufen.
"Und woher kennt ihr euch?"
"Ich war mit ihrem Bruder zusammen. Wir hatten uns während meines Aufenthaltes in England kennen gelernt. Deshalb wollte ich nach Deutschland, bevor ich zurück nach Amerika flog. Als ich dann in Frankfurt am Flughafen ankam, empfing mich nicht mein Freund, sondern Simone. Er hatte eine neue Freundin und mich dafür sitzen lassen. Also hat Simone mit mir eine Tour durch das Land gemacht, anstatt ihr kleiner Bruder." Ich versuchte locker zu klingen, aber ich spürte eine aufkommende Wut in mir. Was hatte ich bitte schön falsch gemacht, dass mich immer alle Kerle ohne Vorwarnung verließen?
"Wow, ehm wenigstens auf die Schwester kann man sich verlassen, was?" Unweigerlich musste ich über seine blöde Bemerkung grinsen.
"Ja, auf die Schwester kann man sich immer verlassen.", betonte ich und wir bogen um die nächste Ecke, die uns laut Stadtkarte zu der Straße bringen würde, in der Simone auf uns wartete. Würde ich sie überhaupt wiedererkennen? Wir hatten uns seit 4 Jahren nicht gesehen, nur ab und zu Briefe geschrieben oder mal telefoniert.
Doch dann sah ich sie und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Sie hatte sich äußerlich überhaupt nicht verändert und strahlte immer noch diese unglaubliche Lebensfreude aus. Ich zog Lynn bei der einen und Went bei der anderen Hand über die Straße und begrüßte Simone übermütig. Wir blieben eine halbe Ewigkeit in unserer Umarmung verharrt, dann lösten wir uns langsam.
"Es ist so schön dich wiederzusehen.", grinste ich und wischte mir eine Träne aus dem Auge. Simone und ich hatten diese zwei Wochen hier in Deutschland zusammengeschweißt. Sie war die ältere Schwester, die ich mir immer gewünscht hatte.
"Ich freu mich auch so." Sie ließ ihren Blick zu Lynn gleiten und ihre Augen weiteten sich. "Ist das Evangeline?", fragte sie und ich nickte stolz. "Sie sieht genauso aus wie du, nur in blond.", stellte sie fest. Ja, das sagten viele Leute zu mir, was mir aber doch immer einen Stich ins Herz versetzte. Die blonden Haare und die blauen Augen hatte sie von Lucas.
"Darf ich dir einen Freund von mir vorstellen?", stellte ich ihr Went vor und die beiden reichten sich die Hand.
"Hi, Wentworth Miller.", begrüßte er Simone und sie lächelte.
"Schick.", meinte sie auf Deutsch an mich gerichtet und zwinkerte mir zu. Ja großartig, Sim, noch ein bisschen auffälliger. Ich glaube, er hat es noch nicht mitbekommen. "So, was habt ihr denn schon alles gesehen?" Went und ich zählten alles der Reihe nach auf. "Na, da habt ihr ja noch nicht viel gesehen.", bemerkte sie und führte uns quer durch die Stadt. Sie zeigte uns wunderschöne Häuser und Geschäfte, die garantiert nicht in Wents Reiseführer standen.
"Mommy, ich will nicht mehr.", kam es nach einer halben Stunde von Lynn. Sie zog eine Schnute und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Was willst du nicht mehr?", fragte ich sie und hielt an.
"Meine Füße tun weh und mir ist langweilig." Ich seufzte. Damit war die Stadttour gelaufen, denn ich konnte Lynn jetzt schlecht zwingen weiter zu laufen. Went und Simone waren ebenfalls stehen geblieben und sahen mich ratlos an.
"Okay, macht ihr ruhig die Stadttour weiter, ich geh mit Lynn auf einen Spielplatz.", schlug ich vor und hob Lynn auf meine Arme.
"Wir können doch mitkommen, wir haben schon viel gesehen.", widersprach Went und blickte zu Simone, als wollte er sie auf seine Seite ziehen.
"Nein, ist schon okay. Außerdem musst du den Leuten ja erzählen können, was du alles in Deutschland gesehen hast."
"Stimmt, ich kenn da noch so einiges.", meinte Simone. Sie lächelte Went zu und ich hatte schon so eine Ahnung.
"Sim, nein!", funkte ich ihr dazwischen.
"Was denn?" Sie blickte mich unschuldig an.
"Keine Dönerläden!" Wenn es eine Dönersüchtige Person in Deutschland gab, dann war es unter Garantie Simone. Sie konnte nicht eine Woche ohne das Fastfood aushalten und hatte mich während meines Aufenthalts vor knapp 6 Jahren tatsächlich fast jeden Abend zu ihrem Lieblings-Dönerladen geschleift.
"Warum denn nicht? Er soll doch etwas über die deutsche Kultur lernen.", beschwichtigte sie und sah mich ernst an.
"Das ist ja wohl eher türkisch, als deutsch."
"Es wurde in Berlin erfunden.", konterte sie schlagfertig. Es hatte sowieso keinen Sinn, da sie mich mit ihrem Wissen über Döner Kebab um Weiten schlug.
"Was ist eigentlich ein Döner?", mischte sich Went ein und blickte uns ratlos an. Simone und ich blickten uns an und mussten uns dann schnell wieder wegdrehen, um unser Lachen zu verstecken. Türkisch trifft amerikanischen Akzent wäre wohl die beste Beschreibung gewesen. Went konnte kein Ö aussprechen, so dass es bei ihm eher wie "Doner" klang. "Was?", fragte er und war nun vollends überfordert. Drei Frauen und zwei davon lachten sich ohne Grund über ihn tot, war ja auch nicht gerade aufbauend.
"Döner ist eines der bekanntesten Gerichte der türkischen Küche. Er besteht aus in einer Marinade gewürzten großen Fleischscheiben, die schichtweise auf einen speziellen, senkrecht stehenden Drehspieß gesteckt und gegrillt werden, und von denen nach und nach die äußeren, gebräunten Schichten mit einem großen Messer dünn abgeschnitten werden.Serviert wird Döner als Hauptgericht mit Beilagen wie Reis und Salat oder als Imbiss in einem aufgeschnittenen Fladenbrot, in einer modernen, Dürüm Döner genannten Variante auch in ein besonders dünnes Fladenbrot gewickelt", betete Simone die Definition herunter, als wäre es eines ihrer Lieblingsgedichte von Goethe. Went nickte nur.
"Versprich mir, dass du nicht mit ihm dort hingehst.", warnte ich Simone vor und sie hob die Hand zum Pfadfinderehrenwort.
"Mommy!", schmollte Lynn dazwischen und zog mich an der Hand.
"Okay, dann bis später und viel Spaß!", rief ich noch, blieb dann aber abrupt stehen. "Treffen wir uns in zwei Stunden wieder hier?", rief ich den beiden nach und die nickten.
Also lief ich mit Lynn durch die Straßen und suchte nach einem Spielplatz. Nach Befragung einer Münchnerin, die auch verständliches Englisch sprach, fanden wir schließlich einen. Ich setzte mich auf eine Bank und beobachtete Lynn beim Spielen. Es war für mich immer wieder bewundernswert wie gut sich Kinder trotz unterschiedlicher Sprachen verstanden. Lynn spielte die ganze Zeit mit zwei Mädchen, deren Mutter sich zu mir setzte und wir einen kurzen Plausch miteinander hielten. Leider war ihr Englisch nicht so gut, aber sie schien sehr nett zu sein.
Zum Mittag besorgte ich eine Portion Pommes mit Ketchup, die Lynn und ich uns teilten. Ich genoss noch ein wenig die Sonne, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Went und Simone kamen fast zur gleichen Zeit an und schienen sich prächtig zu amüsieren. Lachend kamen sie bei uns an und ich freute mich, dass sich die beiden so gut verstanden.
"Wie war´s?", fragte ich und die beiden sahen sich an.
"Schön.", meinte Went auf Deutsch und hob den Daumen. Ich verbiss mir ein Grinsen und wir gingen in das nahegelegene Kaffee.
"Wo ward ihr überall?"
"Überall.", kam es von Went. "Simone hat mich ohne Gnade durch die ganze Stadt gejagt, zu Fuß."
"Er übertreibt. Ihr Amerikaner solltet einfach mal ein wenig mehr laufen, anstatt immer jeden Meter mit dem Auto zurückzulegen.", wiegelte sie ab und wir bestellten uns Kaffee und für Lynn ein Eis.
"Und wo ward ihr?"
"Wir waren auf einem Spielplatz nicht weit von hier."
"Wir haben Pommes gegessen.", warf Lynn ein und grinste übers ganze Gesicht.
"Toll, bei uns gabs nur McDonalds.", beschwerte sich Went bei Simone und grinste. Die Kellnerin brachte unseren Kaffee, der wirklich wunderbar duftete.
Wir spaßten noch ein wenig herum, bis Simone dann auf ihre Uhr schaute.
"Es tut mir wirklich Leid, aber ich muss wieder los. Harry kommt bald von der Schule und ich muss ihn zum Training fahren."
"Schade, aber sag schöne Grüße.", meinte ich etwas enttäuscht.
"Wir sehen uns ja morgen wieder, da sind die beiden dann auch mit dabei." Ich sah Simone verwirrt an.
"Ich denke, ihr seid morgen in Nürnberg?"
"Sind wir ja auch.", lachte sie und zwinkerte Went zu. Mein Blick wanderte zu ihm und er setzte schnell einen ernsten Gesichtsausdruck auf. Was hatten die beiden bitte schön vor?
"Hab ich was verpasst?", fragte ich die beiden.
"Nein.", antworteten sie wie aus einem Mund und blickten mich unschuldig an.
"Raus mit der Sprache: Was habt ihr vor?" So leicht ließ ich mich nicht an der Nase herumführen. Die beiden warfen sich einen Blick zu.
"Sollen wir es ihr sagen?", fragte Went Simone und ich platzte bald vor Neugier.
"Ja, sag du es ihr."
"Okay." Die beiden wandten sich wieder mir zu. Ich blickte sie gespannt an. "Also Alex,...", begann er vielsagend und schwieg dann. Plötzlich nahm Went seine Arme hoch und hielt sie sich über den Kopf, um damit ein Dreieck zu bilden. "Ich hab ne Zwiebel aufm Kopf, ich bin ein Döner!", brachte er mit dem Oberkörper wackelnd hervor und beide brachen in Gelächter aus. Lynn fands natürlich auch witzig, während ich die beiden anschaute, als wären sie bescheuert. Ich konnte nicht mitlachen, weil ich durch Wents Akzent bis auf das Wort "Döner" nichts verstanden hatte und selbst wenn er deutlicher gesprochen hätte, wäre ich nicht schlauer geworden, weil ich nicht so gut deutsch konnte. Went und Simone bekamen sich nicht mehr ein und lachten so viele Tränen, dass ich schon dachte, der Tisch schwimmt gleich davon.
Ich war ein wenig sauer auf Simone, da sie anscheinend doch mit Went in einem Dönerladen gewesen war. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und die Zwei beruhigten sich doch tatsächlich wieder.
"Sim, ich hatte doch gesagt, keinen Döner und du hattest es mir versprochen.", meckerte ich, doch sie grinste nur.
"Hast du auch meine gekreuzten Finger hinter meinem Rücken gesehen?", konterte sie und Went fing wieder an zu feixen. "Außerdem hab ich ihm den Laden nur gezeigt und da kam zufällig das Lied im Radio." Sie machte dieselbe Bewegung wie Went, als er uns das Döner-Lied vorgesungen hatte.
"Du hast den Laden doch nicht verlassen, ohne einen Döner zu bestellen. Das glaube ich dir nicht."
"Frag doch ihn." Sie deutete auf Wentworth, der wie auf Kommando nickte.
"Keinen Döner.", sagte er und ich sah wie seine Mundwinkel zuckten.
"Sim, hauch mich mal an.", verlangte ich einfach nur und beide wurden etwas blass. "Ich hoffe nur für dich, Sim, dass er keine Knoblauchsauce hatte." Sie wurde noch ein wenig blasser und ich hätte mir am liebsten mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen. Oder ihr. Went stank aus dem Mund wie eine olle Gewürzknolle, Stacy würde durchdrehen und ich wusste schon genau, wem sie den schwarzen Peter zuschieben würde. Ich genoss den Urlaub in vollen Zügen. Ich kramte in meiner Tasche und suchte meine Kaugummis heraus. Ich reichte Went einen. "Hier, damit Stacy nicht gleich tot in deiner Suite zusammenklappt.", bemerkte ich und sah Simone vorwurfsvoll an.
"Tut mir Leid, Alex.", meinte sie und ich konnte nicht einmal auf sie böse sein.
"Ist nicht so schlimm, nur solltet ihr beiden vielleicht heute nicht zu stark ausatmen.", grinste ich und rief die Bedienung für die Rechnung. Gleichzeitig griffen wir drei zu unseren Geldbeuteln.
"Ich bezahle.", meinte Went und klappte sein Portemonnaie auf. Simone und ich gaben uns aber nicht so leicht geschlagen.
"Ladies first.", hielt ich dagegen.
"Alter vor Schönheit.", kickte mich Simone aus dem Rennen. Es entschied sich also zwischen Went und Simone.
"Alter?", grinste Went und zückte sein Portemonnaie. Beide waren derselbe Jahrgang, aber ich wusste nicht, wer nun eher geboren worden war.
"35!"
"Ich auch. Welcher Monat?"
"September 1972." Went lachte laut auf und legte das Geld in das Heft, das die Kellnerin gebracht hatte.
"Juni 1972.", erklärte er und Simone steckte fluchend ihren Geldbeutel wieder ein.
"Gib zu, du hast es gewusst.", knuffte sie mich an und ich schüttelte nur den Kopf. Simone stand auf und verabschiedete sich von uns, wieder mit den Worten, dass wir uns morgen sehen würden.
"Wollen wir auch los?", wich Went meinen fragenden Blicken aus. Ich nickte und wir standen ebenfalls auf. Lynn nahm meine Hand und wir liefen den Weg zurück zum Hotel. Diesmal ohne Schwierigkeiten.
Vor der Weggabelung im 7.Stock des Hotels hielten wir an und blickten uns für einen Moment an.
"Danke für den schönen Tag.", brach ich die Stille.
"Bedank dich lieber erst, wenn der Tag zu Ende ist."
"Ist das jetzt eine Drohung?" Ich sah ihn gespielt ernst an.
"Nein, eine Einladung mit mir nachher ins Spa zu gehen. Stacy hat eine Masseuse bestellt." Eine? Sollten wir die uns teilen?
"Und was ist mit Lynn?" Ich blickte zu meiner Tochter, die sich an mein Bein gedrückt hatte. Sie war müde.
"Das Hotel bietet Babysitter an." Er sah mich erwartungsvoll an, aber ich blieb skeptisch. "Hey, es ist dein Urlaub." Schließlich stimmte ich zu und wir verabredeten uns in einer Stunde bei ihm.
Erschöpft ließen Lynn und ich uns auf unser Bett fallen und starrten an die Decke. Es war immer noch unglaublich. Wir waren in einem 5-Sterne-Hotel in Deutschland. Ich hatte Simone nach über 4 Jahren wiedergesehen und nun würde ich mit Went ins Spa gehen, um mich richtig durchkneten zu lassen. Was zieht man da eigentlich an? Bademantel? Handtuch? Nichts? Das Bild von Went beim Nacktbaden fiel mir wieder ein und ich rollte mich breit grinsend vom Bett herunter.
Suchend durchwühlte ich unseren Koffer nach etwas zum Anziehen. Lynn war währenddessen eingeschlafen und hatte sich wie eine Katze zusammengerollt. Schließlich fand ich mein Lieblingsshirt und eine bequeme Jeans. Umziehen konnte ich mich ja auch noch im Spa. Gerade als ich aus dem Bad wiederkam, klingelte das Telefon. Wer ruft mich denn bitte schön auf dem Hoteltelefon an? Nicht einmal ich kannte die Nummer dazu. Ich nahm den Hörer ab.
"Hallo?"
"Hi." Es war Went.
"Oh hi." Hätte ich ja wirklich selber drauf kommen können.
"Schlechte Nachrichten. Ich hab heute Abend ein Essen mit dem Chefredakteur von der Bravo und Stacy meinte, dass es zu knapp werden würde, wenn ich jetzt noch ins Spa mit dir gehe," Warum verwundert mich das jetzt nicht, dass es von Stacy kommt? Ich war enttäuscht, aber Went war es nicht weniger. "Sie ließ sich auch nicht umstimmen." Er klang niedergeschlagen.
"Vielleicht hättest du sie nur mal anhauchen brauchen, dann hätte sie ihre Meinung ganz bestimmt geändert.", versuchte ich uns beide wieder aufzumuntern und ich konnte sein unterdrücktes Lachen durch den Hörer vernehmen.
"Lieber nicht.", gab er zurück. Warum denn nicht? Ich hätte zu gerne ihr Gesicht gesehen, wenn die Knoblauchfahne um ihr Antlitz weht. "Es tut mir wirklich Leid."
"Du kannst doch nichts dafür. Außerdem bist du ja zum Arbeiten hier und nicht, um mich zu unterhalten."
"Trotzdem. Kann ich dich heute Abend wenigstens zu mir einladen. Nach dem Essen, meine ich?" Es entstand eine kurz Stille.
"Ja, klar. Ich warte noch bis Lynn eingeschlafen ist. Dann komm ich rüber, okay?"
"Schön. Ihr könnt übrigens im Restaurant zu Abend essen. Ihr braucht nur eure Karte vorzeigen und es wird alles aufgeschrieben." Klar, wir werden dir hier auf der Tasche liegen. "Oder ihr bestellt euch etwas aufs Zimmer."
"Ich werd mal sehen. Lynn schläft gerade." Ich drehte mich zu ihr um und sah ihren blonden Schopf aus der Bettdecke hervorblitzen.
"Gut, dann bis heute Abend.", verabschiedete er sich und ich legte auf.
Langsam drehte ich mich und atmete einmal lange und tief aus. Es war halb 5 und ich hatte keinen Plan, was ich jetzt tun sollte.
Kurzerhand griff ich zu meinem Telefon und rief Sam an.
Teppich

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Teppich »

Juchu, endlich in Deutschland :D
Ich freu mich schon sehr auf die Show!
Hahah, der kleine Wettbewerb, wer denn den Kaffee zahlen
darf, stell ich mir grad voll lustig vor hahaha
Und der Döner-Song *rofl* Hahaha!

Hmpf, schade, dass es nicht mehr für Spa reicht. Hoffentlich
können die 2 das noch nachholen ;)

Ah, na dann bist du ja auf der sicheren Seite hehehe
Wo wohnt denn deine Gastmom, wenn ich fragen darf?
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

Also meine Gastfamilie wohnt in Weston, Connecticut :)
Übermorgen fliege ich :D Bin schon sooooooo aufgeregt ;)

So, will jetz nicht weiter reden, sondern les einfach Kapitel 30.
Ich hoffe, es gefällt dir...


Kapitel 30: siblings...and other tears for fears

Ich öffnete die Tür mit der Sicherheitskarte, die mir Stacy gegeben hatte und ging direkt auf das große Sofa im Wohnzimmer zu. Ich ließ mich in die Kissen sinken und schloss die Augen. Erschöpfung überkam mich, nachdem ich einen 2-Stunden-Marathon an Hände schütteln, freundlich lächeln und zuhören verbracht hatte. Manchmal verfluchte ich diesen Teil meiner Arbeit, auch wenn es interessant war, neue Leute kennen zu lernen. Doch so lange stocksteif die Regeln guter Konversation durchzuhalten, nahm mir immer schnell den Spaß und dass mich jeder anstarrte, als wäre ich ein Tier im Zoo, besserte die Lage nicht gerade. Am Schlimmsten war es aber für mich, wenn sie mich auch noch beim Essen fotografierten. Dann würde ich am liebsten den Spieß umdrehen und den Leuten die Kamera unter die Nase halten, während sie versuchten Nudeln mit Stäbchen zu essen. So etwas machte mich immer furchtbar nervös, weil ich wusste, dass meistens doch irgendetwas daneben ging und am Ende noch auf meiner Hose landete. Heiße Milch zum Beispiel.
In so einer Situation war ich meinen Eltern aber sehr dankbar, dass sie mich so gut erzogen hatten. Ohne diese Strenge wäre ich schon in so mancher Situation untergegangen.
Ich musste unweigerlich lächeln, als ich an die Person dachte, die leider allzu oft in ein Fettnäpfchen trat, was sie aber für mich nur sympathischer machte. Alexis. Bisher hatte ich nur Männer mit diesem Namen kennengelernt. Umso erstaunter war ich gewesen, als ich feststellte, dass dahinter genauso gut eine Frau stehen konnte. Ihr Name bedeutete Kämpferin und das war sie wirklich. Doch heute war ich es, der kämpfen würde. Um ihr Herz.
Für mich bedeutete der heutige Abend alles oder nichts. Ich wollte ihr heute Abend meine Gefühle gestehen, nachdem ich die letzten Male an meiner Feigheit beziehungsweise an unvorhersehbaren Geschehnissen gescheitert war. Aber ein Liebesgeständnis kam eben nun mal nicht so gut an, wenn sich der Ex-Freund der Auserwählten nach Jahren zurückmeldet, die schwangere, beste Freundin vor der Tür steht oder das Kind in Hörweite schläft. All solche Dinge ließen meine Schüchternheit sich voll entfalten und ich kniff lieber einmal mehr, als mich zum Idioten zu machen.
Dabei hatte ich schon viel zu viel Zeit verstreichen lassen, bis ich mir meine Gefühle für Alex hatte eingestehen müssen. Ich hatte sie eigentlich schon vom ersten Moment an gemocht, als sie völlig verzweifelt bei StarBucks vor mir gestanden und versucht hatte, noch irgendetwas an meiner Hose zu retten. Damals hatte ich sie noch für dreist gehalten, als sie mich dann auch noch zu sich einlud, doch schnell hatte ich gemerkt, dass sie, im Gegensatz zu den Frauen im Laden, keine Ahnung hatte, wer ich war.
Ich öffnete meine Augen und erhob mich vom Sofa. Ich wollte mich noch umziehen, bevor sie kam und einen passenden Anfang musste ich mir ja auch noch überlegen. Was sollte ich eigentlich sagen? Einfach mit der Tür ins Haus fallen oder lieber vorsichtig anklopfen? Wenn Leigh jetzt nur hier wäre. Sie hatte wirklich Ahnung von so etwas und es war auch ihre Idee gewesen, Alex meine Liebe zu gestehen. Sie hatte sich anscheinend mein Gejammer am Telefon nicht mehr länger anhören wollen und hatte vorgeschlagen, in die Offensive zu gehen. Das hatte eigentlich bis jetzt geklappt, nur nicht so ganz wie ich wollte.
Nachdem ich also immerhin schon meiner Schwester gestanden hatte, dass es wieder jemanden Weibliches in meinem Leben gab, der nicht meine Assistentin war, hatte ich mir ordentlich was einfallen lassen.
Ich hatte herausbekommen, wo sie arbeitete und war wie zufällig mit Dom und Sara in der Bar erschienen. Selbst nach der Promotiontour in Europa hatte ich ihr Bild nicht aus meinem Kopf löschen können und hatte sie sofort hinter der Bar erkannt. Dass ich es mir mit meiner eigentlich gut gemeinten Geste bei ihr verscherzt hatte, konnte ich zu der Zeit ja nicht ahnen. Mir war wirklich das Herz in die Hose gerutscht, als sie mir die 10 Dollar wieder zurückgegeben und mich dabei so kalt angesehen hatte. Doch dann hatte sie mir doch noch eine Chance gegeben und ich erinnerte mich mit einem Lächeln an die Nacht, als wir mit unseren Frappucchinos durch die Straßen von L.A. spaziert waren. Ich hätte das wirklich jeden Tag mit ihr machen können, aber bei der hohen Dichte an Fotografen war das leider nicht möglich. Überhaupt beeinflussten die Paparazzi so einiges bei uns. Alex schwankte bei diesem Thema ständig zwischen Ignoranz und Wut und so sehr ich ihr auch hatte helfen wollen, machte ich es doch jedes Mal schlimmer.
Trotzdem hatten wir uns wieder getroffen, auch wenn ich ein Mal flunkern musste. Ich hatte all meinen Mut zusammen genommen und sie angerufen, um sie zu fragen, ob sie mein verbranntes Essen retten könnte. Dabei hatte ich gar nichts gekocht, aber ich wollte sie unbedingt wiedersehen. Zum Glück hatte sie nicht bemerkt, dass es überhaupt nicht verbrannt roch und auch keine benutzten Pfannen und Töpfe herumstanden. Zu allem Unglück für mein schlechtes Gewissen hatte sie sich auch noch unglaublich viel Mühe gemacht und ein drei-Gänge-Menü gekocht. Meine Freunde waren so begeistert gewesen, dass sie sich, als ich gerade Alex raus aus der Küche locken wollte, mein Dessert unter den Nagel gerissen hatten. Nicht nur meine Crêpes waren verschwunden gewesen, sondern auch Alex.
Überhaupt, warum rannte sie ständig vor mir davon? Okay, heute wäre es verständlich gewesen, weil ich Knoblauch gegessen hatte, aber auch vorher hatte sie öfters einen Rückzieher gemacht. Es war immer, als würde sich ein Schalter bei ihr umlegen. Dann schaute sie mich wie ein verschrecktes Reh mit ihren großen braunen Augen an und mir zerriss es jedes Mal das Herz. Dabei war sie vorher ganz anders gewesen, denn eigentlich war sie richtig frech. Sie konnte einem geschickt die Worte im Mund herumdrehen oder einen mit einem einfachen Satz um den Verstand bringen. Doch gerade das liebte ich so an ihr. Ihr Humor war deckungsgleich mit meinem und ich freute mich schon jedes Mal, wenn sie wieder mit unserem Wortspiel anfing. Ich konnte die Anzahl unserer Lachanfälle schon nicht mehr zählen und selbst wenn sie mich manchmal ärgerte, konnte ich ihr doch nie böse sein. Aber langsam verlor ich ein wenig die Geduld mit ihr. Ich hatte sie nie gedrängt und doch hatte sie sich jedem noch so eindeutigen Moment entzogen. Fast jede Nacht lief derselbe Film in meinem Kopf ab. Alex und ich waren in meiner Wohnung und sie entdeckte meine Bilder. Jedes Mal versuchte ich es anders zu machen, doch sie entwischte mir jedes Mal wieder und ich zweifelte an mir selber. Frauen waren schon vor mir zusammen geklappt, nur weil ich sie angeschaut hatte und ich hatte mich dabei immer schrecklich gefühlt. Bei Alex aber wusste ich oftmals nicht einmal, was sie dachte. Zwar hatte ich sie manchmal dabei erwischt, wie sie mich anstarrte und sich dabei auf die Lippen biss, aber dann hatte sie sich schnell wieder gefangen und so getan, als wäre nichts passiert.
Nur einmal war ich bisher froh gewesen, dass sie mal wieder verschwunden war und das war der Tag, an dem Gillian einfach so vor meiner Tür erschienen war. Im Gegensatz zu Leigh sah sie es nicht so gerne, wenn ich mit Frauen ausging. Sie vermutete hinter jedem weiblichen Wesen, mit dem ich traf eine Intrige und glaubte zu wissen, dass mich alle nur ausnutzen wollten. So war es auch an diesem Tag, als sie mich ein wenig unsanft am Arm in mein Schlafzimmer gezogen und angefangen hatte auf mich einzureden. Ich kannte ihre Reden zu gut, um nicht dazwischen zu sprechen, aber diesmal hatte ich es einfach so satt. Sie war meine kleine Schwester und ich war damals bei ihr zwar auch nicht besser gewesen, aber ich war eindeutig alt genug, um selbst entscheiden zu können. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte ich bis an mein Lebensende ein Single-Dasein gefristet, aber dieses Mal war es mir ernst. Also hatte ich mich gegen ihre typischen Argumente gewehrt, aber sie hatte leider auch die Zeitung gelesen und wusste, dass Alexis eine Tochter hatte.
Genau das war auch zunächst mein Problem gewesen. Alex hatte Evangeline, ihre Tochter. Ich mochte Kinder und verbrachte auf Familienfesten viel Zeit mit meinen kleinen Cousinen und Cousins, aber ich war auch froh, wenn ich sie am Ende des Tages wieder an ihre Eltern abliefern konnte. Wenn ich also Alex wollte, dann würde ich Lynn als Gratisgeschenk dazu bekommen und den Stief- bzw. Ersatzvater zu mimen, war mir überhaupt nicht geheuer. Deswegen war ich erst auf Abstand gegangen, bevor die Kleine mein Herz im Sturm erobert hatte.
Ich bemerkte, dass mir mein Spiegelbild breit entgegen grinste, aber ich konnte nichts dagegen machen. Lynn musste man einfach lieben. Jedes Mal, wenn sie mich zur Begrüßung an den Beinen umarmte und mich von unten herauf angrinste, bekam ich gute Laune, egal, wie der Tag gelaufen war. Und als sie mich letztens plötzlich auf die Wange geküsst hat, war ich rot angelaufen, aber nicht vor Scham sondern vor Freude. Eigentlich musste ich Lynn jedes Mal danken, denn erst durch sie hatte ich Alex kennen gelernt. Wahrscheinlich würden wir heute noch wortlos bei StarBucks aneinander vorbeilaufen, wenn mir nicht ein 3-Jähriges Mädchen ihre heiße Milch auf die Hose und das T-Shirt geschüttet hätte. Außerdem gehörte Lynn zu Alex wie Michael wohl zu mir. Ohne seine zweite Hälfte war man nicht man selbst, es fehlte dann einfach etwas.
Rasieren oder nicht rasieren? Ich blickte skeptisch in den Spiegel. Meine Haare waren schon fast zu lang und man sah leider deutlich, dass ich graue Haare bekam. Dabei war ich noch nicht mal 36. Den einen Monat hätte mir mein Körper ruhig noch gönnen können. Aber wenn ich mich jetzt selbst rasierte und dabei meine zitternden Hände betrachtete, wusste ich, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit heute Abend einen riesigen Kratzer am Kopf haben würde. Dafür könnte ich mich aber im Gesicht rasieren, doch wenn ich das heute und morgen auch noch mal machte, bekam ich wieder diese roten Frieseln im Gesicht. Also entschied ich mich dagegen und ich glaubte auch nicht, dass das Alex wirklich interessierte. Überhaupt hatte sie noch nie irgendwas zu meinem Äußeren gesagt, nicht einmal, als ich halbnackt in ihrem Schlafzimmer gestanden hatte. Ich war in diesem Moment alles andere als entspannt gewesen, was nicht nur an meinem verspannten Nacken gelegen hatte, sondern vor allem an ihrer Reaktion. Wenn ich während der Dreharbeiten wegen der Tattoos oben ohne in der Maske gesessen hatte, war die halbe weibliche Belegschaft deswegen in Aufruhr gewesen. Ich konnte und würde das nicht verstehen, auch wenn es mir natürlich schmeichelte. Doch wenn ich mich mit Dom und Maury verglich, die öfters im Fitnessstudio waren als Zuhause, fühlte ich mich zwar nicht dick, aber durchaus mit dem Gedanken beschäftigt, häufiger mal zu trainieren. Am Ende solcher Tag siegte aber die Pizza vor mir auf dem Esstisch und ich verschob mein Vorhaben auf morgen, dann auf übermorgen und ließ es dann doch ganz sein.
Im Gegensatz zu Alex, die einfach nur wunderschön war. Der Morgen, an dem ich neben ihrem Bett aufgewacht war und sie nur in Unterwäsche vor mir gesehen hatte, war der Tag gewesen, an dem ich zum ersten Mal meine Gefühle nicht mehr wirklich unter Kontrolle gehabt hatte und einen Eimer Eiswürfel gebraucht hätte. Zum Glück hatte sie es nicht bemerkt oder es zumindest gekonnt überspielt. In solchen Dingen war sie wirklich gut. Sie konnte meine besten Annäherungsversuche ignorieren und so langsam war ich wirklich mit meinem Latein am Ende. Eigentlich hatte ich mit dem Spa nachhelfen wollen und sie hatte überraschenderweise auch zugesagt, aber ich hatte nicht mit Stacys Ausraster gerechnet.
Sie hatte schon schlechte Laune, als ich zurückkam, weil wir ihrer Meinung nach viel zu lang unterwegs gewesen waren. Ihre Wut steigerte sich noch durch meinen Knoblauchgeruch. Mehr für sich, als zu mir sprach sie irgendwelche Sachen vor sich hin und lief dabei auf und ab. Schließlich meldete sie mich von der Massage ab, damit auch keiner mitbekam, was Wentworth Miller gegessen hatte und wälzte danach unendlich viele Seiten im Internet. Am Ende musste ich 10 Mal Zähne putzen, mehrere Minzbonbons essen und irgendeinen Schnaps trinken, der einfach nur scheußlich schmeckte. Zum Glück half es wirklich und ich konnte an dem Abendessen mit Tom Junkersdorf, dem Chefredakteur der Bravo, teilnehmen. In Gedanken aber war ich schon ein Stück weiter und bereitete mich innerlich auf mein Geständnis vor. Es war ein wenig, als hätte ich vorher noch nie so etwas gemacht und fühlte mich nun hilflos.
Dabei hatte ich schon einige Beziehungen hinter mir. Da waren Kristen, Jennifer, Mary und Emma gewesen. Ganz schön lange Liste für mich, aber keine war mir unter zwei Jahren weggekommen. Ich war ein Beziehungsmensch und wenn ich mich einmal verliebte, dann vertraute ich dieser Person mehr als mir selbst. Ich wusste nicht wirklich, wie ich die letzten drei Jahre überlebt hatte. Vielleicht, weil ich immer noch mit meiner Arbeit verheiratet war. Doch die Scheidung lief, nach Prison Break wollte ich kürzer treten. Zwar würde ich weiter als Schauspieler agieren, aber so wie in den letzten Jahren wollte ich nicht mehr leben. Die Akkus waren aufgebraucht und die Geschichte von Michael und Lincoln nach der 4.Staffel erzählt. Das machte mich traurig, weil ich die Crew und die familiäre Atmosphäre vermissen würde, aber gleichzeitig fühlte ich Erleichterung. Es hieß, dass Michael Scofield und ich getrennte Wege gehen würden, auch wenn er immer Teil meines Lebens bleiben würde.
Ich verließ das Bad und ging in das Schlafzimmer, um mich umzuziehen. Schon wieder stellte sich mir eine Frage: Was sollte ich anziehen? Hemd und Hose oder doch lieber nur Jeans und T-Shirt? Wobei es natürlich auffiel, wenn ich mich wie für eine Preisverleihung anzog. Womöglich würde sie es bemerken und dann musste ich vielleicht noch früher mit der Sprache rausrücken, als mir lieb war. Ich wollte mir eigentlich erstmal mindestens ein Glas Wein zuführen und auf den richtigen Moment warten. Außerdem hatte ich ja noch eine Überraschung vorbereitet und hoffte, dass es ihr gefallen würde. Ich hatte versucht Simone unauffällig über Alex auszufragen, aber war schon nach der zweiten Frage gescheitert und musste ihr erzählen, was ich vorhatte. Aber das hatte mir wirklich geholfen, denn Simone wusste wirklich viel, nicht nur über Döner. Sofort hatte ich wieder die Melodie zu dem Döner-Lied im Ohr und fing schon an zu summen, als ich mich selbst bremste. Es reichte schon vollkommen zu, dass ich danach stank, dann musste ich nicht auch noch davon singen.
Ich kramte in meinem Koffer nach einer passenden Jeans und einem T-Shirt. Ausgepackt hatte ich erst gar nicht, das Meiste fand ich auch so. Noch hatte ich ein bisschen Zeit, bevor Alex an der Tür klopfen würde, aber mein Herz schlug jetzt schon heftig gegen meine Brust. Von meinen nassen Handflächen mal nicht zu sprechen. Ich versuchte mich abzulenken, aber was immer ich versuchte, am Ende kam es doch immer wieder auf sie raus. Es musste heute einfach klappen, schließlich hatte sie mir ja Anzeichen gegeben, dass da vielleicht doch etwas war, auch wenn sie davor flüchtete. Die Massage heute früh zum Beispiel, als ich erst gedacht hätte, dass es eine Fliege wäre und ich sie schon fortjagen wollte. Zum Glück hatte ich noch rechtzeitig bemerkt, dass es Alex war und mich keinen Zentimeter gerührt. Noch jetzt spürte ich ihre Fingerspitzen über meinen Kopf streicheln und bekam eine Gänsehaut.
Nachdem ich noch mal geprüft hatte, ob auch alles da war, setzte ich mich aufs Sofa und begann auf meinem I-phone irgendwas zu spielen. Ich hatte das Handy noch nicht lange, also konnte ich gleich mal ein paar Funktionen ausprobieren, um mich abzulenken. Dieser verdammte Stick hatte es heute aber in sich, denn ich traf fast nie die Knöpfe, auf die ich wollte. Also steckte ich es wieder weg und lief stattdessen im Wohnzimmer auf und ab.
Was, wenn sie nicht kommen würde? Oder Lynn nicht einschlief? Dann hätte sie sicherlich eine Nachricht hinterlassen, redete ich mir ein und versuchte mich dadurch zu beruhigen. Noch einmal prüfte ich, ob ich auch alles hingelegt und nichts vergessen hatte.
Plötzlich klopfte es und ich ließ vor Schreck erstmal etwas fallen. Ich schluckte und hob die Tüte schnell auf. Langsam ging ich zur Tür und atmete noch einmal tief ein, bevor ich aufmachte. Ich blickte direkt in ihre rehbraunen Augen und lächelte leicht, bevor ich sie einließ.
"Hi.", hauchte sie und wir setzten uns aufs Sofa.
"Schläft Lynn?", fragte ich, um das Gespräch in Gang zu bringen. Dabei ließ ich unauffällig den Blick über ihren Körper wandern, von ihren langen Beinen, die von einem schwarzen Rock umkleidet waren, über ihr rotes Top bis hin zu ihrem verträumt blickenden Gesicht.
"Ja, ich dachte schon, dass sie gar nicht mehr einschläft. Sie ist nach unserer Stadttour sofort in ihrem Bett eingeschlafen und erst vorhin wieder wach geworden." Über ihr Gesicht huschte ein leichtes Lächeln und unsere Blicke trafen sich für einen Moment.
"Ich wäre auch am liebsten direkt ins Bett gewandert, aber Stacy hat mich nicht gelassen.", lachte ich bei dem Gedanken an Stacys Gesichtsausdruck. Alex verdrehte die Augen und lehnte sich nach hinten.
"Ja ja, die gute Stacy. Was hat sie denn zu deinen ersten Kontakten mit der "deutschen" Esskultur gesagt?" Sie hatte wirklich eine einzigartige Weise, um Dinge zu umschreiben, die einen immer wieder zum Lachen brachten.
"Sauer wäre wohl die beste Umschreibung. Ich habe eine ganze Tortur an Mitteln gegen Knoblauchgeruch einnehmen müssen."
"Wenn Stacy nicht wäre." Ihre Stimme triefte nur so vor Sarkasmus.
"Was hast du gegen sie? Sie macht eben ihren Job." Sie schaute mich ungläubig an.
"Also wenn ich meinen Job mache, schaue ich nicht aus, als hätte ich in die Zitronen, vor mir auf der Ablage, gebissen." Eigentlich wollte ich meine Assistentin verteidigen, aber bei Alex` Argumenten fiel es mir schwer, ernst zu bleiben.
"Ich mach es ihr auch nicht gerade einfach."
"Ich glaube, dass liegt weniger an dir, als an mir.", bemerkte sie und linste zu dem Wein, den ich eigentlich schon längst öffnen wollte. Ich griff nach der Flasche und dem Korkenzieher.
"Wie kommst du denn darauf?" Sie legte sich ihren Zeigefinger an den Mund und tat so als würde sie überlegen. Hätte ich in diesem Moment nur eine Kamera dabei gehabt, ich hätte jede Speicherkarte voll bekommen.
"Vielleicht, weil sie seit Betreten des Flugzeuges nicht mehr gelacht hat und sie mir immer diese kalten Blicke zuwirft? Ich kann mich natürlich auch täuschen. Vielleicht hat sie einfach nur Flugangst oder Platzangst oder sie mag Frauen mit kleinen Kindern im Allgemeinen nicht." Vor Lachen bekam ich die Flasche kaum auf.
"Sie ist wirklich nett. Ich war schon öfters mit ihr unterwegs auf Promotiontour." In ihren Augen blitzte es kurz auf.
"Aha." Sie zog das Wort extra lang. "Na dann, werde ich ab jetzt immer ganz lieb zur guten Stacy sein." Wie zur Bestätigung machte es laut "Plopp", als der Korken endlich aus der Flasche war. Wir sahen uns beide an und prusteten los. Meine Nervosität war hinweg, ich war viel zu sehr darauf bedacht, mich nicht zu verschlucken und meine Bauchmuskeln zu trainieren. Als ich mich wieder gefangen hatte, schüttete ich uns Wein in die Gläser und reichte ihr eins davon.
"Auf ein schönes Wochenende.", meinte ich und bewegte mein Glas auf ihres zu.
"Auf Stacy Kirsch.", gab sie trocken zurück und ich feixte in mein Glas hinein. "Was? Das meinte ich ernst."
"Ja, natürlich.", gab ich ironisch zurück und nahm noch einen Schluck von dem Wein. Ich hatte ihn mit Simone besorgt und wenn der Rest auch noch so gut war wie der Wein, dann würde ich ihr wohl mehr als ein Danke schulden.
"Was ist eigentlich in der Tüte da?", fragte sie mich und deutete auf einen Beutel auf dem Tisch. Ich grinste, während sie vor Neugier fast zu platzen schien.
"Das verrat ich dir erst, wenn du mir einen Gefallen getan hast." Sie blickte mich skeptisch an und kniff ihre Augen zusammen.
"Was für einen Gefallen?", knurrte sie und ich biss mir auf die Lippen. Unruhig klopfte ich mit den Fingern auf meine Oberschenkel. Ich musste es ihr sagen, aber wie immer war mein Mund verschlossen. Der Abend hatte erst begonnen, es gab bestimmt noch andere Möglichkeiten.
"Ich brauche deine Hilfe für morgen."
"So lange will ich aber nicht warten, um zu sehen, was in der Tüte ist.", lenkte sie ein und nahm noch einen Schluck von dem Wein, als sie mich ansah.
"Nein, morgen für die Show. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll und naja, Stacy war nicht gerade in der Stimmung...", erklärte ich.
"Ja ja, Stacy, schon klar. Dann zeig mal her, was du zur Auswahl hast." Ich erhob mich vom Sofa und ging um die Ecke in mein Schlafzimmer. Die beiden Kostüme lagen auf meinem Bett und ich griff nach dem, mit dem weißen Hemd und der weißen Jeans. Ich zog mich aus und knöpfte dann das Hemd auf.
"Ziehst du dich eigentlich gerne vor Frauen aus?", kam es plötzlich aus dem Wohnzimmer und ich konnte sie förmlich bis hier her Grinsen hören.
"Pass lieber auf, dass du dich auf dem Sofa nicht zu sehr verrenkst. Ich will nicht, dass der Abend ruiniert wird, nur weil du, kleine Spannerin, vom Sofa gefallen bist.", gab ich zurück. Ich hätte die Türe doch schließen sollen.
"Ach, wer wollte denn unbedingt eine Modenschau aufführen?" Mir war es unerklärlich, woher sie immer ihre schlagfertigen Antworten nahm. Mir fielen solche Dinge allerhöchstens hinterher ein.
"Ich beeile mich ja schon.", rief ich zurück und schlüpfte in meine Jeans. Irgendwie schaffte ich es dann auch noch die Krawatte einigermaßen zu binden und alle Knöpfe richtig zu schließen. Unsicher betrat ich das Wohnzimmer, wo Alex wieder auf ihrem Platz saß. Sie blickte zu mir auf und schluckte einmal. Dann wurden ihre Augen größer und ich sah, dass sie auf ihrer Unterlippe kaute. War das jetzt ein gutes Zeichen?
"So schlimm?", fragte ich deshalb an und sie löste ihren Blick von meinem Körper.
"Geht schon. Aber gibt´s das Hemd auch in gebügelt?" Ich verdrehte die Augen und ging zurück ins Schlafzimmer.
"War doch nur ein Witz.", rief sie mir hinterher und ich drehte mich genau in dem Moment um, als sie sich gerade wieder in die andere Ecke des Sofas setzen wollte. Ich schüttelte nur leicht den Kopf und ging weiter. Diesmal aber lehnte ich die Tür so an, dass nur noch ein Spalt offen war. "Spießer!", hörte ich sie murmeln und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Alex war manchmal wirklich verrückt und chaotisch, was mir aber eigentlich am Besten an ihr gefiel. Bei ihr musste ich nicht ernst sein oder mich verstellen. Ich konnte einfach Went sein.
Ich griff nach dem anderen Hemd und der schwarzen Jeans, während ich mit der linken Hand meine Knöpfe öffnete. Zum zweiten Mal verließ ich das Schlafzimmer und betrat das Wohnzimmer. Alex blickte auf, verzog aber schnell das Gesicht.
"Also doch lieber das Erste?"
"Um ehrlich zu sein, mir gefielen am Besten deine Boxershorts." Ich hob die Augenbrauen, während sie sich ihr Glas zum dritten Mal füllte. War sie so nervös? Das war gar nicht gut. Denn das hieß, dass, wenn ich mich jetzt wieder umziehen ging, sie vielleicht nicht mehr da war. "Du bist aber heute eine Spaßbremse.", warf sie mir vor und zog eine Schnute. Mich überkam der Gedanke sie hier und jetzt einfach zu küssen, aber meine Beine waren wie festgewachsen.
"Ich? Warum? Du gibst mir hier ja keine richtigen Antworten." Sie verdrehte die Augen und ließ sich in die Kissen zurück fallen.
"Okay, gut. Die Expertenmeinung von Alexis "Ich-hab-keine-Ahnung-von-Mode" Edwards. Nimm das Erste, dann werden dir die Fanherzen nur so um die Ohren fliegen. Das braune Hemd kannst du in Kombination mit der schwarzen Hose im Dunklen anziehen, wenn dich keiner sieht.", kommentierte sie sarkastisch. "Außer Stacy vielleicht." Sie strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht und nahm einen weiteren Schluck von dem Wein.
"Danke.", meinte ich nur und zog mich schnell wieder um. Als ich aus dem Schlafzimmer kam, saß sie noch genauso da wie vor 5 Minuten und ich setzte mich wieder neben sie.
"So, und jetzt dein Teil der Abmachung.", meinte sie und linste zu der Tüte. Ich seufzte und zog die Tüte heran. Langsam öffnete ich sie, doch als ich merkte, dass Alex mir über die Schulter schaute, machte ich sie schnell wieder zu.
"Seit wann bist du denn so neugierig?", fragte ich sie verwundert.
"Du spannst mich ja so auf die Folter." Bei ihrem Blick, den sie mir zuwarf, gab ich dann doch nach und öffnete die Tüte. Hervor zog ich eine große Menge an Süßigkeiten aller Art.
"Simone und ich waren nicht nur Döner essen, sondern haben auch was eingekauft. Das ist so ziemlich alles an deutschen Süßigkeiten, die es in dem Laden gab.", berichtete ich stolz und sie sah mich mit großen Augen an.
"Ich seh, Döner macht nicht nur schöner.", lachte sie und wir durchwühlten den Berg an Tüten und Verpackungen.
"Kennst du irgendwas von den Sorten?"
"Oh, Gummibärchen!", rief sie aus und hielt eine goldene Tüte mit bunten Tierchen drauf hoch.
"Schmeckt das?", fragte ich skeptisch und nahm ihr die Tüte aus der Hand.
"Ja, aber leider wird mir schon nach 10 Stück schlecht."
"Vielleicht später." Ich legte die Tüte wieder zurück und griff nach einer Packung. "Wie sieht´s mit dem aus?" Ich blickte auf die Verpackung. "Trumpf!", las ich vor.
"Keine Ahnung, kenn ich nicht. Ich kenne nur das Wort Strumpf." Sie zuckte mit den Schultern.
"Und was heißt das?"
"Ich glaube, es bedeutete so etwas wie "Socke"." Ich verzog das Gesicht und legte auch diese Packung wieder zurück. Alex lachte über meinen Gesichtsausdruck, aber ich ging lieber auf Nummer sicher. "Wie wäre es damit?" Sie hielt eine Tafel Schokolade hoch. Die Verpackung war lila und eine Kuh war zu sehen, ebenfalls in lila.
"Klar, ich steh auf lila Kühe.", lachte ich und sie öffnete die Packung. Dann zerteilte sie vorsichtig die Tafel in kleine Stücke und reichte mir ein Stück. "Oh, das ist lecker!", brachte ich hervor und ließ mir die Schokolade auf der Zunge zergehen.
"Mmh, stimmt!" Sie verdrehte die Augen voller Freude und nahm sich noch ein Stück. Ich beobachtete, wie die Schokolade in ihrem Mund verschwand und sie sich danach die Finger ableckte. In meinen Gedanken lief diese Szene ein wenig anders ab und ich nahm schnell ein neues Stück von der lila Kuh, um mich wieder in die Realität zurück zu bringen. Alex machte währenddessen eine neue Packung auf. Auf der Frontseite war ein Kind zu sehen.
"Was issn das?", versuchte ich mit der Schokolade im Mund zu sagen.
"Kinderschokolade! Also nichts für dich.", sagte sie mit einem Grinsen und versuchte die Schokolade vor mir zu verstecken.
"Wieso nicht? Ich war schon immer größer als die anderen Kinder.", versuchte ich es und setzte einen unschuldigen Blick auf.
"Der große Went möchte bitte von seinen Eltern aus dem Spieleland abgeholt werden.", ahmte sie eine imaginäre Kassiererin nach. Ich verschluckte mich vor Lachen und sie klopfte mir netterweise auf den Rücken. Zudem bekam ich doch einen Riegel Kinderschokolade.
"Die mit der lila Kuh war aber besser.", stellte ich fest und nahm noch ein Stück von der Tafel.
"Du magst Kühe, oder?", stellte sie mit Belustigung fest.
"Du nicht?", entrüstete ich mich gespielt und schaute sie mit großen Augen an.
"Nein, ich steh eher auf Frösche und Schnecken.", meinte sie trocken und nahm sich noch einen Riegel. "Die sind leichter zu halten." 1:0 für dich, Alex.
"Das wirst du mir jetzt mein Leben lang nachtragen, oder?", fragte ich sie belustigt.
"Lass mich überlegen...Ja! Bis an dein Lebensende und darüber hinaus.", grinste sie und ich öffnete die nächste Packung. Die Schachtel war oben durchsichtig, so dass man die Schokolade schon sehen konnte. Sie war golden verpackt, dafür aber umso schwerer zu öffnen. Das Klebeband wollte sich einfach nicht lösen und so hantierte ich erst mal eine Ewigkeit herum, zu Alex` Belustigung. Schließlich gab die Verpackung meiner Beharrlichkeit nach. Wir entnahmen jeweils eine der Kugeln, die den Namen "Roschee" trugen und steckten sie uns gleichzeitig in den Mund.
"Mmmh, das ist so lecker." Ich freute mich, dass ihr meine Idee gefiel.
"Ich könnte glatt die ganze Packung essen."
"Ich rede von der Schokolade, Went. Nicht von der Packung.", lachte sie und ich warf ihr einen bösen Blick zu. Dass sie einem auch wirklich jedes Mal das Wort im Mund herumdrehte. Unschuldig lächelte sie mir zu, nahm ein weiteres Stück Schokolade und schob es mir in dem Mund. Dann noch eins und noch eins, ich kam kaum hinterher mit kauen. Schließlich versuchte ich mich zu wehren und drehte meinen Kopf von ihr weg, als sie mich wieder mit Schokolade füttern wollte. Mein Herz klopfte wie wild, als ihr Finger meine Lippen berührten und sie mir so nah war.
"Du brauchst Glückshormone, Went."
"Ja, aber nicht auf meinen Hüften.", widersprach ich, was sie nur zum Grinsen brachte und dazu, mich weiter mit Schokoladen vollstopfen zu wollen. Obwohl ich mich wehrte, genoss ich ihre Berührungen, wenn ihre warmen Hände meine Schulter oder mein Gesicht berührten. Sie hatte sich mittlerweile so hingesetzt, dass ich seitlich vor ihr saß und blickte mich bettelnd an. Dabei waren ihre Augen selbst wie die Schokolade in ihrer Hand. Also gab ich nach und drehte meinen Kopf wieder ihr zu, um plötzlich ihr Gesicht ganz nah bei meinem zu spüren. Sie hatte sich anscheinend im selben Moment wie ich dazu entschieden, mir von hinten, dass Stück Schokolade in den Mund zu schieben und war auf mich zu gekommen. Ich spürte ihren Atem auf meiner Haut, als wir uns anstarrten und keiner sich zu bewegen oder etwas zu sagen traute. Ich dachte nicht viel nach und schloss einfach die Lücke zwischen uns, in dem ich sanft meine Lippen auf ihre presste und sie küsste. Mein Herz konnte sich nicht entscheiden, ob es vor Glück noch schneller schlagen oder stehen bleiben sollte. Ich steckte einfach all meine Leidenschaft in diesen Kuss, weil es gleichzeitig mein Liebesgeständnis war. Es gab keine richtigen Worte für das, was ich für Alex empfand, also ließ ich einfach Taten sprechen. In dem Moment, als sie meinen Kuss erwiderte, wünschte ich mir Michaels latente Hemmung, um dieses Gefühl festzuhalten, jede Sekunde in mir aufzusaugen und alles an ihr in mein Gehirn einzubrennen. Ihre Lippen waren noch viel weicher, als ich es mir vorgestellt hatte und schmeckten nach Schokolade, wobei ich nur hoffen konnte, dass das bei mir ebenfalls so war. Ich setzte mein Vertrauen in Milka und streichelte ihr sanft über die Wange.
Doch so schnell wie ich sie geküsst hatte, so schnell beendete sie auch den Kuss wieder und lehnte ihre Stirn gegen meine. Zärtlich strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und schob sie ihr hinter ihr linkes Ohr, aber sie entwand sich meinen Berührungen.
"Ich kann nicht, Went.", unterbrach sie die Stille. "Es tut mir Leid." Unsanft landete ich auf den Boden der Tatsachen und spürte den Aufprall mehr als deutlich. Es war, als hätte sie mir ins Gesicht geschlagen. Es war nicht einmal Enttäuschung, die ich spürte, sondern eigentlich nur Leere. Ich hatte es vermasselt und meine Wut stieg. Zu meiner eigenen Verwunderung, musste ich plötzlich leise lachen.
"Das klingt zwar jetzt arrogant, aber es gibt viele wunderschöne Frauen da draußen, die mir ihre Nummer zugesteckt haben. Doch ich hab sie nie angerufen, bis auf eine. Und jetzt sitze ich hier neben ihr, hab meinen ganzen Mut zusammen genommen, um ihr zu sagen, dass ich sie liebe und bereit bin, mein Leben für sie zu verändern und alles, was ich zur Antwort bekomme ist das. Warum, Alex? Liegt es an mir?" Ich versuchte ruhig zu bleiben, denn das Letzte, was ich jetzt wollte, war, mich mit ihr zu streiten. Doch es fiel mir wirklich schwer. Wütend fuhr ich mit meinen Händen über meinen Kopf, um sie nicht anschauen zu müssen. Ich kam mir so dumm vor.
"Es liegt nicht an dir.", meinte sie leise.
"An was dann?" Ich sprang auf und hätte am liebsten laut geschrieen, nur um etwas von meinen Gefühlen los zu werden. "Ist es mein Beruf? Die Paparazzi? Bin ich dir zu langweilig, nicht gut genug oder ist Dom einfach besser?" Die letzten Worte waren mir herausgerutscht und ich brauchte nicht erst in ihre Augen zu blicken, um zu sehen, dass ich zu weit gegangen war. "Hast du auch einmal an mich gedacht? Wie ich fühle? Das da mehr als nur Freundschaft für mich im Spiel war?" Es war sowieso alles zu spät, also konnte ich auch gleich alles rauslassen, was mich beschäftigte. "Es hat mich viel Zeit gekostet, mir all das einzugestehen, doch ich war mir so sicher, wie lange schon nicht mehr. Selbst als du mir erzählt hast, dass du dich mit Dom triffst, konnte ich darüber hinweg sehen, obwohl ich vor Eifersucht gekocht habe. Weil ich dir vertraut habe, weil ich dich nicht verlieren wollte, weil ich an einem Tag so viel Spaß mit dir hatte wie bei all meinen anderen Dates zusammen. Also, warum verdammt noch mal steh ich jetzt hier wie ein Trottel da? Ich weiß, dass das nicht alles gewesen sein kann. Was war heute früh im Flieger? Habe ich mir das nur eingebildet wie eben gerade, als ich merkte, dass du den Kuss erwiderst?" Ich sah, dass ihr Tränen das Gesicht hinunter liefen und ich hätte nichts lieber getan, als sie zu trösten. Doch sie war es, die hier auf meinem Herz herumtrampelte und nicht ich auf ihrem.
"Und was ist mit deiner Schwester? Sie schien wenig begeistert von mir." Ich erstarrte. Sie hatte es also doch mitgehört und glaubte nun, dass sich meine Familie gegen eine Beziehung stellen würde.
"Ja, sie hat Zweifel daran, aber das hat sie immer. Gillian ist nun einmal skeptisch, aber ich hab ihr klar gemacht, dass ich das zwischen uns beiden ernst meine."
"Wie stellst du dir das denn überhaupt vor?", erwiderte sie leise. "Wie viele Stunden soll ein Tag haben, damit wir uns sehen können? Damit du aus Texas hier her kommen kannst?" Das war es also. Es ging auch um die Zeit. Ich schöpfte wieder Hoffnung.
"Wir drehen die neue Staffel in Los Angeles, was heißt, dass wir uns auf jeden Fall am Wochenende sehen würden."
"...An denen ich arbeiten gehe." Es war zum Verzweifeln, weil ich das Gefühl hatte, dass sie nach Ausreden suchte. Selbst jetzt, als es so offentsichtlich war, gab sie nicht zu, was sie für mich empfand. Ich fühlte mich wie in einem Albtraum, der einfach nicht enden wollte, weil er real war.
"Warum machst du es so schwer? Du könntest kündigen, weil ich genug verdiene. Außerdem hättest du dadurch mehr Zeit für Lynn und würdest Sam und Shalley entlasten.", schlug ich vor und blickte sie verzweifelt an. Ihre Augen waren verweint und ihre Schminke verwischt. Sie sah wieder so aus wie an dem Tag, als sie zusammen gebrochen war und wie ein Häufchen Elend in meinen Armen gelegen hatte.
"Ich will aber dein Geld nicht, das weißt du." Ich wusste nicht mehr weiter. Je mehr ich Argumente einwarf, umso mehr zog sie sich zurück, umso mehr brach mein Herz.
"Was willst du dann?", fragte ich verzweifelt. "Du willst nicht mein Geld, du willst mich nicht, also was dann? Habe ich überhaupt eine Chance oder verschwende ich hier meine Kraft, indem ich versuche in einer Sackgasse weiterzufahren?" Ihr Blick sagte alles und für mich brach eine Welt zusammen. Ich ließ mich in den Sessel fallen und vergrub mein Gesicht in den Händen, um nicht zu zeigen, dass ich den Tränen nah war. Es war mir unbegreiflich wie dieser Tag hatte solch eine Wendung annehmen können. Ich war mir so sicher gewesen, dass sie das Gleiche empfand wie ich und glaubte es auch immer noch. Doch vor irgendetwas hatte sie Angst, nur wusste ich nicht, vor was.
Die Tür fiel ins Schloss und ich wusste, dass sie gegangen war. Sie war wieder vor mir geflohen. Wütend erhob ich mich und fegte die ganzen Süßigkeiten mit einer Handbewegung vom Tisch. Ich hätte am liebsten die ganze Einrichtung zerstört, wenn sie denn nur meine gewesen wäre. So fluchte ich nur laut und trat einmal gegen das Tischbein. Es tat höllisch weh, aber das war mir in diesem Moment alles nur egal. Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf und ich konnte keine zufriedenstellend beantworten. Sie ließ mich wieder und wieder im Dunklen tappen, während ich ihr mein Innerstes auf dem Tablett servierte.
Ich riss die Terrassentür auf und trat hinaus in die Kälte. Was ich jetzt brauchte war frische Luft. Ich stützte mich aufs Geländer und blickte auf München bei Nacht. "Alles oder nichts" hatte ich mir vorgenommen. Nun stand ich allein da und kam mir einfach nur dumm vor. Nach einer Ewigkeit löste ich mich wieder von der Aussicht und ging hinein, um nach den Zigaretten von Stacy zu suchen, die hier irgendwo herum liegen mussten. Da ich den Lichtschalter nicht fand, musste ich im Dunklen danach suchen. Endlich hatte ich sie und griff noch nach der Weinflasche, die auf dem Tisch stand. Zurück auf dem Balkon, setzte ich mich auf den Boden und zündete mir eine Zigarette an.
"Da kannst du mal sehen, was du mir antust, Alex!", sprach ich zu mir selbst und nahm einen Schluck von dem Wein, um diese dumpfe Gefühl in mir zu betäuben. "Auf ein schönes Wochenende!", prostete ich mir selber zu. Wieder starrte ich auf die Stadt mit ihren flimmernden Lichtern und lachte leise vor mich hin. Eigentlich hatte ich mit Alex den Ausblick genießen wollen, da sie ja selber keinen Balkon hatte, aber nun waren ja nur noch die Weinflasche, die Zigarettenschachtel und ich übrig geblieben. Ich trank noch den letzten Schluck aus, nahm einen letzten Zug von der Zigarette und rappelte mich dann wieder auf. Sollte sie doch wegrennen, wenn sie das unbedingt wollte. Sie würde schon sehen, was ihr entging. Vielleicht hatte Gillian ja doch Recht gehabt und mir war ein Single-Leben vorbestimmt. Ich wusste, dass diese trotzige Art vielleicht kindisch wirkte, aber mir stand ein anstrengender Tag bevor und ich wollte auf keinen Fall meine schlechte Laune auf die Fans übertragen. Das hatten sie nicht verdient, denn auch wenn sie etwas verrückt waren, konnte ich immer auf ihre Unterstützung verlassen. Also würde ich mich nicht betrinken und auch nicht in Selbstmitleid untergehen. Das konnte ich in L.A. machen und mich bis zu Drehbeginn in meiner Wohnung vergraben.
Schwankend ging ich ins Bad, entledigte mich meiner Sachen, räumte noch die Unordnung im Wohnzimmer auf und nahm dann eine Schlaftablette. In meinem Bett starrte ich an die Decke und wartete darauf, dass mir endlich die Augen zufielen und ich vergessen konnte wie toll es gewesen war, sie zu küssen.
Teppich

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Teppich »

Oh, das ist ja mal toll, mal die Story aus Went's Sicht
zu lesen. Echt toll!!
Awww, er liebt sie!! :D hach, das ist ja einfach wunderbar!
Aber dass Alex sich so vor ihm verschliesst, grrrrr...
Na hoffentlich ist deswegen nicht gleich der gesamte
Deutschland-Trip versaut. Und ich hoff sehr, dass sie
bereits im nächsten Kapitel darüber reden werden.

Oh, schon übermorgen? Wie lange bist denn weg?
Au-Pair?
Hach, Connecticut möcht ich gern mal live gesehen haben,
schöne Landschaft dort. Du Glückliche! ^_^
Muss ich denn nun lange auf das nächste Kapitel warten? *heul*
;)
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

Nein, musst du nicht. Zwar werde ich morgen nicht posten können, aber da lasse ich dir zwei Kapitel da :D Und naja, danach werde ich so oft es geht online sein. Mal sehen wie sehr ich eingespannt werde, um auf die Kids aufzupassen ;)

Ja, das Kapitel aus Wents Sicht hatte ich von anfang mit eingeplant, auch wenn es dann als es so weit war, richtig harte Arbeit war. Denk mal wie ein Mann :D...

Irgendwie komisch heute bei mir...so alles in Abschiedsstimmung, dabei bin ich doch nur 13 Monate weg ;D

So, jetzt das bzw. die nächsten beiden Kapitel ...viel Spaß beim lesen :)


Kapitel 31: Scared of myself


In dem Moment, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, erwachte ich wie aus einer Trance. Das Klicken des Schlosses klang endgültig und ich hätte mich am liebsten wieder umgedreht und wäre zurück zu ihm gegangen. Noch immer liefen mir Tränen über das Gesicht, denn es keine Entscheidung des Herzens gewesen, sondern...ich wusste es nicht. Ich hatte keine Ahnung, welcher Teil in mir ihm die Antwort an den Kopf geworfen hatte. Denn in dem endlosen Moment, als ich sein Herz brach, als ich seinen enttäuschten Gesichtsausdruck gesehen hatte, als das Glimmen in seinen Augen verschwunden war, war auch mein Herz entzwei gegangen. Ich hatte nicht nur ihn zutiefst verletzt, sondern auch mich selbst.
Schluchzend lief ich zurück zu meinem Hotelzimmer und verbrachte eine Ewigkeit damit, die Tür zu öffnen. Immer wieder musste ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischen, die Gedanken aus dem Kopf jagen und mich darauf konzentrieren, die Karte richtig zu halten. Endlich blinkte es grün auf und ich konnte die Klinke runterdrücken. Was sollte ich nun machen? Mich gleich vom Balkon runterstürzen oder mich vorher noch richtig betrinken? Taumelnd lief ich zum Bett und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Ich rollte mich wie ein Fötus zusammen und weinte einfach weiter. Immer wieder spielte sich das Szenario in der Suite vor meinem inneren Auge ab. Wie wir Weint getrunken und Süßigkeiten gegessen hatten, er vor mir in diesem atemberaubend gutaussehenden Outfit gestanden hatte und wie am Ende seine Lippen auf meinen gelandet waren. Vorsichtig fuhr ich mir mit dem Zeigefinger über meine Lippen und schloss die Augen. Ich konnte seine Küsse spüren, ebenso wie seinen Atem und dann verpuffte alles innerhalb einer Sekunde. Weil ich es zerstört hatte.
Meine Tränen waren nur die gerechte Strafe für das, was ich ihm angetan hatte. Er hatte mir sein Herz ausgeschüttet und ich hatte ihn angesehen, dass es ihm alles andere als leicht gefallen war. Und alles was ich ihm geantwortet habe war: "Tut mir Leid, aber ich kann nicht!" Diese Worte waren mir eingebrannt und wiederholten sich in meinem Kopf wie bei einer hängenden Schallplatte immer und immer wieder.
Ich wälzte mich im Bett umher. Meine Antwort war doch eigentlich so klar gewesen. Ich liebte ihn über alles. Er war der Mann, mit dem ich mein Leben verbringen wollte. War mir das nicht im Flugzeug klar geworden? Hatte ich dich nicht da meine Entscheidung getroffen und zwar für ihn? Also warum, verdammt noch mal, hatte ich mit Nein geantwortet? Weil ich gespürt hatte, dass er mir irgendwas sagen wollte? Weil mir die Angst die Kehle zugeschnürt hatte und ich krampfhaft versucht hatte, normal zu handeln und zu denken? Weil ich diese Suite einfach nur noch verlassen wollte?
Ich konnte mich daran erinnern, dass ich mich krampfhaft an meinem Weinglas festgehalten hatte und immer wieder mein Glas neu gefüllt hatte. Ich hatte die Angst wegspülen wollen, die Nervosität. Ich war kläglich gescheitert.
Doch eigentlich war noch nichts zu spät. Ich konnte immer noch zurückgehen und mich entschuldigen. Ihm sagen, dass ich ihn ebenso liebte und damit das tun, was mein Herz und der Rest meiner Familie mir sagte. Es war die einzige Möglichkeit.
Ich kroch unter der Bettdecke hervor und lief im Halbdunklen ins Bad. Gerade als ich mich waschen wollte, um das verlaufene Make-up zu entfernen, klingelte mein Handy. Auf dem Display erschien Sams Name, was mich verwunderte, da wir erst vorhin miteinander telefoniert hatten. Ich starrte das Handy an, unfähig ranzugehen. Er würde sofort merken, dass etwas nicht stimmte, wenn ich jetzt annahm und mit ihm sprach. Wenn er das nicht schon längst gespürt hatte und mich deswegen anrief. Ich wartete bis er aufgab und hielt mein Gesicht unter den Wasserhahn. Eiskalt lief das Wasser über Stirn, Augen, Nase und Mund hinab ins Becken. In weniger als zwei Minuten würde Sam wieder anrufen und wenn ich dann nicht ranging, würde er das Sondereinsatzkommando schicken. Ich hatte also zwei Minuten Zeit, um meine Stimme so in den Griff zu bekommen, dass er nichts merken würde.
"Ja?", meldete ich mich kurz darauf am Handy. Meine Stimme klang brüchig, so als hätte ich Ewigkeiten nicht mehr gesprochen.
"Warum bist du nicht rangegangen?", kam es aus der Sprechmuschel zurück.
"Ich hab schon geschlafen, Sam und nicht gleich das Handy gefunden."
"Oh, tut mir Leid. Ich hatte bloß irgendwie dieses komische Gefühl, du weißt schon...", erklärte er mir und ich verstand. Das war uns schon öfters passiert, dass der eine sich gerade in dem Moment meldete, wenn es dem anderen schlecht ging. Es war dieses unsichtbare Band, das Zwillinge miteinander verband.
"Mir geht´s gut, Sam!", log ich und versuchte überzeugend zu klingen.
"Wirklich?", fragte er noch einmal nach und ich musste mir auf die Lippen beißen, um nicht wieder mit weinen anzufangen.
"Ja, alles in Ordnung. Ich geh dann jetzt am Besten wieder ins Bett.", murmelte ich und versuchte den hartnäckigen Gedanken zu verdrängen, dass es vielleicht nicht mein eigenes sein würde.
"Dann..ehm...gute Nacht und tut mir Leid wegen der Störung."
"Ist schon okay, Sam." Ich legte auf und ließ mich an der Wand hinunter gleiten. Wieder rannen mir Tränen übers Gesicht und hielt mir schnell meine Hand davor, damit es keiner sah. Ich hatte Went angelogen, nun auch Sam. Sollte es so weiter gehen? Ich stellte mir die enttäuschten Gesichter meines Bruders, meiner Mutter und von Shalley vor, die sich maßlos darüber aufregen würden, dass ich mich gegen Went entschieden hatte. MIr blieben also nur zwei Möglichkeiten: Zu Went gehen und mich entschuldigen oder mich heillos zu betrinken und dann aus dem Fenster zu springen. Beide waren mehr als unangenehm, aber ich hatte es mir ja selbst zuzuschreiben.
Ein letztes Mal wischte ich mir die Tränen aus den Augen und stand auf, um noch einmal die Suite zu verlassen und zu Went zu gehen. Doch das war einfacher gesagt als getan. Was sollte ich ihm denn sagen? "Went, sorry, aber ich kann doch?" Als ich durch die Gänge schlich, die Hand an der Wand entlangstreifend, wurde mir klar, dass es keine Worte dafür gab. Keine Entschuldigung, keine Wiedergutmachung. Er hatte mich vor die Wahl gestellt und ich hatte Nein gesagt. Unsicher stand ich vor seiner Tür. Ein Klopfen, er würde die Tür öffnen und alles was ich tun würde, wäre mich nur wieder meiner Angst hinzugeben. Es hatte keinen Sinn. Ich war nicht die Richtige für ihn, auch wenn er das vielleicht dachte. Er brauchte jemand, der ihm den Rücken stärkte bei seiner Arbeit, nicht jemanden wie mich, die bei der kleinsten Panikattacke die Flucht ergriff.
Meine Hände weigerten sich zu klopfen, dafür aber mein Herz, das mir wild gegen die Brust schlug. Sanft strich mit meinen Fingern über die Tür, so als würde ich Went über den Kopf streicheln und ging schließlich wieder, um mich heillos zu betrinken und dann aus dem Fenster zu springen.
Kaum zurück im Hotelzimmer, öffnete ich die Minibar und nahm alles, was nach Alkohol aussah, heraus. Ich stellte es auf den Tisch vor der Couch, auf die ich mich fallen ließ. Zuerst würde ich mir meine Trauer wegtrinken, dann den Schmerz betäuben und zum Schluss über die Brüstung klettern. Das klang doch mal nach einem tollen Plan. Ich öffnete die erste Flasche, ließ meinen Blick flüchtig über das Etikett gleiten und setzte dann zum trinken an.
"Auf ein schönes Wochenende!", wiederholte ich Wents Worte und vergass sie spätestens nach der zweiten Flasche vollends.

Ein Hämmern an meinem Kopf weckte mich unsanft. Es klopfte wieder und ich merkte langsam, dass es nicht mein Kopf, sondern die Tür war. Tür? Ich richtete mich auf und blickte schlaftrunken auf die Flaschen auf dem Tisch vor mir. Scheiße, verdammt. Ich hatte mich zwar betrunken, aber total vergessen mich danach umzubringen. Wow, selbst für so etwas simples wie Selbstmord war ich zu blöd.
Es hämmerte wieder an der Tür und ich erhob mich, um zu öffnen, ehe die Person auf der anderen Seite noch die Tür eintrat. Ich drückte die Klinke herunter und wurde im selben Moment schon zur Seite gedrückt. Ein Wesen, das sich so schnell hereinbewegte, dass ich es nur verschwommen wahrnahm, stöckelte an mir vorbei. Am Klacken erkannte ich, dass es Ms. Kirsch sein musste. Die hatte mir ja noch gefehlt. Ich schaute sie fragend an und bekam einen vernichtenden Blick zurück. 3,..2,..1, ....gute Laune, würde ich mal sagen.
"Kann ich helfen?", fragte ich langsam, da sie nicht das Wort ergriff. Das schien sie erst so richtig in Fahrt zu bringen.
"Was haben Sie mit ihm gemacht?" Ich mit wem?
"Sorry?" Ich griff mir an den Kopf, da ihre Stimme schon außerhalb des zulässigen Klangbereiches für verkaterte Menschen war.
"Was haben Sie mit Wentworth gemacht?", zischte sie.
"Was soll ich denn mit ihm gemacht haben?" Ich hab ihm das Herz herausgerissen, einmal Stepptanz darauf getanzt, es ihm danach an den Kopf geworfen und bin gegangen. Auch ein Schluck Whiskey?
"Das wissen Sie genau!" Eben nicht, sonst würde ich ja nicht fragen. Mein Gott, Intelligenz hatte sie auch nicht gerade mit der Muttermilch aufgenommen.
"Alles was ich weiß ist, dass er gestern noch Essen war, wir uns kurz getroffen haben und ich mich dann wieder in meine Räumlichkeiten zurück gezogen habe." Ich musste mich anstrengen diesen Satz ohne grammatikalische Fehler oder Lallen über die Bühne zu bringen.
"Haben Sie das alles getrunken?" Ihr Blick war zum Tisch geglitten. Jap, Schätzchen. Das war ich ganz alleine.
"Ja.", antwortete ich ihr knapp und verbiss es mir, Schätzchen zu sagen oder gar zu lachen. Ihr Aufzug war aber einfach nur lächerlich und sie erinnerte mich irgendwie an Cruella de Ville. Wenn sie den Dalmatinermantel angehabt hätte, wäre er vermutlich in diesem Moment geplatzt.
"Wissen Sie eigentlich, wer das eigentlich alles bezahlt?", fuhr sie mich an, aber meine Reaktionszeit war die einens Faultiers und so zuckte ich nicht mal zusammen, als sie plötzlich einen Schritt auf mich zumachte.
"Ich?", war meine logische Antwort. Wäre ja noch schöner, wenn Went für meine Dummheit bezahlen müsste. Das brachte Stacy anscheinend aber auf die Palme, denn sie hielt sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken und hatte die Augen geschlossen.
"Okay, es geht mich absolut nichts an, was zwischen Ihnen und Wentworth läuft, aber ich bin verdammt noch mal dafür zuständig, dass er pünktlich und vor allem im Ganzen bei dieser Show auftaucht." Ja, und welcher Teil davon ist dann jetzt mein Problem?
"Schön und gut, aber was habe ich damit zu tun? Wenn Sie als Wachhund versagt haben, ist das doch nicht mein Problem, oder?" Darauf wusste sie nichts mehr zu sagen und schaute mich nur zornig an. Ich wollte nicht wissen mit welchem schläfrigen Blick ich sie ansah, aber es war sowieso alles egal. Ich hatte es verbockt und jetzt würde ich mit wehenden Fahnen untergehen.
Da weder Sie noch ich etwas sagten, stürmte sie wieder zur Tür hinaus und hinterließ nichts außer Verwunderung bei mir. Weshalb war sie zu mir gekommen? Ich hatte Went keinen Alkohol oder gar Drogen zugeführt, ich hatte ihm nur das Herz gebrochen. Also müsste er ja eigentlich noch im Ganzen sein. Eigentlich. Ich betrachtete mich im Badezimmerspiegel und schaute einer Leiche entgegen. Meine Haut war weiß wie Kalk und meine Haare standen in alle möglichen Richtungen ab. Wie sah er dann wohl aus? Okay, abstehende Haare wird er wahrscheinlich nicht haben, aber vermutlich einen ordentlichen Kater. Wir hätten eine Tierhandlung damit aufmachen können oder eine Katerzüchtung.
Ich stellte mich unter die Dusche und ließ es abwechselnd eiskalt oder richtig heiß auf meinen Körper hinabprasseln. Langsam fühlte ich mich wieder lebendig und ging in Lynns Zimmer, um sie zu wecken. Ihr blönder Haarschopf schaute unter der Decke hervor und ich blieb einen Moment am Türrahmen stehen, um dieses Bild für die Ewigkeit festzuhalten. Ganz vorsichtig schlüpfte ich unter ihre Decke und kuschelte mich an Lynn, streichelte ihr übers Gesicht, bis sie langsam erwachte.
"Guten Morgen, Prinzessin. Gut geschlafen?", fragte ich sie. Lynn nickte und rieb sich die kleinen Augen. Ich stand langsam wieder auf und rief beim Zimmerservice an, um Frühstück zu bestellen. Während ich Lynn beim anziehen half, überlegte ich, was wir heute machen sollten. Went wollte uns bestimmt nicht mehr mit bei dieser Show dabei haben wollen und selbst wenn, würde Stacy es ihm bestimmt ausreden.
Ich würde wahrscheinlich mit meiner Prinzessin auf den Spielplatz gehen und dort den Vormittag und Nachmittag verbringen, vielleicht noch ein Eis essen und dann wieder zurück ins Hotel. Seine Nähe würde ich ohnehin nicht ertragen, nicht nach gestern. Was hatte ich nur getan? Ich spürte die Tränen wiederkommen und schluckte heftig, um sie zu unterdrücken. Gestern hatte ich genug geweint, das musste reichen. Schließlich war ich selber Schuld daran. Hätte ich nur Ja gesagt. Ja und Ja, ich will dich heiraten, deine Kinder bekommen und bis an unser Lebensende an deiner Seite bleiben. "Tut mir Leid, ich kann das nicht.", hatte aber gar nicht danach geklungen. Es kam mir jetzt vor, als hätte jemand anderes die Antwort für mich gegeben. Vielleicht hatte sich Stacy ja unter dem Sofa versteckt gehabt und mir dazwischen gequatscht. Schon der Gedanke allein, wie Stacy flach unter dem Sofa lag und uns lauschte, brachte mich wieder zum lachen. Ich hätte gestern mal richtig auf die Couch springen sollen, dachte ich noch, als es an der Tür klopfte. Das musste der Zimerservice sein.
Lynn rannte vor mir an die Tür, aber ließ mich öffnen. Ein junger Mann schob einen kleinen Wagen herein, auf dem unser Frühstück stand. Bei den verschiedenen Düften, die mir entgegen kamen, bekam ich richtig Appetit.
"Dankeschön.", sagte ich zu ihm und nahm ihm den Wagen ab. Er lächelte mir kurz zu und zog dann den Zettel aus seiner Tasche hervor.
"Das soll ich Ihnen geben.", meinte er und verabschiedete sich. Ich blickte einen Moment verwirrt auf den Brief und öffnete ihn dann langsam. Wents Schrift strahlte mir entgegen und mein Herz klopfte automatisch schneller. "Um 1 am Aufzug.", hatte er nur geschrieben. Keine Anrede, keine Grußworte. Nur dieser eine Satz. Aber er bedeutete genauso viel. Es hieß, dass er uns in Nürnberg dabei haben wollte. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Es konnte so vieles bedeuten: Dass er mir noch eine weitere Chance gibt, dass er nur höflich war und uns weiterhin als seine Gäste ansah, dass er mir zeigen wollte, was ich verpasste und wie viele seiner Fans sich für ihn prügeln würden. Ich hoffte auf die erste Möglichkeit, aber wahrscheinlicher war wohl Zweitens. Ich glaubte ihn gut genug zu kennen, um zu Wissen, dass er Anstand und Höflichkeit mit der Muttermilch aufgenommen hatte.
Mein Appetit war mir vergangen und ich sah Lynn beim Essen zu, während ich selbst nur Gedankenverloren in meinem Kaffee rührte. Immer wieder sah ich ihn vor meinem inneren Auge, wie er sich in den Sessel fallen ließ, völlig am Boden zerstört. Alles nur wegen mir.
"Mommy, ich kann nicht mehr!" Ich blickte zu Lynn und brauchte einen Moment, um zu realisieren, was sie meinte. "Ich kann auch nicht mehr!", hätte ich ihr am liebsten geantwortet, aber sie hätte es nicht verstanden. Stattdessen nickte ich nur und ließ sie im Wohnzimmer spielen. Kurze Zeit später wurde das Frühstück wieder weggeräumt und ich setzte mich in eine Ecke, um meine Gedanken wieder kreisen zu lassen. Um mir wieder vorwerfen zu können, was ich falsch gemacht hatte, was ich mir hatte entgehen lassen.
Er war perfekt, Shalley hatte Recht gehabt. Vielleicht sollte ich ihr meine Entscheidungen überlassen, da sie immer wusste, was Richtig für mich war. Wentworth zum Beispiel. Er hatte mein Leben durcheinander gebracht, aber auf eine gute Weise. Mit ihm hatte ich so viel Spaß gehabt, wie schon lange nicht mehr. Er war geduldig und überhaupt lief alles ruhiger in seiner Gegenwart. Mit ihm verging die Zeit ein wenig langsamer, schien fast stehen zu bleiben. Es hatte immer nur uns beide gegeben, wenn wir zusammen gewesen waren. Kein Stress auf der Arbeit, keine Paparazzi, keine Kinder, nichts. Es war, als hätten wir beide diejenigen sein können, die wir wirklich waren, mit all unseren Schwächen und Stärken.
Nun aber fühlte ich mich, als hätte ich ihn ausgenutzt. Als seine Zeit gestohlen, die er hätte mit wichtigeren Dingen verbringen können. Stattdessen war er immer für mich dagewesen und hatte alles stehen und liegen gelassen, als es mir schlecht gegangen war. Er war die ganze Nacht bei mir geblieben, hatte in dieser unmöglichen Position neben meinem Bett geschlafen, nur damit ich nicht allein war.
Warum also hatte ich Nein gesagt? Warum also hatte ich immer noch Angst, dass er eines Tages nicht mehr da sein wird, wenn ich es doch bin, die ständig davonrennt? Ich wusste es nicht und ich glaube, dass es auch keinen Menschen gab, denn diese Frage mehr quälte als mich. Ich wollte die Antwort wissen und sie ihm geben, damit er verstand, warum ich alles ruiniert hatte. Damit er mich verstand und ich mich selbst. Denn so wie es jetzt bei mir lief, hatte ich selber Angst vor meinen eigenen Reaktionen und Handlungen. Es war, als würde ich erst hinterher bemerken, was ich tat. Was ich ihm antat.
Ich spürte wieder und wieder neue Tränen über mein Gesicht laufen. Würde das denn nie aufhören? Waren nicht irgendwann alle Tränen geweint? Lynn kam zu mir und nahm mich in den Arm, so als wüsste sie, was mit mir los war.

Nach dem Mittagessen, ich wusste nicht mehr, wie ich die Zeit bis dahin verbracht hatte, suchte ich Kleidung für Lynn und mich heraus, die wir bei den sommerlichen Temperaturen anziehen konnten. Lynn trug ein Sommerkleid, während ich eine kurze Hose und ein rotes Wickelkleid anzog. Ich hatte keine Lust mich groß zu schminken oder irgendetwas mit meinen Haaren zu machen, also hielt ich es mit beiden einfach.
Um kurz vor Eins machten wir uns auf zum Fahrstuhl und ich überlegte fieberhaft, wie ich reagieren sollte. Mein Herz schlug bis zum Hals und das Atmen fiel mir so schwer, dass ich glaubte, zu ersticken. Wie sollte das erst in seiner Nähe werden? Ich war kurz davor zurückzugehen und mich im Hotelzimmer einzuschließen. Eigentlich wäre es mir am Liebsten gewesen, ich hätte ihn nie wieder sehen müssen.
Doch es war zu spät, denn Lynn zog mich gnadenlos weiter bis wir den Fahrstuhl erreichten und ins Blickfeld der anderen gerieten. Went stand mit dem Rpcken zu uns, doch ich konnte auch so erkennen, dass er genau das angezogen hatte, was ich vorgeschlagen hatte. Er schien blendender Laune zu sein, da sein Lachen bis zu uns vordrang. Allerdings fragte ich mich, woher die Meute um ihn herum, herkam. Gestern war nur Stacy dagewesen und nun waren es ein Mann und zwei Frauen mehr.
Mein Körper war eine einzige Starre und ich umfasste Lynns Hände noch ein weniger fester, bevor wir zu der Gruppe stießen. Stacy bemerkte uns zuerst, mit großer Begeisterung, wie ich bemerkte. Daraufhin drehte sich ein grinsender Went zu uns um, doch seine Gesichtszüge entglitten ihm für einen kurzen Augenblick, als unsere Blicke sich trafen. Ich wollte etwas sagen, aber mein Mund war ausgetrocknet und meine Zunge klebte auf unangenehme Weise an meinem Gaumen, aber er hatte sich sowieso schon wieder gefasst und sich, mit einem Lächeln, Lynn zugewandt. Er ließ sich absolut nichts anmerken, während mich seine Nähe fast zu erschlagen drohte. Went wollte mir zeigen, dass er stärker war als ich und mit der Situation sehr gut umgehen konnte.Ich wollte gar nicht erst wissen, ob Stacy ihm von meinem Saufgelage erzählt hatte.
Nach einer Begrüßung der Frauen, wobei sich die eine als Hotelbesitzerin und die andere als Wents Managerin vorstellte, und dem Mann, ging es mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage. Stacy lief zielstrebig an den ganzen Autos vorbei und steuerte auf ein großes, weisses auf Auto zu. Normalerweise war ich alles andere als ein Autofan, aber für dieses Fahrzeug gab es nur ein Wort: geil. Es fing bei den Felgen an und endete bei der weißen Farbe. Ich musste an mich halten, um nicht einmal über den Lack zu streicheln.
Doch Stacy bremste mich mit einem süffisanten Grinsen aus. Lynn und ich würden mit einem anderen Auto fahren, da sonst nicht genug Platz gewesen wäre. Also stiegen wir beide in den VW Golf, der neben dem Phaeton stand und folgten dem weißen Auto aus der Tiefgarage. Vor dem Haupteingang, an dem wir vorbeifuhren, stand eine Meute von Leuten, die sich blitzschnell umwandten und anfingen zu fotografieren, als wir vorbeifuhren. Ich drückte mich in den Sitz und atmete erst weiter, als wir außer Sichtweite des Hotels waren. Während wir München verließen und anscheinend auf die Autobahn fuhren, hing ich wieder meinen Gedanken nach oder spielte mit Lynn Karten.
Wir brauchten knappe 2 Stunden nach Nürnberg, da ziemlich viel Verkehr war. Doch statt in Nürnberg weiterhin Wents Auto zu folgen, fuhren wir eine andere Strecke.
"Wohin fahren wir?", fragte ich den Fahrer etwas nervös.
"Zur Arena.", meinte er, ohne seinen Blick von der Straße zu nehmen.
"Wieso folgen wir dan nicht dem weißen Auto?"
"Weil Mr. Miller nicht will, dass sie oder ihre Tochter in seiner Gegenwart gesehen werden.", war seine Antworte und ich ließ mich wieder in die Sitze fallen.
"Oh.", brachte ich nur hervor. Dagegen arbeiteten meine Gehirnzellen wieder auf Hochtouren. Ich hatte keine Ahnung, wie das heute ablaufen würde und ahnte schon das Schlimmste.
Eine halbe Stunde später erreichten wir die Arena und kurz vor dem Eingang sah ich eine kleine Gruppe von Frauen, die Bilder von Went in der Hand hielten. Went war schon da, denn der weiße Phaeton stand geparkt neben dem Eingang. Ich entgurtete Lynn und mir wurde die Tür geöffnet. Kurz entbrandeten laute Rufe, aber als die Fans erkannten, dass ich alles andere als berüht war, verstummten sie wieder. Mit Lynn an der Hand und gesenktem Kopf gingen wir in die Arena oder besser gesagt, in die Höhle des Chaoses.
Überall liefen Leute herum, teilweise mit Headsets ausgestattet, Bändern um den Hals und geschäftigen Blick. Ich kam mir mehr als verloren vor und blieb mit Lynn stehen. Wo sollte ich denn jetzt hin?
"Ms. Edwards?", rief ein Mann hinter mir und ich drehte mich erschrocken um.
"Ja, das bin ich."
"Guten Tag, ich bin Sasha. Bitte folgen Sie mir, ich bringe sie zu Mr. Miller." Besser nicht. Doch schon war er losgelaufen und ich nahm Lynn auf meine Arme, um mit ihm Schritt halten zu können. Wir gingen durch eine endlose Zahl von Gängen und Korridoren entlang, bis wir schließlich vor einer Tür hielten. Rechts daneben war ein Schild, auf dem "Wentworth Miller" stand.
"Mr. Miller ist noch bei einem Rundgang und wird bald zurückkommen. Sie können es sich bis dahin hier in seiner Kabine bequem machen und auf Ihn warten." Er öffnete mir die Tür und Lynn stürmte noch vor mir in die Kabine. Mehr war es wirklich nicht. Ein Tisch, drei Stühle und ein Spiegel. Noch ein paar Süßigkeiten und Getränke, das war es aber auch schon.
Ich hörte die Tür hinter mir zuschlagen und setzte mich unsicher auf einen der Stühle. Ich fühlte mich wie kurz vor der Hinrichtung. Mein Magen hatte sich so sehr zusammengezogen, dass er gar nicht mehr zu existieren schien und meine Hände krallten sich in die Lehne. Lynn dagegen schien sich zu freuen und rannte von Wand zu Wand, um sich danach im Spiegel zu betrachten. Ihr Puppe wurde gnadenlos mitgeschleift und knallte mit Kopf und anderen Körperteilen gegen alle möglichen Gegenstände.
Ich war gerade wieder einmal in Gedanken versunken, als sich plötzlich die Tür öffnete und Stacy und Went erschienen. Augenblicklich wanderte mein Blick zum Fußboden und meine Lippen pressten sich fest aufeinander, so als ob sie nie wieder etwas sagen wollten.
"Hi!", waren die ersten Worte, die ich von Went vernahm und als ich meinen Kopf wieder ein Stück hob, sah ich, dass sie an Lynn gerichtet waren. Er ging immer noch so liebevoll mit ihr um, so als wäre nie etwas zwischen uns beiden vorgefallen. Als hätte der gestrige Abend nie stattgefunden. Gerade hockte er sich neben Lynn und erzählte ihr von der riesigen Bühne, während ich, die Hände zwischen meinen Beinen und dem Sitz, wie erstarrt dasaß. Ich konnte das nicht. Ich brauchte dringend frische Luft. Gerade als ich mich erheben wollte, begann Stacy zu reden.
"Ich hol dich in einer halben Stunde ab, Went. Für den roten Teppich. Willst du vorher noch etwas Essen?"
"Nein, danke."
"Du solltest aber wenigstens ein bisschen essen. Schließlich hast du heute noch gar nichts gegessen." Toll, wenn Went mir nicht vorhielt, was ich ihm angetan hatte, dann war es Stacy.
"Trotzdem nein.", beharrte er und Stacy verschwand wieder. Zum ersten Mal wünschte ich mir, sie wäre geblieben und ich gegangen. Ich wollte nicht mit ihm in einem Raum alleine sein. Auch nicht wenn Lynn dabei war und schon gar nicht für eine halbe Stunde.
Went ließ sich auf einen der anderen Stühle an der anderen Seite des Tisches nieder und wir schauten beide Lynn beim Spielen zu. Ich wagte es nicht meinen Blick von ihr zu nehmen, damit ich ihn nicht ansehen musste und auch nicht die Süßigkeiten auf dem Tisch. Es waren fast dieselben wie die von gestern Abend. Musste mich denn alles an meine Fehler erinnern?
Lynn schien das Unbehagen nicht zu spüren, denn sie war frech und fröhlich wie immer. Sie "zwang" uns dazu, ein paar Runden Karten mit ihr zu spielen und fragte uns wie immer ordentlich aus. Lynn war diejenige, die die Zeit zum laufen brachte. Sie war der Verbindungspunkt zwischen Went und mir, aber auch der Einzige, der verblieben war. Es gab nichts mehr zu sagen und wahrscheinlich würden wir morgen getrennte Wege gehen.
Ich traute mich aber auch nicht etwas zu sagen, um alles noch abzuwenden. Ich wusste nicht, wie er reagieren würde und so beließ ich es bei dem Gedanken. Lieber widmete ich mich wieder Lynn zu. Gerade machte sie eine witzige Bewegung, bei der Went und ich lachen mussten. Überrascht sahen wir uns kurz an und augenblicklich war es wieder ruhig. Ich hätte Liebe bekommen, Freundschaft gewollt und nun stand ich mit leeren Händen da. Hatte ich etwas anderes erwartet?
Stacy erschien wieder und Went machte sich bereit, um auf den roten Teppich zu schreiten. Ich hätte ihm gerne gesagt, dass er toll aussah, nur um sein Lächeln als Antwort zu empfangen, aber ich hätte wohl gestern einmal mehr überlegen sollen, statt mich nur wieder der momentären Angst hinzugeben. Nun also starrte ich ihm nur hinterher und wurde von Stille umfangen, als Stacy und Went gegangen waren. Lynn legte ihren Kopf in meinen Schoss und ich steichelte ihr durchs Haar.
"Wollen wir uns ein wenig umsehen?", fragte ich sie nach einer Weile und sie blickte freudig zu mir auf. Hand in Hand erkundeten wir also den Backstage-Bereich. Lynn machte sich einen Spaß daraus, jeden den sie traf zu fragen, ob er berühmt war. Die meisten lachten nur und verneinten, aber bei manchen hatte sie Glück. Ein Mann, dem ich nicht in einer dunklen Straßen hätte begegnen wollen, unterhielt sich mit Lynn. Als sie sagte, dass Sam gerne Eminem hört, meinte er, dass er auch Rapper wäre. Leider hatte ich seinen Namen nicht verstanden, da er kaum die Zähne auseinander bekam, aber er schien doch netter zu sein, als er aussah.
Nach unserem Rundgang kehrten wir mit Hilfe einer Assistentin zu der Kabine zurück, doch keiner war da. Also setzten wir uns wieder und ich las Lynn eine Geschichte vor. Mittlerweile konnte man schon hören, dass die Show angefangen hatte. Laute Musik drang bis in unsere Kabine vor und wurde noch ein wenig lauter, als die Türe aufging. Went und Stacy erschienen wieder, beide strahlend. Sie setzten sich zu uns und tranken etwas aus den Wasserflaschen, die auf dem Tisch standen. Wiederum ging die Tür auf und eine Assistentin trat ein.
"Entschuldigen Sie, aber ihre Gäste sind da!", meinte sie an Went gewandt.
"Okay, schicken Sie sie rein.", sagte er vergnügt, während Stacy weniger begeistert schien. Es konnte sich also nur um weiblichen Besuch handeln, wenn Stacy dieses Zitronengesicht aufsetzte. Aber wen hatte er bitte schön eingeladen? Er hatte nie deutsche Verwandte erwähnt.
Keine zwei Minuten später hörte man weibliche Stimmen vor der Tür, also hatte ich Recht gehabt. Kurz danach war ein kleiner Aufschrei zu vernehmen und die Tür wurde aufgerissen. Simone stand im Türrahmen und grinste uns an. Hinter ihr stand Linda, das Gesicht weiß und völlig geschockt.
"Hier kann man sich ja wirklich verlaufen.", kam es von Sim und sie trat auf uns zu. Ich war zu perplex über ihr Erscheinen, als das ich aufstehen hätte können. Das übernahm Went und er umarmte sie, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Hatte ich etwas verpasst? Mal wieder? Nun fiel mir auch wieder die Heimlichtuerei von gestern Nachmittag ein. Das hatte ich bei dem ganzen Gefühlswirrwarr total vergessen.
Ich stand ebenfalls auf und begrüßte Simone und auch Linda. Sie schaute immer noch wie vom Blitz getroffen und war der Ohnmacht nahe, als Went ihr die Hand reichte. Sie erinnerte mich an Shalley, nur das Linda als Teenager jedes Anrecht dazu hatte. Shay weniger. Nach einem Schluck Wasser beruhigte sie sich aber langsam wieder und schaute Went durch die rosaraote Brille an. Wieder kam ich mir vor wie der letzte Idiot, da ich ihn nicht erkannt hatte, alle anderen aber schon.
Wir unterhielten uns eine ganze Weile über alles mögliche, aber trotzdem war dieses Gefühl des Unbehagens nicht abzuschütteln. Ich war sogar auf eine Art froh, als Went los musste und wir zu unseren Sitzplätzen in der Loge gebracht wurden. Das gab mir die Zeit, um Simone auszuquetschen. Sie erzählte mir, dass Went und sie gestern beschlossen hatte, dass sie und Linda hierher kommen würden. Ich war wie immer überrascht und musste ungefähr so ausgesehen haben wie Linda, als sie zur Tür hereingekommen war. Überhaupt benahm sie sich wie von der Tarantel gestochen und kicherte die ganze Zeit vor sich hin. Ihre Blicke waren auf das Autogramm von Went gehaftet und sie überprüfte auch immer wieder, ob auch ja noch alle Bilder auf der Kamera waren. Sie konnte im wahrsten Sinne des Wortes, ihr Glück kaum fassen.
Wir hatten sehr gute Sitzplätze und saßen, wie wir kurze Zeit später feststellten, genau auf der anderen Seite der Halle als Went. Sein Erscheinen löste ein Gekreische bei den Fans aus, so dass ich Simone meine Worte entgegen rufen musste. Ich sah aus den Augenwinkeln wie er den Teenies vor der Bühne zuwinkte und fühlte mich, als würde mir jemand mit dem Messer ins Herz stechen. Stacy saß neben ihm, aber es ich sein können, wenn ich nicht gestern meine Entscheidung getroffen hätte.
Ich bekam einen unsanften Stoß in die Rippen und fuhr herum.
"Was?", fragte ich Sim und sie sah mich vorwurfsvoll an.
"Eure Verliebtheit in allen Ehren, aber du könntest deiner alten Freundin wenigstens noch ein bisschen Aufmerksamkeit schenken.", meinte sie und sowohl Linda, als auch mir fiel die Kinnlade herunter. Wovon sprach sie? Meinte sie etwas Went und mich? Und wenn ja, woher wusste sie das?
"Ehm...ich...Wovon redest du?"
"Ich habe dich gerade gefragt, ob die Schokolade gestern geschmeckt hat." Mein Blick wurde noch ein wenig ungläubiger. Sie wusste davon? Oh Gott, ich konnte mir wirklich schon mein Grab schaufeln gehen.
"Du bist mit ihm zusammen?", rief Linda dazwischen, bevor ich etwas antworten konnte.
"Nein, nein. Oh Gott, sind wir nicht.", wehrte ich ab und hätte eigentlich alles dafür gegeben, um die Frage mit einem Ja zu beantworten.
"Seid ihr nicht?" Nun war es an Simone einen bescheuerteten Gesichtsausdruck aufzulegen. "Was habt ihr dann bitte schön gestern Abend gemacht?"
"Woher, zur Hölle, weißt du das alles?", entgegnete ich mit einer Gegenfrage.
"Weil er es mir gesagt hat." Sie deutete in die Richtung, in der Went saß.
"Er hat dir was gesagt?" Nun war ich aber mal gespannt. "Hast du ihn etwa ausgefragt, Sim?"
"Er war ja wohl derjenige, der die Fragen gestellt hat.", erboste sie sich und ich blickte noch weniger durch als vorher. Auch Linda blickte geschockt von ihrem Autogramm auf mich und dann zu ihrer Mutter.
"Okay, ganz langsam und zum mitmeißeln: Was hast du getan?"
"Ich habe gar nichts getan. Er hat gestern versucht, mich über dich auszufragen. Ich bin natürlich nicht blöd und hab den Braten gerochen. Also habe ich ein wenig nachgehakt."
"Sim!", rief ich warnend.
"Naja, du weißt schon, er ist eben...!" Sie blickte Hilfe suchend zu Linda, aber die verstand nicht. "Mein Gott, er ist in dich verknallt!", brach es etwas zu laut aus ihr hervor, so dass sich die Leute neben uns, herumdrehten. Ich wäre am liebsten im Boden versunken oder über das Geländer gesprungen. Hätte ich das gestern nur wirklich gemacht und nicht nur gedacht.
"Ja, und dann hab ich ihm den Tipp mit den Süßigkeiten gegeben.", schloss Simone ein wenig ruhiger und blickte mich an. "Was ist also schief gelaufen?" Ich zögerte für einen Moment. Sollte ich es ihr sagen?
"Alles.", murmelte ich nur und schaute auf Lynn, die zu der Musik tanzte.
"Wie alles?" Simone drehte sich ganz zu mir herum, so dass sie ihrer Tochter den Rücken zuwandte. Sollte mir das jetzt dieses Unter-4-Augen-Gespräch-Gefühl vermitteln? Wenn ja, scheiterte es kläglich.
"Ich hab Nein gesagt.", fasste ich es kurz zusammen und sowohl Simone als auch Linda stöhnten auf. Toll, jetzt wurde ich auch noch von einem Teenager in Sachen Liebe zurecht gestutzt.
"Das hast du nicht wirklich, oder?"
"Bist du bescheuert?" Gebt es mir richtig. Soll ich euch vielleicht noch meine linke Gesichtshälfte hinhalten, damit ihr mir eine runterhauen könnt?
"Doch ich habe es gesagt.", antwortete ich wütend und sah wie Went auf der riesigen Leinwand erschien. Anscheinend gingen die Nominierungen los. Unten brach wieder ein Tumult unter den Jugendlichen los, während mein Blick auf ihm haftete.
"Aber ihr liebt euch doch, oder etwa nicht?", hakte Simone nach, nicht auf die Bühne und das Geschehen achtend. Ich wandte meinen Blick von ihm ab und sah sie an.
"Schon, aber denkst du, damit ist es so einfach getan?" Zum ersten Mal hatte ich laut eingestanden, dass ich ihn liebte. Davon war ich selber überrascht.
"Wentworth Miller!", rief plötzlich jemand durch die Halle und das Geschreie wurde noch lauter als zuvor. Wir sahen alle drei zur Bühne und schauten perplex zu wie Went die Treppen hinunterlief und vor dem Pult stehen blieb. Wir konnten seine Rede kaum verstehen, da die Teenager selbst da nicht zur Ruhe kamen. Ich sah ihn nur auf dem großen Bildschirm vor uns lachen und in die Menge winken. Linda und Lynn klatschten wie die Wilden, während Simone mich immer noch in die Mangel nahm.
"Where have you been and how was it?", unterbrach die Moderatorin Simones Rede und ich blickte wieder hinunter auf die Bühne.
"Just Munich and Nuremberg so far and I´m having a wonderful time.", hörte ich dir mir so vertraute Stimme, die mich an den schönen Tag gestern erinnerte. Aber ebenso an den grauenvollen Abend. Ich sah noch wie die blonde Frau ihm den Schweiß von der Stirn wischte und das Handtuch danach in die Menge warf.
Das war einfach zu viel für mich und ich entschuldigte mich, um auf der Toilette zu verschwinden. Ich schloss mich in einer der Kabinen ein und drückte meine Stirn gegen die Seitenwand. Es durfte alles nicht wahr sein. Konnte ich nicht einfach aufwachen und im Flieger sitzen, meinen Arm immer noch auf seiner Schulter liegend und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen? Verdammt, verdammt, verdammt. Ich unterdrückte die Tränen, schluckte mehrmals heftig und atmete ein und aus. Dann verließ ich die Kabine, hielt meine Handgelenke unter das kalte Wasser und ging an meinen Platz zurück.
Simone hatte sich anscheinend dafür entschieden, mich nicht weiter auszufragen und so sahen wir uns den Rest der Show schweigend an. Lynn tanzte immer noch wie eine Ballettkönigin, vor uns zu der Musik.
Zum Abschluss der Show standen wir dann auf, um den Stars auf der Bühne zu applaudieren. Ich beschränkte mich jedoch darauf, ihn mit meinen Blicken zu verfolgen. Es war vielleicht das letzte Mal, dass wir uns sahen und ich wollte alles in mir aufsaugen, wie bei einem Schwamm. Als alles vorbei war, gingen wir wieder in den Backstagebereich. Went stand mit Stacy und ein paar anderen Leuten zusammen und trank Sekt. Uns wurde ebenfalls welcher angeboten, doch ich lehnte ab. Ich hatte so noch genug mit meinem Kater zu kämpfen. Lynn, die langsam müde wurde, setzte sich auf meinen Schoss und lehnte den Kopf an meine Schulter. Dabei blickte sie neugierig auf die beiden Preise, die Went gewonnen hatte. Die Figuren sollten anscheinend einen silbernen und einen goldenen Indianer darstellen.
Die anderen unterhielten sich noch ein Weile, während ich mich mit Lynn im Hintergrund hielt. Ich versuchte, ihn nicht ständig anzustarren, was mir aber fast nie gelang. Ab und zu trafen sich unsere Blicke für den Bruchteil einer Sekunde, aber mehr als die Gänsehaut auf meinem Körper, tat sich nichts zwischen uns. Shcließlich brachen wir auf und verabschieden uns von Linda und Simone, die durch den normalen Eingang zu ihrem Auto gehen würden. Ich umarmte meine Freundin noch einmal und dankte ihr für alles.
"Bring das ja wieder auf die Reihe.", meinte sie so laut zu mir, dass Went nicht umher konnte, es zu hören. Ich reagierte nicht darauf und winkte nur ein letztes Mal Linda zu, die aber immer noch Went anstarrte, wohl in der Hoffnung, ihn doch noch mit nach Hause nehmen zu können. Auch Went winkte noch einmal und folgte uns dann hinaus. Stacy redete auf ihn ein und murmelte immer wieder, dass sie aber nicht ewig machen könnten. Was genau, wusste ich aber selbst nicht.
Ich nahm Lynn auf meine Arme und trug sie zum Auto, nur dass wir diesmal doch im weißen Phaeton mitfahren konnten. Als wir den Ausgang betraten war das Gekreische am Ende der Einfahrt riesig und ich konnte im Halbdunklen die Fans hinter einer Absperrung sehen. Ein Mann schob mich und Lynn ins Auto und wir nahmen auf zwei der 4 Sitze im hinteren Teil des Wagens ein. Uns gegenüber setzten sich Went und Stacy. Ich zog meine Beine an, damit Went und ich uns nicht in die Quere kamen. Kaum waren wir los gefahren, hielten wir auch schon wieder und alle 4 Türen wurden aufgerissen.
"Bleibt hier.", meinte Went nur und ich war viel zu perplex von seinen Worten, als das ich mich bewegt hätte. Ich konnte die Fans kreischen hören und sah durch die Fensterscheibe wie er die Absperrung auf und ab lief, unzählig viele Autogramme schrieb und Fotos mit seinen Fans machen ließ. Ich wusste nicht wie lange Lynn, der Chauffeur und ich gewartet hatten, aber es mussten mindestens 20 Minuten gewesen sein.
Went schien riesigen Spaß zu haben, während Stacy wie immer das Model Zitrone auf ihrem Gesicht aufgesetzt hatte. Wie viele Bildhintergründe sie wohl damit verschändelte? Ich konnte mir ein Lachen nicht verbeißen, auch nicht, als Went und Stacy zurückkamen. Er hatte noch den Stift in der Hand, den er seit seiner Rückkehr vom roten Teppich mit sich herumtrug und war so zappelig wie Kinder zu Weihnachten.
In der Kurve ließ er den Wagen nochmal anhalten, um für ein paar einzelne Fans noch Autogramme zu geben, während Stacy ihn am liebsten am Hosenbein wieder ins Auto gezogen hätte. Schließlich aber verließen wir doch noch das Areal und als der Fahrer bemerkte, dass uns ein Auto folgte, gab er auf der Autobahn so richtig Gas. Lynn war schon seit Beginn der Fahrt eingeschlafen und lehnte mit ihrem Kopf an der Türe. Ich schaute zum Fenster hinaus in die Dunkelheit und lauschte dem Tinitus in meinem Ohr. Ich wollte nicht wissen wie laut die Teenager geschrien hatten.
Mein Blick glitt wieder ins Wageninnere und ich sah, dass Went eingeschlafen zu sein schien und wie im Flieger, rutschte sein Kopf zur Seite. Nur diesmal auf Stacys Schulter. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber es war bestimmt nicht Limetten-Nette, die ihn anschaute, eher das Honigkuchenpferd aus der Sesamstraße.
Ich bemerkte an seiner Atmung, dass er nicht schlief und bekam langsam den Eindruck, dass ich nicht sein Herz, sondern seinen verdammten Stolz gebrochen hatte. Er wollte mich spüren lassen, was ich verpasste, in dem er mir zeigte, dass er jede andere Frau haben konnte. Leider wirkte es bei mir, denn ich konnte die Tränen nun doch nicht zurückhalten. In der Dunkelheit fanden sie ihren Weg über meine Wangen auf mein Oberteil.

Eine Stunde nach unserer Abfahrt in Nürnberg, erreicht wir das Hotel in München. Ich hatte mittlerweile meine Tränen wieder getrocknet und Went war auch wieder wach. Vor dem Haupteingang standen immer noch Fans, die wieder laut jubelten, als wir vorbeifuhren. Ich schnallte Lynn ab und stieg aus dem Auto, sobald wir angehalten hatten. Eigentlich wollte ich um den Wagen herum laufen, um Lynn herauszuholen und sie ins Bett zu tragen, aber Went war schneller gewesen. Vorsichtig trug er Lynn auf seinen Armen zum Aufzug. Ich war wirklich wütend darüber und hätte ihn am liebsten gegen das Schienbein getreten, nur damit er einmal spürte, was richtige Schmerzen waren. Ich wusste nicht mehr, was ich davon halten sollte. Gestern war er am Boden zerstört und heute schien für ihn die Sonne wieder. Was wollte er damit bezwecken?
Im Fahrstuhl hatten er und Stacy eine Diskussion, wegen der Fans vor dem Hotel. Went wollte anscheinend noch einmal hinunter gehen und Autogramme geben, während Stacy meinte, dass er Schlaf brauchte und ihn auf morgen vertröstete. Schließlich musste er einwilligen und sich ihren Wünschen beugen. Der Fahrstuhl hielt und wir stiegen aus. Ich wollte Went Lynn abnehmen, doch er lief einfach in die Richtung unseres Hotelzimmers. Ich öffnete die Tür und er brachte Lynn in ihr Bett, wo ich sie vorsichtig auszog. Sie gab nur ein kurzes Stöhnen von sich, bevor sie weiterschlief und wir wieder hinausgingen. Bitte geh, flehte ich ihn Gedanken an und lief zur Tür.
"Gute Nacht!", meinte er und zum ersten Mal an diesem Tag, hielt ich seinem Blick stand. Ich verlor mich für eine Sekunde in seinen Augen, bevor ich mich wieder gefasst hatte.
"Ich...!", begann ich meine Worte, doch er schüttelte nur den Kopf und sah mich flehentlich an. Dann ging er an mir vorbei und verschwand Sekunden später aus meinem Blickfeld. Ich ließ die Tür ins Schloss fallen und rutschte an ihr herunter. Der Wunsch sich wieder zu betrinken, stieg in mir auf, aber ich war zu müde und erschöpft. Selbst um zu weinen, hatte ich keine Kraft mehr.
Ich schleppte mich ins Bad und von dort ins Bett. Die Stille machte mich wahnsinnig und so sah ich den Lichtern an der Decke zu, wie sie verschwanden und dann wieder hin- und herhuschten...

Am nächsten Morgen war es Zeit die Koffer zu packen. Ich suchte alle Sachen zusammen und packte sie wieder in den Koffer. Nach einer langen Dusche, bestellte ich Frühstück und weckte Lynn. Sie sah noch sehr verschlafen aus, doch nach einem kurzen Bad, sah auch sie wieder frisch aus und hüpfte durch das Wohnzimmer. Ich wusste nicht, wann mein Flugzeug ging und machte mich deswegen auf zu Wents Suite, weil ich nicht wusste, in welchem Zimmer sie schlief. Lynn nahm ich mit, damit sie sich noch von Went verabschieden konnte.
Ich klopfte vorsichtig an und Wents Managerin öffnete die Tür. Sie bat uns herein und ich fragte nach Stacy. In diesem Moment konnte ich laute Stimmen vernehmen, die über uns zu sein schienen. Lynn klammerte sich ängstlich an mein Bein und ich wandte mich wieder an Wents Managerin.
"Stacy erklärt ihm gerade, dass er nicht hinunter zu den Fans darf."
"Ich dachte, dass wäre heute?"
"Sein Terminplan ist zu voll.", erklärte sie, was er aber trotzdem nicht zu verstehen schien. Die Stimmen kamen immer näher und ich hörte wie eine Tür zugeschlagen wurde. Dann wurde die Tür an der anderen Seite des Zimmers aufgerissen und Went stürmte hinein, gefolgt von Stacy.
"Went, bitte!"
"Ja, scheiße verdammt, das ist mein Name.", gab er zurück und erblickte uns im selben Moment. Augenblicklich wurde es still und er lief rot an. Went fuhr sich mit der Hand über den Kopf und räusperte sich.
"Hi.", meinte ich nur und wandte mich dann schnell an Stacy. Sie brauchte einen Moment, um sich zu fangen, bevor sie mir erklären konnte, wann unser Flieger ging. Wir würden zum Flughafen gebracht werden und von dort nach Frankfurt fliegen, wo ein Direktflug nach Los Angeles ging. In zwei Stunden würde es losgehen. Ich nickte nur und bedeutete Lynn, sich von Went zu verabschieden. Lächelnd lief sie auf ihn zu und die beiden umarmten sich. Ich biss mir fest auf die Zunge, um nichts anderes zu fühlen, außer diesen einen Schmerz.
Ich reichte den beiden Frauen die Hand und nickte Went nur kurz zu, bevor Lynn und ich uns endgültig verabschiedeten. In unserem Hotel rief ich noch einmal Simone an, um mich von ihr zu verabschieden. Sie versprach dieses Jahr noch nach L.A. zu kommen und ich freute mich schon darauf.
Schließlich klopfte es an der Tür und der Page kam, um die Koffer abzuholen. Lynn und ich folgten ihm hinunter, fuhren aber diesmal in die Lobby. Ich wollte noch die Getränke aus der Minibar bezahlen.
An der Theke aber bekam ich vom Concierge nur zu hören:
"Mr. Miller hat die Kosten für ihr Zimmer bereits übernommen." Zähneknirschend musste ich es hinnehmen und verabschiedete mich. Noch einmal ließ ich meinen Blick durch die Eingangshalle schweifen, um alles festzuhalten, bevor wir zum Auto gebracht wurden.
Während der Fahrt und auch während des kurzen Fluges nach Frankfurt spielten Lynn und ich Karten. Es war die beste Art, um sich abzulenken und nicht an die letzten Tage zu denken. Das hatte ich wahrlich genug getan.
Kurz bevor in Frankfurt eincheckten, schaltete ich mein Handy noch einmal ein, um Sam zu benachrichtigten. Dabei bekam ich den Bescheid, dass mir jemand auf die Mailbox gesprochen hatte. Ich hielt mir das Handy ans Ohr und lauschte der Nachricht.
"Hi...anscheinend rufe ich zu spät an...wahrscheinlich bist du schon auf dem Weg nach Frankfurt. Ich...ehm...ruf mich bitte zurück, bevor du nach L.A. fliegst. Bye." Wents Stimme zu hören, kam mir schon beinahe fremd vor. Für einen Moment hielt ich den Finger auf der grünen Taste, um ihn anzurufen. Doch dann klappte ich mein Handy zu und schaltete es aus. Wenn er reden wollte, so hätte er das gestern tun können und nicht am Telefon, während ich am größten Flughafen Deutschlands stand.
"Komm, Schatz!", rief ich zu Lynn und reichte ihr meine Hand.
"Fliegen wir nach Hause?"
"Ja, wir fliegen jetzt nach Hause, zu Sam und Shalley." Ich reichte dem Flughafenarbeiter meinen Ausweis und drehte mich ein letztes Mal um. Es war Zeit nach vorne zu schauen und nicht mehr Fehlern und Entscheidungen nachzutrauern. Ich konnte sie sowieso nicht rückgängig machen
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

So, hier nun wie versprochen das zweite Kapitel :)


Kapitel 32: Too much for the reason


15 Stunden Flug konnten lang sein. Viel zu lang. Da half kein Buch, keine kleine Tochter und auch kein noch so toller Film, um mich vom Denken abzuhalten. Immer öfter ertappte ich mich dabei, wie ich aus dem Fenster starrte und mich in den Formen der Wolken verlor. Ich liebte Wolken. Als Kind hatte ich mir immer vorgestellt, eines Tages auf ihnen zu schlafen oder von Wolke zu Wolke zu hüpfen. Auch jetzt hatte ich wieder diesen inneren Wunsch aus diesem engen Flugzeug zu kommen und mich leicht wie eine Feder zu fühlen.
"Kann ich Ihnen noch etwas bringen?" Ich blickte zum Steward, der mich fragend ansah. Ich schüttelte nur den Kopf und wandte mich wieder dem Film zu. Er war eigentlich langweilig, aber lieber das, als schon wieder zu denken. Die beiden Hauptdarsteller küssten sich in dem Moment, als ich wieder in den Bildschirm sah. Augenblicklich fühlte ich mich zwei Tage zurückversetzt und musste heftig schlucken. Denk nicht daran, redete ich mir ein. Was brachte mir das denn? Es machte alles nur noch schlimmer. Doch es ging nicht anders. Ich spürte wie Wents Lippen meine berührten, wie seine Bartstoppeln leicht über meine Oberlippe kratzten und wie viel zu gut sich das alles angefühlt hatte.
Abrupt stand ich auf und drängte mich die Sitzreihen entlang, zur Toilette. In der kleinen Kabine lehnte ich meinen Kopf gegen den kühlen Spiegel und versuchte mich zu beruhigen. Was passierte mit mir? Ich zitterte am ganzen Körper, bekam Panikattacken und konnte nicht mehr klar denken. Was kam als Nächstes? Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und atmete so lange kontrolliert Ein und Aus, bis ich mich wieder besser fühlte.
Den restlichen Flug über lenkte ich mich mit allem Möglichen ab. Lesen, Musik hören, mit Lynn spielen, wenn sie nicht gerade schlief und viel Essen bestellen. Ich hatte das Gefühl nicht satt zu werden und aß ein Sandwich nach dem anderen. Normalerweise hatte ich nie so viel Hunger oder gar Appetit. Vielleicht wurde ich ja krank, was mir gerade noch gefehlt hatte. Noch ein paar Fehltage auf Arbeit und die würden mir eine Kündigung vorlegen. Ich durfte nicht krank werden.
Also versuchte ich zu schlafen, aber das klappte schon mal gar nicht. Immer wieder erwachte ich durch die Geräusche des Flugzeuges oder ich bekam Gänsehaut, weil es so kalt hier drin war.
Ich war wirklich froh, als wir endlich in Los Angeles landeten. Es war kurz nach 19 Uhr und trotz meines Schlafmangels spürte ich keinen Jetlag. Auch Lynn war durch das viele schlafen noch relativ munter. Sam begrüßte uns am Ausgang und umarmte uns beide.
"Schön, dass ihr wieder da seid!", grinste er und nahm mir den Koffer ab. "Wie war es?" Mein Magen zog sich unsanft zusammen. Gleich mit der ersten Frage brachte er mein Kartenhaus zum Einstürzen.
"Gut!", murmelte ich und wurde zum Glück von Lynns Gebrabbel abgelöst. Sie erzählte ausführlich von dem Wochenende und ihre kindliche Stimme überschlug sich oft, so aufgeregt war sie.
Wir fuhren mit dem Auto zurück in die Wohnung, wo ich erstmal die Koffer auspackte und die dreckige Kleidung ins Badezimmer brachte. Danach machte ich Abendessen, während Sam vom Wochenende erzählte. Er und Shalley hatten sich getroffen, um noch einmal in Ruhe über alles zu reden und eine Entscheidung zu treffen.
"Und? Wie habt ihr euch entschieden?", fragte ich und kostete von der Tomatensauce.
"Naja, wir wollen erst einmal abwarten. Wir sind noch nicht so lange zusammen und wenn wir zusammen ziehen würden, wäre das vielleicht genau die falsche Entscheidung."
"Also bleibt Shalley allein?", stutzte ich und kramte die Teller aus dem Schrank, um den Tisch zu decken.
"Sie will es ja so. Ich würde natürlich öfters über Nacht bleiben und mich um das Kind kümmern, aber zusammen zu ziehen ist doch ein großer Schritt."
"Ihr seid 29, nicht 19, Sam!"
"Wow, ist mir noch gar nicht aufgefallen. Danke für die Erinnerung.", meinte er sarkastisch und holte geriebenen Käse und scharfe Sauce aus dem Kühlschrank.
"Warum zieht Shalley nicht einfach mit zu uns?", warf ich ein. Mir gefiel es nicht, dass Shalley allein bleiben sollte. Ich hatte damals große Angst davor gehabt, als ich mit Lynn schwanger gewesen war.
"Wohin denn? Aufs Sofa?"
"Wir könnten auch in eine größere Wohnung umziehen."
"Toll, Umzugsstress können wir super gebrauchen."
"Ich versuche euch nur zu helfen."
"Warum machst du dir so viel Stress? Shalley und ich haben es besprochen und waren uns beide darüber einig, nicht zusammen zu ziehen."
"Okay, okay. Ich sag nichts mehr.", beendete ich das Gespräch und rief Lynn zum Essen. Ich hatte wieder dieses unbeschreibliche Hungergefühl, obwohl ich erst im Auto die Kekse von Sam gegessen hatte. Woher kam das nur? Ich aß zwei volle Teller mit Spaghetti und fühlte mich danach ungefähr eine halbe Stunde gesättigt. Doch dieses Mal unterdrückte ich das Gefühl und gab nicht nach. Heute würde ich nichts mehr Essen.
Ich brachte Lynn zu Bett und fing dann an, die erste Waschmaschine anzusetzen. Dann konnte ich morgen vor der Arbeit schon den ersten Durchgang bügeln und da Sam nicht geputzt hatte, konnte ich gleich noch einmal durchwischen. Dass er nicht an seiner Stauballergie gestorben war, blieb mir ein Rätsel, aber vermutlich hatte er bei Shalley gewohnt.
Müde ging ich zu Bett und konnte doch nicht schlafen. Ich starrte an die Decke und begann Schäfchen zu zählen. Bei 457 Schafen war die Weide dann voll, ich aber immer noch wach. Zusätzlich machte mich die Stille wahnsinnig. Ich konnte das Rauschen in meinen Ohren hören, ebenso vorbeifahrende Autos, die Lichter an meine Decke zauberten.
Irgendwann musste ich doch eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen öffnete, war es bereits früher Morgen. Ich kroch unter der Decke hervor und ging ins Bad. Nach einer kurzen Dusche zog mich an und kümmerte mich um die Wäsche. Ich stellte das Radio an und begann die frisch gewaschenen Sachen zu bügeln.
Pünktlich war ich fertig, weckte Sam und Lynn und wir frühstückten gemeinsam. Sam meinte, dass Shalley heute vorbei kommen würde, doch ich hatte zu viel zu tun, um mich mit ihr zu treffen. Die Bewerbungen mussten losgeschickt werden, der Kühlschrank war fast leer und Lynn hatte auch noch ihren Ballettunterricht, denn ich mir ansehen wollte. Ich würde nicht vor 20 Uhr zurück sein.
Und so war es dann auch. Total erschöpft kam ich aus dem Büro, wo ich Megans Arbeit mit übernommen hatte, da sie im Urlaub war. Bevor ich Lynn aus dem Kindergarten abholte, schickte ich noch meine Bewerbungen los und überlegte, was ich zu meiner Abschlussfeier anziehen würde. Shalley würde mir bestimmt dabei helfen können, aber dann würde womöglich wieder eine 5-Stunden-Shoppingtour anstehen und darauf hatte ich wirklich keine Lust. Also würde ich mir wohl selber Gedanken machen müssen.
Ich brachte Lynn und Kelly zu ihrem Ballettunterricht und schaute zu wie sie den Übungen der Lehrerin folgten. Die letzten Male war Went mit dabei gewesen und hatte begeistert zugeschaut. Nun saß ich alleine hier und es war alles meine Schuld. Ich hatte es versaut, ich allein.
"Mommy, hilfst du mir beim Umziehen?" Ich erschrak und zuckte kurz zusammen, ehe ich Lynn erkannte. Der Tanzsaal war so gut wie leer, alle Kinder schon in der Umkleide. War der Unterricht schon zu Ende? Ich blickte verwirrt auf meine Uhr und bemerkte erstaunt, dass ich jetzt schon fast zwei Stunden hier gesessen hatte. Wo war ich mit meinen Gedanken gewesen, dass ich mich nicht an die Tanzstunden erinnern konnte?
Ich war durcheinander und half Lynn mechanisch aus ihren Sachen, ohne dabei wirklich auf ihre Erläuterungen einzugehen. Ich trug ihre Tasche, als wir die Tanzschule verließen und Kelly nach Hause brachten.
Sam wartete schon mit ein paar Burgern von McDonalds auf uns und da ich eigentlich hatte kochen wollen, regte ich mich ein bisschen darüber auf. Ich hasste dieses Fastfood und hatte immer darauf geachtet, dass Lynn nicht zu viel davon aß. Sam machte es mir da nicht gerade einfach.
"Wentworth hat angerufen.", erwähnte Sam beim Essen wie beiläufig. Ich ließ meinen Burger sinken, um ihn nicht auf die Tischplatte fallen zu lassen. Mein Körper fühlte sich an, als würde er in ein tiefes Loch fallen. Er hatte angerufen? Hier? Ich räusperte mich und versuchte nicht zu geschockt auszusehen.
"Was wollte er denn?", fragte ich und half Lynn mit ihrem Essen. Ich konnte Sam jetzt nicht in die Augen schauen, er hätte es sofort bemerkt.
"Er hat nach dir gefragt und ob ihr gut angekommen seid." Mein Herz schien sich zu überschlagen. Für einen Moment schloss ich die Augen und schluckte so heftig, dass es weh tat und mir die Tränen in die Augen trieb. Verdammt, ich wollte nicht weinen. Nie wieder. Schon gar nicht wegen ihm.
"Und was hast du gesagt?"
"Naja, die Wahrheit." Er schaute mich überrascht an. "Oder war das falsch?"
"Nein, nein. Alles okay." Sams Blick bohrte sich in meinen Körper.
"Nein, ist es nicht.", widersprach er, obwohl er keine Ahnung hatte. "Was ist vorgefallen?"
"Nichts!" Ich sah ihn entrüstet an, so als hätte er mich des Diebstahls beschuldigt. Ich hoffte, dass es überzeugend genug war. "Wir sind nicht zusammen zurück geflogen und da wollte er eben nur wissen, ob es uns gut ging.", erläuterte ich ruhig und biss in meinen Hamburger. Der Geschmack widerte mich an, aber ich kaute tapfer weiter. Sam durfte nichts merken. Ich hatte keine Lust mir eine weitere Runde seiner Vorträge anzuhören. Vor allem da ich wusste, dass Shalley sofort davon erfahren würde und dann war die Hölle los. Aber so richtig.
"Und wieso hast du ihn nicht angerufen?" Verdammt, gute Frage. Schnell, sag was!
"Hab ich ja, aber er ist nicht rangegangen. Wahrscheinlich hat er gedacht, es wäre etwas passiert." Ich zuckte mit den Schultern. Nun ließ Sam sein Essen sinken.
"Ihr habt`s immer noch nicht gebacken bekommen?" Er schaute mich mit einer Mischung aus Enttäuschung und Entsetzen an. Was sollte das denn nun wieder bedeuten?
"Was gebacken?" Ich wusste genau worauf er hinaus wollte, aber ich würde ihm keinen Zentimeter des Weges schenken. Er wusste genau, dass ich ihm nicht antworten würde.
"Alexis Elisabeth Edwards!", warnte er mich und Lynn sah überrascht zu ihm auf.
"Ja, Samuel Jean Edwards?", versuchte ich die Unschuldige zu spielen und biss wieder von dem Burger ab. Gott, mir war so schlecht.
"Ach, vergiss es!", meinte er, schmiss sein Essen in die Tüte und stand auf. "Ich will dir nur helfen."
"Schön, aber vielleicht brauche ich deine Hilfe in diesem Fall ja nicht.", gab ich trocken zurück und warf ebenfalls mein Essen in die Tüte.
"Toll, dann ist ja alles gesagt." Er nahm Lynn bei der Hand und ging mit ihr Hände waschen. Ich hörte wie er Lynn zu Bett brachte und ihr eine Geschichte vorlas, während ich den Abwasch machte. Ich war noch einmal um die Wahrheit herumgekommen, aber nicht für lange. Sam und Shalley würden sich garantiert darüber unterhalten und dann durfte ich mir was anhören. Dann wurde ich ausgequetscht und nicht eher in Ruhe gelassen, bis ich gestanden hatte.
Wütend räumte ich die Teller in den Schrank und schnappte mir den Eimer, um ihn mit Wasser volllaufen zu lassen.
"Du willst doch jetzt nicht wirklich noch die Wohnung sauber machen, oder?" Sam stand im Türrahmen und sah mich ungläubig an.
"Wenn es ein junger Mann in 4 Tagen nicht schafft.", gab ich zurück und suchte den Schrubber hervor. Ich drängte mich an ihm vorbei, suchte meinen Walkman hervor und begann mit dem Putzen. Ich konnte hören wie eine Tür zugeschlagen wurde und hielt für eine Sekunde inne. Hatte ich vielleicht überreagiert? Wenn ja, jetzt war es sowieso egal. Ich putzte durch die ganze Wohnung und ließ nur Sams und Lynns Zimmer aus. Dann machte ich noch die Fenster an der Straßenseite sauber und wischte den Staub von den Regalen.
Eine Woche nicht geputzt und es sah einfach nur schrecklich aus in der Wohnung.
Gegen 22 Uhr war ich endlich fertig und machte mich noch an den Berg von Zettelarbeit, die ich mit nach Hause gebracht hatte. Da ich Megans Arbeit mit übernahm, musste ich Überstunden machen. Doch Megan hatte das ja auch für mich getan und am Ende der Woche war sie ja wieder da. Bis kurz nach Mitternacht sortierte ich noch Unterlagen in verschiedene Hefter und markierte, welche Seiten noch kopiert werden mussten. So langsam brannten meine Augen und ich wurde müde, die Konzentration ließ deutlich nach und so hörte ich auf. Ich fuhr mir übers Gesicht und stand dann auf, um mich bettfertig zu machen. Vorher schaute ich noch nach Lynn, doch sie schlief tief und fest. Auf dem Rückweg stolperte ich über eines ihrer Spielsachen und ärgerte mich über ihre Unordnung. Im Halbdunklen räumte ich ihr Zimmer auf, so gut es ging und legte mich dann zu Bett.
Doch statt sofort einzuschlafen, lag ich wieder wach. Ich weigerte mich meine Gedanken ausschweifen zu lassen und versuchte mich mit etwas anderem abzulenken. In Gedanken erstellte ich eine Einkaufsliste, überlegte, was ich morgen als Erstes auf Arbeit machen musste und was ich zu Abend kochen würde. Hatte ich überhaupt die Haustür abgeschlossen? Abrupt saß ich kerzengerade im Bett und war in sekundenschnelle an der Haustür. Zum Glück war sie abgeschlossen, doch ich kontrollierte lieber noch zweimal nach. Dann schaute ich noch einmal nach Lynn und legte mich wieder ins Bett, jedoch kein Stückchen müder. Meine Uhr zeigte mittlerweile nach 2 Uhr früh an. Ich schloss meine Augen und sah Went vor mir, also öffnete ich sie wieder. Dann würde ich eben wach bleiben, wenn es mir half nicht darüber nachzudenken. Schuldig fühlte ich mich auch so.

Die nächsten Tage arbeitete ich all die Listen ab, die ich mir über Nacht aufgestellt hatte. Vom Einkaufen über die Bewerbungen bis hin zu meiner Arbeit bei FOX. Ich konzentrierte mich voll und ganz darauf und fühlte mich auf eine Art und Weise erfüllt. Alles verlief wunderbar. Ich verbrachte viel Zeit mit Lynn, es waren keine Paparazzi mehr vor der Tür und auch mein Chef schien mir wieder mehr zu vertrauen. Ich hatte ihm ja gesagt, dass mein Privatleben keinen Einfluss auf meine Arbeit haben würde. Ganz im Gegenteil.
Da ich ja die 4 Tage freigestellt worden und jemand anderes in der Bar für mich eingesprungen war, musste ich nun in der Woche über arbeiten. Das war jedoch kein Problem, da ich sowieso nur schlecht schlief und vor drei Uhr kein Auge zubekam. Dom war auch zweimal da und wir unterhielten uns angeregt. Er hatte eine neue Freundin, was ihn zwar glücklicher erschienen ließ, aber leider die Beziehung zu seiner Frau nicht besserte. Ich versuchte ihn aufzumuntern und spendierte ihm ein Bier. Das lenkte ihn ein wenig ab und er erzählte von den anstehenden Dreharbeiten. Ich hörte interessiert zu, auch wenn mir der Name "Went" einen Stich ins Herz versetzte. Doch ich durfte mir nichts anmerken lassen, wenn ich nicht unangenehme Fragen beantworten wollte.
"Wo warst du eigentlich letztes Wochenende? Deine Kollegin meinte, du seist im Urlaub gewesen?" Zu spät. Die unangenehmen Fragen hatten schon angefangen.
"Ja, aber nur kurz.", wich ich aus und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf.
"War es schön?"
"Ja, schön.", erwiderte ich und nahm die nächste Bestellung entgegen.
"Hier in Amerika?"
"Nein, Deutschland." Ich betete, dass er nicht wusste, dass Went ebenfalls dort gewesen war.
"Oh, schön." Puh, Glück gehabt. "Also warst du diejenige, die Went mitgenommen hatte?" Das Glas glitt mir aus der Hand und landete klirrend auf dem Boden. Ich blickte erst zu ihm, dann schnell wieder auf den Boden.
"Tut mir Leid!", murmelte ich zu dem Gast, dessen Getränk jetzt auf dem Boden entlang floss. Schnell trat ich auf die Scherben und bereitete einen neuen Cocktail vor. Susan wollte mir zu Hilfe eilen, aber ich lehnte ab. Die Scherben konnte ich danach auch noch aufsammeln. Kaum hatte ich den Cocktail überreicht, suchte ich nach Schaufel und Besen, immer noch Dom ignorierend. Ich wollte ihm seiner Frage so lange wie möglich ausweichen. Ich kehrte jede Ecke zweimal und wischte betont gründlich den Boden, bevor ich mich wieder der Theke zuwandte. Doch Dom war nicht mehr da, nur seine leere Bierflasche. Wie vor dem Kopf geschlagen stand ich einen Moment da, bevor ich mich wieder gefangen hatte und die weiteren Bestellungen aufnahm. Ich war Dom keine Rechenschaft schuldig, das war ich niemanden, außer mir selbst.

Am Freitag kehrte Megan wieder zurück. Sie sah erholt aus und brachte mir zur Begrüßung eine Tasse Kaffe an meinen Schreibtisch. Ich freute mich über ihre Rückkehr, auch wenn das jetzt weniger Arbeit für mich bedeutete. Irgendwie hatte es mir gefallen, so viel zu tun zu haben. Die Zeit verging viel schneller, ich war zu beschäftigt, um mir irgendwelche Gedanken machen zu können und ich fühlte mich zufrieden.
"Wie war´s?", fragte ich freundlich und blickte kurz über den Aktenstapel zu ihr. Megan grinste und erzählte mir von ihrer Woche in Florida. Sie und ihr Mann hatten nur faul am Strand gelegen und sich einen Cocktail nach dem anderen bestellt. Das klang zwar alles sehr toll, aber für mich wäre das nichts gewesen. Was tut man denn den ganzen Tag? Aufs Meer starren?
Ich sagte natürlich nichts, sondern ließ sie erzählen. Es war eine gute Ablenkung, bei der ich trotzdem nebenbei meine Arbeit tun konnte. Plötzlich klingelte mein Handy. Peinlich berührt kramte ich in meiner Handtasche und suchte nach dem Übeltäter, der mich während meiner Arbeit anrief. Es konnte eigentlich nur Shalley sein. So war es auch. Vor lauter Wut lehnte ich ihren Anruf ab und schaltete mein Telefon aus. Prompt klingelte es auf dem Tisch. Sie rief mich jetzt nicht wirklich über die Firma an, oder? Widerwillig ging ich ran.
"20th Century FOX, Edwards, Guten Tag!", meldete ich mich, obwohl ich wusste, dass es nichts mit der Arbeit zu tun haben würde.
"Eddy, wieso hast du meinen Anruf abgelehnt?", keifte Shalley los.
"Weil ich auf Arbeit nicht telefonieren darf.", gab ich zurück und versuchte ruhig zu bleiben. Megan warf mir einen Blick zu und ich drehte mich mit meinem Stuhl herum.
"Zuhause etwa auch? Du bist jetzt seit fast einer Woche wieder zurück und wir haben uns noch nicht einmal gesehen!", beschwerte sie sich lauthals und ich verdrehte die Augen. Ich hatte wirklich keine Lust mir irgendetwas vorwerfen zu lassen. Ich war zur Zeit sehr beschäftigt. Wenn sie es nicht war, ihr Problem, aber deswegen musste sie mich nicht von der Arbeit ablenken.
"Ich habe viel zu tun."
"So viel, dass du dich nicht einmal mit deiner besten Freundin treffen kannst?"
"Anscheinend."
"Was ist los? Weichst du mir etwa aus?"
"Nein.", gab ich zurück und war augenblicklich richtig wütend. Wenn sie mich genauso wie Sam ausfragen wollte, würde sie auf Granit beißen. Es gab keine Probleme, alles war in Ordnung.
"Also was dann?"
"Nichts. Ich habe viel zu tun. Ich musste diese Woche Überstunden machen, mich um die Wohnung kümmern und in der Bar meinen Urlaub abarbeiten.", zählte ich auf und schaute auf die Uhr. Noch zwei Minuten, dann würde ich einfach auflegen.
"Sam könnte dir doch helfen."
"Sieht Sam so aus, als könnte er Wäsche waschen, kochen und meine Bewerbungen schreiben?", wiegelte ich ihre Hilfe ab und klopfte unruhig mit dem Stift auf dem Tisch herum.
"Trotzdem. Du hättest uns wenigstens von Deutschland erzählen können." Meine Alarmglocken schrillten. Nicht dieses Thema.
"Shalley, ein anderes Mal. Ich muss jetzt auflegen, ich bin auf Arbeit, falls du es vorhin nicht mitgekommen haben solltest. Bis bald." Ich legte auf, ohne auf ihre Antwort zu warten und machte mich dann wieder an die Akten vor mir. Ich ignorierte Megans Blick und widmete mich der Arbeit. Der Zettelkram konnte mich wenigstens nicht enttäuschen, nur ich mich selbst.

Lynn hüpfte vor mir die Straße entlang, während ich die Einkäufe trug. Es war nicht mehr weit bis nach Hause, nur noch zwei Straßen.
"Lynn, komm von der Straße weg!", ermahnte ich meine Tochter und verlagerte das Gewicht der einen Tüte. Warum war das Zeug auch immer so schwer? Ein Hoch auf ein Auto! "Lynn, ich sag es nicht noch einmal!" Doch sie hörte wieder nicht auf mich und schlenderte am Rand des Gehweges entlang. Es brauchte sie nur jemand anzurempeln und sie würde auf der Straße liegen und überfahren werden. Mit drei Schritten war ich neben ihr und packte ihre Hand, um sie wegzuziehen. "Ich hab dich gewarnt.", meinte ich zu ihr, als sie mich wütend ansah. Sie sprach kein Wort mit mir und da ich ebenfalls sauer auf sie war, sagte ich auch nichts. Überhaupt war sie in den letzten Tagen ziemlich bockig und man musste alles mehrfach sagen, bevor sie etwas tat. Sie strapazierte meine Nerven sehr. Ich wusste, woran es lag, denn sie fragte aller 5 Minuten danach, aber ich konnte und wollte es ihr nicht beantworten. Man konnte schließlich nicht alles im Leben bekommen. Das musste auch eine fast 4-Jährige lernen.
Am Haus öffnete ich den Briefkasten, zog die Post heraus und grüßte Mrs. Sherman, die eine Etage über uns wohnte. Ich schloss die Tür auf und Lynn riss sich von meiner Hand los. Dabei fiel auch eine der Einkaufstüten um und das Obst rollte die Treppen hinunter auf den Gehweg.
"Verdammt!", murmelte ich und begann das Obst einzusammeln. Ein junger Mann wollte mir helfen, doch ich lehnte so energisch ab, dass er erschrocken weiterging. Als ob ich 5 Äpfel und 3 Orangen nicht selber aufheben könnte. Ich trug alles hinein in die Küche, griff nach dem Telefon und rief Amy an. Ich hoffte, dass sie mich heute Abend abholen konnte, denn ich wusste noch nicht, wie ich zur Arbeit kommen würde.
Während ich also mit Amy redete und sie mir versprach, mich gegen 9 abzuholen, öffnete ich die ersten Briefe. Das Meiste enthielt nur Rechnungen, die ich in den nächsten Tagen bezahlen würde. Das Übliche eben. Doch dann hielt ich plötzlich einen wichtig aussehenden Brief in der Hand, der an mich adressiert war.
"Das wäre super!", sagte ich mechanisch zu Amy und öffnete den Umschlag. Ein Siegel des amerikanischen Familiengerichts leuchtete mir entgegen und mir wurde heiß und kalt zugleich. Was wollten die denn? Langsam faltete ich den Zettel auseinander und las die Zeilen.
"Sehr geehrte Ms. Edwards,
hiermit teilen wir Ihnen mit, dass Lucas George Gabriel, geboren am 16. September 1974, eine Klage um das Sorgerecht von Evangeline Kate Edwards, geboren am 05. August 2004, eingereicht hat.
Bitte finden Sie sich am 22. Juli 2008 um 10 Uhr zu einer ersten Zusammenkunft im Gerichtsgebäude von Los Angeles ein. Sollten Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird ihnen vom Bundesstaat Kalifornien ein Anwalt zur Seite gestellt."
In diesem Moment brach eine Welt für mich zusammen, endgültig. Er wollte mir meine Tochter wegnehmen, um sich so an mir zu rächen. Nur weil ich Nein gesagt hatte. Er wollte mir Lynn wegnehmen, meine Tochter. Das konnte er doch nicht einfach tun. Mir meine Tochter wegzunehmen. Ich war keine schlechte Mutter. Ich liebte meine Tochter. Er konnte sie mir nicht wegnehmen. Nicht einfach so. Evangeline. Meine Tochter. Er konnte nicht einfach...

Piep. Was war das? Piep. Piep. Ich fühlte mich benommen. Piep. Konnte das jemand mal abstellen? Langsam öffnete ich die Augen und wurde vom Licht geblendet. Piep. Ich ließ ein leises Seufzen von mir. Piep.
"Alex?" Ich versuchte meinen Arm zu heben, aber er fühlte sich unendlich schwer an, so dass ich ihn langsam wieder sinken ließ. Piep. Hört auf damit! Wieder öffnete ich die Augen, aber nur einen Spalt.
"Alex." Ich verstand die Worte kaum und drehte meinen Kopf langsam in die Richtung der Stimme. Schritte erklangen und es machte kurz "Klack". Jemand hatte das Licht ausgemacht und machte nun die Vorhänge zu. Ich war also in einem Zimmer. Mein Kopf tat höllisch weh und machte mir das Denken schwer. Ich öffnete die Augen noch ein wenig mehr und sah, dass es Sam war, der meinen Namen gerufen hatte. Er kam an mein Bett und nahm meine Hand.
"Wie geht´s dir?" Ich sah seinen besorgten Blick und schaute in die andere Richtung. Alles war weiß gehalten. Ich lag in einem Bett. Vermutlich im Krankenhaus. Verdammt, was war passiert?
"Wo bin ich?"
"Du bist im Krankenhaus.", meinte er leise. Tausend Fragen schwirrten in meinem Kopf herum und ich versuchte sie in irgendeiner Weise unter Kontrolle zu bringen. Doch die Schmerzen machten es unmöglich.
"Wo ist Evangeline?" Für einen Moment herrschte Schweigen.
"Mom und Dad kümmern sich um sie."
"Mom und Dad?", fragte ich panisch und versuchte mich aufzusetzen. Doch Sam drückte mich sanft zurück. Ich hätte es sowieso nicht geschafft, denn schon begann sich alles zu drehen und die Schwere meines Kopfes zog mich auf mein Kopfkissen zurück.
"Was ist passiert?"
"Du bist zusammengebrochen. Amy hat gerade mit dir telefoniert, als du plötzlich anfingst zu weinen und zu schreien. Sie hat einen Krankenwagen gerufen, der dich hier her gebracht hat." Ich ließ die Worte ein paar Sekunden wirken, um ihre Bedeutung zu verstehen. Ich hatte nicht geweint. Ich...der Brief. Langsam kam die Erinnerung wieder. Lucas wollte mir mein Kind wegnehmen.
Wieder versuchte ich aufzustehen, doch Sam ließ mich nicht.
"Bitte, Alex. Bleib liegen, du brauchst Ruhe."
"Ich muss aber aufstehen.", widersprach ich und blickte um mich. Meine Sachen lagen über dem Stuhl in der Ecke.
"Nein!" Er sah mich eindringlich an und ich hielt in meiner Bewegung inne. Tränen liefen mir über meine Wange. Ich wollte raus hier. Das war nicht mehr mein Leben. Es war ein einziger Albtraum. Ich musste es wieder in Ordnung bringen. Ich hatte es verschuldet und nur ich konnte es wieder gut machen. Warum ließ er mich dann nicht?
Ich sah Sams traurigen Blick, aber das half mir nichts. Sie würden mir mein Kind wegnehmen. Meine Evangeline. Das durfte nicht sein. Ich musste mir einen Anwalt besorgen und mich informieren. Das würde Zeit kosten, Zeit, die ich nicht hatte, wenn Sam mich aufhielt.
"Sam, ich...!", fing ich an. Ich fühlte mich kraftlos, aber ich wollte nicht aufgeben.
"Alex, ich weiß, dass du hier weg willst. Doch das geht nicht. Die Ärzte müssen dich erst noch untersuchen." Noch immer versuchte er mich davon abzuhalten, aufzustehen und zu gehen.
"Bitte!", flehte ich ihn an, doch er schüttelte nur den Kopf.
In diesem Moment kam eine Schwester herein. Sie war groß und stämmig. Der Albtraum einer jeden Krankenschwester. Es war zum Verzweifeln.
"Sie sind wach, sehr gut. Ich werde den Doktor rufen." Sam nickte nur und wandte sich wieder zu mir.
"Es wird alles wieder gut, okay?" Er versuchte es mit einem Lächeln, aber ich wandte mich von ihm ab. Ich hasste ihn, ich hasste alle. Warum hielten sie mich auf? War es ihnen egal, wenn ich meine Tochter verlor? Wenn ich alles, was mir wichtig erschien, verlor? Erst Paul, dann Lucas und nun Evangeline. Was kam als Nächstes? Dass ich die Kontrolle über mein Leben verlor?
Ich entzog meine Hand von Sams Berührungen und starrte auf die Gardinen, wohlwissend, dass sich dahinter die Freiheit verbarg. Die Möglichkeit, Lynn zu behalten. Doch man hatte mir die Sicht versperrt, ich wusste nicht mehr, wo ich hin sollte.
Ein weiteres Mal öffnete sich die Tür und ein Mann im weißen Kittel erschien. Er schien Mitte Dreißig zu sein und setzte bei meinem Blick ein Lächeln auf. Ich versuchte nicht einmal es zu erwidern, sondern blickte wieder auf den Vorhang. Ich wollte raus. Man nahm mir mein Kind weg, schien das denn keinen zu interessieren? Ich hätte am liebsten geschrien, doch das wäre hier nur Kraftverschwendung gewesen.
"Mr. und Ms. Edwards.", begrüßte der Arzt uns. "Ich bin Dr. Sole, der zuständige Arzt.", stellte er sich vor und blickte in eine schmale Akte. "Wir haben Sie ausführlich untersucht, Ms. Edwards. Die gute Nachricht ist, dass sie körperlich zwar geschwächt, aber kerngesund sind."
"Dann kann ich ja gehen.", meinte ich und richtete mich ein Stück auf. Automatisch spürte ich Sams Hand auf meinem Arm, doch ich versuchte mich ihm zu entziehen. "Lass mich.", meinte ich ausdruckslos und er nahm erschrocken seine Hand zurück.
"Nein, sie können noch nicht gehen. Wir wollen mit ihnen einige psychologische Tests durchführen. Man hat keinen Nervenzusammenbruch aus heiterem Himmel. Dahinter steckt immer ein psychologisches oder physisches Problem." Er blickte mich ernst an. "Ein Psychologe wird ihnen ein paar Fragen stellen und sie werden auch selber ein paar Tests ausfüllen müssen." Ich zeigte keine Reaktion. Sie konnten mich zu nichts zwingen. Ich war nicht krank. Sie konnten mir nicht erzählen, dass es sie nicht geschockt hätte, zu erfahren, dass jemand ihr Kind wegnehmen wollte.
"Gut. Eine Schwester wird regelmäßig nach ihnen schauen. Sie dürfen nicht aufstehen und sich auch nicht aufregen." Nein, natürlich nicht. Ich werde seelenruhig darauf warten, dass mir jemand alles wegnimmt, was ich liebe! Und wenn es so weit ist, werde ich zum Abschied winken und lächeln.
Dr. Wie auch immer sein Name war verließ den Raum und ich war wieder mit Sam allein. Es herrschte Stille. Ich wollte nicht reden und auch nicht angesprochen werden. Ich wollte raus hier, egal wie.
"Mom und Dad kommen bald zurück.", kam es leise von Sam. Sollten sie doch. Mir egal. Was brachte mir das? Mom würde nur wieder jammern, wie schlecht es uns doch allen ging und auf Dads Vorträge hatte ich alles andere als Lust. "Ich geh mir einen Kaffee holen. Möchtest du irgendetwas?" Ja, meine Ruhe und endlich hier verschwinden. Sam ging, auch ohne meine Antwort und ließ mich mit dem "Piep.Piep.Piep." der Maschinen alleine. Es war alles so frustrierend. Ich hatte das Gefühl, dass mein Leben aus den Fugen gerissen wurde und ich nichts dagegen machen konnte. Dabei hatte ich doch alles versucht und bis zu dem Moment, als ich die Post geöffnet hatte, war auch alles wieder ganz gut verlaufen. Doch Lucas musste es natürlich wieder durcheinander bringen. Er wollte mir meine Tochter wegnehmen. Warum? Evangeline kannte ihn nicht, hatte sogar Angst vor ihm und nun wollte er sie aus ihrem vertrauten Umfeld reißen. Was hatte er davon? Wollte er mich nur leiden sehen?
Die Tür ging auf und meine Eltern erschienen mit Evangeline und Sam. Zum ersten Mal seit meinem Erwachen regte sich so etwas wie Freude in mir, als ich Evans sah. Ich richtete mich langsam auf, um sie zu umarmen und zu küssen. Erleichterung überkam mich, denn noch war sie bei mir. Ich strich ihr sanft durchs Haar und fragte sie über ihren Tag aus. Somit wollte ich auch einem Gespräch mit meinen Eltern aus dem Weg gehen. Ich bemerkte ihre besorgten Blicke und wie sie sich bemühten, nichts zu sagen.
Für einen Moment war ich dann überrascht, als nicht Vorwürfe aus ihren Mündern kamen, sondern aufmunternde Worte. Doch das konnte ich genauso wenig gebrauchen. Hatte denn wirklich keiner begriffen, worum es hier ging? Lucas wollte mir meine Tochter wegnehmen. Nicht ich war krank, sondern ER. Ich war wütend und merkte wie mir die Tränen die Wangen hinunterliefen. Es war diese Ohnmacht, die mich wahnsinnig machte. Ich wurde bemitleidet für etwas, das mir total egal war.
"Wir machen jetzt wieder, Alexis. Aber wir kommen morgen wieder.", hörte ich meine Mutter sagen. Weder antwortete ich, noch ließ ich ein kurzes Nicken erfolgen. Sollten sie gehen, ich wollte sowieso alleine sein. Ich küsste Evangeline zum Abschluss und versuchte mir ihre Gesichtszüge so gut es ging einzuprägen. Ich wollte mir ihr Bild immer wieder vor meinem inneren Auge aufrufen, um die Angst niederzuringen, um stark zu sein.
Endlich herrschte wieder Stille, als Mom, Dad, Sam und Evangeline das Krankenzimmer verlassen hatten. Draußen war es mittlerweile fast schon dunkel. Welcher Tag war wohl heute? War es noch Freitag? Würde ich meinen Job in der Bar dadurch endgültig verlieren? Ich war nicht mehr belastbar, fiel ständig aus. Welcher Chef zeigte da Geduld, wenn er viel bessere Arbeitskräfte einstellen konnte?
Vorsichtig erhob ich mich und stieg aus dem Bett. Meine Beine gaben nach und ich knickte weg. Doch ich wollte unbedingt zum Fenster. Also krabbelte ich bis zum Fensterbrett und zog mich daran hoch. Es kostete mich nahezu all meine Kraft, aber schlafen würde ich sowieso nicht. Also konnte ich meine Zeit auch damit verbringen, am Fenster zu stehen und hinauszustarren. Ich lehnte mich gegen die Wand, schob die Gardine zur Seite und schaute auf die Straße hinunter. Krankenwagen fuhren vorbei, mal mit Blaulicht, mal ohne. Mal in Eile, mal eher ruhig.
"Ms. Edwards, sofort zurück ins Bett mit Ihnen.", ertönte es von der Tür her. Ich war so erschrocken, dass ich das Gleichgewicht verlor und fast gestürzt wäre. Ich konnte mich gerade noch so an dem Ständer mit der Kochsalzlösung festhalten. "Sie brauchen Ruhe, Ms. Edwards." Die Nachtschwester, wie immer sie auch hieß, führte mich zurück zu meinem Bett. Widerwillig gehorchte ich und legte mich zurück. "Versuchen Sie zu schlafen. Ich schaue später noch einmal nach ihnen." Toll, jetzt hatte ich auch noch einen Wachhund.
"Woher kommt das Piep?", fragte ich ohne wirklich darüber nachgedacht zu haben. Doch mir war aufgefallen, dass irgendwas immer regelmäßg Geräusche von sich gab. Ich war jedoch an keine Maschine angeschlossen, ich hörte sie immer nur.
"Das ist das Überwachungsdisplay ihres Zimmernachbarn." Ich hatte einen Zimmernachbarn? Im Dunklen richtete ich mich auf und versuchte ein anderes Bett zu erkennen. "Hinlegen!", ertönte es wieder und ich spürte eine Hand an meiner Schulter, die mich hinunterdrückte.
"Ich will doch nur...", versuchte ich mich zu rechtfertigen.
"Ihre Zimmernachbarin hatte vor einer Woche einen Herzinfarkt. Ihr geht es schon etwas besser, aber sie braucht viel Ruhe. Ich rate Ihnen also, hier keinen Aufstand zu machen. Wenn schon nicht für Sie selbst, dann wenigstens für das Wohl anderer Patienten." Mit diesen Worten ging sie wieder hinaus und ließ mich allein zurück. Ich starrte an die Zimmerdecke, an der, wie Zuhause, Lichter tanzten, auftauchten und wieder verschwanden. Fasziniert betrachtete ich dieses Spiel und lauschte dabei den Geräuschen von draußen. Es war das Einzige, was ich von meiner Freiheit noch hatte.

Am nächsten Vormittag kam dann die Psychologin vorbei. Da ich noch nicht aufstehen konnte beziehungsweise durfte, mussten wir das Gespräch in dem Krankenzimmer führen. Also vor meiner Zimmernachbarin. Ich wusste nicht, ob sie im Koma lag oder nur allgemein viel schlief, denn sie hatte sich noch nicht einmal gerührt. Alles was ich wusste war, dass mir diese Maschine gehörig auf den Geist ging und auch auf die Fragen hatte ich keine Lust. Über zwei Stunden musste ich mich irgendwelchem Psychokram stellen. Ich antwortete so kurz und knapp wie möglich und ließ vieles aus. Wentworth erwähnte ich mit keiner Silbe und auch den Brief ließ ich aus, da es ja keinen zu interessieren zu schien.
Zum Abschluss musste ich noch einen sogenannten Maslach Burnout Inventory Test machen. Dr. Weinblatt, die Psychologin, erklärte mir, dass das ein Fragebogen war, um bei Patienten das Burn-out Syndrom festzustellen. Sah ich etwa aus, als wäre ich ausgebrannt? Bis zu diesem bescheuerten Brief vom Gericht war es mir gut gegangen.
Zum Mittag hatte ich dann endlich wieder Ruhe, nur ab und zu kam die Schwester vorbei, um nach der Frau und mir zu schauen. Ansonsten konnte ich meinen Gedanken nachhängen und mir den Rücken wund liegen. Ich legte mir eine Liste an Dingen fest, die ich erledigen musste, wenn ich endlich entlassen wurde. Hoffentlich war das spätestens Montag, wann auch immer der Nächste kommen würde.
Doch ich musste einen Anwalt beantragen, mich auf die Verhandlung vorbereiten, die Wohnung putzen und vor allem endlich mal wieder regelmäßig zur Arbeit erscheinen. Vielleicht waren auch schon ein paar Einladungen zu Bewerbungsgesprächen im Briefkasten. Es gab so viel zu tun und alles was ich machen konnte, war Warten.
Unruhig trommelte ich mit den Fingern auf der Bettdecke, als die Tür aufging. Die Besucher von gestern erschienen wieder, dieses Mal mit Shalley im Schlepptau. Wen würden sie morgen mitbringen? Meine Arbeitskollegen? Den Hund der Nachbarn?
"Hi. Wie geht´s dir?", begrüßte Shalley mich und wollte mich umarmen. Doch da ich keine Anstalten machte, beließ sie es bei dem Versuch.
"Gut.", antwortete ich knapp und streichelte Evangeline über die Wange. Ich würde sie nicht kampflos aufgeben und wenn es das Letzte war, was ich tat.
"Wir haben dir Blumen und ein paar Kleidungsstücke mitgebracht.", ergänzte meine Mutter und verschwand nach draußen, um eine Vase zu besorgen.
"Konntest du ein wenig schlafen?" Sams Stimme klang sehr leise, obwohl er direkt neben mir auf der Bettkante saß.
"Nein." Wie sollte ich bitte schön schlafen können? Meine Tochter sollte mir weggenommen werden! Da hatte ich wohl ein paar andere Sorgen, als meinen Schönheitsschlaf.
"Gegessen?"
"Nein."
"War die Psychologin dagewesen?"
"Ja."
"Und?"
"Nichts." Ich hatte keine Lust auf dieses Frage-Antwort-Spielchen und schwieg wieder.
Meine Mutter kam zurück, die Blumen nun in einer Vase, und begann damit, Kleidung in den Schrank zu räumen. Wie lange dachte sie, würde ich hier bleiben? Ein Jahr?
"Ich habe Hunger!", ertönte es von Evangeline und alle wandten sich ihr zu. Wie gerne wäre ich mit ihr ein Eis essen gegangen.
"Na, komm. Wir schauen mal, was sie hier für dich haben." Mom und Dad gingen mit meiner Kleinen hinaus und nur Sam und Shalley blieben zurück. Ich wusste, was jetzt kommen würde. Das sogenannte Gespräch unter 6 Augen. Shalley setzte sich auf die andere Bettseite und warf einen kurzen Blick zu Sam. Ich wandte mich von beiden ab und schaute zum Fenster hinaus, dessen Gardinen nun endlich zur Seite geschoben worden waren.
"Alex, Went hat angerufen." Langsam wandte ich mich zu ihm um. Mein Herz schien zu zerspringen, Meine Tränen schienen nur einen Weg zu kennen und doch ließ es mich kalt. Es war mir egal, was er wollte.
"Schön.", antwortete ich ruhig und schluckte einmal. Meine Fingernägel drückten sich in die Haut meiner Handinnenflächen. Nein, es war mir nicht egal, was er wollte. Doch es sollte für meinen Bruder und seine Freundin so aussehen.
"Er hat wieder nach dir gefragt." Dass er nicht nach einer Tüte Zucker fragte, war mir schon klar gewesen.
"Was hast du ihm gesagt?", versuchte ich das Gespräch zu beschleunigen, um es zu einem schnellen Ende zu bringen.
"Dass du nicht da bist."
"Wenn er noch einmal anruft, sag ihm einfach dasselbe. Er soll nicht wissen, dass ich im Krankenhaus bin."
"Warum nicht? Was ist passiert zwischen euch?" Viel zu viel und doch nicht genug. Ich schloss für einen Moment die Augen, bis ich wieder sein Gesicht vor mir sah. Dann riss ich sie wieder auf und schaute die beiden an.
"Es ist nichts passiert, aber es muss nicht jeder wissen, dass ich hier bin." Wo immer dieses hier auch war.
"Ist Er jeder?"
"Das Wort "jeder" schließt keinen aus, Sam.", sagte ich und beendete damit das Gespräch.
"Ian, Selma und Collin wollen morgen vorbei kommen, wenn das okay für dich ist." Ich zuckte mit den Schultern und blickte wieder zum Fenster. Die Sonne schien aus voller Kraft und ich hätte alles gegeben, um für einen Moment ihre Wärme auf meinem Körper zu spüren. Ich wollte endlich hier raus.

Doch es sollte noch bis Montag dauern, bis ich überhaupt erst erfuhr, was mit mir los war und warum ich so lange hier festgehalten wurde. Wie angekündigt waren am nächsten Tag, wie ich erfuhr war es ein Sonntag, mein Bruder und seine Familie vorbeigekommen. Doch es hatte nichts als Fremde geherrscht. Ich hatte nicht das Gefühl gehabt, dass das mein großer Bruder gewesen war. Ian erschien mir plötzlich so anders. Wir sahen uns zwar nicht sehr oft, aber regelmäßige Telefonate und E-mails hielten den Kontakt am Leben. Selbst meinem kleinen Neffen konnte ich nichts abgewinnen. Er war seit unserem letzten Treffen Anfang April viel gewachsen und hatte sich äußerlich verändert, wie es bei Kleinkindern der Fall war. Die meiste Zeit herrschte Schweigen, auch wenn ich wenigstens ein bisschen versuchte zu reden. Nach einer Stunde waren sie wieder gegangen und ich war froh über die anschließende Ruhe und Einsamkeit.
Mom und Dad waren immer noch da, wie ich nun feststellen konnte, als Dr. Sole ins Zimmer kam. Ihm folgte meine Familie, die sich um mein Bett versammelte. Alle schienen angespannt zu sein, doch ich wollte nur die Diagnose hören, dann meine Koffer packen und dann gehen. Wenn es etwas Tödliches gewesen wäre, dann hätten sie mich schon längst behandelt, so aber konnte es nur irgendwas Unwichtiges sein, dass ich überleben würde. Auch außerhalb des Krankenhauses.
"Guten Morgen, Ms. Edwards. Wie geht es Ihnen?", fragte er und nickte meiner Familie kurz zu.
"Gut.", gab ich meine Standardantwort zum Besten.
"Wir haben ihre Angaben und die ihrer Familie gegenüber unserer Psychologin ausgewertet." Einen Moment mal bitte. Meine Familie wurde ebenfalls befragt. Wütend blickte ich zu den Leuten, die neben mir saßen und mich besorgt anblickten. Musste sich denn wirklich jeder in MEIN Leben einmischen? Konnte ich nicht einmal für mich entscheiden? "Die Angaben von Außenstehenden, die Sie sehr gut kennen, war sehr wichtig, um ein umfassendes Bild zu erhalten.", erklärte er auf meinen Blick hin und ich wandte mich wieder dem Fenster zu, während er zu erzählen begann.
"Sie haben ein Trauma, Ms. Edwards." Im Raum herrschte gespannte Stille. Alle schienen auf meine Reaktion zu warten, doch was sollte ich schon sagen? Es war eben so. "Wir sind uns noch nicht hundertprozentig sicher, was dieses Trauma ausgelöst hat, aber ihre Symptome deuten eindeutig darauf hin."
"Was bedeutet das für meine Tochter?", mischte sich meine Mutter ein. Meine Tochter. Ja, was bedeutete das für Evangeline?
"Zunächst einmal wird ein Trauma durch ein schlimmes, die Psyche verletzendes Erlebnis ausgelöst. Es gibt eine akute und eine posttraumatische Belastungsstörung. Da Ihre Tochter weder einen Unfall hatte, in einem Kriegsgebiet war oder jemand durch schwere Krankheit oder anderem verloren hat, gehen wir von einer posttraumatischen Belastungsstörung aus. Diese können erst nach längerer Zeit auftreten und werden durch Trigger ausgelöst."
"Trigger?", fragten Dad, Sam und Shalley gleichzeitig.
"Schlüsselreize. Der Patient gerät im Alltag oder einer spezifischen Situation mit Dingen oder Personen in Kontakt, die ihn an das schlimme Erlebnis erinnern. Das können Gerüche, Worte oder auch wiederkehrende Szenen sein, also Dèjá-vus. Die Person nimmt das meist unterbewusst war. Das heißt, dass sie sich nicht automatisch an das traumatische Erlebnis erinnert, sondern das Gehirn es nur als solches wiedererkennt."
"Was heißt das jetzt für Alexis?", unterbrach mein Vater den Arzt.
"Ihre Tochter hat unbewusst darauf reagiert, um nicht wieder in diese Situation kommen zu müssen. Traumapatienten versuchen ihr Leben stark zu kontrollieren, um so Konfrontationen mit Vergangenem vorwegzunehmen und ausweichen zu können. Das zeigt sich vor allem durch Dauerpessimismus. Der Patient versucht mit allen Mitteln Argumente zu finden, um das Erlebte nicht noch einmal durchleben zu müssen. Zudem kann es zu Panikattacken, Zwangserkrankungen und wiederkehrenden Albträumen kommen. Allerdings reagiert jeder Mensch anders darauf. Deshalb kann es auch zu unterschiedlichen Reaktionen kommen."
"Was hat bei meiner Schwester dieses Trauma ausgelöst?"
"Nach ihren Aussagen ist es Verlustangst. Menschen, die einen geliebten Freund, Partner oder Verwandten verloren haben, haben oftmals Angst davor, dass dies wieder passieren könnte. Bei Ihnen, Ms. Edwards, ist es dazu gekommen und hat diese Angst verstärkt. Traumapatienten geben sich meist die Schuld dafür und versuchen das zu kompensieren, indem sie sich nicht mehr an jemanden binden oder sich abkapseln." Ich fühlte mich, als würde er über jemanden anders reden. Vielleicht meiner Zimmernachbarin und ich hörte nur, was er ihrer Familie mitteilte. Ich war also psychisch krank.
"Wir können natürlich nicht in die Köpfe unserer Patienten schauen und unsere Fragenbogen decken oftmals nur einen Bruchteil des Ganzen ab. Deshalb sind wir auf die Antworten angewiesen."
"Ist es heilbar? Ich meine, wird sie wieder gesund?"
"Wenn Sie sich in Therapie begeben, Ms. Edwards, stehen die Chancen sehr gut. Auch wenn Ihre Situation sehr besonders ist."
"Wieso besonders?"
"Sie leidet nicht nur an einem Trauma. Ihre Versuche, bestimmten Situationen aus dem Weg zu gehen und auch die Angst wieder enttäuscht zu werden, haben bei ihr andere Psychosen ausgelöst."
"Oh Gott"!" Meine Mutter fing an zu weinen, während ich reglos in meinem Bett lag und die Sonnenstrahlen draußen interessanter fand, als dieses Gespräch.
"Nach ihren Beschreibungen hat sie sich förmlich in Arbeit gestürzt und jede Art von Hilfe abgelehnt. Dies sind die ersten Merkmale des Burn-out Syndroms. Diese Krankheit hat mehrere Stufen und sie haben zum Glück erst die Erste erreicht. Der Patient versucht Frustration und persönliche Unzufriedenheit zu kompensieren, in dem er sich voll und ganz seiner Arbeit widmet. Er oder sie fühlt sich gebraucht und erfüllt, wenn sie Ziele erfolgreich erreichen und dafür Anerkennung bekommen. Doch dadurch schließen sie sich sozial aus, vernachlässigen Freunde, Partner und Familie. Die Folgen sind, dass die Kraft, die sie so in ihre Arbeit stecken, die Betroffenen bald ausgeht und sich Erschöpfung breit macht, da sie sich keine Pause gönnen. Sie können dennoch nicht schlafen, da sie immer wieder etwas antreibt. Ihre Gedanken drehen sich nur um unerledigte Arbeiten, die sie noch hätten erledigen können. Das bedeutet oftmals, dass sie mitten in der Nacht aufstehen und mit der Hausarbeit beginnen oder immer wieder kontrollieren, ob die Kinder schlafen, die Türen geschlossen sind oder alle Lichter aus sind. Das kann schnell zwanghaft werden."
"Sie sagten aber, dass sie sich erst am Anfang befindet."
"Ja. Bei Ihr sind die Symptome nur schwach ausgebildet. Sie leidet unter Schlaflosigkeit, isst überdurchschnittlich viel und nach ihren Antworten zufolge, leidet sie auch unter Hyperaktivität. In den Berichten stand auch, dass sie sich sozialen Kontakten entzog. Sie war also erst am Anfang, als sie ins Krankenhaus eingeliefert wurde."
"Muss sie deswegen auch in Therapie?"
"Ja, aber es hilft in diesem Falle oftmals schon, wenn der Patient seinen Arbeitsbereich stark einschränkt und sich zurücknimmt. Mehr Sorgen bereitet uns da schon ihre Aphephosmophobie."
"Ihre was?", mischte sich mein Vater ein. Es sollte vorbei sein. Sie sollten alle verschwinden und mich in Ruhe lassen.
"Aphephosmophobie ist die Angst vor Berührungen, auch als Sexualangst bekannt." Ich brauchte einen Moment, um die Worte zu begreifen. Ich hatte Angst vor Sex?
"Meine Schwester ist verklemmt?", brach es aus Sam heraus.
"Sam!", fuhr ihn meine Mutter an und wandte sich an den Arzt. "Wie können Sie sich da so sicher sein?" Dr. Sole lächelte leicht.
"Wir wissen das alles aus den Antworten, die sie und Ms. Edwards uns gegeben haben. Wir können uns also nie wirklich sicher sein. Doch die Symptome weisen darauf hin. Patienten, die unter Sexual- und Berührungsangst leiden, bekommen Panikattacken, wenn sie sich unter Druck gesetzt fühlen oder sich in einer Situation mit sexuellem Inhalt befinden. Das führt oftmals zu einer wehrlosen Erstarrung und Berührungen fühlen sich für sie an, als würde man ihnen eine brennende Kerze an die Haut halten. Es schmerzt sie, als hätte man sie geschlagen oder fest zugepackt." Automatisch zog Sam seine Hand zurück und alle blickten mich an, als wäre ich verrückt geworden oder würde jeden Moment einen Anfall bekommen. Dr. Sole erzählte noch etwas von möglichen Therapien, doch ich hörte ihm nicht zu. Andere Gedanken schoben sich dazwischen. Ich war ein psychisches Wrack, herzlichen Glückwunsch. Das hatte ich ja toll hinbekommen. Doch ich fühlte auch Erleichterung in mir. Auch wenn es vielleicht kein Happy End geben würde für mich, so wusste ich jetzt wenigstens, was die ganze Zeit mit mir los gewesen war. Wentworth war der Trigger gewesen, der alles ausgelöst hatte und Lucas hatte mir einfach nur noch den Rest gegeben. Immer gut zu wissen, wer der Schuldige war, auch wenn Went nun wirklich nichts dafür konnte. Aber warum hatte Evangeline auch gerade ihn umrennen müssen. Hätte es nicht eine Frau sein können? Aber vermutlich hätte ich mich dann in sie verliebt und hätte damit einen handfesten Skandal in der Familie ausgelöst. Der Gedanke daran brachte mich zumLachen und als ich mich erschrocken umblickte, bemerkte ich, dass ich wieder allein war. Neben mir stand mein Abendessen und ich vernahm wieder das Piepen der Maschine.
Wie lange musste ich wohl hier bleiben? Ich konnte das Weiß der Wände nicht mehr sehen, die sterile Luft nicht mehr riechen und einatmen. Hier würde ich nicht gesund werden, wenn ich denn überhaupt krank war. Denn das waren alles Vermutungen gewesen, die der Arzt geäußert hatte. Vielleicht war ja alles in Ordnung mit mir. Doch würden mir das die Richter glauben? Wenn Lucas meinen Krankenhausaufenthalt mitbekommen würde und das würde er garantiert, war ich in Erklärungsnot und dann würde man mir Evangeline wegen Unzurechnungsfähigkeit wegnehmen. Dann würde ich wieder jemanden verlieren.
Doch das würde ich nicht zulassen. Nicht noch einmal. Wenn es sein musste, würde ich jede Therapie machen, die sie hier anboten. Hauptsache ich kam hier raus und würde mein Leben wiederbekommen.
Denn es war kein Leben mehr ohne Evans.
Teppich

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Teppich »

Oh mann, arme Alex!!
Das alles hat sie schlimmer mitgenommen, als ich angenommen
habe...wow...
Und dann auch noch Lucas *grrr* Den könnte man ehrlich mal
abknallen *spuck* Fies!!

Woher hast du denn all diese Infos her? Kennst du denn jemanden,
der unter so was leidet?
Psychische Krankheiten sind echt kacke, dauert lange, bis man
oder andere erkennen, dass man eine hat und der Heilungs-
prozess dauert dann auch wieder ewigs...bah...

Ich hoffe, dass Went mal davon erfährt und sie mal miteinander
reden können. Und hoffentlich (!!) geht es Alex bald wieder
besser!

Na, da bin ich ja zumindest ein wenig beruhigt! Deine
Story hat mich regelrecht süchtig gemacht ;)
Na denn, ich wünsch dir nen guten Flug und nen guten Start
bei den Amis :D *wink*
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

huhu^^
Sorry, es ging wirklich nicht eher, weil mein Laptop genauso wie ich unter Jetlag litt :D
Jetzt bin ich aber wieder da und kann dir die anderen Kapitel auch noch senden ;)
Ehrlich gesagt bekommt man die Psychologischen Sachen bei wikipedia heraus :D, aber ich kenne auch Leute, die unter so etwas leiden :(
Sei gespannt wie es weiter geht :D


Kapitel 33: Heartbreaker


Am nächsten Morgen gab ich also mein Ja zu einer Therapie. Meine Eltern und mein Bruder schienen sehr erleichtert darüber zu sein, aber ich war mir immer noch nicht so sicher. Doch ich wollte meine Tochter nicht verlieren und war gewillt alles dafür zu tun. Ich bekam für den Nachmittag eine Psychologin zugewiesen, die sich mit mir erst einmal nur unterhalten wollte, vor allem um meine Fragen zu beantworten. Bis dahin musste ich in meinem Bett ausharren, denn aufstehen durfte ich immer noch nicht.
Meine Eltern wollten noch bis mindestens Ende der Woche bleiben, um Sam und Evangeline zu helfen und natürlich auch mir. Doch eigentlich wollte ich niemanden sehen. Zu viel ging in meinem Kopf herum, dass ich selber erst einmal verarbeiten musste, bevor ich mit jemanden darüber sprechen konnte. Von einem Tag auf den anderen war ich von einem gesunden Menschen in ein psychisches Wrack verwandelt worden, obwohl ich wusste, dass der Prozess bis zu meinem jetzigen Gesundheitszustand viel länger gedauert hatte. Ich hätte zu gerne gewusst, wo mein Trauma begonnen hatte und wo es seinen großen Auslöser gefunden hatte. Es musste an Lucas´ Rückkehr gelegen haben, seinen Androhungen und natürlich dem Brief. Anders konnte ich es mir nicht erklären.
Dr. Sole hatte jedoch gesagt, dass es heilbar war und das ich wieder gesund werden würde, wenn ich nur die Therapie machen würde. Irgendwann würde es also vorbei sein und meinen ständigen Angstattacken würden verschwinden oder zumindest gemildert werden. Was aber wenn ich nicht über Lucas hinweg kam? Wenn er immer wieder in mein Leben trat, um es zu zerstören und aus den Fugen zu reißen? Das würde ich nicht durchstehen. Da würde auch keine Therapie helfen, wenn er mich weiterhin terrorisierte, was er ja schon mit seinem Sorgerechtsstreit tat.
Nach dem Mittagessen, das ich mir irgendwie herunter gezwungen hatte, kam die Psychologin zu mir. Dr. Isabelle Hunting war mir gleich sympathisch. Sie hatte ein wunderschönes Lächeln und schien eine atemberaubende Ruhe auszustrahlen. Ob sie jemals etwas aus der Fassung gebracht hatte? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Sie begrüßte mich freundlich und begann einfach von sich zu erzählen. Sie war verheiratet, lebte in Pasadena und hatte zwei süße Töchter, Kira und Samantha. Ich wusste nicht, ob sie mir damit meine Nervosität nehmen wollte oder einfach nur erzählfreudig war. Ich tippte auf Ersteres.
"Ich hab auch eine Tochter.", fing ich an, als sie geendet hatte. Ihr Lächeln ermunterte mich weiterzumachen. "Sie wird im August 4 Jahre alt. Ihr Name ist Evangeline."
"Das ist ein schöner Name."
"Ja, mein Zwillingsbruder hat ihn ausgesucht."
"Sie verstehen sich gut mit ihrem Bruder."
"Ja, eigentlich schon, aber in letzter Zeit gab es öfters Streit." Ich sah sie verzweifelt an, so als könnte sie zukünftige Probleme zwischen meinem Bruder und mir verhindern.
"Warum?"
"Ich weiß nicht. Wir wohnen zusammen. Da kann das bestimmt öfters mal passieren.", murmelte ich und krallte meine Finger in die Bettdecke.
"Aber wenn es vorher nicht passiert ist."
"Vielleicht waren wir auch einfach gestresst. Wir arbeiten beide sehr viel, um alles bezahlen zu können und im November wird er Vater."
"Dann zieht er also aus?"
"Nein, er bleibt bei uns. Er und seine Freundin sind noch nicht so lange zusammen. Sie wollen vielleicht später in eine gemeinsame Wohnung ziehen."
"War das auch ein Streitpunkt zwischen Ihnen?" Ich zögerte einen Moment.
"Ja, ich fühlte mich überrumpelt davon. Wir hatten uns deswegen gestritten, aber uns danach auch ausgesprochen."
"Mögen Sie die Freundin Ihres Bruders?" Ich blickte von der Bettdecke zu ihr.
"Sie ist meine beste Freundin, natürlich mag ich sie." Für einen Moment schien sie von der Antwort überrumpelt. Doch dann gab sie mir wieder Mut weiter zu erzählen. Und ich tat es. Ich erzählte ihr von meiner Familie, von meiner Kindheit in Stratford-upon-Avon und Palo Alto. Wie ich durch die Welt gereist und wie ich mit Paul zusammen gekommen war. Es war das erste Mal, dass ich unsicher wurde. Ich wusste nicht, was und wie viel ich antworten sollte.
"Okay, Alexis. Sie müssen nicht jetzt schon alles erzählen. Wir haben Zeit, Sie haben Zeit." Ich nickte nur. "Haben Sie irgendwelche Fragen? Ich möchte, dass wir uns einander vertrauen können. Wir werden einen Weg in Ihre Vergangenheit gehen, der Ihnen nicht gefallen wird, Alexis. Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich da bin. Um Ihnen zu helfen, um Ihnen beizustehen. Ich will Ihnen nichts Böses oder sie auslachen. Schwächen zu haben ist etwas menschliches, für das sich niemand schämen muss." Wieder konnte ich nur nicken.
"Warum aber ich?", brach es aus mir hervor. Ich sah sie an und wollte antworten. "Ich mein, ich bin doch nicht die Einzige...!" Meine Stimme zitterte und ich hatte Schwierigkeiten sie unter Kontrolle zu halten. Es war einfach zu viel für mich. Ich hatte Angst. Angst, dass es nicht mehr so werden würde wie früher, dass ich mich ändern würde. Ich hatte Angst vor mir selbst. "Es gibt Millionen von Menschen, die verlassen werden. Da bekommt man doch nicht gleich ein Trauma, oder?" Ich merkte, dass sich meine Fingernägel in meine Handflächen bohrten.
"Alexis, jeder Mensch ist anders. Es gibt kein Buch, worin steht, wer anfällig für ein Trauma ist und wer nicht. Es passiert einfach."
"Wie wollen Sie mir helfen? Ich meine, reden wird nicht wirklich helfen."
"Doch, sie werden es merken. Wie fühlen Sie sich denn jetzt? Hat es Ihnen geholfen über ihre Familie zu reden?"
"Schon. Ich bin mir jetzt mehr bewusst darüber, wie wichtig sie mir sind."
"Sehen Sie, es bringt Ihnen etwas. Sie werden sich bewusst, wie Sie anderen Menschen gegenüber fühlen. Sie fangen an, sich damit auseinanderzusetzen, darüber nachzudenken. Viele Patienten haben das vorher nicht getan. Ihnen war oftmals nicht bewusst, dass sie krank sind."
"Das heißt, wenn ich darüber rede, werde ich gesund?" Sie lächelte mild.
"Nicht direkt, aber durch die Auseinandersetzung und das Aussprechen von Gefühlen, die Sie vorher unterdrückt haben, bringen Sie sich in die richtige Richtung. Fühlen Sie sich nicht danach besser, wenn Sie mit einer Freundin über Problem gesprochen haben? So ist das mit der Psychologie. Sie hilft und heilt Wunden, auf langsame Weise." Ich lehnte mich zurück und blickte zur Decke.
"Es wird Jahre dauern, stimmt´s?", fragte ich tonlos.
"Um ganz davon loszukommen, ja. Aber setzen Sie sich nicht unter Druck, okay? Sie sind noch ganz am Anfangsstadium bei dieser Krankheit. " Ich nickte nur. Mir fehlten die Worte. Noch immer war es für mich nicht begreiflich. Ich hatte die ganze Zeit eine tickende Zeitbombe mit mir herumgetragen, ohne es zu merken. Bis sie explodierte. Warum gerade jetzt?
Dr. Hunting verabschiedete sich und versprach, morgen wieder zu kommen. Kaum war sie gegangen, stand ich auf. Das Fenster hatte eine zu große Anziehungskraft auf mich, als dass ich hätte widerstehen können. Auf wackligen Beinen bewegte ich mich vorwärts, in Richtung Fensterbrett. Als ich endlich hinaussehen konnte, fühlte ich mich erschöpft und lehnte mich gegen die Wand. Doch ich hatte es geschafft. Eine kleine Etappe nur, aber es war wieder ein Schritt in Richtung Normalität. Immerhin konnte ich jetzt wieder auf eigenen Beinen stehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Während ich also das Geschehen auf der Straße beobachtete, fragte ich mich, wie es weiter gehen sollte. Ich wusste nicht wie lange ich hier bleiben musste und selbst wenn ich nach Hause gehen durfte, bedeutete das nicht gleich, dass ich wieder arbeiten durfte. Das hatte mir der Arzt schon zu verstehen gegeben. Ich litt schon an den ersten Symptomen des Burn-out Snydroms. Ich durfte mir wahrscheinlich nicht einmal selber die Zähne putzen, sondern würde wie ein Kleinkind behandelt werden. Das wirklich Letzte, was ich wollte.
Die Tür ging auf und Evangeline stürmte ins Zimmer. Mit einem lauten "Mommy" ließ sie sich in meine Arme fallen und ich drückte sie fest an mich.
"Na, wie war dein Tag, Spatz?" Aufgeregt erzählte sie von dem Besuch mit der Gruppe aus ihrem Kindergarten im Nationalmuseum. Ich hörte aufmerksam zu und beobachtete jede ihrer Bewegungen, die ich mir ins Gedächtnis brannte. Meine Eltern hielten sich die meiste Zeit im Hintergrund und beobachteten wiederum mich. Irgendwo konnte ich ihre Sorge verstehen, aber ich wollte nicht, dass sie mich als psychisches Wrack sahen. Ich brauchte ihre Hilfe nicht, denn ich hatte mein Leben alleine aufgebaut und würde das auch wieder schaffen.
Die Drei blieben noch bis kurz vorm Abendessen da, dann war die Besuchszeit um und sie fuhren nach Hause. Mom hatte mir noch die Post mitgegeben, da Sam heute keine Zeit hatte, vorbei zu kommen. Ein Blick auf die Briefe ließ mich wissen, dass sie die Rechnungen aussortiert hatten. Keine Aufregung für die Patientin war die Anordnung vom Arzt gewesen. Anscheinend nahmen sie das besonders ernst. Ich verabschiedete mich und öffnete die Post. Der erste Brief war von meinen Großeltern aus Frankreich. Ich brauchte einen Moment, um die französischen Worte zu entziffern und ihren Sinn zu verstehen. Dad hatte sie anscheinend angerufen und ihnen von meinem Zusammenbruch erzählt. Louis und Madolyn Dardenne luden mich zu sich nach Frankreich ein, damit ich mich richtig erholen konnte und wünschten mir gute Besserung. Einerseits freute ich mich über die Post, andererseits machte es mich wütend, dass jeder dachte, ich wäre dotkrank.
Der zweite und letzte Brief war etwas dicker und dem Absender nach von Simone. Paul, schoss es mir kurz durch den Kopf, doch ich verdrängte den Gedanken sogleich. Es würde noch genug Zeit geben, um über Simones Bruder nachzudenken und zu sprechen. Jetzt war nicht die Zeit dazu. Ich riss den Umschlag auf und mir kam ein Stapel Bilder entgegen. Ich zog den Brief heraus und las ihn.
"Liebe Alexis,
noch einmal vielen Dank für das schöne Wochenende. Linda ist immer noch ganz aus dem Häuschen und redet nur noch von einer Person. Sag Wentworth ebenfalls noch einmal Danke von uns aus. Er war wirklich sehr nett und ich überlege schon, mir auch einmal seine Serie anzuschauen.
Linda hat für dich ein paar Bilder nachmachen lassen, damit du dich, wie sie, an die schöne Zeit erinnern kannst. Auch von Harry soll ich dir liebe Grüße ausrichten und er findet das Bushido-Autogramm "voll krass". Soll wohl ein Lob an dich sein.
So, jetzt genug Honig um den Mund geschmiert. Ich will Antworten!! Hast du mit ihm geredet? Ich zieh dir die Ohren lang, wenn nicht und ich schwöre dir, dass das schneller geht, als dir lieb ist. Linda und ich suchen schon nach Flügen nach Los Angeles während der Sommerferien. Sogar Harry, unser Urlaubsmuffel, will mitkommen. Wäre toll, wenn wir uns sehen könnten.
Herzlichste Grüße aus München

Simone

P.S.: REDE MIT IHM!!!!!!!! "

Simone und Shalley hätten Schwestern sein können. Sie wussten genau, was ich dachte und wie ich handeln würde. Ihre Reaktion darauf war nahezu gleich. Doch gleichzeitig verstanden sie mich so wenig, hatten beide nicht gemerkt, dass ich krank war. Langsam nahm ich die Bilder in die Hand. Es waren 5 Stück. Alle waren an dem Samstag in Nürnberg gemacht worden. Es fühlte sich wie ein Flashback an. Jedes Foto ließ die Erinnerungen wieder aufkommen. Doch ich wollte mich nicht mehr mit ihm beschäftigen, nicht mehr sein Lächeln sehen, weil ich einfach nicht mehr konnte. Es brachte mich jedes Mal wieder mehr aus der Fassung, riss mich zu Boden.
Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und überlegte hin und her, während ich auf die Bilder starrte. Schließlich warf ich sie von meinem Bett, den Brief gleich hinterher. Ich wollte vergessen. Es würde mich sonst wahnsinnig machen.

Die nächsten Tage kam Dr. Hunting regelmäßig jeden Nachmittag zu mir und mit jeder Stunde vertraute ich ihr mehr. Sie wurde nicht zu meiner besten Freundin wie Shalley, aber sie war unparteiisch. Sie kannte mich erst seit meinem Zusammenbruch und ich konnte Ihr alles erzählen, was ich wollte. Ansonsten wusste sie ja nichts von mir. Trotzdem fiel es mir nicht leicht über die Vergangenheit zu berichten. Wer erzählt schon gerne von Niederlagen, Enttäuschungen und den innersten Gefühlen? Doch wie sie es in unserer ersten Sitzung gesagt hatte, fühlte ich mich danach ein wenig besser. Ich lernte damit umzugehen, dass Paul mich verlassen hatte. Es schmerzte immer noch, aber da ich darüber gesprochen hatte, bedrückte es mich nicht mehr so. Es war, als würden mir Lasten von den Schultern genommen werden. Ich hatte mit jemandem meine Probleme geteilt und bekam von dieser Person neue Ansichtsweisen dargelegt, die ich so noch nicht wahrgenommen hatte.
Heute nun stand unsere 4.Sitzung an und ich wusste, dass heute der Tag war, an dem wir Lucas anschneiden würden. Meine Eingeweide zogen sich unangenehm zusammen und ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, obwohl es seit Dienstag wieder besser geworden war. Hier im Krankenhaus kam ich zur Ruhe und musste mich nicht ständig um Einkäufe, Ordner oder Mieten kümmern. Ich selbst stand jetzt im Mittelpunkt. Das hatte auch Sam gemeint. Natürlich hatte er den Brief gelesen, als er am Montagabend nach Hause zurückgekehrt war und war ebenso geschockt wie ich. Mom und Dad hatte er nichts davon erzählt und ich war ihm sehr dankbar dafür. Sam wollte mir um jeden Preis helfen und auf jeden Fall vor Gericht aussagen, wenn es dazu kam, aber zuerst sollte ich gesund werden. Wenn ich gleich wieder einen Nervenzusammenbruch bekam, half das weder Lynn noch mir. In diesem Moment war ich sehr dankbar gewesen, dass Sam an meiner Seite war. Er wollte sich auch um einen Anwalt kümmern und ließ sich auch nicht davon abbringen, einen Teil von seinem Verdienst dafür zu opfern. Nur bei einem Thema hatte er kein Verständnis mit mir.
"Alex, ruf ihn an. Ich verlang nichts mehr von dir, aber der arme Kerl ruft morgens, mittags und abends bei mir an und ich kann ihn nicht ewig vertrösten. Irgendwann kommt er auf die Idee mir zu folgen und steht in deinem Krankenzimmer. Du hast also die Wahl:Telefon oder direkte Konfrontation.", meinte er zu mir. Ich nickte nur und wusste doch, dass ich es nicht tun konnte. Es war einfach noch zu viel. Ich würde ihn anrufen, aber nicht jetzt, auch auf die Gefahr hin, dass es dann zu spät sein würde.
Doch meine Mutter kam mir in die Quere. Heute Morgen, kurz nach dem Frühstück, kam sie allein zu mir. Mit dabei hatte sie ein Geschenk. Es war rechteckig und flach.
"Hey, Schatz!", begrüßte sie mich und ich blickte sie unsicher an.
"Hi!", gab ich zurück und musterte das große Geschenk.
"Ich...ich weiß, dass du jetzt ganz andere Dinge im Kopf hast, aber ich wollte es dir wenigstens geben, bevor ich es wieder vergesse." Sie reichte mir das Geschenk. Es war aus hartem Material, fast wie ein Bilderrahmen.
"Mom, ich..", fing ich an, doch sie unterbrach mich.
"Es ist nicht für dich! Es ist das, worum du mich gebeten hattest." Ich starrte sie an. Es war Wents Geschenk für die Einweihungsfeier. Sie hatte es nicht vergessen. Ich wünschte, sie hätte es.
"Danke.", murmelte ich und fuhr mit den Fingern über das Geschenkpapier. "Was schulde ich dir?"
"Nichts." Sie winkte ab.
"Wie viel schulde ich dir?", fragte ich mit Nachdruck. Ich war vielleicht krank, aber das hieß nicht, dass ich Mitleid brauchte.
"Wir machen das, wenn du wieder gesund bist."
"Ja, bestimmt.", gab ich zurück und stellte das Geschenk neben das Bett.
"Ich geh dann jetzt wieder. Bis heute Nachmittag.", verabschiedete sie sich und ließ mich wieder allein zurück. Ich versuchte nicht auf das Geschenk zu schauen, aber mein Blick wanderte immer wieder automatisch darüber. Was sollte ich jetzt damit machen? Ich konnte nicht zu seiner Feier gehen und selbst wenn ich nicht im Krankenhaus liegen würde, hätten mich keine 10 Pferde zu seiner Wohnung gebracht. Nicht nach München.
Ich stand wieder auf, stellte das Bild in die hinterste Ecke und ging zum Fenster. Mittlerweile stand ich wieder sicher auf meinen Beinen, wenn auch immer nur für kurze Zeit.
Schwester Anne klopfte an die Tür und ich drehte mich zu ihr herum. Sie war noch relativ jung, vielleicht 25 und mit ihren blonden Haaren sehr hübsch. Ich glaubte, dass einige der jüngeren Pfleger auf sie standen. Was man nicht alles an Informationen aufnahm, wenn einem langweilig war.
"Möchten Sie vielleicht einen Spaziergang machen?", fragte sie mich und ich nickte. Sie holte einen Rollstuhl und ich ließ mich langsam hineingleiten. Ich wollte endlich raus aus diesem Zimmer und wenn es nur den Gang hinunter war. Es tat mir gut, auch andere Patienten zu sehen. Ich fühlte mich nicht mehr ganz so allein mit meinen Problemen. Diese Menschen hatten alle ihre Geschichten, ihre Krankheiten und waren genauso verzweifelt wie ich. Einige hatten vielleicht schon resigniert, andere kämpften. Egal welche Einstellung sie hatten, dieser Ort verband uns. Machte uns zu Gefangenen, eingesperrt mit unseren Ängsten und Geheimnissen. Bis sich eine Tür öffnete. Der Weg in die Freiheit, wenn man nur gewillt war, ihn zu gehen. Das Licht am Ende des Tunnels. Ich wollte es erreichen. Nicht sterben, sondern weiter leben, der Hoffnung entgegen gehen. Oder am Versuch scheitern.

"Wie geht es Ihnen heute, Alexis?"
"Ganz gut. Ich durfte heute mein Zimmer verlassen." Sie lächelte.
"Das ist schön. Wo waren Sie?"
"Nur die Gänge entlang." Ich nickte, wie um meine Worte zu bekräftigen.
"Wie war das für Sie?"
"Ein bisschen wie aus einem goldenen Käfig zu entfliehen." Ich lachte leise auf. "Um dann festzustellen, dass man nicht allein ist. Dass es noch andere Menschen gibt, die in ihren Käfigen ausharren."
"Empfinden Sie das Krankenhaus als Gefängnis? Oder Ihr Leben?"
"Eigentlich das Krankenhaus, aber wenn ich genauer darüber nachdenke, fühle ich mich manchmal als Gefangener meines eigenen Lebens."
"Warum?"
"Weil andere Entscheidungen für mich treffen, ich gewisse Dinge nicht verhindern kann und einfach damit leben muss."
"Was hätte Sie denn gerne verhindert?"
"Vieles. Dass ich mich allein fühle, dass ich alleinerziehende Mutter werde, dass ich hier bin." Ich blickte zu ihr auf und wieder versuchte ich Antworten von ihr zu bekommen. Aber dafür war sie nicht da. Sie war Zuhörerin, Augenöffnerin und Beraterin, aber keine Person, die allumfassende Antworten geben konnte. Sie war der Kobold, der dir im finsteren Moor den Weg leuchtete. Gehen musstest du ihn aber alleine.
"Wie hätten Sie es denn verhindern wollen?"
"Ich weiß es nicht. Vielleicht gab es Anzeichen, dass er mich hatte verlassen wollen. Mit meinem Geld und mit meinem Herzen."
"Denken Sie, dass Sie ihn hätten aufhalten können?"
"Vielleicht nicht, aber dann hätte ich mich besser darauf vorbereiten können. Ich wäre vielleicht nicht ganz so am Boden zerstört gewesen."
"Vielleicht."
"Ja, vielleicht." Ich war den Tränen nahe und musste heftig schlucken.
"Erzählen Sie mir davon."
"Von Lucas?"
"Wenn Sie möchten?" Ich nickte nur und suchte nach den richtigen Worten. Wo fing man an? Ich erzählte ihr, wie ich Lucas durch Freunde in Palo Alto kennen gelernt hatte. Er hatte als Rettungsschwimmer am Strand gearbeitet, als ich mit ein paar meiner Freunde dort war. Ich war sofort von ihm fasziniert gewesen. Seine blauen Augen hatten diese Leuchten gehabt, dass mich an die Tiefe des Ozeans erinnert hatte. Es brauchte ein wenig Alkohol, um mich zu ihm zu trauen. Doch es hatte sich ja gelohnt. Einen Monat später waren wir ein Paar und alles verlief für mich von da an einfach nur wunderbar. Als ich erzählte, bemerkte ich, wie fern all das zu sein schien. Ich konnte mich nicht an das Gefühl erinnern, wirklich glücklich zu sein. Das machte mir fast noch mehr Angst, als die Tatsache, dass ich nicht ganz normal im Kopf war.
"Hatten Sie damals schon das Gefühl, dass er es vielleicht nicht ganz ernst meint oder Sie betrog?" Ich sah sie überrascht an.
"Nein, keine Spur. Wir waren unzertrennlich und er ging bei mir aus und ein." Ich nannte ihr einige Beispiele, bei denen er mich mit einer verrückten Aktion zum Lachen gebracht hatte.
Immer weiter tasteten wir uns zu dem Tag vor, an dem ich erfahren hatte, dass ich schwanger war. Es war kurz nach Silvester gewesen, der 11. Januar 2004. Ich war erst total geschockt gewesen, war in Tränen ausgebrochen und hatte mich dann doch riesig gefreut. Schließlich war Lucas der Mann meines Lebens gewesen und ich hatte mir vorstellen können, mein ganzes Leben mit ihm zu verbringen. Auch er hatte sich nach anfänglicher Überraschung auf unser gemeinsames Kind gefreut und wir hatten beschlossen in eine größere Wohnung zu ziehen. Lucas übernahm das, damit ich mich schonen konnte und er kümmerte sich wirklich wundervoll um mich.
"Wann verschwand er?"
"Ende Mai 2004. Es war dieses berüchtigte...dieses berüchtigte Ich-bin-Zigaretten-holen- ehm...Phänomen. Er wollte einkaufen gehen und... kam nie wieder." Diese Worte auszusprechen fiel mir so unendlich schwer. Es war so endgültig. Gleichzeitig war es wie ein Schlussstrich, den ich zog. Er war gegangen, aber mein Leben ging weiter. Ich hatte es geschafft, mich alleine durchzukämpfen.
"Was haben Sie gemacht?"
"Nichts. Ich war am Boden zerstört. Unser...mein Kind sollte in zwei Monaten geboren werden. Genau an meinem Geburtstag." Ich lächelte für einen Moment. Es wäre das wunderschönste Geburtstagsgeschenk für mich gewesen. "Und plötzlich stand ich vor dem Nichts. Ich war alleine. Kein Geld, keine richtige Ausbildung, schwanger. Ich verstand die Welt nicht mehr, dachte an ehm Selbstmord."
"Haben Sie versucht, ihn zu finden?"
"Was denken Sie denn?" Meine Stimme klang bitter und auch ein bisschen wütend. Sie stellte mich hin, als wäre ich dumm. "Ich habe die ganze Stadt nach ihm abgesucht, alle Freunde angerufen, seine Familie und sogar die Polizei." Bis ich dann in seinen Kleiderschrank gesehen, meine Kontoauszüge gecheckt und plötzlich alles verstanden hatte. Es war alles geplant gewesen. Wie lange weiß ich nicht, aber es wäre eine Frage an ihn wert.
Ich fühlte mich plötzlich müde und griff mir mit der Hand an den Kopf. Er schien zu glühen wie als wäre er vom vielen Erzählen und Erinnerungen auspacken, heiß gelaufen.
"Ich glaube, dass war für heute genug. Sie haben das wirklich gut gemacht." Sie lächelte mir zu und tätschelte mir noch einmal kurz den Arm, bevor sie das Zimmer verließ. Erschöpft ließ ich mich in die Kissen sinken und schloss die Augen. Sie brannten höllisch und Tränen des Schmerzes liefen mir über die Wangen, vermischt mit denen, die ich der Vergangenheit nachweinte.
Ich schlief bis spät in den Abend hinein und verbrachte die Nacht damit, am Fenster zu stehen und hinauszustarren oder mich zu meiner Bettnachbarin ans Bett zu setzen. Schwester Anne hatte mir erzählt, dass sie wegen einer Überdosis Drogen im Koma lag und das schon seit zwei Monaten. Es gab kaum Chancen auf Heilung, da ihr Hirn zu sehr geschädigt war, doch ihre Mutter wollte, dass sie am Leben blieb. Warum wusste keiner, aber da sie die Vollmacht hatte, blieben die Maschinen an.
Ich setzte mich zu ihr ans Bett und lauschte den Geräuschen der Maschinen. Ich hätte gerne gewusst, wer sie war. Zu gerne hätte ich ihre Lebensgeschichte gehört, erfahren wollen, was sie in die Drogen gedrängt hatte und warum ihr hatte keiner helfen können. Ich fragte mich, ob ich auch einer Sucht verfallen wäre, wenn ich nicht den Zusammenbruch erlitten hätte. Wären es Drogen, Alkohol oder Zigaretten gewesen, an denen ich gehangen hätte? So wie ich mich einschätzte wären es auf jeden Fall Zigaretten und wahrscheinlich auch der Alkohol geworden. Wie gut, das mein Körper die Notbremse gezogen hatte.
Leise stand ich wieder auf und ging zurück in mein Bett. Es war 2 Uhr früh und ich war hellwach. Was sollte ich die restlichen 6 Stunden noch machen? Auf Bücher hatte ich keine Lust und die Magazine, die Mom und Shalley mir mitgebracht hatten, interessierten mich nicht. Also fing ich automatisch an zu grübeln. Meine Gedanken sprangen von einem Thema zum nächsten, ohne einen wirklichen roten Faden. Ich wollte mich mit keiner Erinnerung zu lange beschäftigen, einfach nur die Zeit totschlagen. Mit dem Geschenk musste ich mir auch noch etwas einfallen lassen. Ich wollte es auf keinen Fall behalten, aber ihm auch nicht gegenübertreten. Vielleicht gab es ja noch eine andere Möglichkeit.

"Aufstehen, Ms. Edwards!", ertönte es neben mir. Ich öffnete meine Augen und sah Schwester Ruth mit dem Frühstück dastehen. Ich musste wohl doch noch eingeschlafen sein. Stöhnend richtete ich mich auf und nahm das Tablett von der stämmigen Krankenschwester entgegen. Sie erinnerte mich sehr an einen General und ich hatte höllischen Respekt vor ihr. Der wollte ich nicht in einer dunklen Seitenstraße begegnen. Eigentlich auch nicht einmal am helllichten Tage in einer Menschenmenge.
Schweigend aß ich mein Frühstück und stand dann auf, um mich waschen zu gehen. Im Kleiderschrank kramte ich nach meinen Sachen und legte alles Wichtige auf mein Bett. Dann schnappte ich mir das Telefon und tippte die Nummer ein, die auf der Visitenkarte stand.
"Purcell.", knurrte man mir eine Begrüßung entgegen. Meine Güte, es war kurz nach 10 Uhr. So früh hatte ich nun auch nicht angerufen.
"Hi Dom, hier ist Alexis!"
"Oh hi!", klang er schon ein wenig fröhlicher.
"Wie geht´s dir?"
"Ganz okay. Ich bin heute Nacht aus New York wiedergekommen."
"Oh, tut mir Leid! Ich wollte dich nicht wecken!"
"Nein, ist schon okay. Ich hätte sowieso gleich aufstehen müssen. Was gibt es bei dir Neues?" Warum wurde ich das Gefühl nicht los, dass er etwas verschwieg? Er klang nervös.
"Nichts besonderes.", log ich und versuchte irgendwie auf das richtige Thema zu kommen.
"Mmh, ehm...wegen letztens in der Bar. Ich war ein wenig betrunken und keine Ahnung, bin einfach gegangen.", murmelte er in den Hörer.
"Ist schon okay. Ich war auch nicht gerade gut drauf an diesem Abend." Es entstand kurzes Schweigen. "Hör mal, könntest du mir einen Gefallen tun?"
"Für dich immer.", lachte er und ich musste einen Moment schmunzeln.
"Ehm..Went..worth feiert doch heute seine Einweihungsparty und ich ehm kann leider nicht hingehen. Er hat mir aber erzählt, dass du auch kommen würdest und ich wollte ehm fragen, ob du ihm mein Geschenk übergeben könntest?" Wieder schweigen.
"Alex, ich würde das wirklich gerne tun, aber es geht nicht."
"Warum nicht?", fragte ich überrascht.
"Ich geh nicht hin.", meinte er nur und meine Verwunderung wurde immer größer.
"Ist irgendwas passiert?" Schweigen, die Stärke jedes Mannes. Wenn sie eines konnten, dann das. "Es ist etwas passiert.", stellte ich trocken fest.
"Ja.", gab er zerknirscht zu. "Wir haben uns gestritten."
"Oh. Sehr schlimm?"
"Es ist alles meine Schuld." Er atmete einmal tief ein. "Ich war an dem Abend doch bei dir in der Bar."
"Ja, und?"
"Du hattest mir das mit Went erzählt, dass er dich mit nach Deutschland genommen hat." Meine Magengrube bekam einen ordentlichen Tiefschlag versetzt. Gab es denn kein Thema, das nicht in Deutschland endete? "Wir hatten vorher darüber gesprochen und als ich dann gesehen habe, wie getroffen du ausgesehen hast, als ich dich danach fragte, bin ich wütend geworden."
"Dom!", brachte ich tonlos hervor. Was hatte er nur wieder getan?
"Ich war sauer, weil er dir weh getan hatte. Du bist eine gute Freundin von mir, Alex, und ich weiß nicht, aber du warst so oft für mich da. Ich wollte auch mal für dich da sein.", presste er hervor. Ich seufzte. Irgendwo war es ja süß von ihm, aber das war wohl ordentlich in die Hose gegangen.
"Und dann hast was genau getan?"
"Mich mit ihm gestritten. Wegen dir.", gab er kleinlaut zu.
"Was genau hast du gesagt?" Ich ahnte schreckliches. Wentworth rief seit zwei Tagen nicht mehr zu Hause an. Andererseits konnte das nicht an dem Streit liegen, denn der lag ja schon länger zurück.
"Ich hab ihn nur angekeift, was er dir angetan hätte. Er hat aber abgeblockt und mich aus seiner Wohnung geworfen."
"Und wie ich euch Zwei kenne, habt ihr euch nicht wieder vertragen.", fasste ich das Ergebnis zusammen und seufzte.
"Schlimmer. Wir haben uns noch einmal gestritten. In New York." Scheiße. Okay, jetzt war klar, warum Wentworth nicht mehr angerufen hatte.
"Oh Gott, was macht ihr beiden eigentlich in New York?"
"Prison Break.", antwortete er knapp.
"Oh. Und da seid ihr wegen was aneinander geraten?" Eigentlich wollte ich es gar nicht wissen.
"Wegen dir." Überraschung. Erzähl mir etwas Neues. "Ich weiß nicht, wie alles angefangen hat, aber schließlich hab ich dann etwas gesagt, was nicht stimmte." Ich antwortete nicht. Was hätte ich auch sagen sollen? Böser Dom, so etwas macht man nicht? Sei ein lieber Junge und entschuldige dich? So etwas würde nicht einmal bei Evangeline klappen! "Ich hab ihm gesagt, dass wir nach Deutschland etwas miteinander gehabt hätten!", rutschte es ihm heraus und mir fiel vor Schreck der Hörer aus der Hand. Ich griff nach dem Hörer und hielt mir wieder die Muschel ans Ohr.
"Du hast was?", schrie ich und blickte erschrocken zur Tür. Hoffentlich hatte das keine der Schwestern gehört.
"Es tut mir Leid."
"Oh schön."
"Ich wollte das wirklich nicht sagen. Es ist mir einfach so herausgerutscht."
"Ich hab es gemerkt." Ich ließ mich in mein Bett sinken und starrte an die Decke. "Und nun?"
"Keine Ahnung."
"Wie wäre es mit einer Entschuldigung."
"Es tut mir Leid, Alex!" Ich zog die Augenbrauen hoch.
"Nicht bei mir!" Er stöhnte und knurrte kurz, dann hörte ich es knallen und fluchen.
"Okay. Wo soll ich das Geschenk abholen?" Ich holte einmal tief Luft.
"Bei mir. Ich bin im Krankenhaus."
"Was?", schrie er mir nur entgegen.
"Es ist nicht so schlimm wie du denkst, okay?"
"Was ist passiert?"
"Kleiner Schwächenafall."
"Okay, ich komme heute Nachmittag vorbei." Wir verabschiedeten uns und ich hielt den Hörer noch einen Moment in der Hand.
Für mich hieß es jetzt wieder warten und mit meinen Gedanken auszuharren. Komischerweise schockte es mich schon gar nicht mehr. Bei so viel Glück wie ich gerade hatte, hätte ich so etwas eigentlich erwarten müssen. Wer anderes, als ich, bekam schon die volle Dröhnung an Pech?
Unruhig stand ich am Fenster, lief auf und ab, setzte mich aufs Bett und trommelte mit den Fingern irgendeine Melodie auf den Tisch.
Die ganze Sitzung über mit Ms. Hunting war ich nicht bei der Sache. Ich musste oft fragen, was sie gesagt hatte und konnte mich nicht auf meine Gefühle und Erinnerungen aus der Vergangenheit konzentrieren, weil sie mit der Gegenwart beschäftigt waren. Sie dachte anscheinend, dass es am Wochenende lag und beendete die Unterhaltung eher. Mir war das egal. Ich hatte Angst vor dem Abend und gleichzeitig wollte ich, dass er schnell kam.
Am Nachmittag erschien dann Dom. Er lugte unsicher durch die Tür und als er mich sah, wurden seine Augen ein Stück größer. Vorsichtig trat er ein und kam zu mir an mein Bett.
"Hi, wie geht´s dir?", fragte er und holte einen Blumenstrauß hinter seinem Rücken hervor. "Für dich.", murmelte er und ich nahm sie entgegen. Sie waren wunderschön und duftete wunderbar nach Sommer. Der Wunsch, hier rauszukommen wurde immer größer.
"Schon wieder besser.", meinte ich und lächelte wie zur Bestätigung. "Und dir?"
"Ganz okay. Die Zeitverschiebung steckt mir noch ein bisschen in den Gliedern, aber sonst ist alles okay." Ich nickte und holte das Geschenk für Wentworth hervor.
"Wow.", meinte er nur, traute sich aber anscheinend nicht zu fragen, was es war. "Soll ich ihm irgendwas ausrichten?"
"Nein, nur dass es von mir ist."
"Okay, dann gute Besserung und sag Bescheid, wenn du wieder surfen kannst, ja?" Er zwinkerte mir zu und ging in Richtung Tür.
"Dom? Bitte sag ihm nicht, dass ich im Krankenhaus bin."
"Okay." Er nickte kurz.
"Danke.", meinte ich zum Abschied und er grinste breit, als er wieder verschwand. Doch anstatt ruhiger zu werden, wurde ich immer nervöser. Würde ihm das Geschenk gefallen? Würde er es überhaupt annehmen? Vielleicht warf er Dom gleich wieder hinaus? Wer ließ schon die Konkurrenz ins Haus?

Ich wollte Dom anrufen und ihn ausfragen, gleichzeitig aber hatte ich Angst vor der Antwort, vor Wentworths Reaktion. Er musste sehr verletzt gewesen sein, denn ansonsten hätte er weiter angerufen. Eigentlich auch nicht, denn irgendwann hätte er es garantiert aufgegeben. Meine Gedanken machten Überschläge, so dass ich nicht mehr klar denken konnte. Es waren erst 3 Stunden seit Doms Erscheinen vergangen. Wahrscheinlich würde er jetzt erst zu ihm fahren. Unruhig lief ich wieder in meinem Zimmer auf und ab.
Um 21 Uhr gab ich es schließlich auf. Was hatte ich denn auch erwartet? Dass alles wieder Friede, Freude, Eierkuchen werden würde? Dass mein Geschenk mich vor meinem Geständnis beschützte? Erschöpft legte ich mich ins Bett und schloss die Augen. Wenn ich das tat, schlief ich meistens auch ein. Ich zählte noch eine Weile Schäfchen, bis mich die ersten Träume sanft in den Schlaf begleiteten. Bis jetzt hatte ich keine Albträume gehabt und war mehr als froh darüber, auch wenn ich natürlich das Erlebte im Schlaf noch einmal durchlief.
Plötzlich weckte mich ein Klopfen an der Tür. Es war nur ganz leise, aber ich vernahm es wie einen Donnerschlag.
"Herein!", krächzte ich und zog mir die Decke bis zum Kinn hoch.
Teppich

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Teppich »

Hey *wink*
Na, wie waren so die ersten Tage in US of A?

Ja, Gespräche mit ner neutralen Person wie einer Psychologin
kann echt wahre Wunder bewirken. Probleme mit Freunden
besprechen ist ja schon hilfreich, aber bei schlimmeren, besonders
psychischen Problemen, da kann wirklich nur ne Psychologin
helfen. Gut, dass sie so ne Nette erwischt hat :D

Oh, Dom! Was macht er denn fürn Schmarrn?!?!
Ja wenigstens geht er zur Einweihungsfeier und hoffentlich
entschuldigt er sich bei Went!

Freue mich schon sehr auf das nächste Kapitel! Bin sowas von
gespannt, wer da an der Tür geklopft hat!!!
Goska

Re: FF "Cupid´s chokehold" Wentworth Miller-FF

Beitrag von Goska »

Amerika is echt toll, obwohl vieles sehr ungewöhnlich ist, wenn man aus Europa kommt :)
Heute war ich mit dem jetzigen Au-pair shoppen und es war einfach nur Hammer, was man für wenig Geld so bekommt :D
Bin auch gerade dabei mein Zimmer einzurichten und die Zwillinge, auf die ich aufpasse sind total knuffig, auch wenn sie viel reden ;)

So, genug geredet...Du willst ja bestimmt lesen :D


Kapitel 34: All that I´m living for


Die Tür öffnete sich und eine Gestalt trat herein. Zuerst konnte ich sie nicht erkennen, weil sie ein Käppi trug, aber dann wusste ich, wer es war. Mein Herz blieb fast stehen vor Schreck.
"Hi.", meinte Wentworth. Ich konnte ihm nicht antworten. Mein Mund war staubtrocken und das Atmen fiel mir alles andere als leicht. Ich starrte ihn einfach nur an.
Plötzlich stürmte die Krankenschwester herein. Es war Anne und sie schien wirklich sauer zu sein.
"Wissen Sie eigentlich wie spät es ist? Es ist mitten in der Nacht und die Besucherzeit ist...", fing sie an auf ihn einzureden und endete abrupt, als er sein Käppi abnahm. Wie ich, starrte sie ihn nun an.
"Es tut mir wirklich Leid, Schwester, aber das hier ist dringend." Er blickte sie flehend an und klopfte dabei leicht mit dem Käppi auf seine rechte Hand. Sekunden verstrichen, bis sie antwortete.
"5 Minuten...und ein Autogramm.", zwinkerte sie ihm zu und er grinste nickend.
"Ich komme nachher zu Ihnen, weil..." Er deutete hinter sich auf mich. Das erinnerte mein Herz daran wieder schneller zu schlagen. Schwester Anne würde mich doch nicht etwa allein mit ihm lassen? Hatte sie mich überhaupt gefragt, ob ich das wollte? Doch bevor ich etwas sagen konnte, verließ die Krankenschwester das Zimmer und Wentworth drehte sich wieder zu mir um. Nun waren wir allein, abgesehen von meiner Zimmernachbarin.
"Wie geht´s dir?", fragte er in die Stille. Die simpelste Frage überhaupt und die Antwort kam nicht über meine Lippen.
"Gut. Und dir?", presste ich schließlich hervor und blickte auf meine Bettdecke. Woher wusste er überhaupt, dass ich hier war?
"Gut.", gab er zurück und Stille umfing uns. Ich hasste diese Ruhe, weil ich sie in den letzten Tagen so oft erlebt hatte. Im Halbdunklen sah und hörte ich wie er einen Schritt näher kam. "Danke für dein Geschenk. Es ist wirklich toll."
"Dann hat Dom dir also das Geschenk gegeben?"
"Ja. Das und eine Entschuldigung." Unsere Blicke trafen sich, doch ich wandte mich schnell wieder ab. Ich hatte vieles gedacht und gehofft, aber nicht, dass er mitten in der Nacht in meinem Krankenzimmer stand.
"Das freut mich, wenn ihr euch wieder vertragen habt." Wieder kam er einen Schritt näher, ohne den Blick von mir zu nehmen.
"Er hat mir auch erzählt, dass du im Krankenhaus bist.", hielt er das Gespräch am Leben. Doch was sollte ich ihm denn schon sagen? Seit unseren letzten Worten war über eine Woche vergangen, fast schon zwei.
"So viel zur Geheimhaltung.", sagte ich mehr zu mir, als zu ihm.
"Scheint ja eher so, dass alle es wussten, außer ich." Er war am Ende meines Bettes angekommen und ich sah, wie sich seine Hände um den Griff krallten.
"Ich wollte es nicht an die große Glocke hängen." Seine Anwesenheit war mir äußerst unangenehm, doch Sam hatte mich vor die Wahl gestellt und ich hatte zu lange gezögert. Nun war eine direkte Konfrontation unausweichlich.
"Hat wohl nicht geklappt.", gab er sarkastisch zurück, worauf wieder Stille folgte. Warum war er gekommen? Ich war noch nicht bereit, ihm gegenüber zu treten, wenn ich das überhaupt jemals konnte. Ich hatte so viel falsch gemacht, so vieles verdrängt. Ich musste in der Vergangenheit anfangen, um in der Gegenwart zurechtzukommen. Vordrängeln half da nicht, auch wenn man Wentworth Miller hieß. "Wie lange bleibst du denn noch hier?"
"Das weiß ich nicht. Bis morgen? Bis nächste Woche? Die Ärzte haben noch nichts gesagt." Er nickte. Sollte ich ihm sagen, was mit mir los war? Warum ich hier war und nicht zu Hause oder gar bei ihm? "Ich hatte einen Nervenzusammenbruch, letzte Woche.", ergänzte ich leise. Ich konnte sein Gesicht im Halbdunklen nur schlecht erkennen. Er sagte eine Weile nichts und ich sah nur, wie seine Finger erst unruhig auf dem Metall trommelten und sich dann wieder darum krallten. Ich konnte seine Fingerknöchel hervortreten sehen, so stark umfasste er den Griff.
"Das..ehm..tut mir Leid." Ich wusste, dass er jedes Wort meinte und es nicht einfach nur sagte, weil es zum guten Anstand gehörte. Er war ein so guter Mensch. Er hatte so viel Besseres verdient, als mich kleines Wrack.
"Das muss es nicht. Es ist nicht deine Schuld.", antwortete ich mit brüchiger Stimme. Ich wollte, dass er ging und meine Tränen nicht sah. Vielleicht würde ihm der endgültige Abschied leichter fallen, wenn er sah, dass mir alles egal war.
"Ich will..dann mal nicht länger stören.", kam es von ihm und wir schauten uns wieder an. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Geh einfach! Bitte, Wentworth!
"Ja. Danke für deinen Besuch."
"Okay, ... gute Besserung." Er drehte sich langsam um und ging zur Tür. Plötzlich blieb er stehen und wandte sich wieder zu mir um. Ich sah, wie er einen Moment zögerte, bevor er wieder sprach.
"Auch auf die Gefahr hin mich hier noch einmal zum Vollidioten zu machen, ich kann einfach nicht anders. Was in Nürnberg passiert ist, hat mich ehrlich gesagt ziemlich verletzt. Ich war wütend auf dich und vor allem auf mich.
Doch mit jeder Stunde, die verging, bekam ich Zweifel, ob ich dich vielleicht nicht einfach überrumpelt oder bedrängt habe. Die letzten Tage, nein, die ganzen zwei Wochen waren schrecklich für mich, weil...weil mir etwas gefehlt hat. Als ich nun heute dein Geschenk gesehen habe, wusste ich auch, was es war. Es war einfach nur der Gedanke, dass es etwas Schlimmeres gibt, als nicht mit dir zusammen sein zu dürfen: Dich ganz zu verlieren!" Die ganze Zeit hatte er zu Boden geblickt, doch nun schaute er mich an und ich konnte nichts sagen. Wie schwer wollte er es mir denn noch machen? Ich war noch nicht bereit dafür, auch wenn ich fast nichts mehr wollte, als mit ihm glücklich zu werden.
Meine Augen füllten sich mit Tränen, während ich nach den richtigen Worten suchte, die ihn nicht wieder verletzten würden. Ich wollte, dass er verstand, was mit mir los war, aber es schien einfach alles so unglaublich, dass nicht einmal ich es wirklich glaubte. Wie sollte er es dann tun?
"Es tut mir wirklich Leid, Went!", fing ich an, doch wusste nicht mehr weiter. Mein Hals schien innerlich angeschwollen zu sein, so dass es für mich unmöglich war, zu atmen. Ich hatte wirklich Angst. Angst davor, meine letzte Chance verstreichen zu lassen. "Ich wollte dir nicht weh tun in München, aber es ging...", begann ich zu erklären. Ich wollte ihm so viel wie möglich erzählen, so weit ich das konnte. Auch wenn meine Kraft vielleicht nicht ausreichen würde. Doch ich wurde unsanft unterbrochen.
Die Tür ging plötzlich auf und Schwester Ruth stürmte herein. Sie war wirklich wütend aus und ich bekam noch mehr Angst, als sie eintrat.
"Junger Mann, es ist mir verdammt noch mal egal, wie viele Male sie aus dem Gefängnis ausgebrochen sind. Wenn sie nicht in den nächsten 2 Minuten aus meinem Blickfeld verschwinden, zeige ich Ihnen eine sehr schmerzhafte Art dieses Gebäude zu verlassen!", legte sie los und wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich bei Wentworths Gesichtsausdruck einen Lachanfall bekommen. Er sah aus wie ein scheues Reh, das vom Scheinwerferlicht geblendet wurde, unfähig sich zu rühren.
"Ich...ehm...", fing er an und sah dann hilflos zu mir.
"Raus!", kommandierte Schwester Ruth ihn herum. "Die Patientin braucht dringend Ruhe, Fanbesuche können Sie morgen wieder machen.", gab sie sarkastisch von sich und trat in der Tür zur Seite, damit er vorbei konnte. Wentworth drehte sich noch einmal zu mir um und lächelte ein wenig gequält.
"Dann bis bald!" Er nickte mir zu und ging an Schwester Ruth vorbei.
"Ach, und Mr. Miller?" Went blieb im Gang stehen und drehte sich herum. "Schwester Anne wartet auf ihr Autogramm!" Die Krankenschwester lachte sich eins und zwinkerte mir noch einmal zu, bevor sie die Tür wieder schloss.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, dachte ich wirklich, dass ich alles nur geträumt hatte. Es war alles so schnell gegangen. Doch Schwester Annes Strahlen sagte mir, dass sie entweder denselben Traum gehabt hatte wie ich oder das alles gestern Abend wirklich passiert war. Sie schien weniger zu laufen, als zu schweben und befasste sich extra lang mit mir. Immer wieder blickte sie mich an und setzte zum Sprechen an, brach aber jedes Mal wieder ab. Ich wusste natürlich, was sie fragen wollte, doch mir wäre es lieber gewesen, wenn wir das Thema nicht angeschnitten hätten. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt seine Worte nicht meine Gedanken bestimmen zu lassen. Es wäre einfacher gewesen, einfach nachzugeben und ihn wieder regelmäßig zu sehen, aber ich wollte der Reihe nach vorgehen. Ansonsten würde ich immer wieder meiner Angst unterliegen und wer verliert schon gerne gegen etwas, dass man nicht sehen, sondern nur spüren kann?
"Entschuldigen Sie die Frage, aber gestern Abend...", unterbrach Schwester Anne meine Gedanken und ich wandte mich ihr wieder zu.
"Das war wirklich Wentworth Miller. Keine Angst, ihr Autogramm ist echt. Echter geht es fast nicht." Sie nickte, doch so richtig zufrieden schien sie nicht zu sein.
"Ich weiß es geht mich nichts an, aber was...?"
"Was er hier gemacht hat? Er hat mich besucht, nur eben außerhalb der Besuchszeiten." Ein Grinsen erschien auf ihrem Gesicht, das ich nicht erwidern konnte.
"Und wie ist er so im wirklichen Leben? So wie in den Interviews?"
"Ich weiß nicht, wie er in den Interviews ist, aber er ist einer der nettesten Menschen, die ich kenne." Ich schluckte, weil es mit einem Adjektiv nicht getan war. Es hätten eigentlich noch Hundert andere folgen müssen. Freundlich, höflich, intelligent, witzig, verständnisvoll, gutaussehend,...
"Sind Sie...ein Paar?" Schwester Anne wurde puderrot bei dieser Frage. Anscheinend hatte sie dafür ihren ganzen Mut zusammen genommen. Ich schaute ihr in die Augen, damit sie mir auch wirklich glaubte.
"Nein, sind wir nicht. Wirklich. Wir sind Freunde." Sie seufzte.
"Wie schafft man sich so einen tollen Mann als Freund an?" In ihrem Blick lag wirkliche Bewunderung, die mich erstaunte.
"Schaffen Sie sich ein Kind an.", erwiderte ich sarkastisch. Sie verstand den Witz natürlich nicht, aber anders konnte man unser Zusammentreffen nicht erklären. Schwester Anne verabschiedete sich und ich bat sie, unser Gespräch vertraulich zu behandeln. Sie nickte und ging wieder hinaus, ließ mich mit meinen Gedanken allein. Ich dachte viel über seine Worte von gestern Abend nach und dass ich immer noch nicht die Chance hatte, ihm alles zu erklären. Er sollte wissen, dass ich ihn liebte, aber Zeit brauchte, um mein Leben dafür in den Griff zu bekommen. Ich wollte nicht, dass er sich weiter quälte. Wenn ich es ihm also nicht sagen konnte, so konnte ich es ihm wenigstens schreiben. Das war zwar nicht annähernd so zufriedenstellend wie ein Vier-Augen-Gespräch, aber es wäre ein Anfang und reden konnten wir auch noch später.
Also besorgte ich mir Papier und Stift und fing an, einen Brief niederzuschreiben. Ich hielt einfach meine Gedanken fest, ohne groß über die perfekte Formulierung nachzudenken. Je öfter ich wieder von vorne angefangen hätte, umso weniger wäre wahrscheinlich ein wirklicher Brief daraus geworden. Als meine Familie dann kam, packte ich den Brief schnell weg und versuchte mich über den Besuch zu freuen. Doch noch immer fühlte sich alles ein wenig fremd an und die viele Aufmerksamkeit und Besorgnis hegte den Wunsch in mir, wieder allein sein zu wollen.
Kurz vor dem Mittag kam Dr. Sole mit guten Nachrichten für mich. Ich durfte am Montag nach Hause gehen. Alle freuten sich riesig, besonders Lynn, aber ich hatte viel zu viele Fragen, als dass ich das so einfach hätte hinnehmen können.
"Was wird mit meiner Therapie?", fragte ich den Arzt.
"Sie werden weiterhin zu Dr. Hunting gehen können, wenn Sie das möchten. Sie können aber natürlich auch einen anderen Psychologen aufsuchen."
"Nein, ich möchte bei Dr. Hunting bleiben.", erwiderte ich und war ein wenig beruhigter. Einem neuen Psychologen hätte ich nicht vertrauen können. Ihm oder Ihr hätte ich auch noch einmal alles erzählen müssen und ich wollte endlich mit allem abschließen können.
"Gut, Sie wird darüber informiert werden und am Montag Vormittag, vor ihrer Entlassung, noch einmal zu Ihnen kommen." Ich nickte und er erklärte mir, dass ich absolutes Arbeitsverbot hatte und mich ausruhen sollte, bevor er uns wieder verließ. Diese Auflage gefiel mir gar nicht, da ich Sam nicht auch noch eine Last sein wollte.
Nach diesen guten Neuigkeiten gingen wir ein Stück spazieren, durch den Garten des Krankenhauses. Es tat gut nach draußen zu kommen, die Sonne auf der Haut zu spüren und sich nicht mehr eingesperrt zu fühlen. Wir liefen nur ein kurzes Stück und meistens erzählte meine Mutter, aber ich freute mich über die Blumen, die hier so wunderschön blühten. Meine Laune besserte sich deutlich und ich konnte sogar über einen von Sams Witzen lächeln. Ich freute mich zwar im Stillen und beobachtete die anderen lieber, als dass ich mich zu einem Thema äußerte, aber ich glaubte schon, dass die anderen meine Besserung bemerkten. Es war der Neuanfang, nach dem ich so lange gesucht hatte.

Nach dem Mittag beendete ich meinen Brief an Went. Ich fühlte mich ziemlich ausgelaugt danach, aber auch froh. Jetzt musste ich mir nur noch überlegen, wie er ihn bekommen sollte. Ich wollte es ihm nicht persönlich geben, auch wenn das feige war. Doch ich brauchte diesen Abstand, auch wenn es mir sehr schwer fiel. Es musste einfach sein.
Es klopfte an der Tür und Schwester Anne trat ein. Ich bedeutete ihr, dass sie ruhig hinein kommen konnte und sie lächelte mir zu.
"Ich wollte mich verabschieden, da ich jetzt bis Montag frei habe und wir uns wahrscheinlich nicht mehr wiedersehen.", erklärte sie ihr Kommen. Ich nickte.
"Danke für alles.", meinte ich und reichte ihr meine Hand. Ich mochte Schwester Anne und verdankte ihr vieles, was ich in dieser Woche erreicht hatte.
"Keine Ursache. Passen Sie auf sich auf. Ich will Sie auf dieser Station nicht mehr sehen, außer als Besucher.", lachte sie und ich zögerte einen Moment, bevor ich mich für eine Bitte entschied.
"Schwester Anne, könnten Sie mir einen Gefallen tun?" Sie sah mich verwundert an. "Wie lange sind Sie noch da?"
"Ich hab noch ein bisschen hier auf der Station zu tun. Warum?"
"Ich bin mir nicht sicher, aber wenn Mr. Miller kommt, könnten Sie ihm das hier geben?" Ich reichte ihr zwei Briefe und erklärte ihr, was sie machen sollte.
"Das kann ich machen, kein Problem.", stimmte sie schließlich zu und mir fiel ein Stein vom Herzen. "Was ist, wenn er aber nicht kommt?"
"Dann geben sie mir die Briefe einfach zurück und ich gebe sie ihm selber.", meinte ich leise und verdrängte den Gedanken an diese Möglichkeit schnell wieder. Schwester Anne nahm die Briefe an sich und ging dann wieder hinaus, während ich mir die Zeit vertrieb, indem ich ein Paar Rätsel löste. Nach 10 Minuten legte ich das Heft wieder weg und begann unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. Es musste einfach klappen. Eine andere Chance hatte ich nicht, denn persönlich konnte ich den Brief nicht übergeben.
Ich öffnete die Tür einen Spalt, um auf die Rezeption schauen zu können. Mehrere Schwestern standen hinter und vor der Theke und unterhielten sich. Meine Finger spielten unruhig am Türrahmen und trommelten irgendeinen Rhythmus. Er musste kommen, denn einer anderen Schwester konnte ich die Briefe nicht anvertrauen. Wieder lief ich auf und ab, blickte bei jedem Geräusch, das vom Flur her drang, durch den Spalt. Schwester Anne würde bald gehen und meine Nervosität stieg mit jeder Minute.
Plötzlich öffnete sich der Fahrstuhl und Went stieg aus. Er trug kurze Hosen, Flipflops und ein blau-weiß-kariertes Hemd. Ich war so überrascht von seinem Kommen, dass ich die Luft anhielt und es nicht glauben konnte. Es schien auf ein Mal so irreal, dass er wegen mir hier her kam. Automatisch machte ich einen Schritt zurück, so dass er aus meinem Blickfeld verschwand. Ich hörte die Krankenschwester nach ihm rufen und ihn darauf antworten, auch wenn ich kein Wort verstand. Meine Hände waren schweißnass und zitterten, aber jetzt war es zu spät, um einen Rückzieher zu machen.
Ich trat wieder einen Schritt nach vorne und sah, wie er sich hinsetzte, die Blumen neben sich legte und den Brief öffnete. Ich sah wie seine Augen über die Zeilen huschten.
"Lieber Went,
Ich weiß, dass ich dir mehr als nur eine Antwort schuldig bin und ich verspreche dir, dass ich sie dir geben werde, aber nicht heute. Ich bin seit meiner Einlieferung ins Krankenhaus in psychologischer Betreuung, weil es Dinge gibt, die ich zuerst mit mir selbst klären muss, bevor ich wieder einen Schritt nach vorne machen kann.
Ich verlange kein Verständnis von dir, eigentlich verlange ich gar nichts. Ich möchte einfach nur wenigstens die Chance nutzen, um dir einiges zu erklären und auch wenn es vielleicht nicht die beste Art ist, so bietet mir dieser Brief doch die einzige Möglichkeit dazu. Ich würde mir nichts mehr wünschen, als mir dir selbst zu reden, aber ich kann einfach noch nicht.
Schwester Anne wird dir noch einen zweiten Brief geben, denn du aber besser Zuhause lesen solltest. Es tut mir Leid, weil ich dich ein weiteres Mal abweisen muss, aber vielleicht ist dieser zweite Brief eine kleine Entschuldigung.

Alexis."

Er blickte auf und sah in Richtung meines Zimmers, so als wüsste er, dass ich ihn hinter der Tür beobachtete. Seine Augen zeigten, wie verletzt er war und ich musste mich von seinem Anblick abwenden, weil es mir selbst so weh tat. Ich fluchte ordentlich auf meine Situation, auf mein Leben und diese verdammte Angst, die mir alles nahm, was ich wollte.
Ich legte mich in mein Bett und zog mir die Decke über den Kopf, um meinen Gefühlen zu entfliehen. Am liebsten hätte ich mich unsichtbar gezaubert. Doch die Realität klopfte an die Tür und ich murmelte ein "Herein!", blieb aber unter der Bettdecke.
"Ms. Sanchez?" Es war Schwester Anne. Mein Herz schlug ein klein wenig langsamer. Für einen Moment hatte ich schon gedacht, dass es Wentworth wäre.
"Ja?", antwortete ich ihr und schlug die Decke zurück. Schwester Anne stand in der Türe, in der einen Hand einen Strauß Blumen, in der anderen Hand eine Art Karte.
"Ich soll Ihnen das geben.", meinte sie und hielt ihre Arme kurz hoch. Ich nickte und stand auf. Sie gab mir die Blumen und die Karte und ging eine Vase holen. Währenddessen schnupperte ich an dem Strauß, der so wunderbar duftete. Ich stellte die Blumen in die Vase und dann zwischen die Sträuße meiner Eltern und dem von Dom. Langsam wurde es auf dem Tisch eng, wenn man noch an die ganzen Genesungskarten dachte.
"Hat er..ehm irgendwas gesagt?", fragte ich vorsichtig nach, doch sie schüttelte den Kopf.
"Nur das ich Ihnen alles geben sollte und dann ist er auch schon wieder gegangen." Ich wandte mich der Karte von Wentworth zu und öffnete sie langsam.
"Ich geh dann wieder. Ein schönes Wochenende noch und gute Besserung." Ich bedankte mich und wünschte ihr dasselbe, war aber in Gedanken schon bei den Worten auf der Karte. Er hatte sie wieder selber gezeichnet. Auf der Vorderseite war eine Figur zu sehen, die mit Ganzkörpergips im Krankenbett lag. An der Seite war eine Sprechblase aufgemalt, in der "Gute Besserung!" stand. Unweigerlich musste ich lächeln und an seine erste Karte denken, die er mir geschenkt hatte.
Ich klappte den Deckel auf und las die Worte: "Liebe Alex, ich wünsche dir gute Besserung. Erhol dich gut. Alles Liebe, Went.", stand in schwarzer Schrift da. Darunter stand noch etwas, aber mit blauem Kuli geschrieben. "Geduld ist der Schlüssel zum Paradies?!"
Ich verstand sofort, was er meinte. Wentworth musste es ergänzt haben, nachdem er meinen Brief gelesen hatte. Er fing an sich zu fragen, ob das Ganze noch einen Sinn hatte oder ob ich ihn wieder nur hinhielt. Ich hätte gerne mit Sicherheit das Erste zur Antwort gegeben, aber das konnte ich noch nicht. Alles was ich hatte, war die Hoffnung, dass er noch warten würde. Auf mich.
Ich stellte die Karte wieder auf den Tisch, legte mich aufs Bett und wartete. Auf was, wusste ich nicht, aber was blieb mir anderes übrig? Heute waren keine Therapien und ich hatte meine Familie wieder nach Hause geschickt, weil ich nicht wollte, dass sie ihre Zeit in einem Krankenhaus verschwendeten. Vor allem Evangeline sollte die Zeit mit ihren Großeltern genießen. Ich hatte viel zu wenig von meinen eigenen Großeltern gehabt, da wollte ich es besser machen und Evans ermöglichen, wenigstens ein Paar zu sehen, wenn sich die anderen schon nicht für sie interessierten.

Sonntag kam und ging und mit ihm meine Eltern. Sie mussten wieder zurück nach Palo Alto, wollten aber so bald wie möglich wiederkommen. Das machte die Situation nicht unbedingt besser, denn jetzt hatte ich noch mehr das Gefühl, Sam und auch Shalley zur Last zu fallen. Doch die beiden ließen sich nicht aus der Ruhe bringen und hatten vieles schon untereinander geklärt. Ich fühlte mich deshalb ein wenig ausgeschlossen, denn ich konnte sehr wohl meine Arme und Beine benutzen, um wenigstens ein bisschen mitzuhelfen. Evans zum Kindergarten zu bringen, würde ich mir garantiert nicht nehmen lassen. Sam legte deshalb zwar Protest ein, wurde aber von Shalley unterbrochen, die Wentworths Postkarte entdeckt hatte. Am liebsten hätte ich sie ihr aus der Hand gerissen, aber dafür war ich zu weit von ihr entfernt und sie hatte sowieso schon alles gelesen.
"Geduld ist der Schlüssel zum Paradies? Was soll das denn heißen?", fragte sie verwundert. Ich verdrehte die Augen.
"Das soll heißen, dass du augenblicklich die Karte wieder hinlegen sollst und ihren Inhalt aus dem Gehirn wieder löschst.", erklärte ich ihr die Bedeutung, aber sie grinste nur.
"Du bist ja ganz rot!"
"Das nennt man Zornesröte.", wiegelte ich ab, doch sie ließ nicht locker. Anscheinend war meine Schonungszeit vorbei und ich durfte ab jetzt wieder ungestraft ausgefragt werden. Auch Sam setzte sich zu mir ans Bett und sah mich erwartungsvoll an.
"War er hier?" Ich nickte und wagte es nicht die beiden anzuschauen.
"Und?"
"Nichts und! Die Krankenschwester ist reingeplatzt und hat ihn hinausgeworfen." Bei der Erinnerung an diesen Abend wusste ich nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Einerseits war ich so hilflos ihm gegenüber gewesen, andererseits war die Szene mit Schwester Ruth das absolute Highlight gewesen.
"Wirklich? Mist, davon gibt´s natürlich wieder keine Fotos.", fluchte Shalley und Sam sah sie verletzt an. "Sorry, Schatz, aber Went ist eine Sonderkategorie. Aber Platz zwei ist dir absolut sicher.", erklärte sie meinem Bruder. Sein Gesichtsausdruck brachte mich unweigerlich zum lachen und beide sahen mich überrascht an.
"Hab ich da gerade so etwas wie ein Lachen gehört?" Sam sah skeptisch zu Shalley, die mit den Schultern zuckte.
"Ich glaube, wir haben uns verhört.", meinte sie und zwinkerte mir zu. In diesem Moment ging die Tür auf und Evans, sowie meine Eltern kamen mit zwei Tablettes zurück. Sie hatten Kaffee und Kuchen für uns besorgt und balancierten jetzt alles zu meinem kleinen Tisch. Gemeinsam verbrachten wir den Nachmittag, bis meine Eltern aufbrachen und sich von mir verabschiedeten.
"Danke, Mom. Für alles.", meinte ich zu ihr, als sie mich zum Abschied umarmte.
"Keine Ursache, Kleines! Aber werd mir wieder richtig gesund, okay?" Ich nickte und drückte dann meinem Vater einen Kuss auf die Wange. Unser Streit schien so weit entfernt und wir hatten beide kein Wort mehr darüber verloren. Er wusste ja nun, wie sehr ich selbst unter allem litt. Ich winkte den Fünfen noch hinterher und war dann wieder allein. Es fühlte sich für einen Moment komisch an, weil ich die Gespräche genossen hatte. Aber das war ein gutes Zeichen. Vorher hatte ich die Einsamkeit vorgezogen, weil ich meine Ruhe haben wollte und Dinge für mich hatte behalten wollen. Ich hoffte, dass es so positiv weiter ging.

Am nächsten Tag kam Sam, um mich abzuholen. Wir mussten noch kurz bis zur Visite warten und ich wurde einer letzten Untersuchung unterzogen. Danach durfte ich meine Tasche packen und die Entlassungspapiere unterschreiben. Fast hätte ich den Besuch von Dr. Hunting vergessen, aber sie kam zum Glück noch rechtzeitig. Wir verabredeten uns für morgen Nachmittag wieder im Krankenhaus, aber diesmal in ihrem Praxiszimmer. Ich notierte mir alles und wurde dann von Sam nach Hause gefahren.
Die Fahrt über sah ich nur aus dem Fenster und fühlte mich wie ein Tourist, der zum ersten Mal Los Angeles sah. Alles fühlte sich anders an und selbst der Stau regte mich nicht auf. Zuhause legte ich mich aufs Sofa und versuchte eine Runde zu schlafen, während Sam mir mein Mittagessen machte. Als er zur Arbeit musste, weckte er mich und wiederholte noch einmal, was der Arzt gesagt hatte.
"Am besten ist es, du bleibst liegen. Hier oder in deinem Bett.", meinte er, drückte mir einen Kuss auf die Wange und ging hinaus. Langsam stand ich auf und holte mir mein Essen aus dem Ofen. Sam hatte eine Fertiglasagne für mich warm gemacht, die wunderbar duftete. Ich schlurfte zurück in das Wohnzimmer und sah den Stapel Briefe auf der Kommode liegen. Mit der freien Hand griff ich danach und setzte mich aufs Sofa. Ich blickte durch die Briefe und fand auch den vom Familiengericht wieder. Noch einmal las ich ihn mir durch, aber diesmal bekam ich keine Panikattacke. Ich wusste ja, was darin stand und war auf die Worte gefasst. Dabei fiel mir sogar ein Fehler auf. Evangeline hatte nicht am 05. August sondern schon zwei Tage vorher Geburtstag. Entweder war Lucas ein noch schlechterer Erzeuger als ich dachte oder es war ein Druckfehler. Kopfschüttelnd aß ich die Lasagne und schaute mir alle anderen Rechnungen an. Wenn ich wüsste, wie lange Sam arbeitete, würde ich mich heimlich aus dem Haus stehlen und zur Bank gehen, aber so blieb ich lieber hier und ruhte mich aus. Da ich nicht mehr schlafen konnte, schaute ich mir eine DVD an, um so die Zeit herumzubekommen. Um 3 erschienen Shalley und Evans, um das Sportzeug für meine Tochter abzuholen. Wie gerne wäre ich mitgekommen, um Evangeline beim Ballett zuzuschauen, aber Shalley drückte mich ohne Gnade zurück aufs Sofa und verschwand wieder mit Evans. Wie sollte ich denn bitte zur Ruhe kommen, wenn ich mich über dieses Schutzverhalten nur aufregte? Ich war doch nicht aus Zucker!
Sauer stand ich auf und begann den Abwasch machen. So besorgt Sam, Shalley und meine Eltern auch waren, sie konnten mich nicht einfach für die nächsten Wochen zum Liegen und Nichtstun verdonnern. Ich wollte keine Schwerarbeit verrichten, aber ein bisschen Ablenkung brauchte ich einfach. Also spülte ich die Töpfe und Teller ab und stellte sie abgetrocknet zurück in den Schrank. Gerade als ich fertig war, kam Sam zurück. Er bemerkte natürlich sofort, dass ich mich nicht ausgeruht hatte und war sauer.
"Alex, wie willst du gesund werden, wenn du nicht hörst?"
"Bitte, Sam! Ich hab mir nichts gebrochen, also kann ich doch auch ein bisschen mithelfen. Sonst dreh ich hier wirklich noch durch. Bitte, Sam!" Ich sah ihn flehend an.
"Okay, du darfst mir helfen, aber ich mache die anstrengenden Sachen!", willigte er ein und wir machten uns gemeinsam daran, die Wäsche zu sortieren und den ersten Waschgang zu starten.
"Hat jemand angerufen?" Ich schüttelte den Kopf. Eigentlich hatte ich gehofft, dass Wentworth sich melden würde, aber er hatte nirgendwo eine Nachricht hinterlassen. Das war einerseits eine gute Nachricht, andererseits ließ er mich damit im Ungewissen. Immer wieder ging ich den Inhalt meines Briefes in Gedanken durch und mit jedem Mal hätte ich etwas ändern wollen. Hätte ich meine Worte doch bloß ein wenig sorgfältiger gewählt.
"Alex? Hallo?" Sam wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum. Ich zuckte zusammen und sah ihn fragend an.
"Was? Sorry.", entschuldigte ich mich, doch er sah mich nur verzweifelt an.
"Mach dir nicht so viele Gedanken, er wird schon anrufen oder sich melden.", meinte er und ich fühlte mich ertappt.
"Woher...?"
"Ich bin dein Bruder und nicht blind. Du hast immer diesen verklärten Blick drauf, wenn du an ihn denkst." Er grinste und verließ das Badezimmer. Toll, man sah mir also schon von weitem an, woran ich dachte.
Ich folgte meinem Bruder in die Küche und wir fingen an, Abendessen zu kochen. Als wir fertig waren, kamen Shalley und Evans vom Ballett zurück und wir konnten gemeinsam essen. Evangeline unterhielt alle mit ihren Erzählungen aus dem Kindergarten, Sam verlor jedoch kein Wort über unsere Abmachung. Ich war ihm dankbar für sein Verständnis und für seine Fürsorge, ohne ihn würde ich das Ganze nicht durchstehen.

Die nächsten Tage verbrachte ich dennoch meistens Zuhause auf dem Sofa oder in meinem Bett, um wieder vollständig zu Kräften zu kommen. Ich musste viel Schlaf nachholen und auch die Therapiesitzungen waren nicht einfach. Dr. Hunting bohrte in der Wunde namens Lucas herum und auch wenn ich dabei an meine Grenzen stieß, fühlte ich mich besser. Es war gut, alle Gefühle herauszulassen, auch wenn das bedeutete einfach nur hemmungslos zu heulen oder zu schreien. Ich begriff langsam, was in mir vorging und wie lange ich Gefühle und Erinnerungen zurückgehalten und aufgestaut hatte. Nun war es, als würde ich den Staudamm sprengen und die Flut ging auf mich nieder. Doch irgendwann, das wusste ich, würde der Strom versiegen, aber ich noch da sein.
Durch die Gespräche mit Dr. Hunting wurde ich auch wieder ruhiger. Ich regte mich nicht gleich auf, wenn Sam eine Entscheidung getroffen hatte, sondern versuchte erst seine Position zu verstehen. Auch war ich nicht mehr ganz so panisch wenn ich an die Gerichtsverhandlung im Juli dachte, aber natürlich war ich trotzdem voller Angst und Sorge um Lynn.
Nur eines belastete mich weiterhin und ich musste einsehen, dass ich die Gegenwart nicht ausblenden konnte, um die Vergangenheit zu bewältigen. Parallel zu meiner Therapie musste ich lernen mit aktuellen Dingen klar zu kommen. Es ging dabei nicht nur um die Leute aus meinem Bekannten und Arbeitskreis, die Fragen stellten, sondern vor allem um Went. Er hatte sich immer noch nicht gemeldet und langsam machte mich das wahnsinnig. Dann war mir eine schlechte Nachricht von ihm fast schon lieber als gar keine.
Jeden Morgen wenn ich Lynn zum Kindergarten brachte, lief ich bewusst an seinem Haus vorbei und brachte sogar zweimal den Mut auf zu klingeln, aber er war nicht da. Shalley hatte darauf natürlich sofort eine Antwort und ein paar Fotos aus dem Internet parat, die Went am Set zur neuen "Prison Break"- Staffel zeigten. Er sah fröhlich aus und ich war erleichtert darüber, dass es ihm anscheinend gut ging, aber es konnte natürlich auch täuschen. Also wusste ich genauso viel wie vorher. Stundenlang starrte ich auf die neuen Bilder von ihm und las mir immer wieder die Genesungskarte durch, ohne wirklich schlau daraus zu werden.
Dr. Hunting schien meine Unruhe zu bemerken und hakte am Freitag in unserem Gespräch nach.
"Gibt es etwas, das sie bedrückt?", fragte sie vorsichtig an, als ich wieder in Gedanken versunken war. Ich blickte ertappt auf und versuchte mich herauszureden.
"Nein, es ist nur so viel zu verarbeiten."
"Sie sind eine schlechte Lügnerin.", stellte sie ruhig fest und lächelte mich an. "Regel Nummer eins, die ich als Studentin von meinem Professor gelernt habe: Egal wie sehr die Menschen mit ihrer Vergangenheit beschäftigt sind, die Gegenwart lastet am meisten auf ihren Schultern!"
"Ihr Professor muss sehr schlau gewesen sein!", gab ich ihr zu verstehen und räusperte mich. "Ja, es gibt etwas, dass mich beschäftigt."
"Wollen Sie darüber reden?"
"Zu gerne, aber ich weiß, dass es mich nicht weiter bringen wird."
"Erzählen Sie es mir doch einfach, vielleicht kann ich Ihnen doch weiterhelfen." Ihr Lächeln hatte wie immer eine ermutigende Wirkung auf mich. Es war der Antrieb für das Vertrauen, was ich ihr entgegen gab.
"Es geht um..." Ich stockte, weil ich schlecht Wents Namen erwähnen konnte.
"Sie brauchen keine Namen zu erwähnen. Nennen Sie ihn einfach Mr. X, okay?" Ich nickte.
"Es geht um...Mr. X.", fing ich an und holte einmal tief Luft. "Er ist so etwas wie mein bester Freund."
"Wie haben Sie ihn kennen gelernt?"
"Evangeline hat ihm bei Starbucks einen Becher heiße Milch über die Hose gekippt und dann kam das Eine zum anderen. Irgendwann sahen wir uns täglich." Ich hielt einen Moment inne, um die Erinnerungen noch einmal aufleben zu lassen: Wie ich für ihn gekocht hatte, wir seine Sachen in unendlich viele Kisten verstaut hatten, die Nachmittage mit Lynn...alles schien plötzlich nicht mehr ganz so fern, aber auch nicht sehr nah. Irgendwo in der Schwebe mit einem großen Fragezeichen daneben.
"Wie ging es weiter?"
"Er musste wegen..ehm...seiner Arbeit nach Deutschland und hat Lynn und mich eingeladen." Die Bilderflut vor meinem inneren Auge schien mich erschlagen zu wollen. Dr. Hunting wollte mich anscheinend nicht drängen, denn sie stellte mir keine Fragen. Sie wartete darauf, dass ich entweder erzählte oder schwieg. Langsam und mit unsicherer Stimme begann ich ihr von der Stadttour zu erzählen und wie sich alles noch am selben Abend geändert hatte. Selbst meine Selbstmordgedanken ließ ich nicht aus.
"Hätte Sie es denn wirklich getan? Sich umgebracht?"
"Ich war in diesem Moment einfach zu verzweifelt und geschockt, dass ich keine andere Wahl sah."
"Und Evangeline?" Es hätte das Natürlichste für mich sein sollen, an meine Tochter zu denken. Doch in dieser Nacht hatte ich es nicht einmal getan. Schuldgefühle überkamen mich, drückten mich zu Boden und überwältigten mich. Wenn ich mich tatsächlich umgebracht hätte, wäre Lynn allein gewesen. Dann hätte sie nicht einmal mehr eine Mutter gehabt. Geschockt blickte ich auf und hasste mich noch mehr, als je zuvor. Wie hatte ich so egoistisch sein und nur an mich denken können?
Diese Frage ging mir den ganzen Tag nicht aus den Kopf. Sie folgte mir auf Schritt und Tritt und als Lynn am Abend von einer Freundin nach Hause kam, konnte ich ihr nicht in die Augen schauen. Es brachte mich aus dem Konzept und ich ging früh zu Bett, um meinen Schuldgefühlen nachzugeben und mich wieder so elend zu fühlen, wie vor meinem Zusammenbruch.
Um 22 Uhr klopfte Sam plötzlich an der Tür und brachte mir das Telefon.
"Für dich.", meinte er nur und ging wieder hinaus. War das etwa Went? Mein Herz klopfte wie wild und ich war mit einem Schlag hellwach.
"Edwards.", meldete ich mich.
"Guten Abend, Alexis. Entschuldigen Sie wenn ich störe." Es war Dr. Hunting. Ich war überrascht von ihrem Anruf, aber gleichzeitig enttäuscht, dass es nicht Went war.
"Hallo. Nein, Sie stören nicht!", gab ich zurück und fragte mich, was sie wollte.
"Ich musste Sie noch einmal anrufen, weil mir unser Gespräch nicht aus dem Kopf gegangen ist." Mir war es ähnlich ergangen, hätte ich am liebsten gesagt, schwieg aber. "Sie schienen geschockt von dem Gedanken über Ihre Tochter gewesen zu sein und das hat mir Sorgen gemacht."
"Ich bin es auch noch immer.", erklärte ich ihr und richtete mich im Bett auf, die Beine an meinen Körper gezogen.
"Erzählen Sie ruhig, ich habe Zeit."
"Danke.", murmelte ich und überlegte, wie ich meine Gedanken in Worte fassen konnte. "Es war einfach die Tatsache, dass ich nicht daran gedacht hatte. Ich hätte mich wirklich an diesem Abend umgebracht und dabei keinen Gedanken an mein Kind verschwendet. Ich fühle mich so schlecht deswegen."
"Das verstehe ich, aber Sie dürfen sich jetzt davon nicht abbringen lassen. Ja, sie hatten den Gedanken sich umzubringen, aber Sie haben es nicht getan. Das heißt, dass Sie sich nur aus dieser Situation entschieden haben. Man begeht aber nicht so einfach Selbstmord. Sie leben und sind für Ihre Tochter da."
"Ja, ich weiß, aber ich fühle mich ehrlich gesagt beschissen deswegen. Ich hab nur an mich gedacht."
"Das ist Teil des Krankheitsbildes. Stimmungsschwankungen und Ich-Bezogenheit sind keine Seltenheit. Das heißt aber nicht, dass sie ein schlechter Mensch sind oder sich damit abfinden müssen. Schon allein weil sie sich jetzt schlecht deswegen fühlen, zeigt es, dass sie sich ändern und kämpfen wollen." Sie hatte Recht und ich verstand ihren Standpunkt. Trotzdem ging dieses Schuldgefühl nicht fort. Wir unterhielten uns noch ein wenig und wünschten uns am Ende ein schönes Wochenende.
Die Nacht über schlief ich sehr schlecht, weil ich mir immer wieder einbildete, dass Lynn weinte und ich deshalb aufwachte. Immer wieder sagte ich mir die Worte vor, die Dr. Hunting zu mir gesagt hatte und versuchte mit der Situation klar zu werden. Aber alles was ich begriff war, dass ich einen langen Weg vor mir hatte und ich die Reise erst begonnen hatte.
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