Crossing Jordan Fanfic(lets)

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ZoeP

Crossing Jordan Fanfic(lets)

Beitrag von ZoeP »

Ein Ficlet ist kurze Fanfiction, die in sich abgeschlossen ist. Ich wollte nicht für jede CJ-FF einen neuen Thread eröffnen, deshalb stelle ich meine Fanfictions zu CJ hier rein ;) Hinweis: Alle meine CJ-FFs sind Pairing Jordan/Woody...


Too Serious, Too Soon

Rating: PG
Kurzzusammenfassung: Wenn man sich nach einem harten Tag nach Nähe sehnt und Alkohol die Vernunft ausschaltet... Und es dennoch zu früh war.
Spoiler: keiner, spielt irgendwo gegen Ende Staffel 2
Disclaimer: Die Charaktere von Crossing Jordan gehören Tailwind Productions und den NBC Studios, ich borge sie mir lediglich für diese Fanfic aus. Ich verfolge keinerlei kommerziellen Nutzen mit dem Verfassen dieser Story, sie wurde lediglich zum Vergnügen anderer Fans geschrieben.
Anmerkung: Eine etwas kürzere Jordy-Fanfiction, ein hinterlistiger Plotbunny. Hat sich einfach in meine Gedanken geschlichen, als ich mal wieder den Song "Too Serious, Too Soon" von Gareth Gates gehört habe. Ist jedoch keine Songfic, lediglich denselben Titel habe ich ihr gegeben. Für alle, die des Englischen nicht mächtig sind: Frei übersetzt und im Zusammenhang bedeutet es etwa "Es wurde zu ernst und ging zu schnell".
~*~*~*~
Sein Atem bildete kleine Tröpfchenwolken, die sich im Nirgendwo verflüchtigten. Obwohl es relativ kalt war, trug Woody nicht mehr als eine bequeme Hose und einen Pullover.
Er hatte, wie so oft in den letzten Wochen, nicht schlafen können. Also hatte er sich etwas übergezogen und war mitten in der Nacht hierher gekommen, in den Central Park, zu derselben Bank, die bereits in den letzten Nächten seine Einsamkeit lindern sollte. Er hatte gehofft, die frische Luft würde ihm helfen, Ordnung in seine Gedanken zu bringen.
Wie hatte es nur soweit kommen können?
Wieso hatte er das Risiko nicht gesehen und die Notbremse gezogen?
Mit einem "Hey, Fremder" hatte es an einem Freitag vor drei Wochen völlig harmlos angefangen. Und wo war er jetzt?
Ein Seufzer entwich ihm und bildete erneut eine kleine, transparente Wolke, die seine Hoffnung mit sich fort in die Dunkelheit zu tragen schien.
Aber er war doch selbst Schuld. Er hatte sich zu weit vor gewagt und bekommen, wovor alle ihn gewarnt hatten: Eine eiskalte Abfuhr.
Doch dass es ihn so verletzen würde, hatte er nicht gedacht.
Ein leichter Nieselregen setzte ein und Woody fröstelte.

***

"Hey, Fremder", meinte eine ihm nur allzu bekannte Stimme direkt hinter ihm und eine Hand legte sich auf seine Schulter.
Erschöpft ließ sich Jordan neben ihn auf einen Barthocker fallen und gab ihrem Vater zu verstehen, dass sie ein Bier brauchte. Mit einem grüßenden Nicken schob Max ihr von der anderen Seite der Theke eine Flasche zu. Das Pogue war zu voll heute Abend, um über die Menge hinweg zu schreien.
"Na, Fremde", erwiderte Woody schließlich ebenso müde und prostete ihr mit seinem eigenen Bier zu.
"Harter Tag, was?", murmelte Jordan und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tresen. Sie ließ ihren Blick über die Leute wandern und versuchte, sich vorzustellen, weshalb sie wohl alle hier waren.
"Mmh." Er stimmte ihr zu. Er hasste Tage, wie diesen. Einen doppelten Kindermord hatte es gegeben. Ein siebenjähriges Mädchen und ihr elfjähriger Bruder. Es war grausam gewesen.
Sowohl Woody wie auch Jordan hatten schon viele entstellte Leichen gesehen, aber der Anblick von unschuldigen Kinderkörpern ging ihnen noch immer nahe. Es deutete alles auf den Vater der Kinder hin, dessen Ehefrau vor ein paar Monaten Selbstmord in der Nervenheilanstalt begangen hatte. Man hatte ihn in Untersuchungshaft gebracht, wo er wenig später die Tat gestand. An sich war der Fall einfach gewesen. Und dennoch...
"Ich kann in Nächten nach solchen Fällen nie schlafen", gestand Woody leise.
Jordan sah ihn nicht an.
"Ich auch nicht." Wie so oft hatte der Fall bei ihr Erinnerungen geweckt. Parallelen zu dem Selbstmord ihrer Mutter... Um sich abzulenken, nahm sie einen großen Schluck von ihrem Bier und führte ihr Spiel fort, die Leute zu beobachten.
Sie sagten Beide nichts, und doch hatten sie nicht das Gefühl, sich anzuschweigen, sondern miteinander die Stille zu genießen.
Nach einer Weile, als Jordan ihr Bier geleert hatte, stand sie langsam auf und ging um den Tresen herum. Sie nahm sich ein Glas und schenkte sich einen doppelten ein. Woody war nicht einmal überrascht.
"Wenn ich nicht schon einen Whiskey gehabt hätte, würde ich auch einen nehmen", meinte er mit einem Anflug von Bedauern in der Stimme.
Jordan zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Besser als jedes Schlafmittel."
In einem einzigen Zug hatte sie das Glas geleert und schenkte sich gleich noch einmal ein. Mit dem eisklar schimmernden Getränk kehrte sie an ihren eigentlichen Platz zurück. Das zweite Glas war noch schneller leer, als das erste.
"An Tagen wie diesen wünscht man sich, man wäre glücklich verheiratet." Sie lachte kurz auf. Dann sah sie Woody direkt in die Augen. "Dann könnte man zu jemandem nach Hause kommen, der einen in den Arm nimmt und einen die schrecklichen Bilder des Tages für ein paar Stunden vergessen lässt."
Woody versuchte, in ihren Augen zu lesen, die plötzlich undurchdringbar dunkel waren. Ihre Finger waren wie von selbst zu seiner Hand gewandert und strichen zärtlich über seinen Handrücken. War das eine Aufforderung? Woody wusste, dass er sein Glück nicht herausfordern sollte. Doch der Alkohol ließ seine Vernunft in den Hintergrund treten und die Anspannung des Tages dominierte ein Handeln.
"Komm, ich bring dich nach Hause", meinte er ruhig und legte einen Arm um ihre Schulter. Jordan ließ sich von ihrem Barhocker herunter ziehen und gemeinsam verließen sie das Pogue.

Die Straßen waren leer. Es war Windstill und die Ruhe hatte etwas Geheimnisvolles an sich. Schweigend liefen sie den Bürgersteig entlang. Er hatte immer noch den Arm um ihre Schulter gelegt.
Vor ihrer Haustür blieben sie stehen.
Jordan suchte nach ihrem Schlüssel.
"Kommst du noch mit rauf?", meinte sie beiläufig, als wäre es etwas, das sie jeden Abend fragen würde.
Woody zögerte. Sie waren beide leicht angetrunken. In nüchternem Zustand wäre Jordan nie so... direkt. Und er hätte das Angebot nie angenommen. Doch sie hatten beide einen harten Tag gehabt, sehnten sich nach etwas Nähe. Was war denn so falsch daran?
Woody nickte.
Jordan schloss auf und sie gingen die Treppen hoch zu ihrer Wohnung. Ihre Arme berührten sich immer wieder, wie zufällig, und Woody war wie elektrisiert.
Als sie die Tür zu ihrer Wohnung geöffnet hatte, blieb er zögernd stehen. Ein letzter Versuch seines Verstandes, ihn zum Umzukehren zu bewegen, hielt ihn zurück.
"Jordan, vielleicht ist es doch keine so gute Idee..."
Doch Jordan ließ ihn nicht ausreden. Sie hatte sanft ihre Lippen auf seine gepresst. Eine Welle der Wärme, die die Anspannung aus seinen Gliedern vertrieb und mit ihr die düsteren Gedanken, durchzog seinen Körper. Sein Verstand gab auf.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen lächelte Jordan ihn an und zog ihn mit sich. In ihr Schlafzimmer - und für eine Nacht in ihr Leben.

Als Woody am nächsten Morgen aufwachte, war das Bett neben ihm leer und kalt. Die Erinnerung an die letzte Nacht überfiel ihn und zog eine Woge der Reue nach sich. Er wusste nicht warum, aber ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit.
Mit zerzaustem Haar und noch schlaftrunken setzte er sich auf. Es war erst halb acht. Wo mochte sie so zeitig hin sein?
Ein Zettel auf dem Kopfkissen ließ das Gefühl in seinem Magen wachsen.

Schließ bitte ab, wenn du gehst, und wirf den Schlüssel in den Briefkasten. Jordan

Ein kleiner, bronzener Schlüssel lag auf dem Zettel.
Woody fühlte sich verletzt. Er hätte sich am Liebsten dafür geohrfeigt, dass er seinen wirren Gefühlen und ihrem Angebot gefolgt war. Aber er war auch nur ein Mensch, und genau wie sie hatte der letzte Tag ihn schwach gemacht. Empfänglich für jede Andeutung von Zärtlichkeit und Nähe.
Seufzend sammelte er seine Kleidungsstücke vom Boden auf, zog sich an und verließ ihre Wohnung.

Er hatte sie danach für zwei Wochen nicht gesehen. Jordan war weder auf Arbeit erschienen, noch ging sie ans Telefon oder öffnete die Tür. Zuerst glaubte er, sie wäre wieder davon gelaufen. Irgendwohin, um sich ihrer Gefühle klar zu werden oder für immer zu verschwinden. Doch als er in einer schlaflosen Nacht an ihrem Block vorbei kam, sah er, dass bei ihr Licht brannte. Also versteckte sie sich vor ihm und der Welt.
Und ein paar Tage später, als er nicht damit gerechnet hatte, lief sie ihm in der Gerichtsmedizin über den Weg. Er hatte ein paar Analysen von Nigel abholen wollen.
Ihre Blicke trafen sich. Jordan sah für einen kurzen Moment erschrocken aus. Dann drehte sie sich um und ging in Richtung ihres Büros.
"Jordan, warte", rief Woody ihr hinterher. "Bitte."
Sie lief noch ein paar Schritte weiter und er folgte ihr. Dann drehte sie sich zu ihm um.
"Hör zu", meinte sie leise, aber bestimmt. "Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht, und es tut mir Leid. Bitte vergiss einfach, was passiert ist, okay?"
Und ohne seine Reaktion abzuwarten, war sie in ihr Büro verschwunden und hatte ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen.

***

Seitdem hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Zu seinen Tatorten kam meistens Nigel. Und die Gerichtsmedizin mied Woody. Er akzeptierte ihren Wunsch. Er würde so tun, als sei diese Nacht nie passiert. Doch er konnte ihr nicht in die Augen sehen. Er war zu verletzt. Sie bezeichnete ihre gemeinsame Nacht als schrecklichen Fehler. War er ihr wirklich so egal?
Sicher, sie hatten beide überstürzt gehandelt, ihren Durst nach Nähe gestillt, ohne sich über den nächsten Tag Gedanken zu machen. Doch wieso konnten sie nicht einfach darüber reden? Wieso musste sie ihn gleich so verletzen und als Fehler bezeichnen?
Woody schloss für einen Moment die Augen und genoss die Stille der Nacht. Der Wind fuhr sanft durch die Bäume.
Gerade heute hätte er sie gebraucht. Als Freundin. Um nach einem anstrengenden Tag über den Fall zu reden, oder einen Trinken zu gehen. Ohne dabei im Bett zu landen. Aber sie war nicht da gewesen, weder um den Fall mit ihm zu klären - noch, um ihm zu helfen, die Bilder in seinem Kopf zu vergessen.
Als eine warme Windböe aufkam, glaubte er für einen Moment, den typisch zarten Duft ihres Shampoos wahrnehmen zu können.
"Hey, Fremder."
Woody öffnete überrascht die Augen. Er hatte sie nicht kommen hören. Doch da stand sie tatsächlich, nur wenige Schritte von ihm entfernt. Sie sah verunsichert aus. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte.
"Na, Fremde", meinte er schließlich leise.
Jordan lächelte matt und überbrückte die paar Schritte zwischen ihnen. Zögernd ließ sie sich neben ihn auf die Bank sinken.
"Harter Tag, was?" Sie sah ihn nicht an.
"Mmh", murmelte Woody. Er betrachtete sie von der Seite. Sie sah müde und überarbeitet aus.
Eine Weile schwiegen sie beide.
Dann seufzte Jordan leise.
"Es tut mir Leid", flüsterte sie schließlich.
Woody nickte. "Mir auch."
Jordan sah ihn überrascht an. "Was?"
"Das ich so naiv war, zu glauben, ich könnte gut genug für dich sein." Er klang verletzt.
Jordan biss sich auf die Zunge. Sie wusste, dass es nichts gab, das sie tun konnte, um ihre Worte rückgängig zu machen.
"Ich wollte dir nicht weh tun", versuchte sie es trotzdem.
Woody schien über ihre Worte nachzudenken. "Denkst du immer noch, dass es ein schrecklicher Fehler war?"
Jordan schüttelte ihren Kopf. "Ich wünschte, du würdest mich besser kennen."
Woody lachte verbittert auf. "Das ist ziemlich schwer, wenn du jeden Versuch dir näher zu kommen, abblockst."
"Ich weiß", flüsterte sie. "Ich hatte Angst, du würdest mich für billig halten."
Jetzt sah Woody sie überrascht an. "Billig? Weil du mit mir schläfst?"
"Weil ich dich benutzt habe, um meine Einsamkeit zu verdrängen. So, wie ich es sonst an solchen Tagen mit jedem beliebigen Kerl tue, der einfach zu haben und später wieder wegzuschicken ist... Weil ich Angst vor festen Bindungen habe." Sie hatte ihren Blick in die Ferne gerichtet.
Ihre Worte krampften sich wie eine kalte Hand um Woodys Herz. Doch er sagte nichts. Sie hatten sich nie für eine Beziehung entschieden, also ging Jordans Liebesleben ihn nichts an.
Jordan sprach weiter. "Ich habe mich schuldig gefühlt, weil ich dich benutzt habe, ohne an deine Gefühle zu denken. Es tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass es mal so zwischen uns passiert."
Und plötzlich fühlte Woody sich erleichtert. Von diesem Standpunkt aus hatte er die Sache noch nicht betrachtet. Er hatte geglaubt, sie würde ihre gemeinsame Nacht als Fehler bezeichnen. Doch sie bereute nicht, dass es passiert war, sondern wie.
"Dazu gehören immer noch zwei", meinte er.
Erst jetzt sah Jordan ihn an. Sie war noch nie so offen zu jemandem gewesen, und sie hatte Angst, er würde sie nach allem was passiert war abweisen. Und trotzdem sagte sein Blick ihr, dass er sie verstanden hatte.
"Weißt du..." Woody lächelte sie sanft an. "Ich würde dich wirklich gerne besser kennen."
Jordan erwiderte sein Lächeln. "Ich habe ein Fotoalbum von meiner Kindheit. Damit könnten wir anfangen."
Und plötzlich war alles zwischen ihnen gesagt.
"Komm, ich bring dich nach Hause", meinte er ruhig und legte einen Arm um ihre Schulter.

Die Straßen waren leer. Es war Windstill und die Ruhe hatte etwas Geheimnisvolles an sich. Schweigend liefen sie den Bürgersteig entlang. Er hatte immer noch den Arm um ihre Schulter gelegt.

Ende
ZoeP

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Urlaubsreif

Rating: PG
Kurzzusammenfassung: Ein ganz normaler Tag beginnt für Jordan und Woody mit dem gemeinsamen Joggen. Schließlich sind sie nur gute Freunde. Doch was, wenn Woody Jordan irgendwann vor eine Entscheidung stellt?
Spoiler: keiner, spielt irgendwann in Staffel 4, wahrscheinlich nach 4.13 „Der einarmige Bandit“
Disclaimer: Die Charaktere von Crossing Jordan gehören nicht mir, ich borge sie mir lediglich für diese Fanfic aus. Ich verfolge keinerlei kommerziellen Nutzen mit dem Verfassen dieser Story, sie wurde lediglich zum Vergnügen anderer Fans geschrieben. Wie immer.
Anmerkung: Dies ist die Antwort auf eine Challenge auf www.crossingjordan-fanfiction.de.vu. - Puh, eine Challenge ist gar nicht so leicht, wenn man versucht, die Bedingungen fließend einzubauen. Ich denke, ich habe mich an alles gehalten - nur Garrets Zitat habe ich der Situation angepasst ;) Natürlich ist es eine Jordy-FF geworden. Dass viele der Bedingungen in der Reihenfolge auftauchen, in der sie vorgegeben waren, ist Zufall. Eigentlich sollte die FF gar nicht so lang werden, aber dann haben sich die Details selbstständig gemacht und die Personen haben selbst Gespräche geführt. Ich kann also nix dafür ;) Viel Spaß beim Lesen. Feedback immer willkommen.

~*~*~*~

"Lass uns eine Pause machen, okay?", schlug Jordan vor und hielt im Schatten einer Baumgruppe am Wegrand an.
"Gerne", keuchte Woody und stemmte die Hände in den Rücken, um das Seitenstechen loszuwerden.
Es war Sommer in Boston, und es war wohl der heißeste Sommer in der Geschichte der Stadt. Er hatte heute Morgen absichtlich den Wetterbericht versäumt, denn wenn er gewusst hätte, welche Hitze ihn erwartete, hätte er sicherlich das Morgenritual des Joggengehens ausfallen lassen. Inzwischen wusste er jedoch nicht so Recht, ob er nicht vielleicht einfach hier und jetzt abbrechen sollte. Es war verdammt heiß, die Luft war staubgeschwängert und drückend, selbst hier im Park.
"Na, machst du schon schlapp?", neckte Jordan ihn, die sich keine Pause gönnte und ein paar Dehnungsübungen machte, um locker zu bleiben.
Ein herausforderndes Grinsen war seine Antwort. "Nach vier Meilen? Nie."
"Na dann..." Jordan zog ihr Fußgelenk eng an den Körper und spannte kurz ihre Wadenmuskeln an. Dann schüttelte sie den Fuß aus und machte sich bereit, weiterzujoggen.
"Zum Pier?", schlug Woody vor, in der Hoffnung, dass der Wind sie dort etwas abkühlen könnte.
Jordan nickte. Dann trabte sie los.
Woody schüttelte den Kopf über so viel Energie und folgte ihr dann. Nach wenigen Metern hatte er sie eingeholt. Er musterte sie kurz von der Seite. Trotz der Hitze zeigte sie kein Zeichen von Müdigkeit. Ihr Pferdeschwanz wippte im Takt ihrer Schritte, ebenso wie die Kapuze ihres Shirts. Er liebte es, jeden Morgen aufzustehen und als erstes mit ihr joggen zu gehen. Sie hatten sich irgendwann einmal zufällig bei ihrer Morgenrunde getroffen und waren seitdem zusammen losgezogen. Es war beruhigend für ihn, wenn sie der erste Mensch war, dem er früh begegnete. Sie hatte immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, immer diesen frischen Glanz von morgendlicher Energie. Es war ein fester Bestandteil ihrer Freundschaft geworden, den sie offenbar ebenso zu mögen schien, wie er. Wenn er um diese Uhrzeit bereits Dienst hatte und das Joggen ausfallen lassen musste, dann konnte er fast seine Uhr danach stellen, dass sie Acht Uhr in seinem Büro auftauchen würde, völlig verschwitzt und außer Atem und mit einer Tüte Muffins oder Donuts sowie zwei Bechern Kaffee ausgestattet.
Woody richtete seinen Blick wieder nach vorne. Nach einer viertel Stunde hatten sie den Pier erreicht und Jordan verlangsamte mit einem Seufzen der Erleichterung ihre Schritte und ging langsam weiter.
"Ich schwöre dir, wer tragbare Klimaanlagen auf den Markt bringt, wird wahnsinnigen Umsatz machen."
"Klar", lachte Woody. "Man könnte sie in den Laufschuhen integrieren. Irgendwie."
"Oder direkt in der Sonnencreme", scherzte sie weiter.
"Hey, das ist überhaupt die Idee. Könnte ich gut im Urlaub gebrauchen."
Jordan blieb abrupt stehen. "Du machst Urlaub?"
Woody nickte grinsend. "Drei Wochen auf Kreuzfahrt durch die Karibik. Mit allem drum und dran."
"Hätte ich nie gedacht."
"Was?"
"Dass du so einfach deinen Job für drei Wochen an den Nagel hängst und... nichts tust."
Woodys Grinsen wurde breiter. "Ich werde ja auch nicht nichts tun. Ich werde mich am Pool sonnen, die Aussicht genießen und entspannen."
Jordan versuchte, sich das bildlich vorzustellen. Sie betrachtete Woody von oben bis unten. Er lächelte selbstsicher und unter dem verschwitzten Shirt zeichneten sich deutlich seine Muskeln ab. Was war eigentlich aus dem pummeligen, trotteligen Detective geworden, den sie damals kennen gelernt hatte? Jordan schüttelte den Kopf. Woody hatte sich verändert. Er war stärker geworden, selbstbewusster und er hatte gelernt, seinen Farmboycharme gezielt einzusetzen. Er spielte längst in ihrer Liga. Und obwohl er inzwischen sicher anziehend auf viele Frauen wirkte, gab er sich immer noch mit ihr ab. Schien die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben zu haben, dass er irgendwann gut genug für sie wäre. Wieso war ihr das bisher nicht aufgefallen?
"Was hältst du davon, ans Wasser zu gehen? Es ist bestimmt nicht allzu warm." Woody hob schützend die Hand über die Augen und ließ seinen Blick über den Hafen schweifen. Die Sonne hinterließ glitzernde Funken auf der Wasseroberfläche, die von dem flachen Wind nur leicht gekräuselt wurde.
Jordan zuckte mit den Schultern. "Klar."
Sie folgte ihm bis ans Ufer. Woody streifte seine Schuhe und Socken ab, ließ sie in sicherer Entfernung zum Wasser stehen und ging dann darauf zu, bis die erste Welle seine Fußgelenke umspielte. Er schloss die Augen und genoss die kühle Erfrischung. Das hier war absolute Freiheit. Die kleinen Dinge im Leben.
"Was gibt es denn zu grinsen?", fragte eine Stimme neben ihm und als er die Augen öffnete sah er, dass sie ebenfalls im Wasser stand.
"Na das hier." Er machte eine ausschweifende Geste. "Abschalten vom Alltag. Ein bisschen Stress abbauen."
Jordan runzelte die Stirn. Er hatte Recht. Die letzten Wochen hatten viel von ihnen gefordert. Morde. Missbrauch. Intrigen. Lügen. Jeden Tag. Sie wusste, dass Woody seinen Job liebte. Aber auch sein Vorrat an Kraft war irgendwann erschöpft und musste aufgeladen werden.
"Wir sollten für heute aufhören." Sie trat von einem Bein aufs andere.
"Hm?"
"Mit dem Joggen, meine ich. Gönnen wir uns stattdessen ein Eis, so wie alle normalen Menschen in dieser Hitze."
Woody nickte. "Ich habe mich sowieso schon den ganzen Morgen gefragt, wieso ich heute überhaupt aufgestanden bin, statt in meiner gekühlten Wohnung zu bleiben und zu packen."
"Weil du meine Gesellschaft brauchst", meinte sie scherzhaft. Dann wurde sie ernst. "Wieso packen? Wann fährst du denn?"
"Übermorgen." Woody ging zurück ans Ufer und hob seine und Jordans Schuhe auf.
"Danke." Sie nahm sie ihm ab und knotete die Enden der Schnürsenkel zusammen, um sie sich über die Schulter zu hängen. Woody grinste kurz deswegen und ließ sich in den Sand fallen, um seine wieder anzuziehen.
"Dir könnte ein Urlaub übrigens auch nicht schaden."
"Was soll das denn heißen?", empörte sie sich, gab ihm innerlich jedoch Recht.
Woody machte ein unschuldiges Gesicht. "Entspannung tut doch jedem gut."
Jordan lachte und hielt ihm die Hand hin. "Als ob ich mich entspannen könnte!"
Er griff danach und ließ sich auf die Beine ziehen. "Richtig. Du würdest es keine zehn Minuten ohne deine Leichen aushalten."
Jordan verpasste ihm einen Hieb gegen die Schulter. "Mach so weiter und du bezahlst das Eis."
Woody hob abwehrend die Hände und wollte etwas Schlagfertiges erwidern, hielt jedoch inne. Er hatte gerade einen Tropfen abbekommen, der definitiv nicht von der Gischt stammte. Er sah nach oben und fand seine Vermutung bestätigt. Dicke, dunkle Wolken hatten sich zu einem Haufen zusammengefunden und waren nun zu schwer geworden. Ein kühler Wind war aufgekommen.
"Was?", wollte Jordan wissen und folgte seinem Blick mit ihrem. "Oh-oh!"
Woody nickte. "Wie wichtig ist dir dein Eis?"
Als auch Jordan die ersten Tropfen abbekam, seufzte sie. "Ich kann gut drauf verzichten."
Und dann fing der Regen richtig an. Volle, schwere Tropfen prasselten auf die beiden herab.
"Ich denke, wir sollten doch noch ein wenig joggen", meinte Jordan mit triefendem Sarkasmus in der Stimme und rannte los.
"Sprinten", korrigierte Woody. "Das Institut ist am nächsten."
Jordan nickte und versuchte, sich notdürftig mit ihrer Kapuze zu schützen.
Lachend und stolpernd kamen sie wenig später im Foyer des Institutsgebäudes an und schüttelten sich. Sie warteten auf einen Fahrstuhl und fuhren nach oben. Noch immer lachend traten sie aus dem Fahrstuhl und hinterließen kleine Pfützen auf dem Weg zu Jordans Büro.
Um den fragenden Blicken einiger Angestellter zu entgehen, denen sie auf den Gängen begegnet waren, schloss Jordan die Tür ihrer Büros. Sie wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und versuchte, ihren Pferdeschwanz über dem Mülleimer auszuwringen. Dann nahm sie ihre Turnschuhe von der Schulter und warf sie auf den Boden. Ihre Füße waren nass und kalt. Woody fuhr sich grinsend durch die Haare. Er war von oben bis unten durchnässt. Sein Shirt klebte an ihm wie eine dünne Schale und seine Shorts waren durch das Wasser ganz schwer geworden. Auch Jordan ging es nicht besser. Sie sahen sich an und mussten grinsen.
Doch plötzlich war da noch etwas anderes. Jordan ließ ihren Blick über Woodys Oberkörper gleiten und spürte, dass er dasselbe tat. Er musterte sie und in seinen Augen lag etwas Undefinierbares. Es ließ ihr eine warme Gänsehaut über den Rücken laufen. Ihre Blicke trafen sich. Sie atmeten schwer, doch Jordan wusste nicht, ob das noch immer eine Folge des Rennens war. Und dann erkannte Jordan den Glanz in Woodys Blick. Es war Verlangen. Ein Verlangen, das er zurückgehalten hatte, seit sie ihm das erste Mal begegnet war.
Jordan wusste nicht genau, was hier geschah, aber plötzlich überbrückten sie gleichzeitig den Abstand zwischen sich und trafen sich in der Mitte des Raumes in einem heftigen Kuss. Jordan spürte Woodys Lippen auf ihren und seine Hände auf ihrem Rücken. Er presste sie an sich und sie krallte sich in seinen Rücken, den Kuss leidenschaftlich vertiefend. Draußen erhellte ein Blitz kurzzeitig den inzwischen dunkelgrauen Himmel. Woody ließ seine Hände immer wieder von ihrem Rücken zu ihren Hüften wandern während er sie regelrecht verschlang. Jordan genoss es, auf diese Weise begehrt zu werden und erwiderte jede seiner Forderungen. Schließlich löste sie sich atemlos von ihm und spürte, wie ihr Brustkorb sich heftig hob und senkte.
"Wow", meinte Woody und sah sie an.
Jordan wich seinem Blick aus, sich dessen bewusst, was sie gerade getan hatte. Sie leckte sich über die Lippen und atmete noch ein paar Mal tief durch, nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
"Wir sollten aus den nassen Sachen raus", meinte sie schließlich und ging zu einem Aktenschrank in ihren Büro, ohne Woody zu anzusehen. Sie holte ein paar Sachen für sich heraus, die sie offenbar dort lagerte. "Garret hat bestimmt ein Hemd für dich."
"Jordan?" Woody griff nach ihrem Arm und zwang sie, ihn anzusehen.
Sie lächelte matt. "Vielleicht hat er sogar ein paar trockene Jeans. Sonst kannst du wenigstens ein Handtuch kriegen und..."
"Alles in Ordnung?", unterbrach er sie, ein wenig irritiert.
"Ja, wieso?"
"Ähm... Das hier, gerade eben... zwischen uns..." Er zeigte mit einem Finger erst auf sie, dann auf sich und wieder zurück zu ihr.
Jordan zuckte mit den Schultern und sah ihn an, wie sie es früher getan hatte, wenn er etwas Naives getan oder gesagt hatte. Dieser Blick verletzte ihn. Er gab ihm das Gefühl, dass sie ihn herablassend behandelte.
"Woody, das war nur ein Kuss", meinte sie dann und verstärkte damit das stechende Gefühl.
"Nur ein Kuss? Also ich weiß nicht, was das war, aber es macht dem Gewitter da draußen alle Ehre." Er wollte nicht, dass sie sich so einfach da rauswand. Nicht dieses Mal.
Jordan wusste nicht, was sie sagen sollte. Wieso hatte sie sich dazu hinreißen lassen? Sie mochte Woody und sie wollte mit ihm befreundet sein. Alle bisherigen Beziehungen in ihrem Leben waren schief gegangen. Sie schaffte es einfach nicht, über eine längere Zeit mit einem Mann zusammen zu sein. Also würde auch diese Beziehung scheitern, und dann blieb ihr nicht einmal der gute Freund übrig.
"Woody, wir sind gute Freunde", versuchte sie, zu erklären, doch Woody lachte bitter auf.
"So küsst du also deine guten Freunde?"
Jordan gab einen fluchenden Laut von sich. "Mach doch nicht mehr daraus, als es ist."
"Und was ist es? Sag es mir Jordan, denn ich bin momentan ein wenig verwirrt." Woody hatte es satt, immer wieder zurückgewiesen zu werden.
"Ich weiß es nicht", meinte Jordan ehrlich, doch Woody war verärgert. All die angestaute Spannung die im Laufe der Zeit zwischen ihnen entstanden war, schien sich jetzt zu entladen.
"Das solltest du aber, denn du hattest genug Zeit, dir über deine Gefühle klar zu werden."
"Bitte?" Jetzt wurde auch Jordan sauer. Was erwartete er von ihr?
"Sieh uns an, Jordan. Wir haben keine Beziehung, aber nur Freunde sind wir auch nicht. Ich laufe dir jetzt lange genug hinterher. Ich weise Frauen zurück, die sich für mich interessieren, weil ich ständig im Hinterkopf die Hoffnung habe, du könntest uns eine Chance geben. Ich breche die Regeln für dich und gehe Risiken ein, die ich mir früher nicht einmal ausmalen konnte." Woody hatte sich jetzt richtig in Rage geredet und schien all die Gedanken, die ihn seit langer Zeit beschäftigten, wie Ballast abzuwerfen. "Ich finde, du hast mich lange genug hingehalten. Es wird Zeit, dass du dich entscheidest."
"Was?" Jordan kniff ihre Augen zusammen. Sie versuchte, seinen Worten Sinn zu geben und ihn zu verstehen.
"Ich will", meinte Woody, diesmal etwas ruhiger, "dass du eine Entscheidung triffst. Entweder du willst mit mir zusammen sein oder nicht. Aber auf diese Spielchen habe ich keine Lust mehr. Ich will nicht mein Leben lang allein bleiben, weil ich an einer sinnlosen Illusion gehangen habe."
"Woody, das..." Sie trat einen Schritt zurück. "Das kann ich nicht."
Eine Weile herrschte eine angespannte Stille im Raum. Woody brauchte einen Moment, um ihre Worte zu begreifen.
"Fein", schnaubte er dann und nickte. "Dann werde ich jetzt nach Hause gehen und packen. Und wenn heute Abend Zeit bleibt, gehe ich aus und suche mir jemanden, der mich nicht behandelt wie den Jungen vom Land, den man sich ja warm halten kann."
Er wusste, dass seine Worte sie verletzten würden, doch es war ihm in dem Moment egal. Sie hatte ihn verletzt. Sehr.
"Na gut, dann geh doch", meinte sie nur wütend und hielt ihm die Tür auf.
"Okay. Ich gehe." Er betrachtete sie noch einen Augenblick und stiefelte dann mit großen Schritten an ihr vorbei.
Jordan schlug wütend die Tür hinter ihm zu und sah durch das matte Glas, wie er am Ende des Ganges um die Ecke verschwand.
Und dann fiel die Anspannung von ihr ab.
"Verdammt", murmelte sie leise und ließ sich an der Tür auf den Boden sinken.
An welcher Stelle hatte dieser wundervolle Morgen eine so grauenhafte Wendung genommen? Sie war sich nicht sicher. Verdammter Regen, verdammtes Gewitter, verdammtes Chaos.
Nachdem sie eine Weile auf dem Boden gehockt und sich mit Selbstvorwürfen gequält hatte, raffte sie sich auf und widmete sich den trockenen Sachen. Wenn sie nicht eine heftige Erkältung riskieren wollte, sollte sie schleunigst aus dem nassen Shirt raus.

***

Als Jordan am späten Nachmittag aus Autopsie vier kam, war sie erschöpft und müde.
"Hallo Dr. Cavanaugh!", meinte eine Stimme hinter ihr ziemlich laut und viel zu gut gelaunt.
Erschrocken drehte sie sich um. Dann verzog sich ihr Gesicht in eine genervte Maske.
"Howard, wie geht es Ihnen?", fragte sie gespielt freundlich. Vor ihr stand Dr. Stiles, mit einem allwissenden Lächeln im Gesicht und einem Hawaiihemd am Leib. "Wie ich sehe, haben sie beim Ausverkauf im Hippieladen noch etwas gefunden."
Dr. Stiles sah an sich herunter. "Steht mir gut, nicht? Ich dachte, wenn ich schon in den Urlaub fahre..."
Jordan stöhnte. "Wieso fährt alle Welt in die Karibik?"
"Karibik?" Dr. Stiles stutzte. "Ich fahre nach Maine zu meinem Großonkel."
Jetzt war es Jordan, die stehen blieb und ihn stirnrunzelnd ansah. "In Maine sind es höchstens fünfzehn Grad. Dort brauchen Sie keine kurzen Hemden."
Er lachte. "Eben darum trage ich es ja jetzt."
Jordan schüttelte den Kopf und ging weiter zu ihrem Büro. Howard folgte ihr.
"Wie geht es Ihnen denn so?", wollte er unterwegs wissen.
"Ich habe das dumme Gefühl, dass Sie nicht zufällig hier sind", meinte Jordan seufzend.
"Da haben Sie Recht. Ein Vögelchen hat mir geflüstert, dass Sie heute Morgen einen heftigen Streit hatten."
"Garret", murmelte Jordan und machte sich eine gedankliche Notiz, ein ernstes Wörtchen mit ihrem Chef darüber zu reden, dass ihr Privatleben genau das war: privat.
Howard lächelte, als sie bei ihrem Büro angekommen waren. Er ließ ihr den Vortritt.
"Er meint übrigens auch, dass Sie ein wenig Urlaub vertragen könnten."
"Ich schwöre, die Welt hat sich gegen mich verschworen." Jordan warf ihm einen kühlen Blick zu und setzte sich an ihren Schreibtisch.
"Inklusive eines gutaussehenden Detectives, den Sie heute Morgen tropfnass aus ihrem Büro geworfen haben?"
Jordan schnaubte. "Er ist freiwillig gegangen."
Howard zog sich den Sessel aus der Ecke des Büros heran und setzte sich ihr gegenüber hin. "Natürlich ist er das."
Jordan hatte keine Lust, über die Sache zu reden, und schon gar nicht mit Dr. Stiles. Also griff sie nach einer Akte und ignorierte den Psychologen. Dieser spielte das Spielchen für fünf Minuten mit.
"Weshalb hat er ihr Büro denn freiwillig verlassen?", begann er dann von Neuem.
Jordan seufzte. Er würde sie ja doch nicht in Ruhe lassen.
"Er hat mich vor die Wahl gestellt, mit ihm eine Beziehung zu beginnen oder es ganz zu lassen und offenbar hat ihm meine Antwort nicht gefallen." Wenn sie das so sagte, klang es irgendwie falsch.
"Aha." Howard schien kurz zu überlegen. "Was war denn Ihre Antwort."
Jordan sah zu ihm auf. Sie dachte kurz nach. Eigentlich hatte sie ihm gar nicht direkt gesagt, was sie dachte. Aber ihr Zögern war ihm wohl Antwort genug gewesen...
"Ich weiß nicht. Eine Abfuhr, denke ich."
"Aha."
"Das macht Ihnen Spaß, nicht?"
"Was?"
"Aha zu sagen und so zu tun, als hätte es eine wirklich tiefgründige Bedeutung."
Howard grinste. "Sicher doch."
Jordan wandte sich wieder ihren Papieren zu.
"Und wieso haben Sie ihm eine Abfuhr erteilt?"
Jordan verdrehte die Augen. Er ließ einfach nicht locker. "Nicht, dass es Sie etwas angeht, aber das weiß ich selbst nicht so genau. Es geht einfach nicht."
"Aha."
"Da. Schon wieder."
Howard ignorierte ihren Kommentar und verschränkte die Arme vor der Brust. "Mögen Sie Hoyt?"
"Was?"
"Mögen Sie ihn?"
"Natürlich... Wir sind gute Freunde."
"Würden Sie mit ihm ins Bett gehen?"
"Was?" Jordan sah überrascht zu Howard auf.
Der schüttelte den Kopf. "Muss ich wirklich jede Frage wiederholen?"
Jordan bedachte ihn mit einem genervten Blick. Dann seufzte sie. "Nein, würde ich nicht."
"Aber Sie finden ihn doch sicher attraktiv."
"Ja, das schon", gab Jordan zu.
"Also, wieso würden Sie dann nicht..."
"Weil es unsere Freundschaft zerstören würde", unterbrach Jordan ihn. "Freunde haben keinen Sex."
"Und Sie sind nur Freunde?"
"Genau", meinte Jordan, war sich jedoch sicher, dass Dr. Stiles es nicht dabei belassen würde.
"Sieht er das genauso?"
Bingo. Jordan seufzte erneut und lehnte sich dann in ihrem Stuhl zurück. "Nein, ich glaube nicht."
"Aha."
"Würden Sie das bitte lassen?"
"Was?"
"Immer aha zu sagen." Sie war gereizt. Auf der einen Seite wollte sie über Woody reden, um Klarheit zu bekommen. Auf der anderen Seite schaffte Dr. Stiles es immer wieder, dass sie Dinge an sich entdeckte, die ihr nicht gefielen und dass sie sich mit Gefühlen auseinandersetzte, die sie verletzbar machten.
"Okay. Und was macht sie so sicher, dass ihm die Freundschaft nicht mehr genug ist?"
"Wir haben uns geküsst", meinte sie schlicht.
"Oh." Howard neigte seinen Kopf ein wenig. "War es gut?"
Jordan entschied, darauf nicht zu antworten.
"Also, er küsst Sie und Sie weisen ihn zurück."
"Genau. Und das schon zum zweiten Mal." Für einen kurzen Moment überkamen Jordan Erinnerungen an die kurze Zeit in Hollywood. Sie verdrängte sie rasch.
Dr. Stiles lachte.
"Was?" Jordan öffnete sich ihm gerade und er hatte nichts Besseres zu tun, als zu lachen.
"Na ja", erklärte er. "Man sollte eigentlich im Leben niemals die gleiche Dummheit zweimal machen, denn die Auswahl ist so groß."
Jordan wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Also schwieg sie.
Dr. Stiles betrachtete sie eine Weile. Er hatte mit ihr schon viel durchmachen müssen. Sie war eindeutig eine besondere Patientin.
"Wissen Sie, was Ihr Problem ist, Jordan?"
"Ich habe das Gefühl, dass Sie es mir gleich sagen werden..."
Howard grinste. "Sie haben Angst."
"Angst?"
"Richtig."
"Und wovor wissen Sie sicherlich auch." Jetzt war es Jordan, die ihre Arme verschränkte.
"Vor dem Glücklichsein. Sie haben Angst, dass Sie tatsächlich jemanden lieben und mit ihm glücklich sein könnten. Aber wissen Sie, Angst ist eigentlich nur die Abwesenheit von Vertrauen."
"Wollen Sie damit sagen, dass ich Woody nicht genug vertraue?" Jordan zog ihre Stirn in Falten.
Doch Howard schüttelte den Kopf. "Nein. Aber sich selbst."
"Aha."
Er grinste. "So ein aha kann gut tun, nicht?"
Jordan zog ihre Augenbrauen nach oben. "Und was ist ihr Punkt?"
"Hören Sie auf, sich selbst im Weg zu stehen, Jordan. Wenn Ihnen das Glück über den Weg läuft, sollten sie seine Richtung einschlagen, anstatt es mit Panzern zu überrollen."
Jordan sah ihn erstaunt an.
"Denken Sie darüber nach", meinte Howard und stand auf. "Und gönnen Sie sich auch mal Urlaub."
Und mit einem allwissenden Lächeln war er verschwunden.

***

Woody hatte bereits sein zweites Bier geleert an diesem Abend. Morgen würde er endlich in den wohlverdienten Urlaub starten - da wollte er den Abend ruhig ausklingen lassen.
"Hallo Woody", meinte eine Stimme hinter ihm.
Er drehte sich um.
"Hallo Garret." Er nickte ihm zu und widmete sich wieder der leeren Bierflasche, mit dem Gedanken spielend, sich ein weiteres zu gönnen. Garret setzte sich neben ihn und bestellte einen Whiskey.
"Spätschicht, hm?", erkundigte sich Woody.
Garret schüttelte den Kopf. "Nein. Aber die Leichen interessieren sich nicht dafür, ob man dran ist oder nicht. Da muss man flexibel sein."
Woody nickte. Das kam ihm nur allzu bekannt vor.
"Und Sie?" Garret sah ihn fragend von der Seite an.
Woody zuckte mit den Schultern. "Ich hatte heute frei. Zum Packen und Ausspannen."
"Wo geht es denn hin?"
"In die Karibik."
Garret seufzte. "Ich wünschte, ich hätte die Kraft, mir auch einen langen Urlaub zu gönnen."
"Aber?" Woody gab dem Barkeeper zu verstehen, dass er doch noch ein Bier wollte.
"Ich schaffe es kaum übers Wochenende, ohne an das Institut zu denken. Nicht auszumalen, wie es dort zugehen würde, wenn ich für längere Zeit wegbliebe..." Garret runzelte die Stirn.
Woody musste leise lachen. "Es wird auch ohne uns weiterhin gemordet und gestorben in Boston. Was machen da schon drei Wochen..."
"Das klingt aber verbittert."
"Nein. Nur erschöpft von der ständigen Kriminalität. Ich brauche eine Auszeit."
Garret schien eine Weile darüber nachzudenken, während er an seinem Whiskey nippte. Woody bekam sein Bier und nahm einen Schluck.
"Hat Jordan mit Ihnen geredet?", schlug Garret ein neues Thema an.
Woody wollte etwas erwidern, betrachtete den Leiter der Gerichtsmedizin jedoch nur überrascht.
"Wie kommen Sie darauf?" Er fragte sich, ob inzwischen das gesamte Institut von ihrem Streit wusste. Sie waren tatsächlich ziemlich... laut geworden.
"Nur so ein Gedanke", meinte Garret, doch Woody sah ihm an, dass er log. Irgendetwas steckte dahinter. Vielleicht hatte er ja mit Jordan geredet und sie hatte ihm versprochen, mit Woody zu reden, nur um Garret loszuwerden. Was es auch war, Dr. Macy schien es für sich behalten zu wollen.
"Nein, ich habe sie seit gestern Morgen nicht gesehen", antwortete Woody schließlich.
Garret leerte sein Glas. "Tja, das ist Jordan."
Woody war es inzwischen egal, dass er Garret vor sich hatte. Er wurde einfach nicht schlau aus Jordan, und das machte ihn zugleich hilflos und wütend. "Wissen Sie, ich verstehe Jordan einfach nicht."
Garret lachte bitter auf. "Niemand tut das. Wahrscheinlich nicht einmal sie selbst."
Woody schüttelte den Kopf. "Wieso kann sie nicht einfach sagen, was sie will? Ist es so schwer, eine Entscheidung zu treffen, anstatt mit den Gefühlen anderer Leute zu spielen?"
Garret starrte auf das leere Glas in seiner Hand und schien über Woodys Worte nachzudenken. Dann sah er ihn an.
"Fordern Sie viel von sich selbst und erwarten Sie wenig von anderen. Zumindest bei Jordan. So wird Ihnen viel Ärger erspart." Er ließ seinen Blick wieder zurück zu dem Glas wandern.
Woody zog fragend seine Augenbrauen nach oben. "Aus welchem Glückskeks haben Sie das denn?"
Garret lachte. "Das hat Konfuzius gesagt. Bis auf den Teil mit Jordan natürlich, das war meine persönliche Interpretation."
"Na ja. Ein weiser Mann, dieser Konfuzius. Aber das hilft mir auch nicht weiter."
Garret klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Machen Sie sich nicht so viele Gedanken. Genießen Sie Ihren Urlaub und kommen Sie erholt wieder. Dann wird sich alles irgendwie einrenken."
Woody blieb skeptisch. "Dazu ist es zu spät, fürchte ich. Ich habe Jordan gegen die Wand gedrängt und sie hat mich weggestoßen. So einfach ist das. Jetzt weiß ich wenigstens, woran ich bin." Diesmal klangen seine Worte wirklich bitter.
Garret sah ihn an und Mitleid zeichnete sich in seinem Blick ab. Das hatte Woody wirklich nicht verdient. Aber hatten ihn nicht alle gewarnt, dass er sich an Jordan die Finger verbrennen würde? Nun ja, nachträgliche Kommentare halfen ihm sicher nicht.
Woody leerte den Rest seines Bieres in einem Zug und stellte es zurück auf den Tresen, lauter als nötig. Dann warf er Garret einen dankenden Blick zu.
"Ich sollte dann gehen, ich muss morgen zeitig raus. Danke für die Gesellschaft."
Garret nickte. "Keine Ursache."
"Also dann..." Woody ließ sich von dem Barhocker gleiten.
"Genießen Sie die Sonne."
Er nickte. "Werd ich. Man sieht sich."
Und mit einem letzten Nicken verließ er die Bar.
Die Nacht war lauwarm und die Luft feucht. Woody fröstelte leicht, als ein kühler Wind aufkam. Abstand würde ihm sicher gut tun.

***

Die salzige Meeresluft umspielte ihn, als er das Sonnendeck betrat. Das Schiff hatte vor über vier Stunden angelegt und Woody hatte sich Zeit gelassen, sich in seiner Kabine einzurichten. Dann hatte er das Programm des Schiffes studiert, die Preise der verschiedenen Restaurants in Erfahrung gebracht und sich diverse Angebote der Bordläden angesehen. Jetzt war er dabei, sich einen Liegestuhl in der Sonne herauszusuchen und sein Handtuch darauf auszubreiten. Der Pool war um diese Zeit noch nicht besonders voll. Die meisten der Passagiere erkundeten noch immer das Schiff oder hielten in ihren kühlen Kabinen Mittagsschläfchen.
Woody ließ sich auf der Liege nieder und streckte sich. Es war genau, wie er es sich vorgestellt hatte. Träge beobachtete er eine Weile die anderen Gäste des Kreuzfahrtschiffes. Eine Mutter war damit beschäftigt, Eisflecken von der Hose ihres Schützlings zu wischen. Ein älterer Mann lag am Rand des Pools und las ein Buch. Eine junge Frau zog zügig ihre Bahnen unter Wasser und tauchte nur am Rand auf, um kurz Luft zu holen. Zwei Jugendliche hielten sich am Rand des Beckens auf und unterhielten sich angeregt.
Woody lehnte sich entspannt zurück und wartete auf eine Kellnerin. Als sie kam, bestellte er sich einen Caipirinha mit extra viel Eis. Das Getränk kam schneller als er es erwartet hatte. Zufrieden nahm er einen großen Schluck und schloss dann die Augen.
"Alkohol so früh am Tag?", kam es vom Rand des Pools zu seinen Füßen. Das konnte nur die junge Schwimmerin sein. Woody blinzelte, um zu sehen zu wem die Stimme gehörte, die ihm diese Frage stellte. Dann setzte er sich überrascht auf.
"Jordan!" Er musste eingeschlafen sein und wirre Träume haben. "Was machst du denn hier?"
Jordan lachte. "Urlaub."
Woody blinzelte noch einmal. Das war doch ein schlechter Scherz. Hatten sie sich nicht vor zwei Tagen ein paar unschöne Dinge an den Kopf geworfen und hatte er sie nicht wütend stehen gelassen? Und jetzt war sie hier. Das machte keinen Sinn.
"Nein, ich meine... was machst du hier auf diesem Schiff, in diesem Pool, an meinem Liegestuhl?", meinte er und betrachtete sie, wie sie dort mit den Armen auf dem Rand des Pools verschränkt im Wasser trieb.
"Na ja. Ich hatte noch einige Urlaubstage übrig und dachte mir, ich höre auf den Ratschlag, ein bisschen zu entspannen." Als sie sah, dass ihm momentan nicht nach Scherzen zumute war, wurde sie ernst. "Und außerdem hatte ich ein bisschen Zeit, nachzudenken."
"Aha." Was sollte er sagen? Er war verwirrt.
"Und es tut mir Leid." Sie sah ihn direkt an.
Er versuchte, ihrem Blick standzuhalten, spielte jedoch nervös mit dem Cocktail-Schirmchen aus seinem Drink. "Was?"
Sie seufzte. "Alles."
Er sah sie fragend an und sie biss sich auf die Unterlippe. Woody stach mit der Spitze des Schirmchens auf die Eiswürfel in seinem Drink ein und wartete, dass sie die richtigen Worte fand.
"Dass ich dich verletzt habe", meinte sie dann. "Und dass ich diese Sache heruntergespielt habe. Sie kam nur so... überraschend. Ich hatte die Kontrolle verloren."
"Richtig", meinte Woody bitter. "Jordan Cavanaugh muss schließlich über alles in ihrem Leben Kontrolle haben."
"Woody bitte", meinte sie leise und sah verletzt aus. "Du machst es mir nicht gerade leicht."
"Was denn?", meinte er, noch immer ein wenig verärgert, und wollte ihr eigentlich vorwerfen, dass er es doch war, dem sie es nicht leicht gemacht hatte und dass sie es verdiente, so kalt behandelt zu werden. Doch dann sah er, dass sie wirklich versuchte, sich ihm zu öffnen. Also schluckte er den Kloß der Verbitterung runter.
"Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll." Sie sah auf seine Füße.
"Egal. Ich habe Zeit", lenkte er ein um ihr zu zeigen, dass er sie nicht demütigen wollte.
Sie seufzte erneut. "Ich hatte ein interessantes Gespräch mit Dr. Stiles. Und dann bin ich mir über einiges klar geworden."
"Und das wäre?" Woody hatte ein ungutes Gefühl.
"Uns. Du und ich. Ich weiß auch nicht..." Sie sah zu ihm auf und versuchte, in seinen Augen zu lesen, was er dachte. Vergeblich. Also fuhr sie fort. "Es ist nicht so, dass ich nicht wollte, dass aus uns mehr wird, als nur gute Freunde."
"Ach nein?" Woody kniff seine Augen leicht zusammen. Ging das Gespräch tatsächlich in die Richtung, in die er glaubte?
"Das Problem ist nur, dass ich es bisher geschafft habe, alle Männer zu vergraulen, sobald ich sie an mich ran gelassen hatte. Ich will nicht, dass mir das noch einmal passiert."
Und dann verstand Woody, was in ihr vorging. Überraschung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab und wandelte sich dann in Wärme und Verständnis.
"Ich will nicht, dass sich etwas ändert, verstehst du?", meinte sie. "Ich möchte weiter joggen gehen. Oder ins Kino, oder zum zwanglosen Frühstück. Und wenn das mit uns schief geht, dann hätte ich das alles verloren."
Sie hatte ihren Blick auf irgendeinen Punkt in der Ferne gerichtet. Sie brauchte nicht weiter zu reden. Woody hatte längst begriffen, was sie die ganze Zeit hatte zögern lassen.
"Ich kann dir keine Versprechen machen, die wir vielleicht nicht halten können, Jordan. Aber ich würde uns gerne eine Chance geben."
Jordan lächelte schwach, erleichtert dass er sie nach ihrer Abfuhr nicht zurückwies. Er setzte sich auf und stützte die Ellenbogen auf den Knien ab. Dann sah er ihr direkt in die Augen.
"Aber es liegt an dir, Jordan."
Eine Weile sahen sie sich einfach nur an. Dann breitete sich ein Grinsen auf Jordans Gesicht aus. Sie stützte sich am Beckenrand ab und kam aus dem Wasser, nicht ohne dass Woody ein paar Spritzer abbekam.
"Was hältst du davon, wenn ich uns etwas Alkoholfreies zu trinken hole?"
"Klar."
"Und danach könntest du mir den Rücken eincremen. Ich habe noch niemanden gefunden, der sich dazu bereit erklärt hat."
Woody grinste. "Sicher."
"Okay." Jordan erwiderte sein Grinsen. Dann beugte sie sich zu ihm herunter und küsste ihn leidenschaftlich. Als sie sich von ihm löste, waren sich ihre Gesichter ganz nah.
"Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich ein Doppelzimmer gebucht", meinte Woody, immer noch grinsend.
Um Jordans Lippen bildete sich ein verschwörerisches Lächeln. "Das habe ich bereits getan."
Und damit wandte sie sich von ihm ab. Während sie in Richtung der Bar ging, konnte er ihr nur ungläubig nachsehen. Sie gab die Bestellung auf und als sie wartete, lächelte sie ihm zu. Woody lächelte zurück.
Es würde sicherlich ein sehr erholsamer Urlaub werden.

Ende
Zuletzt geändert von ZoeP am 04.12.2006, 20:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Zerpflückt

Rating: PG
Kurzzusammenfassung: Als Devan am Morgen in ihr Büro kommt, wurde Woodys Blumestrauß völlig zerstört. Devan verdächtigt Jordan.
Spoiler: Staffel 3: Rattengift (He Said, She said);spielt danach
Disclaimer: Die Charaktere von Crossing Jordan gehören Tailwind Productions und den NBC Studios, ich borge sie mir lediglich für diese Fanfic aus. Ich verfolge keinerlei kommerziellen Nutzen mit dem Verfassen dieser Story, sie wurde lediglich zum Vergnügen anderer Fans geschrieben.
Anmerkung: Irgendwie finde ich die offenen Enden der CJ Episoden immer so... inspirierend. ;) Okay, nachdem ich fertig war, tat mir Devan irgendwie leid. Sie kann ja nichts dafür. Aber so richtig mögen werde ich sie - in Bezug auf Woody - wahrscheinlich nie...

~*~*~*~

Als die junge blonde Frau an diesem Morgen die Gerichtsmedizin betrat, war sie erstaunlich gut gelaunt.
Jordan seufzte, als sie sie an ihrem Büro vorbeigehen sah. Und wenn sie noch einmal genauer darüber nachdachte, musste sie das 'erstaunlich' aus ihren Gedanken streichen. Devan Maguire war immer gut gelaunt. Manchmal schon aufdringlich gut.
Jordan nahm das Formular wieder auf, welches sie auszufüllen versuchte. Die moderne Gerichtsmedizin hatte zwar ihre Vorteile, sie war so gut wie unfehlbar – doch das ewige Protokollführen verdarb einem den Tag.
Plötzlich wurde sie durch einen wuterfüllten und entsetzten Aufschrei aus ihren Gedanken gerissen.
"Um Himmels Willen, das glaube ich einfach nicht!"
Devan. Was hatte die süße Cheerleaderin denn jetzt schon wieder?
Jordan erhob sich und folgte – wie auch einige andere ihrer Kollegen – dem Schrei.
In Devans Büro angelangt, wusste sie nicht, was komischer war. Die Tatsache, das überall in ihrem Büro Blumen verstreut lagen, oder wie Devan mitten darin stand und ein wütendes Gesicht machte. Jordan verkniff sich ein amüsiertes Grinsen und zog ihre Augenbrauen hoch.
"Was ist denn hier passiert?", erkundigte sie sich. Nigel sah ihr interessiert über die Schulter und Lily lehnte ein wenig irritiert im Türrahmen.
"Jemand hat sie umgeworfen...", meinte Devan, und ihre Stimme klang viel mehr enttäuscht als wütend.
Und dann entdeckte Nigel die Scherben auf dem Fußboden, die wohl mal zu einer Vase gehört hatten.
Lily warf Devan ein mitleidsvolles Lächeln zu. "Das war doch der Strauß, den du gestern-"
"Von Woody bekommen habe, ja", seufzte sie.
Jordan zog ihre Stirn kraus, sagte jedoch nichts.
Nigel schob sich an ihr vorbei in das Zimmer und betrachtete den "Tatort" eingehend.
Lily beobachtete ihn dabei und wandte sich dann an Devan. "Und wieso meinst du gleich, jemand hätte sie umgeworfen? Sie könnten doch auch einfach umgefallen sein"
Nigel schüttelte den Kopf. "Nein, sie hat Recht. Schau mal..." Er deutete auf eine Stelle am anderen Ende des Raumes. "Wenn die Vase umgefallen wäre, würde das Unkraut nicht bis dort hintern verstreut rumliegen."
Devan nickte. Nigel bückte sich und hob eine der Scherben auf.
"Aber wer sollte so etwas tun?"
Devan zuckte mit den Schultern. Sie wirkte verletzt. Immerhin war sie neu hier und tat alles dafür, anerkannt zu werden. Und jetzt das. "Ich weiß nicht..."
"Du hast den Strauß von unserem lieben Woodrow bekommen, sagtest du...?", fragte Nigel und sein Blick wanderte zu Jordan. Er beäugte sie misstrauisch.
Jordan bemerkte seinen Blick und in ihrem Gesicht stand die Ungläubigkeit geschrieben. "Du glaubst doch nicht allen Ernstes..." Sie brachte ihren Satz nicht zu Ende.
Devan hatte den Blickwechsel verfolgt und auch ihr dämmerte es nun. "Das glaube ich einfach nicht!"
"He, immer langsam!" Jordan hob abwehrend ihre Hände.
"Na ja", murmelte Lily leise. "Das ist schon etwas seltsam, findest du nicht?"
"Weshalb sollte ich Dr. Maguire so einen Kinderstreich spielen?" Hinter ihre Augen legte sich ein Schatten.
Devan funkelte sie an. "Das macht Sinn... Ich meine, Sie waren die Einzige, die so spät nachts noch gearbeitet hat..."
"Bitte?" So viel zum Thema gute Laune. Jordan schüttelte den Kopf. "Wisst ihr was? Mir ist das hier echt zu kindisch. Was weiß ich, wer hier Wut auf dich gehabt hat – ich war's nicht."
Sie wandte sich ab und ging mit hartem Schritt davon.

***

"Was für ein Tag!", seufzend ließ sich die junge blonde Frau neben den Detective auf einen Stuhl sinken.
Woody sah sie überrascht an.
"Was machen Sie denn hier?" Er hatte sich extra einen Tisch in einer der hinteren Ecken genommen, weil er lieber allein sein wollte.
Devan bemerkte den abweisenden Ton in seiner Stimme nicht. "Ich habe nach Ihnen gesucht."
"Warum?"
"Na ja..." Sie sah auf ihre Hände. Dann blickte sie ihm direkt in die Augen. "Was läuft da eigentlich zwischen Dr. Cavanaugh und dir?"
"Bitte?" Er wirkte überrascht. "Wir... wir sind gute Freunde. Wieso?"
"Den Blumenstrauß, den du mir gestern geschenkt hast... Sie hat ihn zerrupft und in einem Büro verstreut."
"Jordan?" Er zögerte. "Wieso sollte sie so etwas tun?"
Devan zuckte kurz mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Als wir sie zur Rede gestellt haben, wirkte sie irgendwie... eifersüchtig."
"Eifersüchtig?", wiederholte Woody.
Sie nickte. "Und sie hat es abgestritten. Das mit dem Strauß."
Woody sah sie mit merkwürdig dunklen Augen an. "Weißt du, Devan", meinte er schließlich. "Ich dachte erst, dass du und Jordan völlig verschieden seid."
Devan zog ihre Augenbrauen nach oben, sagte jedoch nichts.
"Ich meine, Jordan ist so ernst und macht aus ihrem Leben ein Geheimnis. Du verstrahlst gute Laune und erinnerst mich daran, wie ich ebenso blauäugig als Polizist anfing." Er schien kurz zu überlegen. "Und dann habe ich festgestellt, dass das gar nicht stimmt. Ihr beide habt viel mehr gemeinsam, als ihr glaubt. Du bist genauso neugierig und ehrgeizig wie sie, ebenso lebensmüde – und auch das mit dem auf die Nerven gehen bekommst du schon ganz gut hin."
"Ich bin aber nicht Jordan", meinte Devan leise.
"Ich weiß. Und deshalb solltest du nicht einfach so über sie urteilen."
Devan sah ein wenig verletzt aus. Doch Woody bemerkte es nicht. Er legte einen Geldschein auf den Tisch und stand auf.
"Wir sehn uns", murmelte er und war gegangen, bevor sie etwas erwidern konnte.

***

Es regnete. Wieder einmal. Jordan saß an ihrem Schreibtisch und ließ sich das Gespräch des Vortages noch einmal durch den Kopf gehen. Irgendwie tat ihr die junge Gerichtsmedizinerin leid. Sie war neu und unerfahren. Jordan erinnerte sich nur zu gut daran, wie es für sie war, als blutiger Anfänger.
Mit einem kurzen Handgriff hatte sie ihre Jacke von der Lehne geangelt und war auf dem Weg in ihre Mittagspause. Sie hatte da so einen Verdacht.

"Klopf klopf." Sie lehnte sich gegen den Türrahmen und grinste ihn an.
Woody sah von seinen Unterlagen auf. Er sah überrascht aus.
"Jordan? Komm rein..."
"Hier." Jordan hielt ihm eine Papiertüte hin und lächelte. "Ich hab dir zwei Schokomuffins mitgebracht."
"Danke." Woody nahm die Tüte entgegen und stellte sie neben dem Telefon ab. Jordan setzte sich auf den freien Stuhl ihm gegenüber.
"Und, was macht die Arbeit?"
"Geht so." Er wirkte merkwürdig angespannt. Also würde sie es kurz machen.
"Ich finde, du solltest dich bei Devan entschuldigen."
"Wie bitte?" Woody sah sie an, und sie konnte nicht deuten, was dieser Ausdruck in deinem Gesicht sollte.
"Ich meine", fuhr sie fort, "es macht mir ja nichts aus, dass sie mich beschuldigt. Aber ich finde doch, du solltest ihr die Wahrheit sagen."
Woody ließ resigniert die Schultern hängen. Jordan nahm sich einen Muffin aus der Tüte und bröckelte ein Stückchen ab. Geduldig auf seine Antwort wartend schob sie es sich in den Mund.
"Du hast Recht", meinte er schließlich.
Eine Weile herrschte Schweigen.
"Woher wusstest du es?", wollte Woody wissen.
Jordan lächelte mild. "Ich hab an dem Tag durchgearbeitet und dich mitten in der Nacht noch mal kommen sehen. Ich dachte, du hattest was vergessen."
Woody seufzte. "Willst du gar nicht wissen, warum?"
"Nein", meinte sie schlicht.
Sie wusste auch ohne seine Worte, weshalb er den Blumenstrauß so zerpflückt hatte. Den ganzen Tag über hatte sie ihn ignoriert, war zu sehr mit all den Lästigkeiten beschäftigt, die ihre Vertretung von Dr. Macy mit sich brachte. Vielleicht hatte er ihren Blick gesehen, als er die Gerichtsmedizin verlassen und laut "Devan hatte in Mathe nur 'ne Zwei" gerufen hatte. Sie musste für eine Sekunde verletzt ausgesehen haben. Ihr hatte er noch nie Blumen geschenkt. Und selbst, wenn es ihm nicht aufgefallen war...
Jordan wusste genau, was er für sie empfand. Auch wenn es ihr unangenehm war. Vielleicht hatte er sich schuldig gefühlt, vielleicht war er auch nur Frustration der Auslöser gewesen. Frustration wegen Jordan. Er war ausgerastet. Und Devan musste darunter leiden.
"Es tut mir Leid." Er sprach leise und sah sie direkt an.
"Dass solltest du Devan sagen, nicht mir."
"Das meinte ich nicht."
"Oh." Jordan begriff. Und wieder war da dieses Unbehagen. "Woody, es... Es ist völlig okay, wenn du mit Devan befreundet bist. Oder ihr Blumen schenkst, oder mit ihr einen trinken gehst. Du brauchst dich dafür nicht zu entschuldigen, ehrlich."
Woody nickte. "Klar. Schließlich sind wir nur Freunde."
Jordan nahm die Spur Zynismus in seiner Stimme nicht wahr. Obwohl sie denselben Satz schon so oft gesagt hatte, tat er ihr aus seinem Mund irgendwie weh.
"Ich meine", fügte er hinzu, "ich mag Devan."
Der nächste Stich.
"Sie ist dir ziemlich ähnlich, in vielen Dingen."
Und noch einer. Ersetzbarkeit tat weh.
"Und trotzdem... Devan macht aus ihrem Leben kein Geheimnis. Und das ist irgendwie... langweilig."
Hatte er das Messer gerade wieder herausgezogen? Jordan sah ihn dankbar lächelnd an. Sie hatte verstanden.
"Hmm...", meinte sie und ein Grinsen schlich auf ihr Gesicht. "Was hältst du davon, wenn wir heute Abend was Essen gehen."
Woody zögerte. "Du meinst... ein Date?"
Jordan zuckte mit den Schultern. "Kommt ganz darauf an..."
"Worauf?"
"Ob du Blumen mitbringst, oder nicht."
Jetzt musste auch er grinsen.
"Aber vorher", stellte er fest, "muss ich mich noch bei jemandem entschuldigen gehen."
Und dann würde er einen großen Strauß Blumen kaufen. Unzerpflückt.

Ende
Zuletzt geändert von ZoeP am 04.12.2006, 23:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Lullaby

Rating: PG-13
Kurzzusammenfassung: Woody weiß nicht, wie er mit Devans Tod umgehen soll. Also geht er zu Jordan, um sich auszusprechen.
Spoiler: spielt nach 4.08 „Feuerball“
Disclaimer: Die Charaktere von Crossing Jordan gehören nicht mir, ich borge sie mir lediglich für diese Fanfic aus. Ich verfolge keinerlei kommerziellen Nutzen mit dem Verfassen dieser Story, sie wurde lediglich zum Vergnügen anderer Fans geschrieben. Wie immer.
Anmerkung: Ich habe Devan nie besonders gemocht, weil sie für mich genau den Typ amerikanisches Püppchen verkörpert, den ich verachte. (Ich will damit keine Diskussion über Devan starten - sie hat auch ihre guten Seiten!). Und sie hatte ihr Schicksal nicht verdient, deshalb zolle ich ihr mit dieser FF den Respekt, der ihr zusteht. Auf meine Art. Diese FF setzt voraus, dass man die Charaktere Jordan und Woody kennt, denn sie beschäftigt sich nicht damit, irgendwelche Handlungen zu erklären oder zu rechtfertigen, sondern einfach einen Gedankengang zu verfolgen, der ebenso geschehen könnte. Lange Rede - jetzt der Sinn: Viel Spaß beim Lesen ;)

~*~*~*~

Jordan hatte gerade geduscht und sich bequeme Sachen angezogen, als es klopfte. Sie nahm sich ein Handtuch und legte es sich um die Schultern, denn ihre Haare waren noch nass. Dann warf sie einen Blick auf die Uhr. Kurz nach viertel elf.
Seufzend ging sie zur Tür und öffnete sie.
Vor ihr stand Woody, in einer alten Jeans, einem zerknitterten Shirt und einer Jacke in der Hand. Sein Gesicht war gekennzeichnet durch dünne Bartstoppeln und dunkle Ringe unter den Augen. Er sah schrecklich aus.
"Woody, was...?" Sie sah ihn kurz an und schüttelte dann den Kopf. Die Frage konnte sie sich sparen. "Komm rein."
Woody folgte ihr wortlos in ihr Apartment und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Dann ließ er sich auf das Sofa sinken. Jordan ging zu ihrer Küchenzeile.
"Möchtest du etwas trinken?"
Woody sah zu ihr herüber und schüttelte den Kopf.
"Ich versteh es einfach nicht", meinte er dann. Jordan goss sich selbst ein Glas Wasser ein, bevor sie sich zu ihm setzte. Natürlich nicht. Keiner von ihnen konnte es begreifen. Es war einfach nicht richtig, dass eine junge Frau wie Devan auf diese Weise starb.
Doch Jordan wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte Devan nicht besonders gemocht und jedes Mal einen beißenden Stachel der Eifersucht in sich gespürt, wenn sie mit Woody ausging oder mit ihm flirtete - und er es auch noch erwiderte. Aber deshalb hatte sie doch noch lange nicht verdient, dass so etwas geschah.
"Es ist einfach nicht fair", begann Woody erneut und sah auf seine Hände, die er im Schoß verschränkt hatte. "Sie hätte gar nicht in dem Flugzeug sein sollen."
Jordan nickte. "Es war ein schrecklicher Unfall."
Woody sah sie an und plötzlich veränderte sich der Ausdruck auf seinem Gesicht. "Es tut mir Leid, Jordan."
"Was?"
Er räusperte sich. "Dass ich damit ausgerechnet zu dir komme."
Jordan legte ihre Hand auf seine. "Das ist schon okay."
"Es ist nur so", versuchte er, sich zu erklären, "dass ich nicht viele Freunde in Boston habe. Wenn es jemand anderes gewesen wäre, dann wäre ich bestimmt nicht zu dir gekommen, sondern..."
"Zu Devan?", beendete sie seinen Satz.
"Ja", meinte Woody, wurde sich dann jedoch dessen bewusst, wie das klang. "Nein, so meinte ich das nicht. Ich wollte sagen..."
Jordan brachte ihn mit einer kurzen Handbewegung zum Schweigen. Obwohl seine Bemerkung wehtat, ignorierte sie das Gefühl. Er war im Moment einfach zu hilflos und verwirrt.
"Ich sagte doch, es ist in Ordnung. Eine gute Freundin ist gestern gestorben und du solltest wirklich mit jemandem darüber reden."
Woody warf ihr einen dankbaren Blick zu. Dann vergrub er das Gesicht in den Händen und seufzte.
"Eigentlich hatte ich gar nicht vor, herzukommen. Ich musste einfach raus und bin durch die Gegend gelaufen. Es gibt Momente, da wirkt das alles so unwirklich. Als wäre es gar nicht passiert."
Jordan nickte. Das Gefühl kannte sie nur allzu gut. "Man fühlt sich plötzlich leicht und denkt, man verkraftet das schon, so schlimm ist es gar nicht. Aber wenige Augenblicke später fühlt man sich, als würde man erdrückt werden von der Last. Man versucht alles, nur um das Gefühl loszuwerden, aber es geht nicht."
Woody sah erstaunt zu ihr auf. "Genau."
"Ich habe meine Mutter verloren...", erinnerte ihn Jordan auf seinen fragenden Blick hin. "Das Gefühl vergisst man nicht."
Woody schwieg. Er starrte eine Weile ins Nirgendwo und schien zu überlegen. Jordan wollte seine Gedanken nicht unterbrechen, also schwieg sie ebenfalls. Das hier war nicht leicht. Sie hatte seit dem Unfall mit Schuldgefühlen gekämpft, weil sie Devan am Telefon einfach so abgewimmelt hatte. Und Woody jetzt so erschöpft und verzweifelt zu sehen, war wie Salz in der offenen Wunde.
Er hatte ihr an jenem Tag etwas zu Essen ins Institut gebracht. Ein Ritual, das früher ihm und Jordan gehört hatte. Und nun war er hier, weil er über Devan reden wollte. Natürlich waren Jordans Gefühle momentan zweitrangig, aber sie war doch irgendwie verletzt.
Nach einer ganzen Weile sah Woody sie wieder an.
"Weißt du, was das Schlimmste an der ganzen Sache ist?"
Jordan zog ihre Augenbrauen nach oben.
"Dass ich mich so schuldig fühle."
"Oh Gott Woody, niemand kann etwas dafür, wenn solche Dinge passieren..."
"Das meine ich auch nicht. Es gab einfach so viel zwischen uns, das unausgesprochen blieb. Und jetzt kann ich ihr all das nicht mehr sagen."
In Jordans Hals bildete sich ein Kloß. Sie wollte nun wirklich nicht hören, dass Woody Devan seine Liebe gestehen wollte oder etwas dergleichen. Aber er war ihr Freund und sie würde für ihn da sein. Und wenn es das war, worüber er reden wollte... Schließlich hatte sie kein Recht, ihm Vorwürfe zu machen, weil er sich für Devan interessiert hatte. Jordan hatte ihn ja oft genug zurückgewiesen.
"Vielleicht hilft es dir, wenn du es jemand anderem sagst", schlug Jordan vor.
Woody sah sie einen Augenblick lang an und schien ernsthaft zu darüber nachzudenken, doch dann schüttelte er seufzend den Kopf. "Ich glaube nicht."
"Okay." Jordan drehte das Wasserglas in ihren Händen. Sie wusste wirklich nicht, was sie sagen konnte, um ihm zu helfen.
Erneut schwiegen sie sich an. Jordan warf hin und wieder einen Blick zu Woody, um irgendein Zeichen zu finden, was in ihm vorging. Doch seine Miene war starr und fast schon emotionslos auf den Boden gerichtet. Nach einer ganzen Weile räusperte er sich leise.
"Jordan, ich war vorhin nicht ganz ehrlich..."
"Wobei?"
"Als ich sagte, ich wäre nur durch Zufall hergekommen."
"Okay."
Er blickte zu ihr auf und sie konnte erkennen, dass er mit sich kämpfte. Er wollte ihr etwas sagen, konnte jedoch aus irgendeinem Grund nicht.
"Weißt du..." Er zögerte. "Dass Devan gestorben ist, hat mir gezeigt, wie vergänglich alles ist."
Oh. Was sollte man darauf antworten? Woody schien keine Antwort zu erwarten, denn er sprach weiter.
"Sie war interessiert an mir, weißt du?"
"Oh, wirklich?", meinte Jordan, doch Woody entging der sarkastische Unterton in ihrer Stimme.
"Und ich habe sie abblitzen lassen."
Das war Jordan allerdings neu.
"Wir hatten einen Streit deshalb und sie ist wütend gegangen. Als ich ihr neulich den Snack vorbeigebracht habe... Na ja, das war eine Art Friedensangebot. Aber sie war nicht da. Sie war..." Woody stockte. Dann sah er zu Jordan und in seinem Blick lag tiefe Verzweiflung. "Oh Gott, Jordan. Sie ist gestorben, bevor ich mich entschuldigen und ihr erklären konnte, dass es nicht an ihr lag. Wir haben uns gestritten und sie wird nie erfahren, dass es mir Leid tut."
Jordan verstand seinen Schmerz. Es musste schrecklich sein, wenn die letzte Erinnerung an einen Menschen ein heftiger Streit war. Es war kein Wunder, dass Woody sich solche Vorwürfe machte. Sie hatte Devan schließlich auch furchtbar behandelt, und dann nie wieder mit ihr gesprochen. Wenn sich Jordan schon so unwohl deshalb fühlte, was musste dann erst in Woody vorgehen?
"Woody, hör mal, ich weiß wie du dich fühlst, aber..."
"Nein", unterbrach er sie leise. "Nein, das kannst du nicht wissen. Ich bin hergekommen, weil ich mit dir über so vieles reden wollte. Aber ich finde keinen Anfang."
"Oh..." Also waren seine Schuldgefühle noch nicht alles, das ihn von Innen zu zerfressen schien. Jordan spürte tiefes, ehrliches Mitleid für ihn.
"Und selbst wenn ich alles gesagt habe... Das wird vielleicht nichts ändern."
Jordan lächelte leicht. "Einen Versuch ist es wert, oder?"
Woody blickte sie an. Dann nickte er. "Ich habe vorhin gesagt, dass mir klar geworden ist, wie schnell man jemanden verlieren kann. Jordan, ich habe Angst, dich auch zu verlieren."
"Woody, du..."
Er unterbrach sie mit einem Kopfschütteln. "Nein. Lass mich bitte ausreden, sonst verlier ich den Mut."
Sie lehnte sich zurück und nickte.
"Nachdem du mir mehrfach deutlich zu verstehen gegeben hast, dass zwischen uns niemals etwas sein wird, habe ich aufgegeben. Es war hart, aber ich habe es akzeptiert. Und dann kam Devan, die genauso intelligent, humorvoll und engagiert in ihrem Beruf war, wie du. Und sie war nicht so kompliziert."
Jordan spürte wieder das brennende Gefühl in der Magengegend. Jeder war ersetzbar, früher oder später. Woody sah sie nicht an, während er sprach.
"Also habe ich mich darauf eingelassen. Ich begann, sie wirklich zu mögen. Doch als sie wissen wollte, wie ernst es mit uns beiden ist, da begriff ich etwas. Ich hatte sie nur als Ersatz gewählt, der einfach zu haben war. Und das hatte sie nicht verdient. Also sagte ich ihr, dass wir zwei wohl nur gute Freunde bleiben würden. Ich kam nicht dazu, ihr zu erklären, dass es mir Leid tut und dass ich noch immer an dir hänge."
Erst jetzt sah er Jordan an. Sie hatte ihren Kopf mit einer Hand auf der Lehne aufgestützt und schien nachzudenken.
"Jordan... Ich weiß, dass es für dich kein uns gibt und dass du mir vielleicht nicht glaubst, weil du denkst, ich würde mich mit dir nur über Devans Tod hinwegtrösten wollen. Aber ich wollte dass du weißt, was in mir vorgeht, bevor es aus irgendeinem Grund zu spät sein könnte."
Sie sah ihn eine ganze Weile nur an. Dann biss sie sich auf die Unterlippe.
"Woody, das..." Sie brach ab. Er hatte sie mit seinen Worten tief berührt. Sie verstand jetzt, womit er sich so gequält hatte. Wie konnte er Gefühle für sie haben, ohne sich wegen Devan schuldig zu fühlen... Jordan sah ihn an. Sah den Schmerz in seinen Augen und die Hoffnung, die dahinter schimmerte. Sie begriff, wie sehr gelitten haben musste, weil sie ihn so abweisend behandelt hatte, immer und immer wieder. Und sie spürte auch, dass Devans Tod sie alle verändert hatte. Das Leben war endlich, von heute auf morgen. Ebenso wie die Chancen, die man erhielt, die Dinge richtig zu machen. Jordan hatte soeben eine zweite Chance erhalten.
Ganz langsam kam sie ihm näher. Zögernd legte sie ihm eine Hand auf die Wange und strich mit dem Daumen darüber. Dann näherte sie sich seinem Gesicht und legte ihre Lippen auf seine. Woody schloss seine Augen, fühlte sich verwirrt und verletzbar. Zögernd legte er seine Arme um ihre Hüften, strich ihr sanft mit der Hand über den Rücken und erwiderte den Druck ihrer Lippen. Der Kuss war zart und vorsichtig, wie eine unbeantwortete Frage. Für eine Weile schienen sie sich darin zu verlieren, doch dann löste sich Jordan leicht von Woody.
Stirn an Stirn sahen sie sich an. Woody lächelte schwach. "Ist das hier... ein Anfang?"
Jordan erwiderte sein Lächeln. "Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht noch nicht."
Er vergrößerte den Abstand zwischen ihnen und legte die Stirn in Falten.
"Ich weiß, dass du all das ernst gemeint hast, was du vorhin sagtest", meinte Jordan. "Aber ich möchte wirklich nicht nur da sein, um deinen Schmerz zu betäuben."
Woody wollte ihr widersprechen, doch sie hielt ihn davon ab.
"Du solltest nach Hause gehen und trauern. Devan war eine gute Freundin und sie verdient es, dass du um sie trauerst. Und dann, wenn du dich nicht mehr ganz so schuldig fühlst... Dann sehen wir weiter."
Dass sie immer noch lächelte gab ihm Hoffnung.
Er richtete sich auf und nickte. "Du hast Recht."
Jordan stand ebenfalls auf und begleitete ihn zur Tür. Woody strich ihr eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Danke."
Ein Lächeln war ihre Antwort. "Jederzeit."
Sie neigte sich zu ihm und gab ihm einen zarten Abschiedskuss.
"Schlaf gut, Woody."
"Du auch."
Sie schloss die Tür hinter ihm, nahm sich das Handtuch und begann, sich die Haare abzutrocknen. Die Situation war für sie alle nicht einfach. Devan würde auch ihr fehlen, auf eine seltsame Art und Weise. Aber vielleicht gab es für sie beide tatsächlich einen neuen Anfang. Die Zeit würde es zeigen.

Ende
Zuletzt geändert von ZoeP am 04.12.2006, 23:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Regen

Rating: PG
Kurzzusammenfassung: Was spielte sich zwischen Jordan und Woody ab, nachdem sie einfach davonngerannt war?
Spoiler: Reddings Geheimnis, Teil 1+2; spielt direkt danach
Disclaimer: Die Charaktere von Crossing Jordan gehören nicht mir, ich borge sie mir lediglich für diese Fanfic aus. Ich verfolge keinerlei kommerziellen Nutzen mit dem Verfassen dieser Story, sie wurde lediglich zum Vergnügen anderer Fans geschrieben. Wie immer.
Anmerkung: Meine erste CJ Fanfic. Kam spontan über mich, nachdem ich sie so einsam durch den Regen rennen sah, am Ende der ersten Staffel. Sagt mal, gibt es da draußen überhaupt Crossing Jordan FF Schreiber? Habe noch keine entdeckt ;) Feedback willkommen.

~*~*~*~

Sie merkte nicht, wie der Regen sie unaufhaltsam begleitete, sie einhüllte, sie zu warnen schien. Sie merkte auch nicht, wie die Scheinwerferkegel der Autos sie streiften, während sie den Bürgersteig entlang rannte. Alles, was sie spürte, war der Schmerz und die Verzweiflung. Sie rannte weiter, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Sie musste hier weg, musste weg von dem Ort, an dem sie alles an den Tod ihrer Mutter erinnerte. Den Mord an ihrer Mutter.
Und sie musste hier fort, um ihn aufklären zu können.
Ihre Schritte wurden langsamer. Tief durchatmend blickte sie sich um. Weit und breit nichts, als graue Regenschleier, die ein seltsames Gemisch mit den Lichtern der Stadt bildeten.
"Jordan!"
Die Stimme holte sie ruckartig in die Realität zurück. Sie drehte sich um und erkannte, wie er auf sie zugerannt kam. Mit jedem seiner großen Schritte wurde die Silhouette deutlicher.
"Jordan", wiederholte er, diesmal sanfter, fast schon beruhigend. Auch er musste erst ein paar Mal tief durchatmen. Als sein Puls sich normalisiert hatte, sah er sie an.
"Du kannst das nicht alleine durchziehen."
Keine Antwort. Jordan presste ihre Lippen aufeinander und schien Ordnung in ihre Gedanken bringen zu wollen.
"Nicht in deinem Zustand."
Noch immer erwiderte sie nichts. 'Ich kann nicht!', hatte sie vorhin gesagt, als er sie bat, sich ihm anzuvertrauen. Was musste sie alles durchgemacht haben, um so am Ende zu sein? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass sie ihm viel bedeutete. Er wollte ihr helfen.
"Woody…" Sie blickte ihn an und er erkannte den Schmerz in ihre Augen. "Das ist wirklich lieb, aber…" Sie klang erstaunlich gefasst. Er wusste es besser, hatte in den letzten Wochen verstanden, dass sie nicht immer so stark war, wie sie tat.
"Hey", er legte ihr eine Hand auf die Wange. "Jordan, ich tue das doch nicht einfach so. Ich tue es, um dir zu helfen. Ich weiß nicht, was passiert ist, ich weiß auch nicht, warum du es mir verschweigst." Seine Augen trafen ihre und er sah deutlich, wie sie mit sich kämpfte. "Weißt du, als ich dich kennen gelernt habe, warst du eine selbstbewusste, bewundernswerte Frau, die so voll Energie war und ihre Arbeit geliebt hat… Ich möchte, dass du wieder zu dieser Frau werden kannst, ich wünsche mir, dass du dich nicht mehr quälen musst."
Eine Träne lief ihre Wange hinunter und vermischte sich mit dem Regen.
"Woody…" Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Hand, schloss kurz die Augen. Dann sah sie ihn wieder an. "Ich… Ich weiß einfach nicht mehr, was ich glauben soll. Ich weiß nicht mehr, wem ich vertrauen kann." Ihre Worte klangen hilflos, verzweifelt. Sie wirkte so schwach und schutzlos, dass Woody sie zu sich zog und einfach in die Arme nahm. Anfangs wehrte sie sich innerlich dagegen, spannte jeden Muskel an und versteifte sich. Doch als sie seine Hand spürte, die ihr beruhigend über den Rücken strich, löste sich ihre Starre und sie vergrub ihr Gesicht in seiner Jacke.
Von Weinkrämpfen geschüttelt und nicht fähig, etwas zu sagen, krallte sie sich einfach an Woody fest, versuchte, nicht nachzudenken. Er konnte ihr so viel geben, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Mit dieser einfachen Umarmung, die doch so vieles mehr war, ließ er sie die Nähe spüren, die sie so dringend brauchte, nach der sie sich sehnte.
Nach einer Weile löste sich Jordan von ihm und sah ihn an.
"Danke."
Er schüttelte den Kopf. "Jordan, ich..." Er senkte seinen Blick.
"Ich weiß", meinte sie. Sie hob ihre Hand und fuhr ihm mit den Fingerspitzen über die Wange. "Ich weiß."
Ihre Augen wanderten durch den Regen und dann ging sie langsam weiter. Er folgte ihr. Schweigend liefen sie nebeneinander her.
Jordan spürte, dass Woody ab und zu seinen Kopf hob, um sie anzusehen. Er schien auf eine Reaktion von ihr zu warten, ein Zeichen, irgendetwas.
Der Regen wurde schwächer. Einige Minuten gingen sie weiter die Straße entlang. Ab und zu kam ihnen ein Auto entgegen. Jordan verlangsamte ihre Schritte und blickte ihn an, erkannte deutlich die Sorge in seinen Augen.
Dann nickte sie.
"Okay."
"Okay?"
Ein weiteres Nicken.
"Komm mit mir." Sie sah ihn nicht an, blickte zu Boden. "Ich kann dir jetzt einfach noch nicht alles sagen. Du musst mir Zeit geben. Aber vielleicht ist es ein Anfang, wenn du mitkommst."
Woodys Blick hellte sich auf. Ein Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus und er umarmte sie kurz, nur, um sie gleich darauf erschrocken wieder loszulassen.
"Oh. Sorry. Ich wollte nicht..."
Jordan grinste leicht und sah erneut zu Boden. Dann blickte sie plötzlich in den Himmel, als hätte sie jetzt erst festgestellt, dass der Regen nachgelassen hatte.
"Vielleicht sollten wir uns umziehen. Ich bin klatschnass."
Woody nickte grinsend. Er wusste es. Irgendwo da drin steckte noch immer etwas, von der Jordan, die er kannte. Die er liebte.

Ende
Zuletzt geändert von ZoeP am 04.12.2006, 23:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Sandkastenliebe

Rating: PG
Kurzzusammenfassung: Ein Ausflug in Woodys Vergangenheit - und einer Begegnung, die schon lange zurückliegt.
Spoiler: keiner, aber viele Kleinigkeiten sind Anspielungen auf "Sackgasse Hollywood"
Disclaimer: Die Charaktere von Crossing Jordan gehören Tailwind Productions und den NBC Studios, ich borge sie mir lediglich für diese Fanfic aus. Ich verfolge keinerlei kommerziellen Nutzen mit dem Verfassen dieser Story, sie wurde lediglich zum Vergnügen anderer Fans geschrieben.
Anmerkung: Dieser kleine Ausflug in die Vergangenheit kam so spontan über mich, obwohl ich mitten in Teil 5 von "Drückende Dunkelheit" stecke. Doch wenn ich die Story jetzt nicht aufschreibe, komme ich damit nie weiter. Ich habe mich schon immer gefragt, wie Woody wohl aufgewachsen ist, als "Farmboy" in Wisconsin. Und dann wurde daraus diese Gedankenspielerei. Man muss "Sackgasse Hollywood" nicht gesehen haben, aber einige Kleinigkeiten bekommen mehr Bedeutung, wenn man die Episode kennt.

~*~*~*~

Die Sonne stand hoch am Himmel.
Der kleine Junge, der einsam auf einer der Schaukeln saß, hob eine Hand und legte sie schützend über seine Augen. Sein Blick wanderte in die Ferne. Wie gerne würde er dort einfach über das Feld rennen, in die unendliche Weite.
Seufzend senkte er den Blick, zurück zu seinen Schuhen. Er scharrte mit den Füßen im grauen Sand. Ein Windstoß kam auf und zog über das angrenzende Feld und wog die gereiften Ähren, als fordere er sie zum Tanz auf. Von weit her brachte er den leisen Klang von Kinderlachen mit.
Der kleine Woodrow biss sich auf die Unterlippe. Auf dem Fußballfeld am anderen Ende der kleinen Stadt, in der er wohnte, bildeten sie Mannschaften und traten gegeneinander an. Nur ihn wollte man nicht mitspielen lassen. Er sei ein Weichei, rief man ihm nach.
Wie oft hatte er schon davon geträumt, später mal Polizist zu werden. Dann würde er es allen zeigen. Feuerwehrmann, das ginge auch, doch er hatte zu viel Angst vor den heimtückischen, züngelnden Flammen, die ihm letztes Jahr bei dem großen Scheunenbrand seinen Großvater genommen hatten. Den Vater seiner Mutter, nach dem man ihn benannt hatte. Er hatte seinen Enkel stets Woody genannt, mit einer warmen, rauen Stimme, wie nur Großväter sie haben können.

Als der Windstoß vorbeigezogen war, fiel plötzlich ein Schatten auf Woodys Füße.
Er sah auf und blickte direkt in die fröhlichen Augen eines jungen Mädchen, das vielleicht zwei, drei Jahre älter war, als er.
"Hallo", meinte sie und grinste.
"Hallo", erwiderte er scheu. Er hatte sie noch nie hier gesehen. "Bist du neu hier?"
Sie schüttelte den Kopf und ihre schulterlangen, dunklen Haare wirbelten in einer sanften Bewegung mit.
"Ich mache mit meiner Mom Urlaub." Sie setzte sich auf die Schaukel neben ihm und begann, leicht zu schwingen. Eine Weile sah sie ihn schräg von der Seite an.
"Warum spielst du nicht mit den anderen Kindern?" Sie nickte in die Richtung, aus der ab und zu das fröhliche Lachen zu hören war.
Woody zuckte mit den Schultern und kaute auf seiner Unterlippe. "Die wollen mich nicht."
Das Mädchen schenkte ihm einen mitfühlenden Blick. "Ich weiß, was du meinst. In meiner Klasse wollen sie mich auch nicht mitspielen lassen. Sie sagen, meine Mom ist verrückt."
Woody sah sie interessiert an. "Und?"
"Was?"
"Ist sie?"
"Verrückt? Nein." Sie machte eine Pause und zog nachdenklich die Stirn in Falten. "Manchmal ist sie ein bisschen traurig."
"Aber jetzt hat sie ja Urlaub", meinte Woody, denn für ihn stand fest, dass man im Urlaub einfach nicht traurig sein konnte.
"Genau", stimmte ihm das Mädchen zu.
Eine Weile schwiegen sie und schwangen sich sanft hin und her, jeder in seinem eigenen Tempo.
"Sag mal", begann der Junge nach einiger Zeit und diesmal sah er sie von der Seite an. "Warum ist dein Papa nicht mit euch im Urlaub?"
Ihr Blick war in die Ferne gerichtet und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. "Mein Daddy und meine Mom hatten Streit, bevor wir her gekommen sind. Er hatte keine Zeit für Urlaub, weil er immer damit beschäftigt ist, böse Menschen zu fangen."
Woody strahlte plötzlich. "Ich will auch mal Cop werden. Dann kann ich die ganze Welt sehen."
Ein Lachen war ihre Antwort. "Bist du denn mutig genug?"
Das war eine Beleidigung. "Natürlich!"
"Na schön..." Sie grinste herausfordernd und in ihren Augen blitzte es. "Wer am weitesten von der Schaukel springen kann!"
Woody brauchte einen Moment, eher er begriff, was sie meinte. Er wollte widersprechen, denn er hatte ein bisschen Höhenangst. Doch wenn er das jetzt zugeben würde, dann würde sie ihn bestimmt auch für einen Feigling halten und zu den anderen Kindern gehen. Das wollte er nicht. Also machte er ein paar Schritte rückwärts, die Schaukel im Rücken. Dann stieß er sich ab und ließ sich fallen. Mit der Schaukel unter sich schwang er vorwärts, viel zu schnell und viel zu hoch. Energisch holte er Schwung, wieder und wieder.
Das Mädchen war bereits so hoch, dass die Ketten der Schaukel fast waagerecht waren. Mit einem fröhlichen Aufschrei löste sie ihre Hände und flog vorwärts durch die Luft. Geschickt landete sie mit beiden Beinen im Schotter.
Woody wurde schwindelig. Und doch gab er nicht auf. Als er eine in seinen Augen ungeheuer gefährliche Höhe erreicht hatte, holte er tief Luft. Und dann ließ er einfach los. Für einen Moment glaubte er, zu fliegen. Er war schwerelos, und konnte alles erreichen, was er nur wollte. Woody schloss die Augen. Eine Erinnerung durchströmte ihn, warm und hell. Zwei starke, gebräunte Hände hielten ihn ganz fest und wirbelten ihn durch die Luft. Die Farben um ihn herum verschwammen und alles, was er sah, waren die gutmütigen Augen seines Großvaters.
Als Woody die Augen wieder öffnete, sah er gerade noch den rauen Boden unter sich näher kommen. Unsanft landete er, mit dem rechten Fuß zuerst. Doch er hatte zu viel Schwung genommen. Wie von einer unsichtbaren Kraft wurde er weiter nach vorn gezogen, versuchte, sich mit den Armen abzustützen, versagte und rutschte durch den Schotter. Die vielen kleinen Steinchen schürften seine Ellenbogen auf, wie Sandpapier.
Endlich stoppte er. Ganz vorsichtig richtete Woody sich auf. Er torkelte einen Moment und musste sich dann wieder hinsetzen. Als er seine Schienbeine sah, erschrak er. Die oberste Hautschicht war komplett abgeschürft und der Dreck brannte in der Wunde, wie Salz. Er hatte versagt.
Und plötzlich, als wäre dieser kleine Unfall nur der letzte Tropfen gewesen, der soeben in seine mit Verwirrung gefüllte Seele getropft war und jetzt einen Ausgang brauchte, lief ihm eine Träne die Wange hinunter.
Eine Hand legte sich von hinten auf seine Schulter und ein milde lächelndes Gesicht schob sich in sein Blickfeld.
"So kriegst du aber nie ein Mädchen ab...", meinte sie leise.
"Hmm?"
"Schau..." Sie zeigte auf die Stelle, an der sie selbst aufgekommen war. "Du bist weiter geflogen als ich. Du hast gewonnen. Und jetzt weinst du. Meine Mom sagt, Jungs die unsicher wirken, kriegen nie ein Mädchen ab."
Woody wischte sie mit dem Ärmel die Träne weg. "Es tat aber weh."
Das Mädchen besah sich seine Beine. Dann zuckte sie mit den Schultern. "Das geht auch wieder weg."
Er nickte schwach und ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen. Dann biss er die Zähne zusammen und stand auf. Die aufgeschürfte Haut brannte und fühlte sie an, als würden tausend Ameisen darüber krabbeln, doch er wollte nicht, dass sie ihn für schwach hielt. Und vor allem wollte er nicht, dass sie der Meinung war, er bekäme nie ein Mädchen ab.
Als er wieder auf beiden Beinen stand, strahlte sie. Dann beugte sie sich zu ihm vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
"Siehst du." Sie lächelte. Dann ging sie zurück zur Schaukel und setzte sich wieder.
Woody lief leicht rot an. Er berührte kurz die Stelle, auf die sie ihre warmen Lippen gelegt hatte. Dann folgte er ihr und ließ sich auf seine Schaukel fallen.
Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie ihn ansah. "Du hast wohl noch nie ein Mädchen geküsst?"
Er schüttelte den Kopf. "Und hast du schon mal einen richtigen Kuss bekommen?"
Jetzt schüttelte sie den Kopf. "Aber ich weiß ganz genau, wie es sein muss", meinte sie dann bestimmt.
"Und wie?", wollte er wissen.
Sie richtete ihren Blick in die Ferne und ein warmer Glanz trat in ihre Augen. "Mein Traumprinz entführt mich zu einem Lagerfeuer. Über uns sind tausend Sterne und nur der Mond schaut uns zu. Wir erzählen uns all unsere Geheimnisse und dann..." Sie schien sich in ihrem Traum zu verlieren. "Dann küsst er mich."
Woody lächelte, als er sie so gedankenverloren in die Unendlichkeit blickend sah. Sie gefiel ihm. Und sie war ganz und gar nicht, wie die anderen Mädchen.
"Weißt du", murmelte er schüchtern. "Ich weiß, wie man ein Lagerfeuer macht. Und ich habe auch Geheimnisse."
"Du?", meinte sie überrascht. "Du bist doch noch grün hinter den Ohren."
Woody zog seine Unterlippe ein. Vielleicht hatte sie Recht.
"Aber weißt du", lenkte sie versöhnlich ein, "du bist echt nett. Ganz anders, als die anderen Jungs."
Er schenkte ihr ein dankbares Lächeln und wollte etwas erwidern, kam jedoch nicht dazu.
"Hier bist du...", rief plötzlich eine Stimme vom Feld her. "Komm, wir wollen weiter."
Das Mädchen drehte sich in die Richtung um, aus der die Stimme kam, und strahlte. Dann ließ sie sich von der Schaukel gleiten.
"Mach's gut", meinte sie an Woody gewandt und rannte dann fröhlich in die Arme der dunkelhaarigen Frau, die am Feldrand stand. Sie drehte sich noch einmal zu ihm um und winkte, bevor sie mit ihrer Mutter hinter dem hohen Getreide aus seinem Blickfeld verschwand.
Woody lächelte und schloss die Augen. Dann ließ auch er sich von der Schaukel gleiten und machte sich auf den Heimweg.
Wahrscheinlich würde er dieses Mädchen nie wieder sehen, aber er wünschte ihr, dass sie ihren Traumprinzen finden und er ihr ihren Kuss am Lagerfeuer schenken würde.

Als Woody den Spielplatz verlassen hatte, kam erneut ein Windstoß auf.
Leiste trug er ein fröhliches Kinderlachen über das Feld.
"Wohin gehen wir jetzt, Mommy?"
"Zurück nach Boston, Jordan."

Ende
theguy

Beitrag von theguy »

Hmm, gut geschrieben. Bin ja nicht so der CJ-Fan, gucke nur ab und an mit meiner Mutter, aber du kannst echt gut schreiben.
Meernixe

Beitrag von Meernixe »

Die Teile gefallen mir sehr gut. Super schön geschrieben. Bin sehr großer J & W fan. Hoffe es geht weiter mit neuen Teilen :D :up:
Antworten

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